Protokoll der Sitzung vom 02.12.2015

Deutschland und Nordrhein-Westfalen müssen beim Klimaschutz im Spitzenfeld mitfahren. Aber wir sind hier auf einem schmalen Grat unterwegs. Wir müssen aufpassen, dass wir auch weniger starke Mitfahrer, weniger schnelle Mitfahrer im Spiel halten. Wir dürfen sie nicht so oft überrunden, dass sie nicht mehr mitmachen wollen oder dass sie keine Perspektive mehr sehen.

Herr Minister Remmel, Sie fahren gerne Rad, wie wir im Zuge der Diskussion über die neuen sanitären Anlagen in Ihrem Hause gehört haben. Beim Teamzeitfahren im Radsport müssen ja auch fast alle Teammitglieder ankommen. Sie können nicht einfach den Ersten vorschicken, und alle anderen können sehen, wo sie bleiben. So ähnlich ist es auch beim Klimaschutz. Sie müssen gemeinsam als Team ankommen. Es kann welche geben, die das Tempo erhöhen. Sie jedoch fahren im Moment vollkommen voraus und lassen die anderen Teammitglieder hinterherfahren. Das wird nicht funktionieren.

(Beifall von der FDP)

Was ist stattdessen zu tun? – Da sind Daumenschrauben für die Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen zu lösen, damit wir volles Potenzial heben können. Produkte wie die Energiewende müssen effektiv und effizient gestaltbar gemacht werden. Das wären Maßnahmen, die wir unterstützen sollten. Sie jedoch machen mit vielen kleinen Einzelmaßnahmen genau das Gegenteil.

Schwellenländer – Herr Minister Remmel, im Anschluss an Ihre letzte Chinareise müssten Sie das wissen – werden alles unterlassen, was ihre Wachstums- und Wohlstandsmehrung auch nur einen Hauch schmälert. Die werden an dieser Stelle nicht mitmachen. Wenn Sie einmal über den eigenen Tellerrand hinausschauen würden, wüssten Sie, dass Sie mit all diesen Diskussionen um einen grundsätzlichen Kohleausstieg, um eine allgemeine diffuse Wachstumskritik oder um Milliardensubven

tionen wie beim EEG sämtliche Schwellenländer und wahrscheinlich auch viele Industrieländer verlieren. Damit locken Sie keinen hinter dem Ofen hervor. Unter dem Strich wird damit nichts erreicht.

Meine Damen und Herren, für einen erfolgreichen Klimaschutz brauchen wir Wirtschaftlichkeit, Effektivität, Effizienz, jedoch keinerlei rot-grüne Ideologie. Wir brauchen einen weltweiten Emissionshandel, wie ihn die EU bereits vor Jahren sehr erfolgreich eingeführt hat. Daran ändert auch Ihre Kritik nichts.

Wenn wir die wirtschaftlichste Lösung mit Forschungsanreizen kombinieren, dann sichern wir so unsere industrielle Basis, unsere Basis für Wohlstand, dann verhindern wir Strukturbrüche und können gleichzeitig das Klima schützen. Sie konzentrieren sich leider nur auf Letzteres. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Höne. – Nun spricht für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Kollegin Brems.

Lieber Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kinder, liebe Jugendliche! Gestern lernte ich Jona Ibels kennen. Jona ist Klimaaktivist, und das schon seit sieben Jahren. Was daran besonders ist? – Jona ist 18 Jahre alt. Er setzte sich also schon mit elf Jahren für den Erhalt unserer Erde ein.

Jona ist Klimabotschafter der Initiative „Plant-forthe-Planet“, die im Jahre 2007 von dem damals neunjährigen Felix Finkbeiner gegründet wurde. Felix erzählt im Buch „Baum für Baum. Jetzt retten wir Kinder die Welt“ von den Anfängen seiner Initiative. Daraus zitiere ich kurz:

„Am Montag habe ich dann vor der Klasse mein Referat gehalten. ‚Das Ende des Eisbären‘ habe ich es genannt. Ich habe den anderen den Treibhauseffekt erklärt, habe ihnen erzählt, was das CO2 mit dem Temperaturanstieg zu tun hat und dass Bäume CO2 binden und in Sauerstoff verwandeln. Bäume machen gefährliche Treibhausgase unschädlich. Es müsste aber natürlich mehr Bäume geben – und genau dafür können wir sorgen! ‚Lasst uns in jedem Land der Erde eine Million Bäume pflanzen‘, habe ich zum Schluss gesagt.“

Seitdem pflanzen Felix und seine Freunde Bäume und setzen Zeichen für Klimagerechtigkeit.

(Beifall von den GRÜNEN)

Auch Jona, der uns Grüne gestern in unserer Fraktionssitzung besucht hat, kommt in dem Buch von Felix und seinen Freunden vor. Er erzählt in dem Buch – damals, vor einigen Jahren –:

„Ich mache mit, weil ich mich für unsere Zukunft einsetzen will. Die meisten Erwachsenen reden

nur und handeln nicht. Sie denken nur an das Jetzt und dass sie es gemütlich haben wollen. Wenn wir groß sind, sind die Erwachsenen nicht mehr da und kriegen die Katastrophe nicht zu spüren. Gemütlichkeit und Geld sind vielen Erwachsenen wohl wichtiger als wir Kinder. Deshalb müssen wir Kinder was tun. Die Erwachsenen schaffen es ja nicht alleine.“

Jona sprach gestern in unserer Fraktionssitzung zu uns. Normalerweise berichten wir ja hier nicht aus internen Fraktionssitzungen, aber in diesem Fall, denke ich, kann ich einmal eine Ausnahme machen. Jona verglich uns Erwachsene mit Affen – mit Affen, die vor die Wahl gestellt sind, ob sie eine Banane jetzt oder in fünf Stunden sieben Bananen haben wollen. Er sagte, dass die Erwachsenen sich immer für eine Banane jetzt entscheiden, da sie nicht nachhaltig denken.

Jona machte uns gestern in einer für uns alle schon fast irritierenden Klarheit folgende Wahrheit deutlich: Während die meisten hier in diesem Raum nur noch etwa 20, 30, vielleicht 40 Jahre auf dieser Welt verweilen und somit die schlimmsten Klimaveränderungen nicht mehr erleben werden, werden die Kinder von heute massive Klimaveränderungen, Katastrophen und Verwerfungen hautnah miterleben. Die Kinder von heute haben zu Recht den Anspruch an uns, die wir heute verantwortlich sind, dass wir schon heute etwas dafür tun, die Klimakatastrophe zu bekämpfen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Daher sind internationale Verhandlungen wie beispielsweise die UN-Klimakonferenz in Paris – an die wir die Erwartung haben, dass es zu verbindlichen Vereinbarungen kommt, die die durchschnittliche Erwärmung der Erde wirklich auf 2°Celsius begrenzen – so wichtig.

Es wird Zeit, dass die Staatschefs der Industrie- und auch der Schwellenländer ihrer Verantwortung gerecht werden. Wir Industrieländer haben in den letzten Jahrhunderten die Hauptemissionen von Treibhausgasen zu verantworten. Immer mehr Länder holen auf und wollen verständlicherweise unsere Standards erreichen.

Die Frage ist jedoch, ob sie genau den gleichen Weg gehen müssen, wie wir ihn gegangen sind, und ob sie genau die gleichen Fehler machen müssen. Uns allen auf der ganzen Welt stehen erneuerbare Energien unbegrenzt zur Verfügung. Sie können heute kostengünstig und einfach zur Energiegewinnung genutzt werden.

In den Schwellen- und Entwicklungsländern müssen keine neuen Kohleabbaugebiete geschaffen werden, um Energie und Entwicklung zu ermöglichen. Es gibt längst andere Möglichkeiten. Auch China hat das erkannt: Der Ausbau von Wind- und Solarenergie in China beispielsweise ist enorm.

Die Verhandlungen in Paris zeigen auch dieses andere Vorgehen von Ländern wie beispielsweise Costa Rica. Costa Rica ist ganz konkret von einem steigenden Meeresspiegel bedroht. Costa Rica entschied sich schon vor Jahren, bis zum Jahr 2021 klimaneutral zu werden – angefangen beim Strom über die Wärme bis hin zu Verkehr und Wirtschaft. Wie bei Plant-for-the-Planet gehört auch ein massives Aufforstungsprogramm dazu.

Neben internationalen Klimaverhandlungen sind, wie auch von den Kindern von heute gefordert, Anstrengungen vor Ort, in den Dörfern und Städten, in den Regionen und Bundesländern ebenso notwendig. Denn mit Verhandlungen allein ist es nicht getan. Geht die Staatengemeinschaft in Paris nicht stark genug gegen die Klimakatastrophe vor, sind Klimaschutzmaßnahmen vor Ort umso wichtiger. Dann ist ein Klimaschutz mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten notwendig.

Dabei sollte Nordrhein-Westfalen vorne mit dabei sein, nicht obwohl wir ein Industrieland sind, sondern weil wir ein Industrieland sind. Johannes Remmel hat eben schon darauf hingewiesen: Klimaschutz ist ganz klar ökonomische Vernunft. Wir wollen, dass wir die Wirtschaft und Industrie in Nordrhein-Westfalen fit für die Zukunft machen. Ganz klar ist: Das, was Nordrhein-Westfalen in den letzten Jahrzehnten und Jahrhunderten groß gemacht hat, muss nicht zwangsläufig das sein, womit es groß bleibt. Wir müssen Nordrhein-Westfalen und die Wirtschaft gemeinsam neu erfinden und umwandeln. Genau so kann es gelingen.

Wo die Zukunft liegt, erkennen immer mehr eigentlich aus der konventionellen Wirtschaft stammende Firmen, aktuell zum Beispiel – auch das ist eben schon einmal kurz angesprochen worden – RWE. RWE wird sich aufspalten. Ich sehe an dieser Aufspaltung ganz klar, dass RWE die eigenen Zukunftsbereiche erkannt hat. Sie liegen in den erneuerbaren Energien, sie liegen in den Netzen, sie liegen in der Digitalisierung.

Aber was für uns an dieser Entscheidung ganz wichtig ist: Es kann nicht sein, dass sich RWE damit im Hinblick auf die Ewigkeitslasten von Atom- und Braunkohle aus der Verantwortung stiehlt. Das darf natürlich nicht passieren.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von den PIRATEN)

Vor etwa einer Woche schlug die Nachricht ein, dass die Allianz aus dem sogenannten Divestment, also den Investitionen in fossile Energieträger, aussteigen wird. Die Allianz steht damit nicht allein; auch AXA kündigte diese Maßnahme an. Der Großinvestor Warren Buffett verkaufte alle seine Anteile an Gas- und Ölfirmen.

Vorhin ist bereits der Rockefeller Brothers Fund erwähnt worden. Die Kritik, die dazu von der FDP kam, kann ich an dieser Stelle wirklich nicht nach

vollziehen. Es bedeutet eine große Veränderung der Leitlinie, wenn ein Fonds, dessen Gründung auf ein Ölimperium zurückgeht, entscheidet, dass die Zukunft nicht mehr im Ölgeschäft liegt, und wenn er seine Investitionen in Höhe von 860 Millionen USDollar aus dreckigen Energieträgern abzieht.

Diese und weitere Beispiele zeigen, wo die Zukunft liegt. Sie liegt nicht in der Kohle.

(Zuruf von Christian Lindner [FDP])

Sie liegt in erneuerbaren Energien.

(Beifall von den GRÜNEN und den PIRATEN)

Ebenso wie neue Kohlekraftwerke in Schwellen- und Entwicklungsländern nicht mehr notwendig sind, sind neue Kohlekraftwerke auch bei uns unnötig. Umso nötiger jedoch ist ein Ausstieg aus der Kohle in Deutschland und in Nordrhein-Westfalen.

In dem Bemühen, die von allen beschworene Planungssicherheit herzustellen – darin scheinen wir uns ja alle einig zu sein –, gibt es jedoch sehr große Differenzen darüber, wie man das erreicht. Wir sind der Meinung: Die Planungssicherheit kann man nicht dadurch herstellen, dass man über Jahre die Augen vor der Tatsache des kommenden Kohleausstiegs verschließt. Das wäre fatal.

Um Strukturbrüche zu vermeiden, müssen wir jetzt einen gemeinschaftlichen Weg mit allen Beteiligten und Betroffenen gehen. Dieser Weg muss gemeinsam gefunden werden; so hat es auch die Bundesumweltministerin vorgeschlagen.

Ich möchte, dass mein heute dreijähriges Patenkind Emma in 30 Jahren, wenn es fast so alt ist wie ich heute, ein mit erneuerbaren Energien versorgtes, modernes Industrieland NRW vorfindet.

(Zuruf von Christian Lindner [FDP])

Ich möchte, dass Emma nicht mehr die gleichen Kämpfe austragen muss wie wir heute. Ich möchte, dass Emma sich nicht mehr für die Abschaltung von Kohlekraftwerken einsetzen muss, weil es diese dann längt nicht mehr gibt. Ich möchte, dass Emma mir und uns nicht vorwerfen kann: „Ihr habt von der Klimakatastrophe gewusst und nicht genug getan!“

(Beifall von den GRÜNEN)

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kinder, liebe Jugendliche, lieber Jona, liebe Emma, ich verspreche: Ich werde alles tun, um erneuerbare Energien auszubauen, Kohlekraftwerke überflüssig zu machen und mehr Bäume mit Plant-for-the-Planet zu pflanzen. Kurz und gut: Ich verspreche, alles zu tun, um unser Klima und unsere Welt zu retten. Sehr geehrte Damen und Herren, machen Sie mit! Liebe Kinder und Jugendliche, macht mit!

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Brems. – Für die Piratenfraktion spricht nun der Fraktionsvorsitzende Herr Marsching.

Vielen Dank, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mein Damen und Herren auf der Tribüne und zu Hause! Vorhin haben wir über Paris gesprochen, über die schrecklichen Attentate, über unseren Willen zur Solidarität im gemeinsamen Kampf gegen den Terror. Er bedroht unsere Gesellschaft, die in Freiheit leben will.

Jetzt müssen wir noch einmal über Paris und auch über unsere Pflicht zur Solidarität sprechen. Am Montag hat in Paris die Weltklimakonferenz begonnen. Hunderte Millionen Menschen setzen ihre Hoffnung darauf, dass dabei konkrete Ergebnisse herauskommen – Ergebnisse, die überlebenswichtig sind für diejenigen, die hoffen; denn auch sie wollen in Freiheit leben und überleben.

Ihr Leben, ihre Freiheit sind akut bedroht vom Klimawandel. Ihre Lebensgrundlage wird zerstört durch Überflutungen, durch die Versalzung von Böden, durch Trockenheit. Der Klimawandel findet statt, und nur die letzten Ignoranten leugnen das noch. Der Klimawandel vernichtet bereits heute fruchtbares Ackerland und treibt Menschen in die Klimaflucht. Flucht aber ist immer das Ende von Freiheit. Die Verantwortung dafür liegt nun einmal auch bei uns. Denn es ist unser Hunger nach billiger Energie, der den Klimawandel anheizt. Die Bedrohung geht von hier aus.