Protokoll der Sitzung vom 27.09.2020

Vielen Dank, Herr Minister. – Als nächster Fragesteller hat Herr Kollege Wolf das Wort.

Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Herr Minister, Sie haben gerade auch schon angedeutet, dass es nicht die eine Antwort gibt.

Deswegen will ich noch einmal auf die Frage nach der Studie zurückkommen. Haben Sie schon eine Vorstellung davon, welche zentralen Fragen in dieser Studie untersucht werden sollen? Sie haben Andeutungen gemacht. Auch wir haben Andeutungen gemacht. Ich glaube, die sind gar nicht so weit auseinander. Vielleicht können Sie dazu noch etwas sagen.

Ergänzend dazu: Es geht nicht nur darum, welche Fragen zu stellen sind, sondern auch darum, an wen sie zu stellen sind. Sie haben gerade eine ganze Reihe von Ministerien der Landesregierung genannt, bei denen es ebenfalls erste Hinweise auf extremistischen Austausch gab.

Herr Abgeordneter Wolf, das, was ich hier vortrage, bezieht sich auf die Arbeit, die wir im Bereich der Polizei machen wollen. Das ist meine Zuständigkeit. Darum werde ich mich auch kümmern. Da ist auch genug zu tun. – Teil eins.

Teil zwei: Abschließend zu sagen, um welche Fragen und welche Zielrichtung es bei solchen wissenschaftlichen Expertisen geht, möchte ich vermeiden. Warum? Ich kann ja nicht jemandem, den ich als Sonderbeauftragten einsetze, schon sagen, was er alles machen muss. Er soll unabhängig ermitteln und auch unabhängig forschen. Er hat einen klaren Arbeitsplan, und der heißt: mit Wissenschaftlern reden, Studien, die vorliegen, auswerten, und darüber hinaus dort, wo noch Frage- bzw. Klärungsbedarf besteht, auch eigene zu initiieren.

Ich sage jetzt trotzdem einmal, aber wirklich sehr vorsichtig und zurückhaltend: Ich kann mir vorstellen, dass eine Frage ist – das ist zumindest eine Frage, die mich sehr umtreibt; Frau Schäffer hat das in einer Rede vor ein paar Wochen hier vorgetragen –:

Wir haben bei den Auszubildenden in der Polizei, bei den Anwärtern, keine besonderen Probleme, was dieses Thema angeht. Auch ein halbes Jahr nach Abschluss der Ausbildung tauchen diese Probleme nicht auf.

Die zweite Studie, die übrigens schon in Gang gesetzt wurde, erstreckt sich auf einen längeren Zeitraum nach hinten. Sie wird also den Zeitraum in die Wirklichkeit größer gestalten. Vielleicht kriegen wir da schon einige Erkenntnisse. Bei mir drängt sich die Vermutung auf, dass es viel mit dem späteren Berufsalltag zu tun hat. Da gibt es ganz viele Vermutungen, was das sein könnte. Da, glaube ich, können uns Fachleute helfen.

Die Polizeigewerkschaft hat ja vorgeschlagen, die Arbeitsbedingungen – ich glaube, das ist von dieser Frage gar nicht weit weg – in den Blick zu nehmen. Mich würde zum Beispiel interessieren, ob diese Anfälligkeit überall in der Polizei ein Thema ist oder ob

sie in bestimmten Bereichen stärker ist als in anderen. Ich habe eine Vermutung. Aber das reicht ja nicht aus.

Wenn man weiß, woran das liegt – darum ist die Frage wichtig –, kann man auch gezielt überlegen, mit welchen Maßnahmen man einsteigen muss, also was man an Hilfen bieten kann.

Wenn ein Polizist in einem Gebiet arbeitet, in dem er jeden Tag von morgens bis abends extremste Probleme erlebt und an Grenzen stößt, braucht es entweder eine Hilfestellung, die über das hinausgeht, was wir schon haben – wir haben ja eine ganze Menge an Ansprechpartnern; aber das reicht offensichtlich nicht –, oder aber man braucht einen Mechanismus, dass Polizisten die Arbeitsstelle auch wechseln können.

Ich wechsele einmal das Thema; vielleicht kann ich so besser erklären, was ich meine. Im Bereich „Kindesmissbrauch, Kinderpornografie“ haben wir die Führungskräfte dringend gebeten, in dem Fall, dass jemand überfordert ist oder an seine Grenzen stößt, zu ermöglichen, dass ihm eine andere Aufgabe gegeben wird. Meines Erachtens brauchen wir in der Polizei mehr Sensibilität, um zu merken, wenn so etwas der Fall ist, statt nach dem Motto zu verfahren: Wir ziehen das schon alle durch; wir schaffen das.

Nein. Man muss es erkennen; das ist die erste Stufe. Dann muss man aber auch Antworten dafür haben. Das meinte ich mit „gezielter Fragestellung“.

Vielen Dank, Herr Minister. – Frau Abgeordnete dos Santos Herrmann, bitte.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Minister, ich würde gerne noch einmal auf die verdächtigen Mitarbeiter zu sprechen kommen. Welche Aufgaben haben diese im Laufe der Zeit seit Aufnahme ihrer Tätigkeit beim Verfassungsschutz bzw. im Innenministerium jeweils im Einzelnen wahrgenommen?

Ich bitte um Entschuldigung. Ich kann das, was diesen Bereich betrifft, nur grundsätzlich beantworten. Sie sind, wie ich auch schon gesagt habe, in der Observation tätig gewesen. „Observation“ heißt: Sie sind dort nicht nur für einen Observationsgegenstand zuständig, sondern das wechselt auch.

Vielen Dank, Herr Minister. – Als nächster Fragesteller hat Herr Kollege Ott das Wort.

Danke, Frau Präsidentin. – Lieber Herr Minister, Sie haben sich im Zusammenhang mit den Vorwürfen gegen die Chatgruppe auch zur Frage des Disziplinarrechts und einer möglichen Verschärfung geäußert. Deshalb die Frage: Gibt es hier konkrete Vorstellungen, wie das Disziplinarrecht verschärft werden sollte?

Herr Kollege Ott, Herr Abgeordneter, vielleicht war ich da ein bisschen zu schnell mit meiner Äußerung. Denn ich habe jetzt gelernt, dass die Anwendung des Disziplinarrechts in den letzten Jahren durch Gerichtsentscheidungen schon eine Verschärfung erfahren hat. Ich habe jetzt dazugelernt, dass die Gerichte in ihren Entscheidungen schärfer geworden sind, sodass wir vielleicht – ich hoffe es auch – mit dem vorhandenen Disziplinarrecht das erreichen können, was wir erreichen wollen.

Das heißt für mich: Ich möchte jetzt erst einmal die Verfahren abwarten. Wenn wir mit den Verfahren nicht zu Ende kommen und merken, dass eine Grenze erreicht ist, dann sollte man ernsthaft auch darüber nachdenken – aber erst dann; das ist jetzt meine Korrektur –, dann sollte man darüber nachdenken, ob man im Disziplinarrecht etwas verändern muss. Das ist deshalb mit Vorsicht anzugehen, weil es dann ja nicht nur um die Polizei geht, sondern alle trifft. Deswegen ist das ein sehr komplizierter Vorgang – ob man den anpackt, wann man den anpackt.

Ich rüste also ein wenig ab und sage: Lasst uns erst einmal prüfen, ob wir damit hinkommen. – Wenn nicht, darf das aber keine Tabu-Frage sein.

Vielen Dank, Herr Minister. – Als nächste Fragestellerin hat Frau Kollegin Kopp-Herr das Wort.

Danke schön, Frau Präsidentin. – Herr Minister, ich möchte auf das Bildmaterial zu sprechen kommen, das die Polizeibeamten der Chatgruppe geteilt haben. Können Sie sagen, woher dieses Bildmaterial kommt, und haben Sie Anhaltspunkte dafür, ob das Material von den Beamten selbst hergestellt wurde?

Ich muss wieder den berühmten Vorsatz machen: jetziger Stand. Was wir bisher gesehen haben oder was auch ich gesehen habe, waren alles Postings, die im Netz zu bekommen sind – das macht die Sache übrigens noch schlimmer –, also fix und fertige Verunglimpfungen. Die kriegen Sie jederzeit. Sie sind jedermann zugänglich. Da war also noch nicht einmal etwas – in Anführungsstrichen – „Anspruchsvolles“ dabei. Das wird dann schön fröhlich weiterverteilt.

Ich kenne bisher kein Posting, das selbst produziert ist. Ich kann es aber nicht ausschließen. Im Moment sieht es eher so aus, dass man die Sachen genommen hat und weiterverteilt hat.

Vielen Dank, Herr Minister. – Als nächste Fragestellerin hat Frau Kollegin Lüders das Wort.

Danke, Frau Präsidentin. – Herr Minister, Sie haben gerade gesagt, dass Sie noch nicht abschließend beurteilen können, welche Erkenntnisse aus den sichergestellten Asservaten da sind. Könnten Sie, ohne jetzt einzelne Fragepunkte oder Verdachtsmomente, die sich bei uns auftun, zu wiederholen, uns darlegen, welche Erkenntnisse Sie aus den Asservaten denn bis heute haben?

Wir fangen seit Mülheim/Essen an, zu untersuchen. Den Punkt meinen wir jetzt. Das eine Handy, das Ausgangspunkt der Betrachtungen war, ist noch nicht vollständig ausgewertet. Da sind einige Postings drauf, aber nicht so viele, wie die Menge des Materials auf den ersten Blick vermuten lassen würde.

Zweitens. Wir haben dann viele Handys und andere Datenträger beschlagnahmt. Diese sind – ich bin nicht ganz sicher –, ich glaube, Ende letzter Woche abschließend alle gesichert worden. Dann gehen sie in die Behörden und werden ausgewertet. Von dort habe ich heute noch null Informationen. Es ist also viel zu früh. Deswegen kann ich Ihnen dazu jetzt leider nichts sagen.

Aber ich bleibe bei der Zusage – diese Zusage habe ich im Innenausschuss gegeben –: Das, was wir im Innenausschuss dann sagen können, werden wir sagen. Ansonsten finden wir andere Wege, Sie auf dem Laufenden zu halten.

Das sind bisher alles Postings, die wirklich übel sind. Ich darf sie Ihnen ja nicht einmal zeigen. Das ist das Schlimme. Am besten wäre es, Sie würden sie einmal sehen. Dann würden Sie noch mehr in Wut kommen. Aber man darf sie nicht zeigen, weil sie im Verfahren eine Rolle spielen. Dann kann ein Gerichtsverfahren nachher daran scheitern. Da möchte ich auch keine Schuld auf mich laden.

Aber die Sachen sind im Netz jederzeit an viel zu vielen Stellen verfügbar.

Vielen Dank, Herr Minister. – Als nächster Fragesteller hat Herr Kollege Bialas das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Sehr geehrter Herr Minister, können Sie

ausschließen, dass die entsprechenden Beamten aus den Chatforen und Chatgruppen andere Personen vor Strafverfolgung oder vor der Haft bewahrt haben bzw. das versucht haben?

(Marc Lürbke [FDP]: Wie soll man das denn ausschließen, Herr Kollege?)

Ich hoffe, ich habe es richtig verstanden – ob die Teilnehmer der Chatgruppen, die wir jetzt im Blick haben, andere Menschen vor Strafverfolgung beschützen wollten, also, auf gut Deutsch, sich da eingemischt haben. Dafür haben wir bisher keinen Hinweis. Aber ausschließen kann ich das auch nicht. Man kann da im Moment gar nichts ausschließen.

Vielen Dank, Herr Minister. – Bevor ich Frau Kollegin Beer das Wort erteile, will ich nur darauf hinweisen, dass dieser Tagesordnungspunkt „Fragestunde“ heißt und wir ausweislich der hier leuchtenden Lämpchen noch 15 Wortmeldungen haben. – Jetzt hat aber Frau Abgeordnete Beer das Wort.

Danke schön, Frau Präsidentin. – Herr Minister, ich würde gerne den Blick noch einmal etwas weiten und danach fragen, welche Maßnahmen die Landesregierung denn in anderen Bereichen ergreifen will, in denen es Verdachtsfälle gegeben hat, zum Beispiel auch an Schulen. Was wollen Sie einleiten, um dort rechtsextremen Tendenzen entgegenzuwirken?

Frau Abgeordnete, ich glaube, da gibt es eine Reihe von Maßnahmen, die schon lange laufen – all das, was man tut, um zu sensibilisieren, zu informieren, vorzubeugen und dafür zu sorgen, dass man widerstandsfähig gegen solche Bemühungen wird, gerade im Schulbereich.

Ich bin da aber nicht Experte und würde bitten, dass Sie das in den jeweiligen Fachausschüssen besprechen. Dort ist eine sachgerechte Antwort am besten möglich. Die Landesregierung ist, was diese Frage angeht, in allen Bereichen hochsensibel. Davon können Sie ausgehen. Jeder Kollege wird sich in seinem Bereich darum kümmern. Dabei werden möglicherweise sehr unterschiedliche Mittel eingesetzt, weil auch nicht alle Fälle gleich sind.

Gerade der Sicherheitsbereich ist hochsensibel. Denn dort arbeiten ja Menschen, die eine hohe Verantwortung für andere haben und auch zum Beispiel Waffenträger sind – um es einmal auf den Punkt zu bringen.

Vielen Dank, Herr Minister. – Als nächste Fragestellerin hat Frau Kollegin Bongers das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Minister, eine ganz konkrete Frage: Seit wann waren die betreffenden Mitarbeiter beim Verfassungsschutz bzw. im Innenministerium tätig?

Frau Abgeordnete, ich würde Ihnen die Frage gerne beantworten. Sie ist wahrscheinlich auch leicht zu beantworten. Aber ich kann sie nicht beantworten. Ich weiß wirklich nicht, wann die vier angefangen haben, im Ministerium zu arbeiten. Das muss noch zu einer Zeit gewesen sein, als ich nicht da war.

Wenn Sie es gestatten, klären wir das. Ich glaube, dass das kein Geheimnis ist. Dann würden wir Ihnen die Antwort zukommen lassen. Ich sage das einmal unter Vorbehalt. Aber ich vermute, dass das keine Personalie ist, die man nicht nennen darf. Zumindest die Jahreszahl darf man sicherlich mitteilen. Ich glaube, sie waren zu meiner Zeit, als ich anfing, schon da. Aber auch das sage ich mit Vorsicht.

Vielen Dank, Herr Minister. – Als nächste Fragestellerin hat Frau Abgeordnete Schäffer das Wort zu ihrer zweiten Nachfrage. Bitte.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Leider hat man immer nur zwei Nachfragen. Aber wir werden ja im Innenausschuss noch weiter darüber diskutieren. – Herr Minister, ich würde gerne an die Frage des Kollegen Körfges anknüpfen. Der Kollege Hans-Willi Körfges hatte Sie vorhin zur Information der Öffentlichkeit über die Fälle beim Verfassungsschutz gefragt. Sie haben auf die Geheimhaltungspflicht hingewiesen, die es gibt, wenn es um Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beim Verfassungsschutz geht.

Ich frage mich jetzt und frage auch Sie, warum Sie dann heute informieren können, wenn Sie es damals wegen Geheimhaltung nicht konnten. Oder andersherum gefragt: Wenn Sie heute informieren können, warum ging das damals nicht? Warum haben Sie das Parlament – also nicht nur das Parlamentarische Kontrollgremium, sondern das Parlament – und die Öffentlichkeit nicht schon viel eher informiert?