Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gestern Abend hatten wir bei der Architektenkammer schon viel Gelegenheit, über die Maut zu diskutieren. Es war so wie immer: Die Diskussion war ganz schnell beendet. Wir waren uns alle einig: Die Maut ist Murks. – Trotzdem haben wir noch einige Stunden länger dort verbracht, auch der Minister, habe ich gehört. Es ist immer gut, wenn man sich außerhalb des Parlaments gut versteht und verständigt. Das trägt dazu bei, dass hier eine vernünftige Debattenkultur herrscht.
Kommen wir zur Maut – zur Murksmaut: Wir alle in Deutschland haben erwartet, dass es zu einem EUVertragsverletzungsverfahren kommt. Das war von Brüssel angekündigt, und es war klug mit Argumenten hinterlegt. Obwohl alle diese Vorgehensweise aus Brüssel geahnt haben, wurde in Berlin anders gehandelt.
Nachdem Brüssel Nägel mit Köpfen gemacht hat, ist jetzt genau der richtige Zeitpunkt, um den Gesetzentwurf zurückzuziehen. Stattdessen dreht die Murksmaut eine neue Runde, vielleicht die elfte oder zwölfte – ich weiß nicht, wie weit wir sind. Man hat den Eindruck, da steht ein angeschlagener blinder Boxer im Ring – Dobrindt taumelt im Ring und steht kurz vorm Umkippen.
Das wäre also eigentlich der richtige Zeitpunkt für die Kanzlerin, jetzt das Handtuch zu werfen und diese Debatte, diesen Vorgang zu beenden. Sie macht es aber nicht.
Dobrindt kämpft weiter, und da wird aus einem Dobrindt ein „Doblind“, ansonsten würde er doch nicht so agieren!
Kollege Voussem hat eben gesagt: Hoffentlich war das heute die letzte Debatte zur Pkw-Maut in diesem Hohen Hause. – Es liegt doch an Ihnen, es liegt doch an der Union in Berlin, den Gesetzentwurf zurückzunehmen!
Es gibt nur eine Fraktion, die dafür sorgt, dass Dobrindt noch im Ring bleibt, und das ist die Union in Berlin.
Die letzte Debatte zur Pkw-Maut in diesem Hohen Hause fand zu einem Eilantrag der FDP-Fraktion statt. Damals, lieber Kollege Breuer, sagten Sie – Zitat –:
„Der Eilantrag der FDP zum Stopp der Pkw-Maut für Ausländer ist hinsichtlich der geäußerten Kritik in der Tat berechtigt. Der Antrag ist jedoch in seinen Schlussfolgerungen und in seinen Forderungen an die Landesregierung vollkommen überflüssig...“
Wir haben nämlich damals gefordert – so lange ist das noch gar nicht her –, dass die Landesregierung alle Möglichkeiten ausschöpfen soll, um diese Maut zu verhindern.
Klar ist heute: Wären damals die Koalition und die Landesregierung unserem Vorschlag gefolgt – die Debatte heute wäre überflüssig gewesen.
Selten – egal bei welchem Thema – hat man erlebt, dass CDU und SPD hier in Nordrhein-Westfalen das eine sagen und in Berlin genau das andere machen. Man kann fast von griechischen Verhältnissen reden. SPD und CDU hier im Landtag haben immer, über Monate und Jahre hinweg, gegen die Maut geredet, und in Berlin sind sie fast blind der CSU gefolgt. Im Bundestag stimmten 96 Abgeordnete aus Nordrhein-Westfalen – 39 von der SPD und 57 von der CDU – für die Murksmaut.
Dann ging es weiter vom Bundestag in den Bundesrat. Da wurde – übrigens auch hier in der Debatte davor – ein großer Auftritt von Nordrhein-Westfalen angekündigt, um diese Maut zu verhindern. Alle Möglichkeiten sollten genutzt werden, um dies zu erreichen. Und dann reichte es trotz vorhandener Mehrheit noch nicht einmal dazu, den Vermittlungsausschuss anzurufen! Nordrhein-Westfalen hat bei diesem Thema im Bundesrat noch nicht einmal das Wort ergriffen. Hier hat man also ziemlich große Töne gespuckt, und im Bundesrat hat man nichts getan.
Diese widersprüchliche Mautpolitik bei den Kollegen der SPD setzte sich fort, nachzulesen am vergangenen Mittwoch in der „Kölnischen Rundschau“ in einem Interview mit Ministerpräsidentin Kraft. Zitat:
„Fraglich ist, woher das Geld zur Erneuerung unserer Straßen und Brücken jetzt kommen soll, nachdem die Pkw-Maut auf die lange Bank geschoben worden ist.“
Daraus kann man ganz eindeutig interpretieren: Da war jemand doch für diese Pkw-Maut, weil das Geld benötigt wird.
Aber, liebe Ministerpräsidentin, vernünftige Gutachter – die übrigens auch die Regierung begleiten – sagen: Unter dem Strich kommen dabei 100 Millionen € pro Jahr für ganz Deutschland heraus, und in den ersten Jahren aufgrund der Erstinvestitionen sogar kein einziger Euro. Da kann doch die Ministerpräsidentin dieses Landes nur schwerlich behaupten, dass die Maut die Lösung wäre, um die finanziellen Probleme zur Behebung der Schäden in der Infrastruktur zu lösen. Die 100 Millionen € reichen nicht. Und 1 € reicht ebenfalls nicht.
Zu Recht hat Arndt Klocke von den Grünen vorhin gesagt: Die Bodewig-Kommission – mit der Unterschrift des Kollegen Groschek – forderte in der laufenden Bundestagsperiode 30 Milliarden €.
Beschlossen hat die Große Koalition fünf Milliarden, davon allerdings zwei Milliarden für die Ausfinanzierung bayerischer Projekte und zwei Milliarden für weniger Einnahmen bei der Lkw-Maut aufgrund des Wegekostengutachtens. Also, in Wahrheit hat sie eine Milliarde gegeben, und die 16 Verkehrsminister haben 30 Milliarden gefordert – ein absolutes Nullsummenspiel.
Das hat Herr Klocke mit Recht kritisiert, aber was er dann anfügte, war ein typisches falsches Spiel der Grünen. Auch die Lkw-Maut – die Grünen machen immer Politik gegen Lkw – wird finanziell mit zwei, drei Milliarden € diese Lücke nicht füllen. Auf ÖPP zu verzichten, wo an den Kapitalmärkten riesige Summen Geld vorhanden sind,
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es waren doch die Grünen, die vor 2005 und nach 2010 dafür gesorgt haben, dass Nordrhein-Westfalen nicht einmal in der Lage war, die Mittel, die zur Verfügung stehen, in Nordrhein-Westfalen auszugeben. Wir mussten sie nach Bayern und Baden-Württemberg weiterleiten, meine Damen und Herren. Das war das Ergebnis Ihrer Politik, das Ergebnis der Politik der Grünen!
Ich komme zurück zur Maut. Die CSU ist mit ihrem Ziel krachend gescheitert. Jeder Cent, der jetzt noch von der Großen Koalition in das Projekt gesteckt wird, ist eine absolute Verschwendung von Steuergeldern. – Vielen Dank.
Vielen Dank. – Sehr geehrter Herr Präsident! Auch wenn wir keine Stimme im Präsidium haben und zum Beispiel bei der Auswahl der Aktuellen Stunden beraten können, ich habe eine Stimme am Rednerpult, und die hatte ich auch am 11. September 2014 hier im Plenum. Ich zitiere mich einmal selbst, was ich dort gesagt habe: „Ich möchte, dass wir nicht abwarten, bis die EU die Mautpläne kippt.“
Nun sind wir bereits bei Plan B, und Abwarten ist keine Option mehr. Wir müssen jetzt die Gelegenheit zur modernen Verkehrswende nutzen. Für diesen Aufbruch in eine neue Verkehrspolitik ist es eigentlich auch egal, wie die Dobrindt-Maut am Ende bewertet wird, ob es ausreicht, dass Nichtstaatsbürger in Deutschland auch ein Auto anmelden können. Die Pkw-Maut ist sowieso kein ernstgemeintes
Finanzierungsinstrument, sondern ein gefährliches, diskriminierendes Marketinginstrument, und das wird 2017 hoffentlich nicht mehr eingesetzt.
Wir Piraten werden jedenfalls alles daransetzen, dass die Dobrindt-Maut keinen Schaden mehr anrichten kann, nicht im Alltag des Grenzlands, nicht durch Geldverschwendung, nicht durch Totalüberwachung der Autofahrenden oder einer Straßenvorratsdatenspeicherung. Die Dobrindt-Maut darf aber auch nicht weiter die echten Maßnahmen blockieren, die Nordrhein-Westfalen dringend benötigt. Die politische Debatte selbst verträgt eine Pkw-Maut in dieser Form nicht. Daher müssen wir uns von der Dobrindt-Maut verabschieden.
Herr Voussem, diese Dobrindt-Maut oder Pkw-Maut wegzuschieben, hätte natürlich Herrn Dobrindt selbst einfallen können, aber Sie haben natürlich auch recht, was die Debatte betrifft.
Die Verkehrspolitik selbst braucht nun unsere ganze Aufmerksamkeit, denn sie befindet sich in einer Sackgasse. Ansonsten gäbe es gar nicht diese gigantischen Instandhaltungsprobleme. Was wir gar nicht brauchen, ist jetzt die nächste durchs Dorf getriebene CSU-Sau.
Private Investitionen in Autobahnen, die den Finanzsektor fördern und die selbst auferlegte Schuldenbremse aushebeln, aber die Probleme der Verkehrspolitik und die generelle Unterfinanzierung nicht lösen, brauchen wir jetzt nicht. Das wäre die nächste Ablenkung. Mit diesen Public-privatePartnerships entscheiden schon wieder Dritte über das Schicksal der Verkehrspolitik, nämlich die, die neue Anlagemöglichkeiten suchen. Kein Wunder, dass die Verkehrspolitik seit Jahrzehnten im Stillstand verharrt.
Herr Minister Groschek will eine zweite BodewigKommission. Herr Klocke hat sie auch angesprochen. Das ist gut, aber passen Sie darauf auf, dass daraus keine zweite Fratzscher-Kommission wird und dort die Probleme einseitig aus Sicht des Finanzmarkts beleuchtet werden.
Ich mag den Antrag zu dieser Aktuellen Stunde, da er nicht nur die Debatte auf die Pkw-Maut lenken möchte, sondern die Debatte um verkehrspolitische Perspektiven anmahnt. Mich irritieren allerdings Sätze wie: „Wenn diese Probleme nun weiterhin vom Bund nicht angegangen werden, wird sich der Schaden für Menschen, Umwelt und Wirtschaft noch vergrößern.“
Wir sind ja in Nordrhein-Westfalen und in einem NRW-Landesparlament. Der Bund muss seinen Beitrag leisten, und zwar einen sehr großen – finanziell und auch, was die Politik betrifft. Aber Sie reden im Antrag anscheinend allein von Bundesfernstraßen und gleichzeitig von nachhaltiger Verkehrspolitik. Das passt so nicht zusammen.
Eine nachhaltige Verkehrspolitik sieht das ganze Straßennetz, also Wasserwege, Schiene, Bus und Bahn, Radverkehr, Fußverkehr als Gesamtorganismus. Die Verantwortung, selbst wenn es um Fernstraßen geht, einfach Richtung Bund wegzuschieben und sich komplett wegzudrücken, das passt nicht zu NRW. Wir in NRW wollen gerne Logistikstandort Nummer eins sein, Transitland, Ballungsraum für Millionen Menschen, Wirtschaftsmittelpunkt in vielen Bereichen. Dann können wir in NRW auch Verantwortung übernehmen und selbst anpacken.
NRW ist von der Instandhaltungskatastrophe bei Straßen, Brücken, Stadtbahntunneln und Bahntrassen besonders betroffen. Gleichzeitig sind wir in NRW ein Land, das sich gerne neu erfindet, das den Wandel lebt und auch schon mehrmals große Verantwortung über seine Grenzen hinaus übernommen hat. Wir sind das Land, das den Verkehr und die Menschen bewegt, und wir können auch die Verkehrspolitik bewegen. Dabei hilft uns der Landeshaushalt, aber noch viel mehr der politische Wille, Vorbild zu sein und das Richtige zu tun.
Wir brauchen eine Verkehrspolitikwende. Sie müssen erkennen, dass die Politik der letzten Jahrzehnte zur Instandhaltungskatastrophe geführt hat und die Verkehrspolitik trotzdem weiter im Kirchturmdenken und in alten Konzepten verharrt. Wir brauchen eine Verkehrswende, und zwar nicht nur, um unseren sozialen und klimapolitischen Zielen gerecht zu werden. Wir brauchen die Verkehrswende aus einer finanziellen Notwendigkeit heraus. Je schneller wir handeln, umso weniger wird sie kosten. Unbezahlbar ist nur keine Verkehrswende.
Jetzt haben wir dreifach die Gelegenheit. Die PkwMaut lässt eine Lücke für den Aufbruch notwendiger politischer Debatten. Große Innovationen im Verkehrsbereich mit vor einigen Jahren noch undenkbaren Entwicklungen kommen auf uns zu. Wir in NRW haben die Probleme nicht nur erkannt, wir sind ein starkes Land und können den politischen Willen aufbringen, den Weg einzuschlagen.
Der Landtag hat die Enquetekommission zur Finanzierung, Innovation und Nutzung des öffentlichen Personenverkehrs eingesetzt. Das ist ein hervorragender Anfang. Die Landesregierung hat mit ihren Absichtserklärungen zu Radschnellwegen, zu „Erhalt vor Neubau“ und zur Nahmobilität zumindest gezeigt, dass sie politischen Willen aufbringen könnte.