Da habe ich offenbar einen wunden Punkt getroffen. – Ich habe auch mit großer Freude vernommen, dass die FDP um des Landes willen mehr Mut und weniger Angst fordert. Hier merke ich aber nicht „German Mut“, sondern ich merke bei der FDP in dieser Aktuellen Stunde „German Miesmacherei“.
(Christof Rasche [FDP]: Wer regt sich denn auf, Frau Löhrmann? Wer denn? – Dietmar Brockes [FDP]: Reden Sie doch einmal zum Thema!)
Mit dieser Haltung werden Sie vor allem der engagierten Arbeit aller in den Schulen Tätigen nicht gerecht.
Wir haben in Nordrhein-Westfalen 40 Jahre Tradition im gemeinsamen Lernen. Darauf sollten wir alle miteinander stolz sein. Mit dem, was wir in Nordrhein-Westfalen leisten, können wir uns im Ländervergleich sehen lassen. Ich brauche die Daten nicht zu wiederholen. Die vielen, vielen Investitionen sind schon genannt worden.
Einen Punkt will ich noch ansprechen. Den Kommunen stellen wir fünf Jahre lang jährlich 35 Millionen € zur Unterstützung ihrer Aufwendungen zur Verfügung.
Apropos Kommunen: Ich will Sie bei dieser Gelegenheit gern über die erste Evaluation dieser Mittel für die Kommunen unterrichten. Der Bericht wird Ihnen heute noch zugeleitet. Wir haben ihn gestern einvernehmlich mit den Spitzen der Koalition und den kommunalen Spitzenverbänden erörtert. Die wichtigste Aussage will ich hier nennen: Die vom Land zur Verfügung gestellten Mittel sind für den Berichtszeitraum auskömmlich. Es müssen keine Anpassungen vorgenommen werden.
Allen Unkenrufen zum Trotz! Was haben Sie hier für ein Theater veranstaltet! Hauptsache Zoff – das ist Ihre Devise, statt sich verantwortungsbewusst an der Gestaltung dieser wichtigen Zukunftsaufgabe zu beteiligen.
(Klaus Kaiser [CDU]: Unverschämt! – Petra Vogt [CDU]: Sie sind doch verantwortungs- los! – Gegenruf von Ministerpräsidentin Han- nelore Kraft: Die Opposition hat auch eine Verantwortung! – Gegenruf von Petra Vogt [CDU]: Der kommen wir auch nach!)
Herr Kaiser, zum Thema „Tempo“: Der Ausbau des gemeinsamen Lernens in Nordrhein-Westfalen folgt dem Elternwillen. Unsere Zahlen belegen, dass es auch mit diesem Gesetz keinen sprunghaften Anstieg gegeben hat, sondern dass wir in NordrheinWestfalen bei der Inklusion weiter in maßvollen Schritten vorankommen. Mit dem neuen Ressourcenkonzept sind aber allein in diesem Jahr 1.200 Stellen zusätzlich im System. Das ist der Unterschied zu dem, was Sie vorher gemacht haben, meine Damen und Herren.
Wir stehen in engem Kontakt mit allen Beteiligten: mit dem Fachbeirat inklusive schulische Bildung, mit den Hauptpersonalräten, mit den Eltern- und Lehrerverbänden. Wir besprechen die Probleme und wollen diese Aufgabe gemeinsam meistern.
Zum Abschluss habe ich noch eine gute Nachricht für Sie. Auch wenn es Ihnen nicht gefällt, hat auch in diesem Jahr wieder eine Schule aus NordrheinWestfalen den renommierten Jakob-Muth-Preis für ihre vorbildliche inklusive Arbeit bekommen. Herzlichen Glückwunsch an die Ernst-Moritz-ArndtGrundschule in Espelkamp!
Sie sehen also, dass es mit den von uns geschaffenen Rahmenbedingungen offensichtlich sehr wohl möglich ist, eine hervorragende inklusive Schule für alle Kinder zu gestalten. Das ist unser Maßstab. Das spornt uns an. Daran arbeiten wir mit allen Beteiligten nachhaltig und systematisch weiter. – Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Ministerin Löhrmann, es ist wirklich unglaublich, wie Sie bei einem so ernsten Thema in gewohnt dreister Manier
(Beifall von der CDU und der FDP – Zurufe von der SPD: Hey! – Eva Voigt-Küppers [SPD]: Unglaublich ist das, was Sie machen!)
zunächst sagen: „Wir nehmen diese Umfrage ernst“, und dann im nächsten Moment von „Stimmungsmache“ sprechen.
Genauso, wie Sie gerade von „Stimmungsmache“ gesprochen haben, kann ich die Kollegen von SPD und Grünen zitieren: Frau Hendricks sprach von einem „durchsichtigen Manöver eines Lehrerverbandes“, und davon, dass es immer Skeptiker gebe. Frau Beer sagte, das Land werde schlechtgeredet und die Stimmung angeheizt.
Sie sollten lieber ernsthaft die Sorgen und Probleme, die es in unserem Schulsystem gibt und die Sie ganz genau kennen, bearbeiten, statt das Ganze ins Lächerliche zu ziehen.
Das Schlimmste daran ist, dass Sie das vorher schon gewusst haben. Sie haben diese Inklusion ganz bewusst vor die Wand gefahren!
Es ist ja nicht so, als wäre das nur die Opposition gewesen. Auf die Opposition hören Sie eh nicht und sagen sowieso immer, wir würden das Land schlechtreden, immer nur jammern und fordern. Okay!
In einer zweitägigen Anhörung hier in diesem Raum – ich war an beiden Tagen anwesend – haben Ihnen unzählige Experten auf diesem Gebiet – aus dem Bereich der Pädagogik, der unterschiedlichen Behindertenverbänden usw. – gesagt: So, wie Sie dieses Gesetz anlegen, kann es nicht gelingen. Es wird scheitern. Sie wussten, dass es scheitert!
Das ist eine Verantwortungslosigkeit gegenüber einer kompletten Schülergeneration. Denn das, was Sie jetzt machen, werden Sie in einigen Jahren zurückfahren müssen, weil es nicht funktioniert. Dann aber ist es für die Generation, die das jetzt an den Schulen ausbaden muss, zu spät. Das ist Ihre Verantwortung, und der müssen Sie sich stellen.
Zu sagen, dass dieser Prozess sorgfältig gesteuert wird – wie ich es von der Kollegin Beer gehört habe –, ist schon wirklich dreist, weil dieser Prozess gar nicht gesteuert wird. In diesem Gesetz steht kein einziges Qualitätsmerkmal.
Sie sagen – wir haben es gerade wieder gehört –, dass eine Schule einen Preis gewonnen hat. – Aber nicht nur Sie kommen an den Schulen herum, sondern wir auch. Ich war in der vergangenen Woche ganztägig an einer Gesamtschule, die wegen wirklich hervorragenden gemeinsamen Unterrichts prämiert ist – und das nicht nur seit einem Jahr, sondern seit Jahren. Diese Schule ist eine absolute Vorzeigeschule.
Die Schulleiterin hat zu mir gesagt: Das, was momentan in Düsseldorf passiert, halte sie für die größte Verantwortungslosigkeit gegenüber ihren Schülerinnen und Schülern. – Das müssen Sie sich ins Stammbuch schreiben lassen!
Das wussten Sie auch schon vorher. Ich war nämlich dabei, als wir vor der Verabschiedung dieses Gesetzes eine Gesamtschule gemeinsam besucht haben, an der seit vielen Jahren sehr erfolgreich gemeinsamer Unterricht praktiziert wurde. Dort hat man Ihrem Staatssekretär – ich war dabei und kann das bezeugen – vonseiten der dort Handelnden gesagt: Diese gute Arbeit, die wir euch hier und heute gezeigt haben, wird mit dem neuen Gesetz so nicht mehr möglich sein. Sie müssen umsteuern!
Der Staatssekretär hat sich das angehört, hat es aber nicht kommentiert. Was ist daraus geworden? – Das Gesetz ist fast eins zu eins so verabschiedet worden.
Deswegen können Sie am heutigen Tag auch nicht sagen: Das ist eine Bergwanderung. Das ist ein Prozess. – Sie wussten es von Anfang an; alle Experten haben es gesagt: Dieser Prozess ist zum Scheitern verurteilt und damit auch die Inklusion!
Aus unserem christlichen Menschenbild heraus ist es ganz wesentlich, dass Behinderte Teilhabe an unserer Gesellschaft haben. Unsere Maxime war aber auch immer: Das muss so gestaltet werden, dass es am Ende für alle beteiligten Gruppen ein positiver Prozess ist. Davon müssen die behinderten Kinder profitieren, davon müssen aber auch die Regelschüler profitieren. Dabei dürfen nicht die einen im Grunde genommen alleine gelassen werden, und die anderen wissen auch nicht mehr, wie sie ihren Unterricht vernünftig zu Ende bekommen können.
Das macht doch keinen Sinn. Das ist doch eine Verschlechterung gegenüber dem, was wir bisher in Nordrhein-Westfalen hatten. Das können Sie doch nicht machen!
Jetzt nenne ich Ihnen noch ein Beispiel, das noch viel schlimmer ist: Mir hat ein Lehrer einer Gesamtschule berichtet, was in diesem Schuljahr an seiner Schule abgelaufen ist. Diese Schule hatte nie GU, hat keine Erfahrung mit gemeinsamem Unterricht, hat keinerlei Sonderpädagogen und niemanden an der Schule, der sonderpädagogische Erfahrung hat. Vor den Sommerferien hat man kein Zeichen bekommen, das nach den Sommerferien behinderte Kinder unterrichten werden müssen. Man hat also die neuen fünften Klassen bis an die Kapazitätsgrenze belegt, weil diese Schule sehr nachgefragt wird.
Im Verlaufe des ersten Halbjahres haben die Lehrer festgestellt: Mit einigen Kindern in dieser Klasse scheint irgendetwas nicht zu stimmen. – Da man sich um die Kinder sorgte, hat man Kontakt zu den Grundschullehrern aufgenommen und gesagt: Irgendetwas kommt uns komisch vor! Die Grundschullehrer haben dann gesagt: Ja, es könnte ein paar Probleme geben.
Das Ende vom Lied ist: Die Gesamtschule hat sich dafür eingesetzt, dass bei diesen Schülern AO-SFVerfahren durchgeführt werden. Dabei hat sich herausgestellt: In diesen randvollen Klassen mit jeweils nur einem Lehrer und ohne jegliche sonderpädagogische Betreuung befinden sich sieben behinderte Kinder.