Protokoll der Sitzung vom 26.06.2015

Wir wünschen uns das ja. Deshalb haben wir das ja noch einmal explizit in unserem Antrag stehen.

Was ich jetzt aber nicht verstehe, liebe Kollegen von der Fraktion der Grünen – jetzt muss ich es eben doch ansprechen –: Warum haben Sie dann vorgestern genau gegen einen solchen Antrag gestimmt? Die FDP im Hessischen Landtag hat die vollständige Gleichstellung beantragt. Wer hat dagegen gestimmt? – Die Fraktion der Grünen.

(Beifall von der FDP)

Dann sagen Sie mir heute nicht, ich sollte Ihren Antrag richtig lesen!

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich sehe schon, die Argumente sind reichlich ausgetauscht.

(Zurufe)

Es wird hier auch immer lauter; es macht hier vorne nicht wirklich Freude. Wir werden doch wohl warten müssen, bis das Verfassungsgericht wieder Recht gesprochen hat.

Mit Blick auf die CDU wünsche ich mir, dass Sie vielleicht Ihre starre Position etwas ändern. Frau van Dinther, es ist für mich eine Selbstverständlichkeit, dass ich zu Feiern von eingetragenen Lebenspartnerschaften gehe, wenn ich im Freundeskreis dazu eingeladen werde. Das muss ich hier nicht extra betonen. Auch die Kolleginnen und Kollegen der FDP-Fraktion haben reichlich Ehrenämter und sind auch in der Kirche sehr aktiv.

Ich wünsche mir einfach, dass die Liebe zwischen Mann-Mann oder Frau-Frau genauso angesehen und respektiert wird wie die zwischen heterosexuellen Partnern.

Zum Antrag der Piraten: Mit den polyamourösen Beziehungen, liebe Piratenfraktion, habe ich auch ein Problem. Polyamouröse Beziehungen werden bei der FDP-Fraktion und im Allgemeinen als „Fremdgehen“ bezeichnet. Das ist auch landläufig so. Ich finde, für das Fremdgehen brauchen wir keinen Gesetzestext. Wie gesagt: Ich fände es sehr schön, wenn die eine Liebe genauso wertgeschätzt würde wie die andere Liebe.

Frau van Dinther, mit Blick auf Ihren Beitrag vorhin zitiere ich jetzt einfach mal den Korintherbrief, bin dabei optimistisch und sage: Zum Schluss bleiben Glaube, Hoffnung und Liebe. Das Stärkste aber ist die Liebe. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Frau Schneider. – Als nächster Redner ist für die Landesregierung Herr Minister Kutschaty angekündigt.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit den beiden heute vorliegenden Anträgen der drei Fraktionen greifen wir nicht nur eine hochaktuelle rechtspolitische, sondern insbesondere auch eine sehr wichtige gesellschaftspolitische Debatte hier im Plenum auf.

Deshalb zunächst mein herzlicher Dank an alle drei antragstellenden Fraktionen, dass sie sich in diesem Landtag dieses Themas angenommen haben. Ich begrüße ausdrücklich das in beiden Anträgen klar zum Ausdruck kommende Bekenntnis zur Öffnung der Ehe für lesbische und schwule Paare. Diese Position teilt die Landesregierung selbstverständlich. Das haben wir in unserem Koalitionsvertrag auch so dargelegt.

Liebe Frau Kollegin Schneider, wenn Sie sich fragen, warum der Justizminister hier redet, entgegne ich: Das ist eine familienrechtliche Angelegenheit, die grundsätzlich im Bürgerlichen Gesetzbuch zu regeln ist.

(Zuruf von Susanne Schneider [FDP] – Ge- genruf von der SPD: Meine Güte!)

Aber ich darf Ihnen versichern: Frau Kollegin Steffens und ich arbeiten mit großer Beharrlichkeit seit Langem Seit‘ an Seit‘. Da gibt es überhaupt keine Unterschiede.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und Mi- nisterin Svenja Schulze)

Lassen Sie mich für die gemeinsamen Aktivitäten von Frau Kollegin Steffens und mir einige Beispiele aus jüngster Zeit nennen. Schon im Jahre 2013 war Nordrhein-Westfalen Mitantragsteller eines Gesetzesantrages der Länder zur Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare.

In der letzten Plenarsitzung des Bundesrats am 12. Juni 2015 ist ein inhaltlich entsprechender Entschließungsantrag gefasst worden, dessen Mitantragsteller Nordrhein-Westfalen war. Zudem ist Nordrhein-Westfalen abermals einem Ländergesetzentwurf zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts beigetreten, dessen weitere Beratung im Bundesrat noch ansteht.

Erst jüngst, in der letzten Woche, habe ich anlässlich der Justizministerkonferenz auch noch einmal die nordrhein-westfälische Position zu diesem Thema deutlich gemacht und dafür gesorgt, dass ein entsprechender Antrag auch eine Mehrheit auf der Justizministerkonferenz bekommen hat.

Höchst bedauerlich ist allerdings, dass diese gesamten Anstrengungen, die wir unternehmen, bislang leider immer noch nicht dazu geführt haben, dass wir eine völlige Gleichstellung von lesbischen und schwulen Paaren herbeiführen können. Das hat das Bundesverfassungsgericht immer wieder in regelmäßigen einschlägigen Entscheidungen vom Gesetzgeber eingefordert. Danach ist ein Abstandsgebot zwischen der Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft auch und gerade verfassungsrechtlich nicht gefordert.

Leider haben bundespolitische Widerstände im Unionslager einen entsprechenden Durchbruch in dieser Hinsicht verhindert. Gleichwohl wage ich zu behaupten, dass es bereits heute eine deutliche Anzahl von Fürsprechern auch in den Reihen von CDU und CSU geben mag, deren momentane Zurückhaltung offensichtlich aber nur aufgrund von Fraktions- oder Parteidisziplin erklärt werden kann.

Wir werden trotzdem nicht müde, diesen notwendigen Schritt immer wieder anzumahnen, bis das Schweigen in der Union endlich gebrochen wird. Gleichzeitig müssen wir allerdings auch darauf achten, dass wir diese Debatte weiter sachlich und realistisch führen.

Deshalb habe ich erhebliche Bedenken bei der Forderung der Piratenfraktion nach einer Ehe für polyamouröse Partnerschaften oder andere Verantwortungsgemeinschaften. Ich glaube, Ihr Antrag ist noch nicht zu Ende gedacht. Welche Konstellationen und Rechtsfolgen stellen Sie sich denn vor, wenn eine solche polyamouröse Beziehung oder Ehe dann mal scheitert? Im Scheidungs- und Familienrecht müssten dann ganz erhebliche Vorkehrungen getroffen werden. Ich glaube, dafür ist die Zeit noch lange nicht gekommen. Aber gleichwohl lobe ich die Mindestzielsetzung Ihres Antrages, auch die Ehe für Schwule und Lesben zu ermöglichen.

Meine Damen und Herren, zutreffender als es zuletzt die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Frau Malu Dreyer im Bundesrat getan hat, kann man die gegenwärtige Situation wohl kaum umschreiben: Nichts ist mächtiger als eine Idee, deren Zeit gekommen ist. – Deswegen: Lassen Sie uns heute diesen Weg gemeinsam beschreiten. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister Kutschaty. – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Damit kommen wir zur Abstimmung. Wir stimmen erstens ab über den Antrag der Fraktion der Piraten Drucksache 16/8972. Die antragstellende Fraktion hat direkte Abstimmung beantragt. Wer stimmt diesem Antrag zu? – Die Fraktion der Piraten. Wer stimmt dagegen? – SPD, Grüne, CDU und FDP. Gibt es Enthaltungen? – Bei einer Enthaltung des

Kollegen Herrmann von der Piratenfraktion ist dieser Antrag Drucksache 16/8972 mit großer Mehrheit abgelehnt.

Zweitens stimmen wir ab über den Antrag der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 16/8985. Auch die antragstellenden Fraktionen von SPD und Grünen haben direkte Abstimmung beantragt. Wer stimmt diesem Antrag zu? – SPD, Grüne und die Fraktion der Piraten. Wer ist gegen diesen Antrag? – Die CDU ist gegen diesen Antrag. Wer enthält sich bei diesem Antrag? – Bei Enthaltung der FDP, Ablehnung der CDU und Zustimmung von SPD, Grünen und Piraten ist damit dieser Antrag Drucksache 16/8985 angenommen.

Drittens stimmen wir ab über den Entschließungsantrag der FDP-Fraktion Drucksache 16/9099. Wer stimmt diesem Antrag zu? – Die FDP und die Fraktion der Piraten. Wer stimmt dagegen? – Niemand. Wer enthält sich? – Bei Enthaltung von SPD, Grünen und CDU ist dieser Antrag Drucksache 16/9099 einstimmig angenommen.

(Beifall von der FDP und den PIRATEN)

Ich rufe auf:

4 Alkohol in der Schwangerschaft – jeder

Schluck kann das werdende Leben dauerhaft schädigen

Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 16/8980

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die CDUFraktion Frau Kollegin Birkhahn das Wort.

Herr Präsident! Meine verehrten Kollegen und Kolleginnen! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Tribüne! Nach einer diskussionsreichen und lebhaften Plenarwoche oder nach einem vergnüglichen Abend wird sicherlich der eine oder die andere von uns heute nach Feierabend zu Hause auf der Terrasse ein Glas Wein oder ein kühles Bier trinken. Was für viele zum kulinarischen und gesellschaftlichen Leben dazugehört, kann in der Schwangerschaft für ein ungeborenes Kind zu lebenslangen gesundheitlichen Schäden führen.

Jedes Glas Alkohol, das eine schwangere Frau zu sich nimmt, bedeutet nachweislich für das Kind im Mutterleib einen Vollrausch mit schwerwiegenden Folgen. Als fetale Alkoholspektrumstörung – kurz: FASD – werden alle Formen der vorgeburtlichen Schädigung durch Alkohol bezeichnet. Dazu zählen unter anderem Schädigungen am Skelett, an Organen – wie angeborene Herzfehler – und vor allem Schädigungen des zentralen Nervensystems, die zu Gedächtnis- und Konzentrationsschwächen führen.

Alkoholgeschädigte Kinder haben fast immer große Probleme, Verhalten und Emotionen zu steuern. Sie sind für ihr gesamtes Leben geschädigt, und der normale Alltag ist für sie ohne Hilfe nicht zu bewältigen. In Deutschland kommen Tausend Neugeborene jährlich mit dem Down-Syndrom zur Welt. Zehnmal so viele Kinder – 10.000 Kinder – werden in Deutschland jedes Jahr mit einer Schädigung durch Alkohol geboren.

Hier ist die Politik in der Pflicht, dafür Sorge zu tragen, dass diese Zahl reduziert wird. Konnte man vor ein paar Jahren noch sagen: „Ein Gläschen in Ehren kann ja niemand verwehren“, so ist heute durch wissenschaftliche Studien bewiesen, dass jeder Tropfen schädigt. Bereits geringste Mengen Alkohol können lebenslange Behinderungen nach sich ziehen.

Konsum von Alkohol in der Schwangerschaft ist die häufigste Ursache angeborener körperlicher und geistiger Behinderungen von Kindern. 25 % aller Frauen greifen in der Schwangerschaft zu alkoholischen Getränken. Für Nordrhein-Westfalen liegen leider keine Zahlen vor. Das ist bedauerlich. Offensichtlich lässt die Landesregierung hier ein deutliches Engagement

(Zuruf von der SPD: Oh! – Ministerin Barbara Steffens: Wieso denn das?)

für eine ernsthafte Präventionspolitik zur Aufklärung über die Gefahren von Alkoholkonsum in der Schwangerschaft vermissen.

Wir brauchen deshalb eine umfassende Aufklärungsarbeit über alle Gesellschaftsschichten hinweg und natürlich vor allem bei Schwangeren und deren Angehörigen. Wir brauchen Kampagnen, Informationen, Gespräche mit den behandelnden Ärztinnen und Ärzten. Einige Verbände und Vereinigungen sind hier schon sehr bemüht. Sie brauchen aber auch die politische Unterstützung, um die breite Masse der Bevölkerung zu erreichen. Dies wollen wir mit unserem vorliegenden Antrag anstreben.

Alkohol ist ein sozial anerkanntes Genussmittel. Aber über die Folgen des Konsums in der Schwangerschaft ist immer noch zu wenig bekannt. Man glaubt es nicht. Man dachte ja, das sei Eulen nach Athen tragen, was wir mit diesem Antrag vorhaben. Aber die Zahlen sprechen eine andere Sprache.

Solange die Gesellschaft Alkoholkonsum in der Schwangerschaft verharmlost, werden Kinder mit Schädigungen durch Alkohol geboren.

(Beifall von Werner Jostmeier [CDU])

Die Landesregierung muss deshalb dieses Thema öffentlichkeitswirksam in die Gesellschaft hineintragen. Sie muss mit Verbänden und der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung Hand in Hand Präventionsmaßnahmen entwickeln und umsetzen, und zwar sofort.