Protokoll der Sitzung vom 13.09.2012

In den ländlichen Regionen ist die Lage noch schlimmer. Häufig gibt es nur noch eine Schule. Wenn diese Standorte nicht erhalten werden, verlieren die betroffenen Gemeinden massiv an Lebensqualität. Dann werden junge Familien dort nicht wohnen bleiben.

Insofern ist das Gesetz ein gutes Gesetz. Ich möchte aber dennoch zwei kritische Anmerkungen machen:

Zum einen muss ich Herrn Kaiser und auch Frau Gebauer zustimmen: Dass bei Schulverbünden innerhalb von fünf Jahren eine einheitliche Unterrichtsorganisationsform erreicht sein muss, ist für viele Standorte sicherlich nicht durchführbar. Das setzt die Teilstandorte schon jetzt unter Druck. Dann stellt sich das Problem in fünf Jahren wieder. Das Argument einer einheitlichen Fortbildung ist hier für mich nicht stichhaltig. Neue Lernformen wie das kooperative Lernen ermöglichen durchaus auch dauerhaft unterschiedliche Organisationsformen. Darunter muss die Unterrichtsqualität nicht leiden.

Stichpunkt „Unterrichtsqualität“: Ja, es ist schwierig, die Unterrichtsqualität an den kleinen Schulen hochzuhalten. Wir müssen hier weiterdenken, auch über die fünf Jahre hinaus. Frau Löhrmann hat angestoßen, den Schulversuch PRIMUS zu starten, eine Schule von Klasse 1 bis 10. Das ist ein möglicher Weg; die Förderschulen machen es vor.

Grundschulen in Verbindung mit Sekundarschulen können eine Lösung sein. Gerade in ländlichen Bereichen bietet dieser Ansatz die Chance, ein qualitativ hochwertiges Angebot zu sichern. Ich könnte mir auch eine Schule von eins bis zehn vorstellen, die unser Konzept der fließenden Schullaufbahn umsetzt. Spannend finde ich, neue Wege zu denken und Visionen von einer guten Schule für alle zu entwickeln. Dieser Entwurf ist dazu ein erster Schritt.

Bei den Richtwerten zur Klassenstärke liegt NRW immer noch weit hinten. Ich weiß auch, dass ein Absenken des Richtwertes mit enormen Kosten

verbunden sein wird. Trotzdem müssen wir uns gemeinsam darum bemühen, die Richtzahl weiter zu senken.

Darüber hinaus beinhaltet der Entwurf auch eine Änderung des Lehrerausbildungsgesetzes. Unbestritten ist: Der Mangel an Sonderschullehrern muss behoben werden. Inklusion kann nur gelingen, wenn mehr Sonderpädagogen in die Schule kommen. Ein 18-monatiges Aufbaustudium am Feierabend ist aber kein vollwertiger Ersatz für ein ordentliches Studium.

Wir wollen Inklusion an der Schule. Aber dafür sind angemessene Bedingungen und fachlich qualifizierte Lehrer notwendig. Hört man sich um, erfährt man aber, dass Lehrstühle – besonders im Fachbereich „Soziale und emotionale Entwicklung“ – gar nicht neu besetzt werden. – Das passt nicht. Die Landesregierung muss dafür sorgen, dass ausreichend Studienplätze zur Verfügung stehen. Und die Ausbildung aller Lehrer muss im Hinblick auf Inklusion angepasst werden.

Bisher fand eine solche zusätzliche Qualifizierung unter Entlastung im Hauptamt statt. Die Lehrer unterrichten also während der Ausbildung weniger. Ich möchte gerne wissen, was das Ministerium plant. Für die ausgefallenen Stunden müssten weitere Lehrer eingestellt werden. Woher kommen die? Woher kommt das Geld für diese Lehrer?

Ich finde den Ansatz prima und ich freue mich auf eine spannende und konstruktive Diskussion im Schulausschuss. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den PIRATEN)

Danke schön, Frau Pieper. – Für die Landesregierung hat sich noch einmal die zuständige Ministerin Frau Löhrmann zu Wort gemeldet.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte in der kurzen mir verbleibenden Zeit nur auf zwei Aspekte eingehen, Frau Gebauer, damit sich das nicht festsetzt, auch nicht in Ihrem Kopf:

Wir werden in Zeiten des demografischen Wandels grundsätzlich mehr Teilstandortlösungen haben. Für diesen Fall haben wir in das Gesetz etwas aufgenommen, damit wir in weiterführenden Schulen Schulstandorte für Kinder der Sekundarstufe I wohnortnah vorhalten können. Es ist doch widersinnig, etwas, was an Sekundarschulen geht, Gesamtschulen vorzuenthalten. Nur darum geht es. Es wird sich um ganz wenige Fälle handeln. Aber auch dort sorgen wir aufgrund des Wunsches der Kommunen dafür, Wohnortnähe zu realisieren. Mit Ideologie hat das überhaupt nichts zu tun.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich glaube eher, Sie sind an der Stelle noch etwas ideologisch unterwegs.

Wir heben – das als weiteren Punkt – nicht die Leistungsdifferenzierung auf, sondern wir ermöglichen Gesamtschulen, Leistungsdifferenzierung ohne äußere Differenzierungen vorzunehmen, und setzen dabei auf Binnendifferenzierung, wie das manche Schulen heute schon erfolgreich praktizieren, zum Beispiel Gesamtschulen in Nordrhein-Westfalen, die mit dem Deutschen Schulpreis ausgezeichnet worden sind, denen also Qualität ausdrücklich attestiert wird.

Also: Ein bisschen abrüsten! Ganz in Ruhe diskutieren! Insofern freue auch ich mich auf die weiteren Beratungen im Ausschuss. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Ministerin Löhrmann. Wir sind am Ende der Debatte und kommen zur Abstimmung.

Der Ältestenrat hat empfohlen, den Gesetzentwurf Drucksache 16/815 an den Ausschuss für Schule und Weiterbildung zu überweisen. Wer stimmt dieser Überweisung zu? – Gibt es Gegenstimmen? – Gibt es Enthaltungen? Das ist nicht der Fall. Damit ist einstimmig so beschlossen.

Wir kommen zu:

7 Zusätzliche Belastungen für das Handwerk

verhindern – Landesregierung muss sich für Änderungen bei der Fahrtenschreiberpflicht für LKW stark machen!

Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 16/821

Änderungsantrag der Fraktion der SPD, der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Fraktion der PIRATEN Drucksache 16/884 – Neudruck

Der Neudruck des Änderungsantrags ist zwar noch nicht im Raum, aber sozusagen in Entstehung. Ich kann aber schon auf ihn hinweisen und die Beratung eröffnen. Für die CDU hat Herr Dr. Bergmann das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ein ganz anderes Thema: Wir haben gestern von der Ministerpräsidentin gehört, dass sie mit dem Mittelstandsgesetz angeblich die mittelständischen Unternehmer vor unnötiger Bürokratie bewahren will. Wir haben heute festgestellt, dass es diese Landesregierung bislang

nicht ganz ernst mit dieser Entlastung des Mittelstands meint. An dieser Stelle sei noch einmal auf das Klimaschutzgesetz und das Tariftreuegesetz hingewiesen, die den Mittelstand in den kommenden Jahren doch sehr stark belasten werden.

Daher möchte die CDU-Landtagsfraktion der Landesregierung mit dem jetzt zur Abstimmung anstehenden Antrag die Gelegenheit geben, endlich etwas an ihrem Image beim Mittelstand und beim Handwerk zu tun.

Worum geht es? – Am 3. Juli hat das Europäische Parlament in erster Lesung mehrere Änderungen bei der Fahrtenschreiberpflicht für Kraftfahrzeuge vorgenommen. Bislang bestand eine Fahrtenschreiberpflicht nur für Fahrzeuge ab einem zulässigen Gesamtgewicht von 3,5 t. Künftig soll diese Pflicht bereits bei einem zulässigen Gesamtgewicht von 2,8 t gelten.

Diese auf den ersten Blick vielleicht nicht signifikant wirkende Absenkung trifft vor allem den Mittelstand. So haben zum Beispiel Handwerkerbetriebe doppelt so viele Fahrzeuge genau in dem Gewichtssegment 2,8 bis 3,5 t wie im gesamten Segment ab 3,5 t zulässigem Gesamtgewicht.

Die Änderung trifft aber auch andere Branchen. Sie gilt etwa für den Blumenhändler aus Straelen im Kreis Kleve, der einmal in der Woche einen Wochenmarkt in Düsseldorf beliefert. Sie gilt für den Landwirt aus dem Münsterland, der seine Erdbeeren oder seinen Spargel auf die Märkte in Dortmund und Essen bringt und so weiter und so weiter.

Auf all diese mittelständischen Unternehmen kommt neben den Umrüstungs- und Wartungskosten enormer bürokratischer Aufwand zu. Denn die Betriebe müssen einen Tachografen nachrüsten – das kostet ungefähr 1.500 € pro Fahrzeug –, Kontrollkarten für Mitarbeiter erwerben, Software zur Datenverwaltung kaufen oder einen externen Dienstleister beauftragen, den Tachografen regelmäßig warten, den Tachografen und die Kontrollkarten regelmäßig auslesen, maschinenschriftliche Nachweise für die letzten 28 Tage vor Antritt der nachweispflichtigen Fahrt erbringen usw.

Natürlich hat die EU Ausnahmeregelungen getroffen. Solange der Handwerker oder der Landwirt sich in einem Umkreis von 100 km um seinen Betrieb befindet, braucht er keinen Fahrtenschreiber. Überschreitet er aber auch nur ein einziges Mal im Jahr diese Grenze, besteht sofort Fahrtenschreiberpflicht – mit allen Konsequenzen. Ein Messeauftritt oder ein Großauftrag mit einer Distanz von 101 km führt also direkt zur Fahrtenschreiberpflicht.

Der Kollege Nachredner wird wahrscheinlich gleich seinen Änderungsantrag vorstellen. Er wird wahrscheinlich darauf hinweisen, dass die Absenkung der Tonnenbegrenzung grundsätzlich wichtig für die Verkehrssicherheit auf deutschen Straßen ist. Er wird wahrscheinlich darauf hinweisen, dass nur so

die Kleintransporter und Sprinter des Transportgewerbes effektiv kontrolliert werden können, um Unfälle, etwa durch Übermüdung, zu reduzieren. Er wird wahrscheinlich darauf hinweisen, dass der Änderungsantrag unproblematisch sei, da man Ausnahmeregelungen für das Handwerk fordere.

Lassen Sie mich dazu gleich hier für die CDUFraktion Stellung beziehen.

Erstens. Eine Ausnahme nur für Handwerker greift aus unserer Sicht zu kurz, da auch viele andere Berufsgruppen, bei denen der Transport von Waren oder Material nicht Haupterwerbszweck, sondern absolute Nebentätigkeit ist, von den Änderungen betroffen sind.

Zweitens. Eine Ausnahmeregelung nur für Handwerker ist europarechtlich kaum durchsetzbar. Der WHKT hat uns in mehreren Gesprächen ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er für eine Ausnahmeregelung nur für das deutsche Handwerk keine Chancen in der EU sieht. Der von uns eingebrachte Antrag hat daher größere Aussichten auf Erfolg in Brüssel – und darum sollte es uns allen im Interesse von Mittelstand und Handwerk heute ja eigentlich gehen.

Drittens. Die Absenkung der Tonnenbeschränkungen wird nicht zu mehr Verkehrssicherheit auf deutschen Straßen führen. Wie Ihnen der Verkehrsminister bestätigen kann, besteht für Fahrzeuge des Transportgewerbes mit einem zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 2,8 t heute ohnehin schon eine Aufzeichnungspflicht für die Lenk- und Ruhezeiten der Fahrer. Das Gegenteil ist also der Fall. Durch eine allgemeine Absenkung ist eher zu befürchten, dass das Transportgewerbe, wie es zum Teil schon jetzt zu beobachten ist, auf noch kleinere Fahrzeuge umsteigt, für die gar keine Nachweispflicht existiert. Zu mehr Sicherheit im Straßenverkehr führt das also nicht.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, im Interesse unseres Mittelstandes möchte ich Sie daher um Zustimmung zu dem CDU-Antrag bitten. – Danke.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Herr Dr. Bergmann. – Für die SPD-Fraktion spricht Herr Kollege Bischoff.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Bergmann als Vorredner der CDU, Ihre einführenden Bemerkungen, die Landesregierung meine es nicht ernst mit der Mittelstandsförderung und Sie als CDU müssten ihr die Gelegenheit bieten, ihre Mittelstandsfreundlichkeit an diesem Thema deutlich zu machen, sind an Realitätsferne nicht zu überbieten.

Das erste Stichwort, das ich mir aufgeschrieben hatte, bevor Sie das überhaupt gesagt haben, lautet: Ihr Antrag ist völlig überflüssig. Die Landesregierung hat der Position, die Sie in Ihrem Antrag darstellen, im Bundesrat bereits zugestimmt. Im Bundesrat hat es dafür eine Mehrheit gegeben. Das Ganze wird mit der Bundesregierung verhandelt. Wenn Sie ein bisschen recherchiert hätten, wüssten Sie das natürlich. Ich behaupte auch einmal, dass Sie das längst wissen.

Trotzdem stellen Sie sich hierhin und behaupten, Sie müssten die Landesregierung erst dazu bringen, dass sie überhaupt einmal etwas für den Mittelstand tut. Ich glaube, das war gerade Ihre Jungfernrede. Da haben Sie aber schon eine gewisse Chuzpe bewiesen. So etwas ist schon dreist. Das kann man nicht anders sagen. Nun ist man mit Jungfernrednern ein bisschen vorsichtig. Aber das ist in der Tat so. Sie haben also das als Antrag übernommen, was die Landesregierung schon gemacht hat, und stellen sich hierhin und sagen, Sie müssten sie erst einmal auf den richtigen Weg führen.

Zweiter Punkt: Sie haben eben noch einmal erklärt, Ihr Antrag sei im Vergleich zu dem Änderungsantrag der drei Fraktionen, der gerade durch den Präsidenten angekündigt worden ist, der erfolgversprechendere. Fragen Sie einmal bei Herrn Ramsauer im Bundesverkehrsministerium nach! Er hat in den letzten Tagen von der Landesregierung Schriftverkehr bekommen, in dem ihm Ihre Position als Position der Landesregierung mitgeteilt worden ist. Sinngemäß antwortet er folgendermaßen: Mit dieser Position hat man in Brüssel überhaupt keine Chance.

Warum sollte ausgerechnet Ihr Antrag diese Chance erhöhen? Darüber müssen Sie mit Herrn Ramsauer wirklich einmal in Ruhe diskutieren. Das empfehle ich Ihnen sehr. Ich kann Ihnen auch sagen – Sie sind noch neu im Parlament –, dass unsere Bahnfahrkarte auch für die Fahrt nach Berlin gilt. Sie können also einfach dorthin fahren, ohne Kosten zu haben. Reden Sie einmal mit ihm! Dann wird er ihnen das, was er Herrn Duin alles schon geschrieben hat, noch einmal erklären können.

Dieser ganze Antrag scheint mir also eine Farce zu sein. Wir haben versucht, aus dieser Farce mit unserem Änderungsantrag zumindest noch etwas zu machen. Am Anfang hatten wir überlegt, hier einfach darauf hinzuweisen, dass Ihr Antrag völlig überflüssig ist, weil die Landesregierung schon alles macht, und den Antrag abzulehnen. Dann haben wir aber überlegt, das nicht zu tun, sondern die Interessen des Handwerks, die wir wie Sie im Auge haben – das ist ja vernünftig; das ist überhaupt keine Frage –, mit den Notwendigkeiten der Verkehrssicherheit zu verbinden. So ist unser Änderungsantrag auch aufgebaut, dem die Piraten jetzt auch noch beigetreten sind.