Protokoll der Sitzung vom 21.05.2015

Das Ende vom Lied ist: Die Gesamtschule hat sich dafür eingesetzt, dass bei diesen Schülern AO-SFVerfahren durchgeführt werden. Dabei hat sich herausgestellt: In diesen randvollen Klassen mit jeweils nur einem Lehrer und ohne jegliche sonderpädagogische Betreuung befinden sich sieben behinderte Kinder.

Sagen Sie mir bitte heute: Wie sollen die Lehrer das bewältigen? Wie erkläre ich das den Schulen, und was erklären Sie bitte den Eltern dieser Kinder, warum die Kinder nicht die Förderung bekommen, die ihnen zusteht? – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Frau Kollegin Vogt. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Kollegin Beer.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Mit diesen Kindern stimmt etwas nicht“ – selbst wenn das jemand so gesagt haben sollte, finde ich es wirklich fahrlässig, dass Sie so etwas hier als ein Bild von Kindern transportieren. Das gehört sich so nicht! Das sage ich ganz deutlich.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Zu- rufe von der CDU und der FDP: Oh!)

Was ist denn Normalität?

(Zurufe von Armin Laschet [CDU] und Josef Hovenjürgen [CDU])

Das sind wir den Kindern schuldig, nicht in dieser Art und Weise und nicht in den Schulen so zu reden.

(Zurufe von Armin Laschet [CDU] und Josef Hovenjürgen [CDU])

Herr Laschet, Sie waren mit in der Verantwortung,

(Zuruf von Armin Laschet [CDU])

als Sie das System ausgehöhlt haben, als Sie 10.000 Stellen gestrichen haben etc.

(Armin Laschet [CDU]: Guck doch mal 2015 an!)

Jetzt, im Jahr 2015 – das will ich Ihnen sagen, Herr Laschet –, haben wir dafür gesorgt, dass die Systemressourcen da sind.

Ich will Ihnen einmal erklären, wie das in anderen Ländern aussieht. Das ist doch wohl interessant.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Sie lassen die Leute allein!)

Ich nenne als ein Beispiel eines aus dem Land Brandenburg. Dort sind zurzeit 75 Pilotschulen ausgestattet, die von 2012 bis 2013 …

(Armin Laschet [CDU]: Zahlen, Statistik! Geht doch mal auf Bildung, Menschen, Kinder!)

Herr Laschet, einfach mal zuhören; das hilft! – Bis 2015 laufen 75 Pilotschulen in Brandenburg.

(Armin Laschet [CDU]: Sie lesen doch nur Statistiken vor! Sprechen Sie doch mal mit den Menschen!)

Dann heißt es: Wie es weitergeht, soll in 2016 entschieden werden.

Solche Wege gehen wir hier nicht. Wir haben diesen Prozess sorgsam angelegt. Und wesentlich ist – die Ministerin hat es gesagt, Herr Laschet –: Wir haben dafür gesorgt, dass Fortbildung in diesem Land neu aufgesetzt wird und alle Lehrer und Lehrerinnen sie in Anspruch nehmen können.

(Armin Laschet [CDU]: Zusatzbildung ersetzt keine Sozialpädagogik! Dafür haben die zehn Semester studiert!)

Wie bitte? Zusatzqualifikation, Herr Laschet. Zuhören hilft auch!

(Beifall von den GRÜNEN)

2.500 Stellen in der Zusatzqualifikation. Das ist das erste Mal, dass zusätzlich Studienplätze für Sonderpädagoginnen geschaffen worden sind.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Was ist schwierig in den Schulen?)

Da haben Sie doch kläglich versagt. Wir haben es gemacht. Wir stellen den Hochschulen das Geld zur Verfügung. Wir stellen den Schulen über die Inklusionsfachberatung die Beratung

(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

und die Fortbildungen zur Verfügung. Das ist so wichtig.

Meine Kinder sind im gemeinsamen Unterricht erfolgreich beschult worden. Ich habe alle Höhen und Tiefen eines gemeinsamen Prozesses schon mitgemacht. Deswegen sind wir sehr aufmerksam, was die Sorgen und Befürchtungen von Lehrern in dem Veränderungsprozess angeht. Natürlich muss man das ernst nehmen, natürlich muss man damit umgehen, aber die notwendige Unterstützung ist da. Es geht immer nach dem Prinzip von Maria Montessori: Hilf mir, es selbst zu tun. Das ist genau der Ansatz. So müssen wir arbeiten.

Und das ist genau der Fehler, liebe Kollegin Pieper, dass dieser Ansatz mit Blick auf die Doppelbesetzung so nicht funktioniert, weil dadurch immer das Bild erzeugt wird, dass die Sonderpädagoginnen die Troubleshooter im System sind, die zusätzlich dazukommen müssen.

Es funktioniert und bleibt bei gemeinsamer Unterrichtsentwicklung mit den Kompetenzen der Sonderpädagoginnen, die unverzichtbar sind und natürlich ihre Spezialkenntnisse einbringen. Aber es ist nicht immer überall zu 100 % Doppelbesetzung notwendig.

Meine Kinder haben das auch so erlebt, und sie sind im Unterricht nicht beschädigt worden, sondern es hat sich eine andere Unterrichtskultur entwickelt, in der individuelle Förderung wirklich umgesetzt worden ist. Das ist das Prinzip, auf das wir hinaus müssen. Das wollen wir weiter unterstützen, und das tun wir.

Sie haben doch die Fortbildung in den Sand gesetzt. Sie haben versucht, das Landesinstitut dichtzumachen. Anderthalb Jahre lang haben wir eine Fortbildungsbrache gehabt. Wir setzen das jetzt systematisch auf. 300 Moderatorinnen, fortgebildet, stehen den Schulen zur Verfügung.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

In jedem Kreis stehen die Inklusionskoordinatoren, die Fachberatung, zur Verfügung.

Kollege Kaiser, ich lade Sie nach Paderborn ein. Denn da gibt es ein Beratungshaus, das die Eltern von der Frühförderung über die schulische Laufbahn begleitet, wo sie alle Expertise finden und wo auch die Laufbahnberatung stattfindet.

Das gibt es auch im Bereich der Bezirksregierung Münster. Von dort aus machen die Kreise jetzt dieses gute Modell nach.

(Klaus Kaiser [CDU] unterhält sich mit Abge- ordneten von den GRÜNEN.)

Herr Kaiser, kommen Sie mit nach Paderborn, um sich das anzusehen, ja oder nein? Dann können Sie gute Praxis kennenlernen, und die verstetigen wir im Land.

Noch einmal: Inklusion ist kein Zustand, sondern ist ein Prozess. Wenn Sie in den Prozess nicht einsteigen wollen, weil Sie hier noch nicht einmal zuhören, um in den Prozess hineinzukommen, dann ist das Ihre Karte. Aber bitte tun Sie mir einen Gefallen: Reden Sie nicht in dieser Art von „Kindern, mit denen etwas nicht stimmt“.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: In Ihrer Politik stimmt was nicht!)

Wir nehmen Lehrer ernst, wir nehmen Eltern ernst, und für uns stehen die Kinder im Zentrum. Wir gehen mit niemandem fahrlässig um.

(Zuruf von Armin Laschet [CDU])

Sie machen den Alarmismus, der die Verunsicherung weiter in das Land trägt. Sie sind heute Morgen Ihrer Verantwortung nicht gerecht geworden.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Jo- sef Hovenjürgen [CDU]: Reden Sie mit den Menschen!)

Vielen Dank, Frau Kollegin Beer. – Für die FDP-Fraktion spricht Frau Abgeordnete Gebauer.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kollegin Beer, grüne Betroffenheitspolitik, wie Sie sie hier an den Tag legen, wird der Dramatik der Missstände, die an den Schulen in Nordrhein-Westfalen herrschen, in keiner Weise gerecht. Das muss ich einmal ganz deutlich sagen.

(Beifall von der FDP, der CDU und den PIRATEN)