Protokoll der Sitzung vom 13.09.2012

Wissen Sie eigentlich, in welchem Zeitraum die Kassenkredite der Kommunen in Nordrhein

Westfalen, die Sie gerade so ausschweifend beziffert haben, verdoppelt wurden? – In den Jahren zwischen 2005 und 2010 stiegen die Kassenkredite in Nordrhein-Westfalen von 10 Milliarden € auf über 20 Milliarden € und haben sich damit mehr als verdoppelt, Frau Fasse. Jetzt können Sie gerne noch einmal nachdenken, welche Koalition zu dieser Zeit regiert hat.

Und dass sich diese Kassenkredite verdoppelt haben, hat damit zu tun, dass Ihre alte Landesregierung mit klebrigen Fingern ganz systematisch in die kommunalen Kassen gegriffen hat und die kommunale Finanzdecke noch einmal zusätzlich löchrig gemacht hat. Das ist die Tatsache, Frau Fasse.

Deshalb geht es jetzt darum, mit diesem Gesetz dafür zu sorgen, dass angesichts einer solchen kritischen Situation der kommunalen Finanzausstattung Fairness zwischen den jeweiligen Gebietskörperschaften herrscht. Dazu dient dieses Gesetz.

Ich danke den Fraktionen von SPD, Grünen und FDP außerordentlich für diesen eingebrachten Gesetzentwurf, der hoffentlich gleich eine Mehrheit finden wird. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister. – Kolleginnen und Kollegen, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit schließe ich die Beratung zu Tagesordnungspunkt 2.

Wir kommen zur Abstimmung. Zur Orientierung: Wir haben drei Abstimmungen durchzuführen: zum einen über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion der FDP, zum Zweiten über den Gesetzentwurf in der Fassung der Beschlussempfehlung des Fachausschusses und drittens über den Ent

schließungsantrag der Fraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und der FDP.

Ich komme zur ersten Abstimmung, der über den Änderungsantrag der Fraktionen der SPD, Bündnis 90/Die Grünen und der FDP Drucksache 16/868. Wer diesem Änderungsantrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP. Wer stimmt dagegen? Das sind die Fraktion der CDU und die Fraktion der Piraten. – Gibt es Stimmenthaltungen?

(Minister Ralf Jäger [SPD]: Einige wenige!)

Bei einer Enthaltung ist der Änderungsantrag mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis angenommen.

Ich komme zweitens zur Abstimmung über den Gesetzentwurf Drucksache 16/46 – Neudruck. Der Ausschuss für Kommunalpolitik empfiehlt in der Beschlussempfehlung Drucksache 16/825, den Gesetzentwurf in der jetzt veränderten Fassung anzunehmen. Wer diesem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP. Wer stimmt dagegen? – Das sind die Fraktion der CDU und die Piraten. Wer enthält sich? – Bei einer Enthaltung aus der Fraktion der Piraten ist die Beschlussempfehlung angenommen und damit der Gesetzentwurf in der zweiten Lesung verabschiedet.

Wir kommen zur dritten Abstimmung, der über den Entschließungsantrag der Fraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP Drucksache 16/869. Wer diesem Entschließungsantrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP. Wer stimmt dagegen? – Die Fraktion der CDU und die Fraktion der Piraten. Gibt es Stimmenthaltungen? – Zwei Stimmenthaltungen aus der Fraktion der Piraten. Damit ist der Entschließungsantrag mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis ebenfalls angenommen.

Wir sind am Ende des Tagesordnungspunktes 2.

Ich rufe auf:

3 Gesetz zur Stärkung des kommunalen Ehren

amtes und zur Änderung weiterer kommunalverfassungsrechtlicher Vorschriften

Gesetzentwurf der Fraktion der SPD, der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Fraktion der FDP Drucksache 16/48 – Neudruck

Änderungsantrag der Fraktion der SPD, der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Fraktion der FDP Drucksache 16/870

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Kommunalpolitik Drucksache 16/826

zweite Lesung

Ich erteile für die antragstellenden Fraktionen zuerst Herrn Kollegen Börschel für die SPD das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich freue mich sehr, dass wir uns heute endgültig zum letzten Mal mit dem Gesetzentwurf zur Stärkung des kommunalen Ehrenamtes befassen. Das kommunale Ehrenamt hat über viele Jahre nicht ausreichend positive Betrachtung und Begleitung erfahren. Daher bin ich froh, dass man die Komplexität des Ehrenamtes jetzt hier im Rund des Hauses in einer wirklich schönen Art und Weise zur Kenntnis nimmt und darauf reagiert.

Die Kolleginnen und Kollegen in den Räten, Kreistagen, Bezirksvertretungen, Landschaftsverbänden, Regionalverbänden usw. sehen sich mit immer komplexeren Herausforderungen konfrontiert. Die Bürgerinnen und Bürger fordern zu Recht mehr Mitsprache; das ist zeitaufwendiger. Die rechtlichen Rahmenbedingungen werden immer komplexer, die finanziellen Rahmenbedingungen immer schwieriger. Auf diese Veränderungen muss ein Landtag als Kommunalverfassungsgesetzgeber reagieren.

Dieser Gesetzentwurf, der Ihnen heute vorliegt, hat eine lange Vorgeschichte. Schon in der 14. Wahlperiode dieses Hauses hat es eine Arbeitsgruppe „Kommunales Ehrenamt“ gegeben, damals initiiert vom Landtagsvizepräsidenten und Ausschussvorsitzenden Moron. Ich selbst habe die SPD-Fraktion in dieser Arbeitsgruppe vertreten dürfen und kann sagen, dass ich die Arbeit und den Weg bis hierhin sehr positiv finde. Denn alle Beteiligten, das heißt: sowohl die Kolleginnen und Kollegen des Landtags als auch die kommunalen Spitzenverbände und die kommunalpolitischen Vereinigungen – und diesen ist besonders zu danken, weil sie die Arbeit in ganz maßgeblicher Weise getragen haben –, haben sich hier in hoher Sachkunde und großer Akribie dem kommunalen Ehrenamt gewidmet. Es war ein gutes Beispiel seriöser Zusammenarbeit.

Einen einzigen Wermutstropfen in der Genese dieses Gesetzentwurfs – und das möchte ich in eine Bitte kleiden – möchte ich nicht verschweigen: Insbesondere die kommunalen Spitzenverbände mögen sich sowohl bei dieser Problematik als auch bei weiteren Themen, die wir mit dem kommunalen Eh

renamt zu besprechen haben, doch bitte darauf besinnen, dass sie nicht die Interessenvertretung allein von Hauptverwaltungsbeamtinnen und -beamten sind. Vielmehr müssen sie auch die Interessen ehrenamtlicher Ratsmitglieder stärker in den Blick nehmen.

(Beifall von der SPD)

Das ist in der Tat – das will ich durchaus anmerken – ein Umstand gewesen, der in den vergangenen Monaten eher unbefriedigend war. Ich hoffe diesbezüglich auf Besserung im Sinne der Kommunen und der kommunalen Familie insgesamt.

Heute können wir also mit der Verabschiedung dieses Gesetzentwurfs einen ersten wichtigen Schritt gehen. Wir führen erstmals einen kommunalpolitischen Bildungsurlaub ein. Acht Tage pro Wahlperiode stehen den Ehrenamtlichen dann zur Verfügung; das ist vor dem Hintergrund meiner Ausführungen, die ich eben gemacht habe, unglaublich wichtig. Dass dies den Kommunen auch in Zeiten knapper Kassen den Verdienstausfall wert sein muss, steht – denke ich – außer Frage. Denn dafür sind nicht die Arbeitgeber verantwortlich.

Wir haben die Freistellungsregelungen, die etwas veraltet waren, der heutigen Arbeitswelt angepasst. Insbesondere hinsichtlich Gleitarbeitszeiten hat es große Lücken bzw. eine Nichtregelung gegeben, die für viele problematisch war. Das gehen wir jetzt an. Dabei möchte ich eines ausdrücklich betonen: Dort, wo ehrenamtliche Ratsmitglieder und Kommunalvertreterinnen und -vertreter mit ihren Arbeitgebern individuell günstigere Regelungen verabredet haben, spricht auf Grundlage dieses Gesetzes überhaupt nichts dagegen – ganz im Gegenteil –, diese günstigeren Regelungen weiter gelten zu lassen.

Bei der Hausarbeitsentschädigung greifen wir den Veränderungsbedarf, der durch das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen leider entstanden ist, auf. Für uns ist es elementar wichtig, dass Haushaltsführung nicht geringwertiger als sonstige Erwerbsarbeit einzuschätzen ist. Insofern muss man hier wieder zu einer Gleichbehandlung und einer angemessenen Möglichkeit für Haushaltsführende kommen.

Ein weiterer Punkt betrifft Beamtinnen und Beamte im Landesdienst und, sofern erforderlich, auch weitere. Wir haben in den vergangenen Jahren im Rahmen der Beratung festgestellt, dass es im öffentlichen Dienst tatsächlich keine Besserstellung gibt, was die Wahrnehmung des öffentlichen und kommunalen Ehrenamtes angeht. Hier über das Landesbeamtengesetz zu einer klaren Regelung dahin gehend zu kommen, dass die Ausübung eines kommunalen Ehrenamts keine Nebentätigkeit darstellt, halten wir für außerordentlich wichtig. Ich möchte damit die Bitte an die Tarifpartner verbinden, dass man Gleichbehandlung auch für die An

gestellten im öffentlichen Dienst herstellen muss und sollte.

Und last, not least: Selbstverständlich schaffen wir hier wichtige Klarstellungen und Einbeziehungen auch für Kreise, Landschaftsverbände und zum Beispiel den Regionalverband Ruhr. Schließlich gab es auch da Regelungslücken.

Lange Rede, kurzer Sinn: Ich freue mich, dass das so gut gelungen ist. Ich danke allen Beteiligten für die konstruktive Mitarbeit. Ich hoffe, dass sich hier neben den antragstellenden Fraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP jetzt auch die CDU und die im kommunalpolitischen Ausschuss noch salomonisch unentschiedenen Piraten diesem Gesetzentwurf anschließen können.

Ich möchte ankündigen, dass wir diesem ersten Schritt selbstverständlich weitere folgen lassen müssen. Wir haben zugesagt, eine weitere Kommission „Kommunales Ehrenamt“ einzusetzen. Das wird passieren, und dann werden wir weitere Schritte zugunsten der Kommunen und der Ehrenamtlichen gehen. – Herzlichen Dank und auf gute Beratungen!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Börschel. – Für die CDU spricht Herr Kollege Kuper.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren der Landesregierung! Liebe Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Liebe Gäste! Diese meine erste Rede in diesem Haus hat nicht nur für mich eine besondere Bedeutung, sondern auch und gerade für die Menschen in unseren Städten und Gemeinden, die sich gerne und oft unter Einsatz von viel Zeit mit großem Engagement und Herzblut für unser aller Gemeinwohl einsetzen. Und gerade darum werde ich auch versuchen, Ihnen mit gleichem Engagement und Herzblut meine bzw. unsere Fraktionsposition darzustellen.

Wir diskutieren hier und heute über einen Gesetzentwurf von SPD, Grünen und FDP zum kommunalen Ehrenamt. Daher werde ich es nicht, wie man es für das erste Mal vielleicht erwartet, richtig krachen lassen, sondern den sachlich-konstruktiven Weg gehen.

Wir benötigen in vielen Stadt- und Gemeinderäten dringend ein breiteres gesellschaftliches Fundament an ehrenamtlichen Ratsvertretern. Die heutigen Regelungen sind dafür nicht mehr zeitgemäß.

In manchen Kommunen wird die Personaldecke an fachlich geeigneten Personen bereits jetzt arg dünn. Das liegt sicherlich an verschiedenen Sachverhalten. Nachlassendes Interesse an der Politik mag ein Grund dafür sein. Allerdings zeigen Ereignisse wie die um „Stuttgart 21“, dass sich Bürger sehr wohl für

ihre Stadt interessieren, für Ziele einsetzen und bereit sind, sich auch politisch zu engagieren. Wenn es gelingt, auch nur einen Teil dieses Potenzials in der Politik zu halten, dann wäre für uns in der Kommunalpolitik viel gewonnen.

Ein anderer Grund fehlender Bewerber für die Räte ist sicherlich der gesellschaftliche Wandel. Eltern leisten heute im Rahmen ihrer Möglichkeiten anspruchsvollere Erziehungsarbeit – und lobenswerterweise zunehmend gemeinsam. Insofern ist eine Abwesenheit von der Familie für kein Elternteil heute einfach und erfordert dann in der Quintessenz auch Verständnis und entsprechende finanzielle Würdigung.

(Beifall von der CDU und den GRÜNEN)

Daneben sind auch viele Arbeitgeber heute nicht mehr bereit, ihre Arbeitnehmer regelmäßig für politische Arbeit freizustellen.

Wie wir diesen grundsätzlichen Problemen begegnen wollen, müssen wir bei Gelegenheit noch weiter diskutieren.

Ihr Gesetzentwurf, verehrte Kolleginnen und Kollegen, beschäftigt sich vornehmlich mit den Möglichkeiten, einer Entwicklung in der Arbeitswelt zu begegnen, die zu begrüßen ist: der Flexibilisierung der Arbeitszeit.