Protokoll der Sitzung vom 12.10.2017

Gabriele Hammelrath (SPD) Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben gerade in der Haushaltsdebatte viel über die Notwendigkeit der Verbesserung der Situation unserer Kinder gehört. Insofern bin ich ganz zuversichtlich, dass viele Abgeordnete auch aus den regierungstragenden Fraktionen froh über unseren Antrag zur Weiterfinanzierung der Schulsozialarbeit sind, denn ich gehe davon aus, dass in diesem Hohen Hause eine große Einigkeit über die Wichtigkeit dieser Maßnahmen in unseren Schulen und vor allen Dingen für unsere Kinder und Jugendlichen besteht.

Wir wissen auch – sicherlich die meisten von uns –, dass hierbei eigentlich der Bund in der Pflicht ist, der mit dem Bildungs- und Teilhabepaket in diese Finanzierung eingestiegen ist, der aber 2014 dieses Thema verlassen hat.

Wir als Regierung haben damals vor der Situation gestanden, die Hürden zu überwinden, die eigentlich zwischen den Politikebenen bestehen, und uns trotz der Zuständigkeit des Bundes dafür entschieden, 48 Millionen € in die Hand zu nehmen und damit die Schulsozialarbeit in Nordrhein-Westfalen zu sichern.

Schauen wir uns noch einmal die Entstehungsgeschichte an. Dort sehen wir, dass das Bildungs- und Teilhabepaket, das aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Unterstützung von Kindern und Jugendlichen aus sozial schwachen Familien hervorgegangen ist, in zwei große Teile aufgeteilt war.

Der deutlich größere Anteil betraf die individuelle Förderung. Es gab aber auch einen Teil, der für die Organisation zuständig war, auf den wir uns lange beziehen konnten. Diesen organisatorischen Teil haben wir als SPD damals – leider nur für eine begrenzte Zeit – im Bund erstritten. Mit diesem Teil konnte Schulsozialarbeit finanziert werden: Menschen, die als Brückenbauer in den Schulen tätig waren und den Kindern und deren Eltern die Möglichkeit verschafft haben, auf das Geld des Bildungs- und Teilhabepakets zuzugreifen.

Das war nämlich nicht so einfach. Es gab große bürokratische Hürden, die dazu geführt haben, dass dreistellige Millionenbeträge aus dem Bildungs- und Teilhabepaket nicht abgerufen werden konnten. Das hat den Finanzminister gefreut und sehr glücklich gemacht, die Kinder und Jugendlichen sowie deren Eltern allerdings deutlich weniger; denn dieses Geld ist nicht dort angekommen, wohin es eigentlich gehört hat.

Die Kommunen haben nun den deutlich kleineren zweiten Teil des Geldes genommen und davon Schulsozialarbeiter eingesetzt, die nicht nur dafür zuständig waren, dieses Geld an die Familien und Kinder weiterzuleiten, sondern die selbstverständlich auch wichtige zusätzliche Arbeit in den Schulen geleistet haben.

Noch einmal zur Verdeutlichung, wie groß der Betrag war, der nicht an den richtigen Stellen angekommen ist: Allein in Nordrhein-Westfalen standen den Kindern 58 Millionen € eben nicht zur Verfügung. Im Gegensatz dazu ist das Geld für die sogenannten Brückenbauer in der Schulsozialarbeit zu 100 % ausgeschöpft worden. Das war für alle Beteiligten insgesamt eine sehr gute Angelegenheit.

2013 kam dann der große Schock für die Schulen und für die Kommunen; denn dieses Geld sollte vom Bund nicht weiter zur Verfügung gestellt werden. Wir standen vor der schwierigen Aufgabe, zu überlegen, ob wir eindeutig vorgehen und einfach sagen: Das liegt nicht in unserer Zuständigkeit. Dafür ist der Bund zuständig.

Wir lassen die Kommunen und vor allen Dingen die Schulen und Kinder im Stich. Wir haben uns anders entschieden. Der damalige Arbeitsminister Guntram Schneider und die damalige Schulministerin Sylvia Löhrmann haben gemeinsam die Anstrengung vollbracht, 48 Millionen € zur Verfügung zu stellen. Damit konnten wir die Situation für die Kinder retten. Ich drücke das einmal in Zahlen aus: Wir reden von 1.700 Stellen in Nordrhein-Westfalen. Noch plastischer wird es durch das Beispiel aus Essen: 2011 gab es in Essen sieben Schulsozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter; mit dem Bildungs- und Teilhabepaket stieg die Zahl auf 150. Das war also eine sehr deutliche Verbesserung der Situation.

Weil dieses Thema so wichtig ist und wir jetzt wieder vor der großen Aufgabe stehen, das Geld für die Finanzierung in die Hand zu nehmen, hat unser Antrag eine doppelte Stoßrichtung:

Der Druck auf den Bund darf natürlich nicht nachlassen. Er muss aufrechterhalten werden; denn von dort muss die Finanzierung eigentlich kommen. Für die Zeit aber, in der wir vom Land die Kommunen, die Schulen, die Kinder und die Jugendlichen nicht im Stich lassen dürfen – das habe ich schon mehrfach gesagt –, sind hier in Nordrhein-Westfalen 48 Millionen € aufzubringen. Wir leisten damit eine hervorragende Arbeit, die übrigens auch der Zukunftssicherung unseres Landes dient. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Hammelrath. – Für die CDU-Fraktion spricht jetzt Herr Kollege Rock.

Frau Landtagspräsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Zu Beginn meiner Rede möchte ich die Vermutung äußern, dass ich – in meiner Funktion als Schulleiter – wahrscheinlich der Einzige oder zumindest eine von wenigen Personen hier im Hohen Hause bin, die vor dem Regierungswechsel intensiv mit

Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeitern gearbeitet haben.

(Zurufe von der SPD: Oh! – Zuruf von Helmut Seifen [AfD])

Eine der wenigen, Herr Seifen. Ich habe vermutet, dass Sie es sind.

Eine sich ständig verändernde Gesellschaft birgt Chancen, Risiken und Herausforderungen. Herausforderungen bedeuten Motivation und zugleich Bürde für die Menschen in diesem Bereich. Spiegeln wir diese Entwicklung in unseren Schulen wider, kann man festhalten, dass die Herausforderungen in den Schulen ständig steigen und noch weiter steigen werden. Dies hat in meinen Augen drei besondere Gründe, die Ihnen nicht neu sind:

Erstens. Die Herausforderungen sind vor allen Dingen deswegen gegeben, weil sich die Kindheit an sich verändert hat, ebenso die Erziehungssituation in unseren Familien. Diesen Punkt nenne ich gleich als ersten, weil er meistens ein bisschen untergeht.

Zweitens. Herausforderungen bestehen im Zusammenhang mit der Inklusion und den damit verbundenen Aufgaben, alle Menschen mit Handicaps in den Schulalltag zu integrieren.

Drittens. Herausforderungen gibt es zudem im Bereich der Migration, wenn es darum geht, den vielen Kindern und Jugendlichen aus den verschiedensten Ländern der Erde eine Chance in unserem Bildungssystem zu geben.

Angesichts all dieser Herausforderungen in unseren Schulen bedarf es von unserer Seite politischer Antworten und Hilfestellungen für die Kolleginnen und Kollegen in den Schulen. Aus diesem Grund wird es zukünftig wichtiger sein denn je, mehr unterschiedliche Professionen und mehr Kompetenzen an die Schulen zu bringen und deren Fähigkeiten für unsere Kinder dort zu nutzen.

Es ist unerlässlich, die Schulsozialarbeit an unseren Schulen zu stabilisieren und auszubauen.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Sie ist und wird auch weiterhin Bestandteil unserer schulischen Arbeit sein. Diesen Wert hat die NRWKoalition erkannt und im Koalitionsvertrag fest verankert. Ich zitiere:

„Daher wollen wir eine Stärkung und verlässliche Fortführung der Schulsozialarbeit erreichen und den Ausbau der Schulpsychologie vorantreiben.“

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir werden als NRW-Koalition unseren Teil dazu beitragen. Wir möchten Netzwerke schaffen und vorhandene Professionen an unseren Schulen fester einbinden. Daher sehen wir für Punkt 1 Ihres Antrages, Frau Hammelrath, gar keinen Handlungsbedarf. Wir werden

das Ganze in den Haushaltsberatungen thematisieren – denn dort gehört dieses Thema bei einer ordentlichen Haushaltsplanung hin – und entsprechend agieren.

Dennoch möchte ich noch einmal den Blick auf die verschiedenen Aufgabengebiete einer Schulsozialarbeiterin oder eines Schulsozialarbeiters in der heutigen Zeit richten. Beim Blick auf das Ganze und darauf, wie vielschichtig diese Aufgaben sind, darf man auch die Finanzierung nicht vergessen. Die Divergenz der Aufgaben einer Schulsozialarbeiterin und eines Schulsozialarbeiters bedarf der Betrachtung der Gesamtfinanzierung.

Der Antwort der Landesregierung im letzten Schulausschuss war zu entnehmen, wie kompliziert und differenziert die Finanzierung ist: 736 Stellen für besondere Unterstützungsangebote sollen aus Landesmitteln finanziert werden. Hinzu kommen 226 Stellen für die neuen multiprofessionellen Teams sowie 973 Stellen mit Verzicht auf Lehrerstellen im Matching-Verfahren.

Die Schulsozialarbeit ist eben eine Schnittstellenaufgabe dreier großer Bereiche: Schule, Jugendhilfe und Soziales. Dies ist auch der Grund für die Einbindung dreier Ministerien.

Der Zuschnitt im Bereich des Sozialministeriums beruht auf der Mitfinanzierung – da gebe ich Frau Hammeldrath recht – des Bundes im Rahmen des Bildungs- und Teilhabepaketes und war somit fester Bestandteil einer präventiven Arbeits-, Bildungs- und Sozialpolitik in den Jahren 2011 bis 2014. Die von Ihnen genannten 1.800 Kollegen machen hier eine gute Arbeit, und deshalb wollen wir sie auch unterstützen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Sie haben es geschafft, den Stau bei der Beantragung der Mittel aufzulösen. Sie haben dafür gesorgt, dass jetzt 200 Millionen € für die Teilhabe unserer Kinder in Nordrhein-Westfalen ankommen.

Meine Aufzählung und die Diskussion der Problematik machen deutlich, um welch komplexes System es sich hierbei handelt. Den Kolleginnen und Kollegen in den Schulen, vor allem aber den Kindern, ist dabei nur eines wichtig: dass es Menschen gibt, die sich ihrer Probleme annehmen. Für sie ist die Verteilung auf einzelne Ministerien und auch eine Finanzierung eher unwichtig. Sie brauchen Menschen, die ihnen helfen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD, Ihrem Antrag können wir entnehmen, dass Sie den Fokus weiterhin auf die Finanzierung aus dem SGB II setzen, in der Hoffnung, weitere Mittel aus Berlin zu bekommen.

(Zuruf von der SPD: Jawohl!)

Grundsätzlich ist der Ansatz nicht falsch, eine Finanzierung auf breite Schultern zu verteilen. In unseren Augen bedarf es bei der finanziellen Zuständigkeit aber auch einer differenzierten Betrachtung.

Das Arbeitsfeld der Kolleginnen und Kollegen ist sehr unterschiedlich. In erster Linie – und ich spreche hier aus Erfahrung – haben sie eine pädagogische und beratende Funktion für Schüler, Eltern und Lehrer. Sie bereiten gewaltpräventive Maßnahmen vor, führen Einzelgespräche über schwierige Lagen, leiten gruppendynamische Prozesse an, pflegen Elternberatungen sowie den Kontakt mit den Jugendämtern und organisieren den Übergang von Schule zu Beruf und überwachen diesen.

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Ein Teil der Arbeit besteht natürlich auch darin, trotz Benachteiligung eine Teilhabe zu ermöglichen. Dies gestaltet sich je nach Schultyp und Schulstandort sehr unterschiedlich. Aus diesem Grund ist auch dies in der Gesamtbetrachtung zu berücksichtigen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Hinzu kommt, dass jeder Stadtteil – sei es Düsseldorf, Köln oder Minden – andere Standortfaktoren im Rahmen der Schulsozialarbeit aufweist.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Mit wel- chem Ergebnis, Herr Kollege? – Nadja Lüders [SPD]: Genau!)

Ich habe mich schon gewundert, dass Sie noch nicht reingeschrien haben. – Diesen beschriebenen vielfältigen Aufgaben kann man entnehmen, dass die Schulsozialarbeit unentbehrlicher Bestandteil unserer schulischen Aufgaben geworden ist.

Der Überweisung des Antrages in den zuständigen Ausschuss stimmen wir gerne zu, obwohl vor dem Hintergrund der Komplexität und der Schnittstellenproblematik die Frage nach der Federführung nicht nur aus finanztechnischer Sicht getroffen werden darf und kann, sondern auch Weiteres betrachtet werden muss. Wir freuen uns auf den Dialog.

Zum Ende meines Beitrags möchte ich noch den Philosophen Karl Raimund Popper zitieren, der sagte: „Der Wert des Dialogs hängt vor allem von der Vielfalt der konkurrierenden Meinungen ab.“ In diesem Sinne – vielen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Rock. – Für die FDP-Fraktion spricht jetzt Herr Kollege Lenzen.

Frau Präsidentin! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Die soziale Arbeit an unseren Schulen leistet einen unverzichtbaren