Noch eine letzte Anmerkung: Lieber Christof Rasche, wir bemühen uns ja, alle, auch wirklich alle auf die Höhe der Zeit zu bringen. Deshalb sage ich noch einmal in dem neuen liberalen Denglisch: Ja, wir wollen endlich Schluss machen mit dem „German Kraut und Rüben“ in der Verkehrspolitik.
Wir wollen eine Neuordnung, die für die Menschen nachvollziehbar ist und die nicht nach Hitparaden der politischen Tagesordnung ablesbar ist.
die Ertüchtigung von Straße, Schiene und Wasserstraße. Wir müssen gemeinsam dafür kämpfen, dass es nicht unter der Überschrift „nationale Bundesfernstraßengesellschaft“ zu einer Filetierung unseres Bundesautobahnnetzes kommt: Der Bund schnappt sich die Magistralen, lässt sie über die Pkw-Maut für alle finanzieren und verjubelt sie an die Privatwirtschaft, während wir auf dem Rest sitzen bleiben.
Das Netz in Nordrhein-Westfalen darf nicht zur Resterampe verkommen. Dafür will ich gerne kämpfen. Ich lade Sie ein, mitzukämpfen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Herr Minister Groschek hat seine Redezeit um 1:30 Minuten überzogen – auch wenn das bei der Aktuellen Stunde immer etwas schwieriger ist. Aber selbstverständlich bekommen die Abgeordneten der Fraktionen als folgende Rednerinnen und Redner nun auch diese Redezeit zusätzlich gutgeschrieben.
Meine sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen, meine Herren! Herr Ott, in Bezug auf das, was Sie vorhin gesagt haben, will ich mich einmal zurückhalten. Auch wenn mir das schwerfällt, will ich das mit Blick auf Fürsorgepflicht unter Landtagskollegen tun. Nach der gestrigen Wallung, die Sie in Köln durchlebt haben, kann ich da vieles verstehen.
(Beifall von der CDU – Achim Tüttenberg [SPD]: Sie haben doch noch nicht einmal ei- nen OB-Kandidaten!)
Nur eins ist nicht in Ordnung. Wenn Sie hier behaupten, Herr Laschet mache nichts für NRW, haben Sie einige Dinge entweder nur selektiv wahrgenommen oder gar nicht mitbekommen. In der jetzigen Situation würde ich Ihnen das zwar auch wieder verzeihen.
auch an das erinnern – da war bei Ihnen nur Schweigen im Walde –, was Herr Laschet in Bezug auf die Mautpläne durchgesetzt hat.
Sie wissen, dass ich einer der stärksten Mautgegner überhaupt bin. Ich möchte auch gar nicht auf Herrn Klocke weiter eingehen, der bezweifelt, dass die Diskussion, die wir heute führen, ein Thema für eine Aktuelle Stunde ist. Ich habe Glück gehabt, wie viele andere Kollegen wahrscheinlich auch, überhaupt pünktlich hierherzukommen, weil wir alle tagtäglich im Stau stehen. Was ist aktueller als dieses Thema?
Man kann hier nicht mehr von einem Tropfen auf den heißen Stein sprechen, sondern das ist ein Tropfen ins große Schlagloch.
Ich möchte auch daran erinnern, dass Herr Becker im Jahr 2011 alle Planungen gestoppt hat, um dann die alte Gruppe von Lutz Lienenkämper aufzugreifen. Es war Becker, der nicht der Held der Verkehrspolitik war, sondern eigentlich der Bremser schlechthin. Das sollte auch nicht in Vergessenheit geraten.
Ich will auch nicht auf weitere Fehlinformationen eingehen – weil ich mir nicht im Klaren bin, ob er es extra macht oder nicht weiß – mit Blick auf die Äußerungen zu den Versuchen zum langen Lkw. Es ist überhaupt nicht unser Ziel, dass sie schwerer werden. Sie sollen länger werden. Styropor braucht keine 42 oder mehr Tonnen, aber braucht ein paar Meter mehr. Das sollten wir zumindest einmal ausprobieren. Das hält Verkehre weg von unseren Straßen.
Ich will auch nicht auf das eingehen, was Herr Groschek vorhin in Bezug auf die Betuwe gesagt hat. Die Betuwe ist im Jahr 1991 im Staatsvertrag festgelegt worden. Und das macht sie so einmalig, weil es ein Staatsvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Niederlanden gibt, den wir seit über 20 Jahren noch nicht durch Baumaßnahmen umgesetzt haben. Da sind wir zusammen, weil Sie an dem einen Ende in Oberhausen und ich an dem anderen Ende in Emmerich sitzen, gut unterwegs.
Wir am Niederrhein sagen: „Wer is dat denn in schuld?“ – Damit will ich mich heute gar nicht beschäftigen. Ich möchte eigentlich mehr die Fakten in den Mittelpunkt rücken und darauf eingehen, welche Folgen die Versäumnisse der Verkehrspolitik für unsere Wirtschaft haben. Ich bin im Wirtschaftsausschuss und möchte gerne den Blick aus dieser Richtung auf dieses Thema lenken, weil ich denke, dass das eines der zentralen Themen für die wirt
NRW ist das Stauland Nummer eins. 27 % aller Staukilometer entfallen auf unser Land usw. Die nächste Katastrophe – Herr Groschek hat es gerade selber angesprochen – wird die A45, die Sauerlandlinie, sein. Unsere Industrieregion Nummer eins, Südwestfalen, wird also sehr stark betroffen.
Warum ist das in NRW so? Warum bleibt die Investitionsquote der öffentlichen Hand hier seit Jahrzehnten hinter dem Bedarf zurück? – Während im Bundesdurchschnitt 604 € je Einwohner investiert werden, sind es in Nordrhein-Westfalen nur 360 € pro Person und Jahr. Das ist zu wenig, um den drohenden Kollaps abzuwenden.
Wenn man sich nur einmal die Zahlen in Bezug auf den Neubau bei den Landesstraßen anschaut, so haben Sie natürlich nach der gesamten Zahlenarithmetik, die Sie hier vorgetragen haben, nicht darüber hinwegtäuschen können, dass Sie im Grunde genommen dem System über 13 Millionen € entzogen haben. Die Schritte waren nämlich: 80, 73 und 100 Millionen € für die Jahr 2009, 2010 und 2015 für den Erhalt, aber beim Umbau haben Sie 40 Millionen € gekürzt. Wenn man sich die eine Zahl anguckt, kann man argumentieren, wenn man sich aber das Gesamtpaket ansieht, kommt man zur Wahrheit.
Meine Damen, meine Herren, die Verkehrsinfrastruktur ist für unsere arbeitsteilige Wirtschaft wie der Blutkreislauf im menschlichen Organismus. Ich möchte gerne anhand von kurzen Beispielen darlegen, wie prekär die Situation für die Unternehmen hier in Nordrhein-Westfalen ist.
Ein mittelständisches Automobilzulieferunternehmen vom Niederrhein beliefert Mercedes in Düsseldorf und Ford in Köln, früher übrigens auch Opel in Bochum, und steht linksrheinisch spätestens in Krefeld – so wie ich heute auch – oder rechtsrheinisch in Oberhausen im Stau. Ausweichverkehre sind wegen der überall vorzufindenden Teil- oder Spurensperrungen kaum mehr zu finden oder sehr zeit- und kostenintensiv.
Ein Systemlieferant aus dem Bergischen, den wir alle als Schließhersteller kennen, also auch aus dem Bereich Automotiv, muss sogar Just-inSequence – Just-in-Time war gestern, Just-inSequence ist die heutige Realität in der Wirtschaft – an die Linie liefern. Und seine Logistikdienstleister stehen spätestens entweder in Wuppertal oder an der Rheinbrücke in Leverkusen im Stau und haben dadurch kaum weiterzufakturierende Zusatzkosten.
Ein ähnliches Schicksal, das ist das dritte Beispiel, kommt aus dem südwestfälischen Standort der Kirchhoff-Gruppe, ein Familienunternehmen mit 11.000 Mitarbeitern weltweit und 1,6 Milliarden €
Umsatz. Es ist System- und Modullieferant sowie Spezialfahrzeughersteller. Die Produkte werden nahezu in allen Fahrzeugen der Welt verbaut. Wenn deren Lkw sich in Iserlohn oder Attendorn etwa auf den Weg zu den ZARA-Häfen in Belgien und in den Niederlanden machen, damit die Produkte „Made in NRW“ in alle Welt exportiert werden können, dann müssen diese Lkw heute aufgrund der Brückensperrungen große Umwege fahren, um ihre Ziele überhaupt noch zu erreichen. Das sind Umwege, die Zeit und noch mehr Geld kosten – Geld, das dann für Innovation und Investition schlichtweg fehlt.
Um das Bild noch einmal aufzugreifen: NRW droht der Verkehrsinfarkt. Herzrhythmusstörungen sind heute schon genauso dabei wie die Nebenwirkungen für die Wirtschaft.
Logistik ist längst schon nicht mehr nur Spedition, auch wenn wir das aufgrund der Fahrzeugbeschriftungen auf den Straßen meinen. Logistik hört heute nicht mehr an den Werkstoren auf, sondern geht via innerbetriebliche Verkehre unmittelbar und ohne große Pufferung in die Intra- und Produktionslogistik über. Was durch die Verkehrschaospolitik passiert, ist also die unnötige Zerschneidung bzw. die teure Verlängerung der Supply Chain. Supply-ChainManagement, verlässlich, ist somit für die Unternehmen und deren Dienstleister heute kaum mehr möglich und gefährdet den Wirtschaftsstandort NRW in Gänze.
Wenn die Probleme von der Straße auf dem Werksgelände angekommen sind, wird es noch teurer. Denn fehlen dort bei der heutigen geringen Pufferquote Teile, stehen irgendwann das Band und schließlich das ganze Werk still.
Die Wirtschaft kann an einem so teuren Standort wie NRW nur erfolgreich arbeiten, wenn sichere und gute Rahmenbedingungen und Planungsgrößen vorhanden sind. Das wird gerade aufs Spiel gesetzt. Dabei braucht NRW dringend Unternehmen und deren Investitionen. Diese halten sich aber zurück. Schon heute ist die spürbare Investitionszurückhaltung belegbar. Laut IT.NRW hat NRW aktuell die drittschlechteste Investitionsquote im verarbeitenden Gewerbe und wird nur noch von SchleswigHolstein und Mecklenburg-Vorpommern im negativen Sinne überholt.
Nach Berechnungen von McKinsey ist die geringe Investitionsquote eine der Hauptursachen der Wachstumsschwäche unseres Landes schlechthin. NRWs wirtschaftliche Entwicklung hinkt seit Jahrzehnten der Entwicklung anderer Bundesländer hinterher. Seit 1991 hat sich der Rückstand auf andere westdeutsche Flächenländer auf neun Prozentpunkte summiert. Ohne diese Wachstumslücke hätten wir heute jedes Jahr mindestens 3 Milliarden € Steuermehreinnahmen, und Minister Walter-Borjans hätte gleich viele Probleme weniger
Die Landesregierung weiß, dass sie ein sehr großes Problem hat. Sie vermittelt allerdings nicht den Eindruck, entsprechend damit umzugehen. Wo ist die To-do-Liste? Wo sind die Pläne auf Halde, die nach Geldeingang aus der Schublade gezogen und angepackt werden können? Warum geben Sie Geld an Berlin mit dem Argument zurück, Sie hätten ja keine Planungskapazitäten, obwohl es genügend externe Kapazitäten gibt?
Wie wollen Sie den vielen Unternehmen der Logistikdienstleistungsbranche in unserem Land klarmachen, wie die rot-grüne Stillstandspolitik ein Ende finden soll?
Wir alle sind stolz auf unser Bundesland NordrheinWestfalen. Es ist ein Exportland mit starker Wirtschaft. Diese braucht aber auch die Unterstützung und verlässliche Rahmenbedingungen von der Politik,