Protokoll der Sitzung vom 02.12.2015

Das 40%-Ziel der Bundesregierung, meine Damen und Herren, baut auf den Meseberger Beschlüssen

der Bundesregierung von 2007 auf. Mit 29 konkreten Ansätzen wollte man damals eine Verminderung des CO2-Ausstoßes in Höhe von 36,6 % bis 2030 erreichen. Später wurden daraus 40 %.

Allerdings sind die damit verbundenen Erwartungen nicht erfüllt worden. Ein stabiler Rechtsrahmen, zum Beispiel für CCS-Technologien, wurde nicht erreicht. Das war aber eine wesentliche Annahme im Energiesektor. Der Wärmesektor sollte einen wesentlichen Beitrag leisten, aber davon sind wir bis jetzt ziemlich weit entfernt. Der Verkehrssektor sollte ebenfalls einen deutlichen Beitrag leisten, zum Beispiel mit einer CO2-Strategie Pkw sowie einer Verlagerung des Güterverkehrs auf Schiene und Wasser. Auch da sind wir kaum weitergekommen.

Insbesondere strengere Grenzwerte für Pkw wurden immer wieder auch mithilfe der Bundesregierung hinausgezögert. Es war schon lange bekannt, dass die Differenz zwischen offiziellen und realen Werten immer größer wurde, besonders im Premiumsegment. 2001 betrug die Differenz noch 8 %, 2014 waren es 40 % und im Premiumsegment sogar deutlich über 50 bis hin zu 60 %. Schlupflöcher in der Testprozedur wurden hingenommen, zum Schaden des Klimas und des Industriestandortes Deutschland.

Auch im Energiesektor läuft es nicht rund. Nachdem Schwarz-Gelb erst 2010 die Laufzeit für Atomkraftwerke um zwölf Jahre verlängerte, beschlossen sie ein Jahr später, den Ausstieg bereits bis 2022 zu vollziehen, und legten sofort AKWs still.

Eine Energiepolitik ohne Konzept, ohne Kompass.

CCS-Technologien und Atomkraft bis weit über 2030 hinaus waren aber wichtige Grundannahmen für das 40%-Ziel, jedenfalls im Energiesektor. Kein Land auf der Welt macht beides: aus der Atomkraft und aus der Kohle aussteigen. England wird dafür gelobt, dass die Zerschlagung der Kohle unter Margaret Thatcher nun zu Ende gebracht wird, aber dort setzt man vermehrt auf Kernkraft. Das will hier niemand.

Wir brauchen kein Kohleausstiegsgesetz, wir haben gerade zur Unterstützung der Klimapolitik der Bundesregierung vereinbart, fünf 300-MW-Blöcke in Nordrhein-Westfalen vorzeitig vom Netz zu nehmen.

(Dietmar Brockes [FDP]: Was sagt denn Ihre Umweltministerin?)

In der Leitentscheidung zu Garzweiler wurde der Tagebau verkleinert. Wir haben bereits festgelegt, 2018 aus der Steinkohle auszusteigen.

(Dietmar Brockes [FDP]: Warum weiß das Frau Hendricks nicht?)

Neue Tagebaue, Herr Kollege Brockes, wird es auch in NRW nicht mehr geben. Bestehende Braunkohlepläne und die neue Leitentscheidung

geben Planungssicherheit für das Rheinische Revier und die Arbeitsplätze. 2030 wird mit Inden ein kompletter Tagebau abgeschlossen sein. Garzweiler und Hambach haben Kohle bis 2050; dann ist das Ende der Braunkohle in NRW erreicht.

Bis dahin müssen aber noch wichtige Voraussetzungen geschaffen werden, damit dann eine Versorgungssicherheit durch erneuerbare Energien erreicht werden kann. Die Speicherfrage muss nicht nur auf Papier beschrieben sein, sie muss bis dahin auch real gelöst werden. Heute können vorhandene Speicher gerade einmal 2,5 % eines durchschnittlichen Tagesbedarfs decken. Langzeitspeicher könnten perspektivisch zum Beispiel „Power to Gas“ oder ähnliche Technologien sein. Allerdings ist hier noch ein erheblicher Forschungsbedarf notwendig.

Von einer technischen Realisierung von Langzeitspeichern sind wir noch weit entfernt. Der Klimaschutzplan NRW setzt hier einen Schwerpunkt bei Forschung und Entwicklung, und das ist auch gut und richtig so. Darum waren die Äußerungen der Bundesumweltministerin im Vorfeld des Klimaschutzgipfels wenig hilfreich. Sie ignoriert die Versorgungssicherheit, die wir gerade als Industrieland Nordrhein-Westfalen brauchen und die wir für ganz Deutschland bereitstellen.

NRW betreibt ambitionierten Klimaschutz. Wir unterstützen die Anstrengungen zur Begrenzung des weltweiten Klimawandels. Wir bieten konkrete Lösungen statt Symbolik oder Rechenkunststückchen. Mit der Förderung des Bundes für das virtuelle Kraftwerk „Designnetz“ unter Beteiligung von RWE werden 60 Millionen € in die Energieversorgung der Zukunft hier bei uns investiert. Die Landesregierung hat jüngst in Südamerika vorgemacht, wie der Klimawandel Chancen für den Industriestandort NRW eröffnen kann.

Wir bleiben dabei: Klimaschutz muss nachhaltig, ökologisch, ökonomisch und sozial sein, und zwar gleichwertig und in ausgewogener Weise. Sonst wird es für eine Energiewende auf Dauer keine Akzeptanz geben.

Der Eilantrag der FDP, die die Klimaschutzziele im Bund ansonsten immer mitgetragen hat, greift hier viel zu kurz.

Ihre Haltung zum Klimaschutz ist unklar und widersprüchlich. Ihr Anliegen im Eilantrag ist durch Regierungshandeln längst erledigt. Hannelore Kraft und Garrelt Duin haben die Position NRWs umgehend klargestellt. Sie kommen mal wieder zu spät.

Wir lehnen diesen Antrag ab. Er ist ein durchschaubarer Versuch, doch noch ins Thema zu kommen. – Schönen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Thiel. – Für die FDP-Fraktion spricht nun der Kollege Höne.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn ein grüner Umweltminister von Rockefeller spricht, ist das so, als ob der berühmte Blinde von der Farbe sprechen würde. Herr Minister Remmel, Sie haben eben davon gesprochen, es gebe 18 Millionen potenzielle Klimagenossen in Nordrhein-Westfalen. Da kann ich Ihnen nur empfehlen, sich ein bisschen näher mit der Geschichte von Rockefeller auseinanderzusetzen. Auf 18 Millionen kleine Einzelunternehmen hat er in seiner Zeit nämlich nicht gesetzt, sondern alles an sich gerissen. Dabei reden Sie doch immer von Dezentralität und von vielen Akteuren. Das passt vorne und hinten nicht.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Meine Damen und Herren, der Klimaschutz und die Klimafolgenanpassung gehören sicherlich zu den größten Herausforderungen dieses Jahrhunderts; vielleicht sind sie sogar die größten. Eine entsprechend hohe Bedeutung hat und verdient die Klimakonferenz in Paris.

„Der Gipfel von Lima“, so sagte die Bundesumweltministerin Barbara Hendricks, „eröffnet alle Möglichkeiten für ambitionierten, weltweiten Klimaschutz.“ Aber – und die Probleme sind ja bekannt – das Kyoto-Protokoll – so könnte man sagen – hat zuletzt geschwächelt und schwächelt noch immer. Denn zuletzt folgten diesem Kyoto-Protokoll weniger als 40 Staaten. Große Emittenten – die Kolleginnen und Kollegen, die vor mir gesprochen haben, haben es schon gesagt – haben sich gar nicht mehr beteiligt, so beispielsweise die USA, China und Russland.

Das Ziel, meine Damen und Herren, dass wir einen weltweiten Vertrag bekommen, wird von den Freien Demokraten ausdrücklich unterstützt. Ich finde es auch wichtig – das ist auch richtig –, dass die Lasten zwischen Industrie- und Entwicklungsländern fair verteilt werden; das war auch ein Betreiben der EU, das Ganze stärker nach der tatsächlichen Wirtschaftskraft zu verteilen. Denn es ist sicherlich richtig, dass die Schultern, die mehr tragen können, auch mehr tragen.

Wünschenswert wären verbindliche Ziele zum Einhalten des Zwei-Grad-Ziels, also Ziele, die für alle Länder verbindlich sind und deren finanziellen und technischen Ressourcen angemessen berücksichtigen. Was auf gar keinen Fall bei dieser Konferenz passieren darf, ist, dass es zu Unverbindlichkeit, Alleingängen und dadurch zu einem unfairen Wettbewerb weltweit kommt. Wir meinen, Klimaschutz muss sich lohnen bzw. muss belohnt werden. Das ist der stärkste Treiber, um hier voranzukommen. Dazu müssten wir unserer Meinung nach bestehen

de Kohlenstoffmärkte verbinden, also im Idealfall ein weltweites Zertifikatehandelssystem aufbauen.

Aktiv brauchen wir marktwirtschaftliche Anreize und Mechanismen. Diese müssen wir einbinden und nutzen, um das gewünschte Ziel zu erreichen. Wir dürfen sie eben nicht verteufeln. Marktwirtschaft und diese Mechanismen, meine Damen und Herren, sind Teil der Lösung und müssen zum Teil der Lösung gemacht werden. Sie sind nicht Teil des Problems.

(Beifall von der FDP)

Trotzdem ist zu befürchten, dass es zu einem Wunschergebnis wohl nicht kommen wird. Ich habe die Sorge, dass die großen Emittenten nicht oder unverbindlich oder nur mit sehr geringen Ambitionen dabei sind. Es ist natürlich auch so, dass nationale Alleingänge aus politischen, aus populistischen Gründen weiterhin beliebt sind. Ich meine übrigens Alleingänge in beide Richtungen, also sowohl in die eine Richtung, Ziele überzuerfüllen, als auch in die andere Richtung, sich komplett herauszuhalten. Denken Sie einmal an die eine oder andere innenpolitische Debatte in den USA zu diesem Thema.

Das Motto, das auch vom Umweltminister immer wieder gerne zitiert wird, „Global denken, lokal handeln“, ist im Grundsatz sicherlich richtig. Das Problem ist nur, Herr Minister Remmel, dass Sie sich auf das lokale bzw. regionale Handeln beschränken; denn mit solchen Alleingängen, wie Sie sie oftmals vorschlagen und wie sie auch im Klimaschutzgesetz enthalten sind, blenden Sie das globale Denken aus.

Unter den zehn größten Emittenten weltweit – der Kollege Hovenjürgen ist eben schon darauf eingegangen – befinden sich sechs Länder Asiens; Europa ist mit Deutschland nur einmal vertreten. Insgesamt machen die EU-28 nur noch 10 % der Gesamtemissionen weltweit aus – Tendenz stark sinkend. Schauen Sie nach Asien! Schauen Sie nach Südamerika!

Was tun wir eigentlich gerade in Deutschland? Das war auch Teil der Unterrichtung: Klimaschutz und Energiewende – wir haben es diese Woche mehrfach im Umweltausschuss besprochen – waren und bleiben leider insbesondere eine Stromwende, und wegen dieser verengten Strategie der Bundesregierung und auch der Landesregierung wird es schwer, die selbst gesteckten Ziele zu erreichen. Viele Sektoren, beispielswiese Wärme und Verkehr, bleiben ohne treibende Impulse.

An dieser Stelle erinnere ich sehr gerne noch einmal an das Thema „steuerliche Förderung der Gebäudesanierung“. Das haben Sie blockiert. Sie bleiben bei Ihrer Haltung dazu, obwohl dort riesige Potenziale zu heben wären.

Wir fokussieren uns in Deutschland, Herr Minister, auf die Treibhausgase in der Energiewirtschaft. Da

gab es die Idee des Klimabeitrags. 22 Millionen t CO2 sollten eingespart werden. Das Ergebnis ist jetzt die Klimareserve. Die kostet 1,6 Milliarden €. Hätten wir diese Menge an CO2 in Zertifikaten zu den aktuellen Preisen gekauft, hätten wir das um den Faktor 10 günstiger hinbekommen.

(Beifall von der FDP)

Was hätten wir eigentlich noch mit 1,6 Milliarden € machen können? Mit 1,6 Milliarden € hätten wir 100 Millionen t CO2 einsparen können, zumindest nach Zahlen des IW Köln, das nämlich berechnet hat, dass wir pro investierten 15 € in private Heizungen 1 t CO2 einsparen können. Mit der Summe, mit der wir jetzt 22 Millionen t CO2 einsparen wollen, hätten wir 100 Millionen t CO2 einsparen können. Das ist ein Schaubild Ihrer Politik und ein Beweis für die Ideologisierung dieser ganzen Debatte.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Das ist insofern besonders dramatisch, als es auf der einen Seite Geld und volkswirtschaftliches Vermögen vernichtet und es auf der anderen Seite genau solche Beispiele sind, die dazu führen werden, dass uns weltweit kaum jemand wird folgen wollen. Mit diesen Beispielen nach außen hin werden wir kein weiteres Land überzeugen, uns zu folgen.

In NRW, meine Damen und Herren, machen wir darüber hinaus auch noch die Dinge, die eigentlich schaden. Wir haben überambitionierte Ziele und unternehmen Alleingänge. Es gibt die NRW-eigene Energiewende plus 15 weitere Energiewenden in den Bundesländern plus das, was die Bundesregierung macht, plus das, was die Europäische Union macht. Wir haben viel Klein-Klein, wir haben viele Widersprüche und Zielkonflikte, die nicht aufgelöst werden. Was das Klein-Klein angeht, so haben wir schon öfter an Beispiele aus dem Klimaschutzplan erinnert. Ich erinnere an Kampagnen wie zum Beispiel „Mein Wäschetrockner ist eine Leine“, mit denen wir wahrscheinlich weder das Klima retten noch Leute auf unsere Seite ziehen werden.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Es gibt aber auch viel Klein-Klein bei den regelmäßig angekündigten und nie erfüllten Masterplänen. Minister Duin wird ja gleich noch sprechen. Herr Duin, am 8. Juli 2012 haben Sie im „Focus“ einen Masterplan für die Energiewende angekündigt. Wir wären dann so weit – Sie leider noch nicht.

Es gibt zahlreiche Widersprüche. Denken Sie einmal an das Thema „Steag“. Da versuchen ja Rote und Grüne, gleichzeitig Gas zu geben und zu bremsen. Das kann dem Motor auf Dauer nicht so guttun. Kohleausstiegsgesetz, Leitentscheidung, die letzten Äußerungen von Barbara Hendricks – all das wird gerne öffentlichkeitswirksam verkauft.

Wenn die Braunkohlepläne der Steag jetzt aber tatsächlich weiterverfolgt werden, kommen wir dann wirklich dahin, dass der letzte Braunkohlebagger,

der in Deutschland noch arbeitet, Wappen von nordrhein-westfälischen Kommunen trägt? Diese Widersprüche, meine Damen und Herren von SPD und Grünen, müssten Sie aufklären. Sie tun es jedoch nicht.

(Beifall von der FDP)

Die Rolle von Nordrhein-Westfalen ist ohne Zweifel wichtig. Ich warne aber davor, dass wir uns selbst zu wichtig nehmen und die Mechanismen, die weltweit vorhanden sind, ignorieren. Niemand muss den Zertifikatehandel in der Europäischen Union mögen – aber Sie schaden dem Land, Sie schaden der Wirtschaft, Sie schaden den Menschen, wenn Sie bei neuen Maßnahmen ständig so tun, als gebe es die Mechanismen nicht, zumal Sie sich ja, was Ihre eigenen Anstrengungen und Ihre eigene Vorbildfunktion – Stichwort: klimaneutrale Landesverwaltung – angeht, nicht an Ihre eigenen Gesetze halten. Auch da wird uns niemand folgen.

Deutschland und Nordrhein-Westfalen müssen beim Klimaschutz im Spitzenfeld mitfahren. Aber wir sind hier auf einem schmalen Grat unterwegs. Wir müssen aufpassen, dass wir auch weniger starke Mitfahrer, weniger schnelle Mitfahrer im Spiel halten. Wir dürfen sie nicht so oft überrunden, dass sie nicht mehr mitmachen wollen oder dass sie keine Perspektive mehr sehen.