Protokoll der Sitzung vom 03.12.2015

(Zurufe von der SPD)

Das Ganze hat zu dem Ergebnis geführt, Frau Altenkamp, dass mittlerweile 80 % aller Einrichtungen defizitär laufen.

Herr Kollege, würden Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Jörg zulassen?

Lieber Marcel Hafke, herzlichen Dank, dass Sie die Zwischenfrage erlauben.

„Wir haben kein Geld für die Beitragsfreiheit“, haben Sie gerade formuliert. Ich möchte dazu noch einmal eine Nachfrage stellen. Schwarz-Gelb hat eine Steuererleichterung für Hoteliers beschlossen, die rund 1 Milliarde € umfasste. Dieses Geld war auf Bundesebene kreditfinanziert.

Wissen Sie, wie hoch die jährliche finanzielle Belastung für das Land Nordrhein-Westfalen aufgrund dieser Aktion war? Können Sie sich daran erinnern, dass das eine jährliche Belastung in Höhe von 300 Millionen € ausmachte?

(Zuruf von der SPD: 300 Millionen €?)

Dafür haben Sie Geld übrig, für eine Beitragsbefreiung bei den Kitas aber offenbar nicht? Können Sie mir das einmal erklären?

Lieber Kollege Jörg, wissen Sie, was der große Unterschied zwischen den Sozi

aldemokraten und den Freien Demokraten ist? Die SPD hat unser Land – und es geht immerhin um die Zukunft der Menschen – 40 Jahre regiert und dabei einen Schuldenberg von 140 Milliarden € hinterlassen.

(Beifall von der FDP)

Sich dann hierhin zu stellen und sich für diese Haushaltspolitik abzufeiern, ist meines Erachtens vollkommen falsch.

Wir als FDP hier im Landtag haben nie gesagt, dass wir in Berlin oder hier immer alles richtig gemacht haben. Aber es kann nicht sein, dass Sie – trotz des Schuldenbergs in Höhe von 140 Milliarden € und trotz der Tatsache, dass jedes Jahr mehrere Milliarden Euro an Schulden hinzukommen – 160 Millionen € für eine völlig falsche Prioritätensetzung ausgeben.

Dadurch sind nicht mehr Kinder in den Kindergarten gegangen. Es ist keine Erzieherin zusätzlich eingestellt worden. Die Situation der Tagesmütter und Tagesväter ist nicht verbessert worden. Damit haben Sie lediglich eine Entlastung der mittleren und der höheren Einkommen vorgenommen.

(Ingrid Hack [SPD]: Und die U3-Kinder? Sol- len die ohne Sand spielen, oder was?)

Das bringt für die Qualität überhaupt nichts. Deswegen ist das auch der völlig falsche Ansatz.

(Beifall von der FDP)

Wir haben die Situation, dass mittlerweile 80 % aller Kindertageseinrichtungen defizitär laufen.

Die Bilanz nach fünf Jahren Rot-Grün in NordrheinWestfalen sieht wie folgt aus: Bei der U3-Betreuung sind Sie mit einer Quote von 25,8 % Schlusslicht. 20 % der Eltern konnten keinen Betreuungsplatz in Wohnortnähe finden. Sie haben in diesem Haushalt keine eigenen U3-Mittel eingestellt. Die bisherige Förderpraxis Ihrer U3-Finanzierung sieht so aus,

(Zuruf von Britta Altenkamp [SPD])

dass es mittlerweile keine ausreichende Anzahl von Ü3-Plätzen gibt. Die Wahlfreiheit ist in vielen Kommunen so stark eingeschränkt, dass man sein Kind nicht mehr in 25-Stunden-Kontingenten in den Kindergarten geben kann. Die Konsequenz für die Eltern sind höhere Elternbeiträge.

Dann haben Sie noch gesagt, Sie hätten zusätzliches Geld in das Bildungssystem gegeben, was wir sehr begrüßen. Allerdings haben Sie es so unfair verteilt und viele neue bürokratische Auflagen geschaffen, dass die Kindertageseinrichtungen mittlerweile ganz schön darunter ächzen.

(Marc Herter [SPD]: Die leiden!)

In der Tagespflege ist die Vergütung mittlerweile stark vom Wohnort oder vom Tätigkeitsbereich der Tagesmütter und Tagesväter abhängig. Hier wäre

es dringend notwendig, entsprechend zu handeln; denn die Vergütung kann nicht davon abhängen, in welcher Stadt man wohnt und wie viel man dort für die gleiche Leistung verdient.

Sie haben bei einem Punkt einen richtigen Ansatz gewählt, und zwar sind Sie bereit, die Sprachfördermittel zu evaluieren. Ich kritisiere hier nun seit fünf Jahren, dass Sie die Steuergelder, die Sie ausgeben, nicht evaluieren, um zu schauen, ob diese Mittel auch tatsächlich dort ankommen, wo sie ankommen sollen.

(Ingrid Hack [SPD]: Und trotzdem wissen Sie, dass es zu wenig ist, Herr Hafke? Das passt doch nicht!)

Das finde ich ungeheuerlich. Das wäre eine gute Maßnahme, die sich gerade eine sozialdemokratisch geführte Regierung auf die Fahne schreiben kann.

Welche Maßnahmen müsste die Regierung also ergreifen, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie die Situation in den Kindertageseinrichtungen zu verbessern?

Als Erstes sollten Sie hingehen und zum Beispiel die Verfügungspauschale und die plusKITA-Mittel abschaffen, um das Geld, das daraus frei wird, in die Kindpauschalen zu investieren. Von einer Anpassung würden alle Kindertageseinrichtungen in diesem Land profitieren.

Als Zweites wäre es notwendig, endlich einmal zu handeln. Wir kritisieren seit fünf Jahren, dass die dynamische Anpassung von 1,5 % nicht ausreichend ist. Der Kollege Tenhumberg hatte es vorhin noch einmal angesprochen: Insbesondere in den letzten Tagen erreichen uns seitens der Evangelischen Kirche ohne Ende Briefe, die schildern, wie schwierig die Situation ist. Die Landesregierung hat ein Gutachten auf den Weg gebracht, das im Ergebnis zeigt, dass die Erhöhung nicht konnexitätsrelevant ist. Daher sollten Sie jetzt endlich Mut fassen und versuchen, diese Dynamik auf vernünftige Füße zu stellen.

Die 160 Millionen € im Zusammenhang mit der Beitragsfreiheit habe ich gerade angesprochen. Dieses Geld hätte man meines Erachtens viel besser in die Qualität der Kindertageseinrichtungen investieren sollen als in die Beitragsfreiheit.

Interessant ist auch Folgendes: Nachdem der Haushalt in den Landtag eingebracht war, lag uns ein Änderungsantrag der Landesregierung vor, nach dem Sie 74 Millionen € des Betreuungsgeldes in die Kindpauschalen investieren wollen. Ich warte bis heute auf eine Erklärung der Landesregierung, wie das funktionieren soll. Was wollen Sie dort eigentlich machen?

Dann höre ich in einer Anhörung, die gar nichts mit dem Thema zu tun hatte, auf einmal von den kommunalen Spitzenverbänden, dass darüber verhan

delt wird, vielleicht noch weitere 100 Millionen € für die Ü3-Betreuung vorzusehen. Die sollen in der dritten Lesung, also in zwei Wochen, hier in den Haushalt eingebracht werden.

Ich finde es von einer Regierung, die sich einmal Themen wie „Willkommenskultur“ und „Transparenz“ auf die Fahne geschrieben hat, absolut daneben, Beträge in solchen Größenordnungen ohne gesetzliche Grundlage zu diskutieren und dann dem Parlament zur Abstimmung vorzulegen. Ich erwarte, dass Sie das Parlament hier und heute entsprechend informieren, damit wir uns dazu eine Meinung bilden können.

(Beifall von der FDP)

Lassen Sie mich abschließend Folgendes sagen: Die Lage in den Kindertageseinrichtungen in Nordrhein-Westfalen ist brenzlig. Hier erwarte ich von der Landesregierung, dass sie endlich anfängt zu handeln. Wenn Sie handeln, haben Sie uns immer an Ihrer Seite. Wir haben zum Beispiel nie eine Position blockiert, wenn es um finanzielle Mittel ging, sondern gesagt: Die Verteilung, die Sie vornehmen, ist ungerecht, weil sie nicht allen Kindertageseinrichtungen zugutekommt. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Hafke. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Kollegin Asch.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch dieser Haushalt folgt unseren rot-grünen Leitlinien: Kinder und Jugendliche fördern, Bildungsgerechtigkeit schaffen, Familien stärken und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf unterstützen.

Die Zahlen sprechen eine absolut deutliche Sprache: Seit 2010 ist der Haushaltsansatz in diesem Bereich um 1,2 Milliarden € angewachsen. Damit haben wir die Mittel um satte 66 % erhöht. Meine Damen und Herren, das ist eine Zahl, die sich sehen lassen kann.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Bildungsgerechtigkeit und die Stärkung der Familien gehen in der Praxis Hand in Hand. Wir haben mit unserem rot-grünen Änderungsantrag den Ansatz für die Familienhilfen noch einmal um 2 Millionen € erhöht. Das tun wir, weil wir insbesondere den Familienbildungsstätten Planungssicherheit für ihre Arbeit geben wollen. Mit diesen Mitteln werden in den Familienzentren vor allen Dingen die bildungsfernen Familien erreicht, und zwar niedrigschwellig erreicht.

Somit fügt sich dies in unseren gesamten Maßnahmenkatalog gegen Kinderarmut ein. Das sind unter

anderem die Mittel für die plusKITA und das Projekt Elternstart NRW sowie der Gebührennachlass für einkommensschwache Familien in der Familienbildung, dessen Ansatz wir bereits im letzten Jahr durch einen rot-grünen Änderungsantrag angehoben haben.

Übrigens habe ich in den letzten Wochen eine Kita in Essen besucht, die in dem Projekt für armutssensible Kitas mitarbeitet. Ich bin sehr beeindruckt, wie das gesamte Paket der Landesmittel dort auf fruchtbaren Boden fällt. Diese Mittel kommen also genau da an, wo sie am dringendsten benötigt werden, nämlich bei den Kindern aus den benachteiligten Familien.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein wichtiger Schwerpunkt in diesem Haushalt sind natürlich – wie in anderen Einzelplänen auch – die Kinder und Jugendlichen aus den geflüchteten Familien. Für diese Kinder, die wirklich – das wissen wir alle – Unvorstellbares erlebt haben, die oft monatelang ohne festes Dach über dem Kopf unterwegs waren, ist es besonders wichtig, dass sie hier wieder unbelastet spielen und lernen können. Deshalb haben wir in Nordrhein-Westfalen die sehr erfolgreichen Brückenprojekte auf den Weg gebracht und schreiben diese Erfolgsgeschichte mit erheblichen zusätzlichen Landesmitteln fort.

Ein positiver Effekt ist übrigens, dass die Kinder so frühzeitig an die Kindertagesbetreuung herangeführt werden und damit, wie wir wissen, einen erfolgreichen Weg der Integration gehen können; denn die frühkindliche Bildung fördert den Spracherwerb und den späteren Erfolg in der Schule. Das sind ganz wichtige Schritte für die Integration der Kinder aus geflüchteten Familien.

Meine Damen und Herren, nach wie vor steht die Vereinbarkeit von Familie und Beruf oben auf unserer Agenda. In unserer rot-grünen Regierungszeit haben wir im Vergleich zur CDU-geführten Regierung 100.000 Plätze mehr für die Kleinen im U3Bereich geschaffen. Damit haben wir im Reigen der Bundesländer die höchste Ausbaudynamik überhaupt erreicht.