Protokoll der Sitzung vom 12.10.2017

Vielen Dank, Kollege Witzel. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Frau Düker das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Witzel, ich fange mit den Punkten an, bei denen ich sogar noch mit Ihnen übereinstimme. Ich glaube tatsächlich auch, dass wir, wenn wir weiter regiert hätten, im Kitabereich hätten nachsteuern müssen.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

An der Stelle stimmt das, aber das ist auch wirklich die einzige Stelle. Deswegen können Sie all Ihre Mehrausgaben nicht unter „Schlussbilanz“ und „Reparaturhaushalt“ fassen. Bei diesem einen Punkt würde ich Ihnen aber sogar zustimmen. Ich sage das, damit diese Debatte ein bisschen sachgerechter geführt wird.

Aber mit dem ganzen Gerede, das sei alles nur Schlussbilanz und nur Reparatur,

(Zuruf von der FDP: Was denn sonst?)

nehmen Sie erstens Ihren Gestaltungsauftrag überhaupt nicht an. Sie sind gewählt worden, nicht um zu reparieren, sondern um zu gestalten.

(Lachen von CDU und FDP)

Zweitens zeigen Sie mit dem Nachtragshaushalt, dass Sie eigentlich kein Konzept haben, wie es in der Haushalts- und Finanzpolitik weitergeht. Ich möchte vier Punkte nennen.

(Widerspruch von der FDP)

Erstens. Es fehlt jegliche Nachhaltigkeit in der Haushalts- und Finanzpolitik bei diesem Nachtragshaushalt, denn es ist null Gegenfinanzierung vorhanden. Ihre ganzen angeblichen Einsparungen, die Sie noch in der Pressekonferenz zum Koalitionsvertrag mit Digitalisierungsdividende, Bürokratieabbau und wo man überall Geld herbekommen kann, genannt haben, sind bis zum heutigen Tag durch nichts konkretisiert – durch gar nichts. Nur wolkige Sprüche, keine Gegenfinanzierung!

(Ralf Witzel [FDP]: Das ist ein Nachtragshaus- halt!)

Zweitens. Wir haben im Haushalts- und Finanzausschuss auch vom Minister eine Politik präsentiert bekommen, die nicht zu Ende gedacht ist. Es gibt keine Kostenfolgenabschätzung. Beispiel Grunderwerbsteuer: In Schleswig Holstein gibt es eine Finanzministerin, eine Grüne, die sagt: Wenn wir irgendetwas in diesem Bereich machen, darf das nicht zulasten des Landeshaushalts gehen; wir machen das unter Umständen, aber erst einmal will ich die Gegenfinanzierung haben. – Diese Herangehensweise nennt man „zu Ende gedachte Politik“.

(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von der FDP: So wie das sieben Jahre hier war?)

In NRW läuft das so ab, dass der Finanzminister sagt: Schauen wir mal. Wir machen mal eine Bundesratsinitiative. Wir wissen auch nicht, wie viel das kostet. Dann sehen wir mal, wie viel Geld wir vom Bund bekommen.

(Zuruf von der FDP)

Selbst das Institut der deutschen Wirtschaft mit einem sehr fundierten Gutachten, das im Auftrag der FDP gelaufen ist, bilanziert, dass das mindestens 1 Milliarde € kosten wird, Herr Minister. Dann müssen Sie doch die Frage beantworten können, wie dieses Wahlgeschenk finanziert wird, und das tun Sie nicht.

(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])

Drittens. Ihre Politik schottet sich gegenüber jeglichen Ratschlägen, Stellungnahmen oder aber auch Rückmeldungen ab. Beispiel Kommunen: Man redet doch einmal darüber, Herr Laumann. Hat denn Ihre Kollegin Frau Scharrenbach Ihnen im Kabinett zur Krankenhausinvestitionsfinanzierung nicht rückgemeldet, dass dies Probleme geben könnte mit den

Haushalten der Kommunen, insbesondere mit den Kommunen, die in der Nothaushaltsverordnung sind? Die wissen ja gar nicht, wie sie den Eigenanteil dieses Jahr decken können.

(Bodo Löttgen [CDU]: Deshalb findet das ja auch dieses Jahr nicht statt! – Zuruf von der FDP)

Dann sagt der Finanzminister: Es ist alles geheilt. – In der Anhörung sagen die kommunalen Spitzenverbände genau das Gegenteil. Warum machen wir nicht eine Rücküberweisung an den Haushalts- und Finanzausschuss und klären das?

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Ich habe keinen Vertreter der kommunalen Spitzenverbände und auch nicht der Kommunen gehört, der sagt: Das ist alles geklärt. Keine Probleme.

(Zuruf von der FDP: Reden Sie doch mal mit den Mitarbeitern der Krankenhäuser! – Wei- tere Zurufe)

Sie sollten nicht nur die Rückmeldungen der Kommunen ernst nehmen, sondern auch die Rückmeldungen vom Landesrechnungshof, aber auch die ignorieren Sie komplett.

(Beifall von den GRÜNEN)

Der Landesrechnungshof sagt zum Beispiel zu den 139 Stellen: Wenn Sie es ernst meinen würden, dass das irgendwann wieder eingespart wird, warum setzen Sie denn dann keine kw-Vermerke? Warum tun Sie das nicht? Das ist eine Empfehlung des Landesrechnungshofs.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Aber auch der Landesrechnungshof ist offenbar nicht gefragt, wenn er entsprechende Rückmeldungen gibt.

Vierter Punkt: Intransparenz. Herr Minister, keine Frage zu diesem Nachtragshaushalt haben Sie im Haushalts- und Finanzausschuss beantworten können. Wo werden die 139 Stellen eingesetzt? Das sagen Sie nicht. Wie werden die denn wieder eingespart? Das machen wir irgendwie im Laufe der Legislaturperiode. Kw-Vermerke? – Nein, wir haben andere Ideen. Diese wollen Sie uns aber offenbar nicht mitteilen.

(Martin Börschel [SPD]: Können!)

Intransparenz beim Thema „Grunderwerbsteuer“; ich sagte es schon. Sie pusten mal eben ein Wahlgeschenk in die Lande und gehen davon aus: Dann kriegen wir das schon irgendwie vom Bund wieder. – Meinen Sie denn, dass eine Bundesregierung – egal, wer darin sitzt – mal eben dem Land NRW 1 Milliarde € refinanziert, weil Sie Ihre Wahlgeschenke an die Familien verteilen? – Das glauben Sie doch wohl nicht im Ernst.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Intransparenz besteht auch in der ganzen Frage Krankenhausinvestitionsfinanzierung. Herr Minister Laumann, es gibt Kommunen, die zum Beispiel Doppelhaushalte haben.

Frau Kollegin, Ihre Redezeit.

Es gibt Kommunen, die jetzt schon ihre Haushalte für das Jahr 2018 aufstellen. Man redet doch mal miteinander und sagt, ob das jetzt eine einmalige Maßnahme ist oder ob hier strukturelle Veränderungen geplant sind.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Es geht ja nicht darum, dass wir kritisieren, dass sie mehr Geld kriegen, sondern der Eigenanteil muss doch vor Ort in den kommunalen Haushalten auch eingeplant werden.

Kolleginnen und Kollegen von den Regierungsfraktionen und Herr Minister Lienenkämper, Sie legen keine Schlussbilanz von Rot-Grün und keinen Reparaturhaushalt vor. Das ist Ihr Offenbarungseid einer nicht nachhaltigen, einer konzeptlosen, einer nicht zu Ende gedachten Haushalts- und Finanzpolitik, die auch noch nach dem Motto läuft: …

Liebe Kollegin, die Redezeit!

… Was schert mich eigentlich mein Geschwätz von gestern, als wir noch in der Opposition waren! – Vertrauen in Politik schafft das nicht. Danke schön.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Zu- ruf: Was interessiert mich mein Geschwätz aus der Regierungszeit?)

Danke, Frau Düker. – Für die AfD hat Herr Strotebeck das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Ich möchte hier nicht im Einzelnen die Punkte der letzten Plenarreden meiner Kollegen wiederholen, aber ich halte es schon für durchaus wiederholens- und auch bemerkenswert, dass bei einem Haushaltsvolumen von 74 Milliarden € und nicht geplanter zusätzlicher Steuereinnahmen von 1,3 Milliarden € gerade einmal 100 Millionen € übrig bleiben für die Tilgung von Schulden. Das ist schon ein bisschen bedauerlich.

Anlässlich der fünften Sitzung des Haushalts und Finanzausschusses haben die Sachverständigen gut

begründet und überzeugend ihre Kritik dargebracht. Demnach ist die Kindertagesstättenrettung mit 500 Millionen € über zwei Jahre gesichert. Durch die bereitzustellenden 250 Millionen € für den Investitionsstau der Krankenhäuser, wobei die Kommunen mit 100 Millionen € beteiligt werden, ist davon auszugehen, dass sich dieser Investitionsstau langsam auflösen wird.

Herr Hahn vom Städtetag Nordrhein-Westfalen erwähnte bei der Anhörung in der fünften Sitzung beiläufig, dass er mit der Behandlung der Flüchtlinge im Nachtragshaushalt nicht einverstanden ist.

Laut Aussagen von Herrn Hahn stellt sich die Situation für die Kommunen sehr problematisch dar: Wir hätten die Situation, dass die abgelehnten Flüchtlinge nicht so zeitnah zurückgeführt werden, wie es wünschenswert sei. Die Zahl der abgelehnten und geduldeten ausreisepflichtigen Flüchtlinge nimmt täglich zu und die Aufwendungen treffen die kommunalen Haushalte aufgrund der fehlenden Gegenfinanzierung zu 100 %. – Im Protokoll können Sie die Details sehr gerne nachlesen.

Nichts ist da näherliegender als die Fragen: Wie viele zusätzliche Kosten kommen eigentlich auf die Kommunen und auf das Land zu? Und: Um welche Größenordnung geht es eigentlich? – Die Antwort ist ernüchternd und erschreckend: Bereits Mitte des Jahres 2017 sind auf der Grundlage der Zahlen des Bundesamtes für Migration in der Bundesrepublik über 220.000 Ausreisepflichtige, davon in NordrheinWestfalen alleine über 60.000. Nur am Rande: Abgeschoben wurden bis August 2017 gerade einmal 16.000. Die Anzahl der ausreisepflichtigen Personen erhöht sich aber täglich.

Die sich daraus ergebenden Kosten betragen jährlich – und das dynamisch steigend – 600 Millionen. Zur Erinnerung: Wir hatten 500.000 für die Kindertagesstättenrettung. Wir hatten 150 Millionen für den Investitionsstau bei den Krankenhäusern. Das sind zufällig ungefähr identische Beträge. Über die haben wir lange diskutiert und debattiert. Der Unterschied zu dem anderen liegt allerdings darin, dass der Betrag für die konsequent nicht zurückgeführten Ausreisepflichtigen nirgends erscheint und nur auf Nachfrage zu erhalten war.