Zur Wahrheit gehört doch, meine Damen und Herren, Folgendes: Sie haben einen Eiertanz veranstaltet, Herr Kollege Körfges, nämlich im Vorfeld der Koalitionsverhandlungen 2013 in Berlin. Sie haben einen Eiertanz veranstaltet, indem Sie gesagt haben: Wir wollen etwas für die Kommunen tun. – Sie haben im Grunde genommen bei Ihrem Mitgliederentscheid, der Grundlage für den Beitritt zu dieser Koalition gewesen ist, gesagt: Jetzt soll der große Durchbruch bei der Eingliederungshilfe für Behinderte kommen.
Herr Kollege Körfges, von der im Koalitionsvertrag avisierten Entlastung in Höhe von bundesweit 5 Milliarden € pro Jahr ist in dem Gesetzentwurf hier und auch in den anderen Gesetzentwürfen überhaupt gar keine Rede. Ich darf Sie daran erinnern, Herr Kollege Körfges, dass eine spürbare, substanzielle, dauerhafte Entlastung bezüglich der Sozialkosten, der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen auf die kommende Wahlperiode ab 2018 vertagt wor
Das, was übrig geblieben ist, Herr Kollege Körfges, war doch dieses Trostpflästerchen mit der Übergangsmilliarde. Das ist doch das einzige, was bisher bei der Eingliederungshilfe für Behinderte feststeht. Alles andere sind vage Absichtserklärungen, mit denen die Kämmerer, mit denen Sie telefoniert haben, in der Praxis überhaupt nichts anfangen können.
Dass das hätte anders gehen können, verehrte Kolleginnen und Kollegen, hat ja wohl die Bundesregierung, die davor amtiert hat, gezeigt. Die Grundsicherung im Alter mit der vollständigen Übernahme insbesondere dieser dynamisch wachsenden Soziallast,
Aber nun lassen Sie uns mal, Herr Minister Jäger, auf die Einzelheiten dieses Programmes kommen, damit wir jetzt mal über die Fakten sprechen. Wir sprechen hier heute über die Jahre, Herr Minister Jäger, 2015, 2016, 2017 und 2018. Wenn das wirklich so ist, dass 32 % nach Nordrhein-Westfalen kommen, was wir ja hoffen, was aber noch keineswegs sicher ist – Stichwort „Bundesrat“ –, dann bedeutet das für die Kommunen in NordrheinWestfalen rund 280 Millionen € im Jahr.
Das ist definitiv besser als nichts. Bei 396 Städten und Gemeinden sowie den Kreisen in unserem Land ist das aber auch nicht übermäßig viel. Es ist vor allen Dingen nichts Dauerhaftes, weil dieses Investitionsprogramm lediglich befristet angelegt ist. Die dauerhafte Entlastung ist eben nicht erfolgt.
Herr Kollege Mostofizadeh, ich hätte nie gedacht, dass ich Sie hier einmal als Kronzeugen zitieren würde. Sie haben am Montag in der „WAZ“ gesagt:
„Wichtiger wäre es gewesen, wenn Union und SPD endlich das zentrale Versprechen ihres Koalitionsvertrags eingelöst hätten: eine Entlastung von fünf Milliarden Euro jährlich bei den kommunalen Eingliederungskosten für Behinderte.“
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich will noch ein wenig Wasser in den Wein gießen. Die rund 280 Millionen € sind nämlich gar keine 280 Millionen €, selbst wenn Sie das hier so erklären, Herr
Minister. Warum? – Sie sind deshalb nicht für die Kommunen in dieser Höhe verfügbar, weil im Moment gleichzeitig noch ein weiteres Gesetzgebungsverfahren des Bundes in der Pipeline ist, nämlich das Gesetz zur Anhebung des Grundfreibetrages, des Kinderfreibetrages, des Kindergeldes und des Kinderzuschlags. Das Bundeskabinett wird diesen Gesetzentwurf in der kommenden Woche auf den Weg bringen. Das hat Konsequenzen, und zwar bei dem Anteil der Kommunen an der Einkommensteuer. Damit werden sie 120 Millionen € weniger erhalten.
Bilanzieren wir also einmal: 280 Millionen € minus 120 Millionen €. Somit bleiben nur noch 160 Millionen € für 373 Städte und Gemeinden, 30 Kreise, die Städteregion Aachen und 23 kreisfreie Städte – es sei denn, Herr Minister Jäger, Sie wollten hier gleich noch erklären, dass Sie im Kabinett des Landes Umschichtungen vornehmen. Vielleicht nehmen Sie ja dem Umweltminister ein bisschen Geld weg und geben den Kommunen etwas mehr Geld. Das wäre auch einmal eine gute Idee. Ich ahne aber schon, dass Sie sich da leider nicht durchsetzen werden, wenn ich die bisherige Koalitionsarithmetik zugrunde lege.
Lassen Sie mich noch ein paar Ausführungen zu der Fragestellung machen, wie wir eigentlich die Bundesmittel aus Berlin verteilen sollen. Herr Kollege Körfges hat schon einiges dazu gesagt. Sie haben schon angedeutet, wie Sie sich das vorstellen.
Eines ist klar: Wir brauchen eine gerichtsfeste Verteilung der Mittel. Rechtssicherheit ist an dieser Stelle ein hohes Gut.
Der Verteilermaßstab mit den drei Komponenten Schulden, Arbeitslosigkeit und Einwohner ist aber für sich genommen auch nicht sachgerecht. Das alleine kann es nicht sein. Wenn wir in NordrheinWestfalen gleichwertige Lebensverhältnisse bieten wollen, müssen auch die Kommunen bedacht werden, die bei diesem Verteilermaßstab das Nachsehen haben; denn alle Kommunen in NordrheinWestfalen benötigen Investitionen in Infrastruktur, in Barrierefreiheit, in Verkehr, in Innenstadtentwicklung. Deshalb brauchen wir einen gerechten Verteilermaßstab.
Herr Kollege Körfges, das, was am Konjunkturpaket II richtig war, nämlich der Verteilermaßstab und das bürokratiearme, niederschwellige Verteilen, ist in der Tat eine tolle Blaupause. Daran sollte sich die Landesregierung orientieren. Das ist von SchwarzGelb hier toll umgesetzt worden; gar keine Frage.
Herr Kollege Körfges, ich ahne ja schon, dass Sie die Mittel in Nordrhein-Westfalen eher nach dem Motto „Kommunal-Soli“ verteilen wollen. Das ist durchaus meine Sorge.
Diejenigen, die bisher ordentlich gewirtschaftet haben und wenig Schulden oder keine Schulden gemacht haben,
haben bei Ihnen dann das Nachsehen, Herr Kollege Körfges. Am Ende belohnen Sie das schlechte Wirtschaften in den Kommunen auch noch.
Wenn Sie damit diesen Verteilungsmaßstab meinen, werden wir sicherlich nicht an Ihrer Seite sein. Das ist nicht sachgerecht.
(Beifall von der FDP – Jochen Ott [SPD]: Da ist sie wieder, die kalte, herzlose FDP! Markt- radikal!)
Ich finde es schön, dass Sie hier dazwischenrufen, Herr Kollege Ott. Das zeigt ja, dass ich genau die richtige Stelle getroffen habe.
(Jochen Ott [SPD]: Überhaupt nicht! Das zeigt Ihr wahres Gesicht! – Hans-Willi Körf- ges [SPD]: Demaskierung!)
Erstens. Herr Minister, die Unterrichtung heute hat nicht die erforderliche Klarheit gebracht. In weiten Teilen ist die Messe eben noch nicht gelesen. Das haben Sie auch selber deutlich gemacht. Der Widerstand zahlreicher Bundesländer im Bundesrat ist vorprogrammiert.
Zweitens. Wir freuen uns, wenn aus Berlin Geld für die nordrhein-westfälischen Kommunen herüberkommt. Wie dargestellt, ist es aber viel weniger als gedacht. Es wird durch andere Effekte wieder konterkariert. Die notwendige und auch zugesagte strukturelle Entlastung ist es definitiv nicht. Es ist zwar mehr als Kosmetik, aber definitiv kein Durchbruch für die Kommunen, meine Damen und Herren.
Drittens. Von einem fairen Verteilerschlüssel sind wir noch meilenweit entfernt. Das Gesetzgebungsverfahren ist ja auch erst im Gange. Die heutige Debatte zeigt aber: Wir müssen sehr wachsam sein, damit Sie hier keine Verteilermaßstäbe aufbauen, die am Ende in der kommunalen Familie Sorgen und Unfrieden stiften. Das ist ein ganz entscheidender Punkt. Alles andere würde nämlich für Enttäuschung bei den Kommunen und den kommunalen Akteuren sorgen. Diese Enttäuschung sollten wir alle ihnen ersparen. – Ganz herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Mostofizadeh.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe lange überlegt, wie CDU und FDP denn heute auf diese Unterrichtung reagieren würden. Lieber André Kuper, Sie haben mich nicht enttäuscht. Anstatt sich über die Gelder aus dem Bund zu freuen, haben Sie herumgemäkelt, das Land schlechtgeredet und der Regierung Vorwürfe gemacht. Auf den eigentlichen Sachverhalt sind Sie nicht sachgerecht eingegangen.
Herr Kollege Abruszat, Sie haben eben ausgeführt, dass die Kommunen die Gelder nicht nach dem Kommunal-Soli erhalten sollen, weil nicht auch noch diejenigen belohnt werden sollen, die schlecht gewirtschaftet haben.
Solange CDU und FDP Nordrhein-Westfalen regiert haben, waren die Kommunen offensichtlich selbst an ihrer Misere schuld. Seitdem SPD und Grüne in Nordrhein-Westfalen regieren, kann hingegen kein Cent zu viel in die kommunalen Kassen fließen. Herr Kollege, was Sie hier vorgelegt haben, finde ich schon dreist.