Protokoll der Sitzung vom 08.10.2020

Ähnlich ist es jetzt mit dem Dritten Gesetz zur Krankenhausplanung. Wir haben lange darauf gewartet. Auch da müssen wir zur Kenntnis nehmen: Natürlich gibt es Diskussionen darüber. Einige zentrale Kritikpunkte, die ja offensichtlich sind und auf dem Tisch liegen, hat Frau Gebhard soeben vorgetragen.

Auf der anderen Seite steht aber, dass der Status quo so, wie er ist, gar nicht länger hinnehmbar ist. Wir haben eine Situation – das haben Sie richtig beschrieben –, in der Krankenhäuser sich gegenseitig kannibalisieren, da die Finanzierung der Krankenhäuser im aktuellen System auf Dauer nicht dafür ausreicht, dass sie weiter nebeneinander bestehen.

Am Ende dieses Prozesses setzen sich – Marktwirtschaft hin oder her – nicht zwangsläufig die Krankenhäuser mit der besten Qualität durch, sondern unter Umständen die Krankenhäuser, die es schaffen, an der einen oder anderen Stelle am kreativsten zu sparen.

Sich dem anzunehmen und sich dem Ganzen durch einen Perspektivwechsel – weg von den Betten und weg von dem eingefahrenen System – neu zu nähern und es neu zu planen, finde ich, wie gesagt, erst einmal sehr mutig.

Ich habe so ein bisschen den Eindruck, dass in der Öffentlichkeit in dieser sehr angespannten Lage – diese Unsicherheit überträgt sich auch ein bisschen auf die Klinikchefs – oftmals nicht ganz ankommt, was tatsächlich in diesen Gutachten steht. Da werden offenbar zwei Gutachten ein wenig miteinander vermengt. Bei dem einen oder anderen politischen Mitbewerber habe ich den Eindruck, dass dies oftmals auch gewollt geschieht.

In etwa zur gleichen Zeit ist nämlich eine Studie der Bertelsmann Stiftung erschienen, die es so sah, dass jedes zweite Krankenhaus überflüssig sei. Das wird immer so ein bisschen in einer Melange miteinander vermengt, und es wird gesagt: Herr Laumann möchte jedes zweite Krankenhaus schließen. – Das sind aber zwei unterschiedliche Studien. Das eine ist die Studie der Bertelsmann Stiftung – darin enthalten sind übrigens Aussagen, die jahrelang auch von einem prominenten SPD-Politiker auf Bundesebene im Bereich „Gesundheit“ mitgetragen wurden –, und das andere sind die Pläne, die hier vorliegen.

Es geht also nicht darum, Kliniken im großen Stil zu schließen.

Das wird an der einen oder anderen Stelle vielleicht gar nicht vermeidbar sein; denn niemand, der sich mit dem Thema auseinandersetzt, kann leugnen, dass wir an der einen oder anderen Stelle eine Überversorgung haben, die auch ungesunde Elemente in dem System mit sich bringt.

Aber es geht eben nicht darum, das in der Masse zu tun, sondern es anhand von Qualität und Fallpauschalen bzw. Fallgruppen auszurichten. Und das ist durchaus sinnvoll; denn auch da liegen die Vorteile genauso wie die Nachteile – Sie werden sicherlich miteinander aufgewogen und diskutiert werden müssen – auf der Hand.

Ein Operateur, der nicht nur zwei Schilddrüsen im Jahr oder im Monat, sondern eine gewisse Anzahl davon operiert, wird – so wird es Ihnen jede Studie belegen können – bis zu einem gewissen Schwellenwert – ab einem bestimmten Wert wird die Qualität auch wieder schlechter – erst einmal deutlich besser werden. Sich in diese Richtung zu entwickeln, eine bessere Qualität für den Patienten zu wollen, das finde ich erst einmal nicht falsch.

Auch wir werden der Überweisung des Antrags zustimmen. Wir werden das natürlich weiterhin aktiv – auch kritisch – begleiten. Wir wissen ja noch nicht genau, in welche Richtung sich das Ganze bewegt. Aber das Vorhaben an sich sehen wir erst einmal sehr positiv. – Danke.

(Beifall von der AfD)

Vielen Dank. – Für die Landesregierung erteile ich das Wort Herrn Minister Laumann.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei aller Unterschiedlichkeit wird hier wohl jeder zustimmen, dass es unsere Pflicht ist, die bestmögliche medizinische Versorgung der Bürgerinnen und Bürger in Nordrhein-Westfalen sicherzustellen, und dass wir auch dafür sorgen müssen, eine wohnortnahe Versorgung

der Bevölkerung durch Krankenhäuser auch für die Zukunft sicherzustellen.

Die Wahrheit ist, dass sich die Medizin in den letzten 15 Jahren natürlich verändert hat. Immer mehr individuelle Medizin führt auch zu einer stärkeren Spezialisierung. Krankenhauspolitische Entscheidungen aus dem Jahre 2005 ins Verhältnis zu krankenhauspolitischen Entscheidungen aus dem Jahre 2020 zu setzen, Frau Gebhard, ignoriert 15 Jahre medizinischen Fortschritt und 15 Jahre medizinische Realität.

(Beifall von der CDU)

Wir haben uns 2019 entschieden, ein sehr umfangreiches Gutachten in Auftrag zu geben, damit wir als Landesregierung überhaupt einmal wissen, was unsere Krankenhäuser in einem Jahr an Fällen bearbeitet haben. Das wusste vorher niemand. Niemand wusste, welches Krankenhaus wie viele Fälle in welchen Bereichen gemacht hat.

Dabei ist herausgekommen – Herr Preuß hat die Zahlen hier dargestellt; deswegen kann ich mir das sparen –, dass es in Nordrhein-Westfalen sehr viele medizinische Eingriffe in Krankenhäusern gibt, die weniger als einmal in der Woche vorgenommen werden, insbesondere sogar bei planbaren Eingriffen, also nicht bei Notfällen.

Seit 2005 ist auch klargeworden, dass es ein Verhältnis gibt zwischen Qualität, Fallzahlen und Strukturqualität der Einrichtungen, die es machen. Deswegen finde ich, dass – wie uns allen – einem Gesundheitsminister die bestmögliche Versorgung am Herzen liegen und dass ich auf diese Situation schlicht und ergreifend reagieren muss. Wir müssen feststellen, dass die bisherige Krankenhausplanung in Nordrhein-Westfalen nicht mehr der bestmöglichen medizinischen Versorgung der Bevölkerung verpflichtet war. Ich finde, auf diese Situation muss man auch reagieren.

Weiterhin muss man auch sehen, dass durch die Abteilungen Chirurgie und Innere Medizin – die hat jedes Krankenhaus, das am Markt teilnimmt, im Krankenhausplan, wenn es keine Spezialklinik für Psychiatrie ist – jedes Krankenhaus im Grunde eine rechtliche Grundlage hat, rund zwei Drittel aller auf dem Markt denkbaren Fälle abzudecken.

Wir hatten in den letzten Jahren auch die Entwicklung, dass die Trägervielfalt gefährdet ist. Mit Trägervielfalt im Krankenhausbereich meine ich nicht nur die Vielfalt privater Träger. Wir brauchen einen guten Trägermix, aber keinen ruinösen Wettbewerb großer Kapitalgesellschaften. Es geht hier nicht um eine beliebige Ware, sondern es geht um das höchste Gut, die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger.

Schauen Sie sich an, wie sich die Trägerstruktur allein in den letzten ein, zwei Jahren in diesem Land verschoben hat. Jeder, der hier sitzt, muss wissen: Wenn wir nichts tun, wird das am Ende zum

Ausbluten der freigemeinnützigen Träger führen, und die Kapitalgesellschaften übernehmen den Krankenhausmarkt in Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von der CDU)

Ich kenne keinen einzigen Fall, in denen eine Kapitalträgergesellschaft in gemeinnützige Strukturen umgewandelt wurde, ich kenne aber viele Fälle, in denen die Kapitalgesellschaften die gemeinnützigen Strukturen übernommen haben. Ich verstehe nicht, dass es nicht konsensfähig ist, dass wir uns dagegenstellen müssen.

Wir müssen jetzt gegensteuern. Dazu sind für mich sechs ganz wesentliche Punkte entscheidend.

Erstens. Grundsätzlich geht es bei den künftigen Planungen nicht mehr um Kahlschlag, sondern um sinnvolle Strukturen und bestmögliche Qualität der medizinischen Versorgung.

Zweitens. Deshalb werden wir statt der bisherigen Planung von Betten und Abteilungen künftig sogenannte Leistungsgruppen planen und diese mit Qualitätsanforderungen verbinden.

Drittens. Diese Leistungen werden so geplant, dass sie sich nicht ausschließlich in Ballungsgebieten befinden, sondern dass sie über das gesamte Land in zumutbarer Entfernung angeboten werden.

Viertens. Die neue Krankenhausplanung wird es ermöglichen, deutlich mehr Kenntnisse über die Leistung und Ausstattung der Krankenhäuser zu erhalten.

Fünftens. Wir wollen dem Bedarf in den Regionen mit qualitativ hochwertiger medizinischer Versorgung in den Krankenhäusern entsprechen.

Sechstens. Des Weiteren verbessert sich durch die Novelle des Krankenhausgestaltungsgesetzes der Datenschutz. Das ist heute auch schon angesprochen worden.

Diese neue Planungssystematik, für die mit dem vorliegenden Gesetzentwurf die Grundlage geschaffen wird, wird derzeit erarbeitet. Es liegt mittlerweile ein Arbeitsentwurf von rund 30 Leistungsbereichen und 70 Leistungsgruppen vor. Darüber hinaus soll künftig festgelegt werden, welches Krankenhaus unter welchen Qualitätskriterien eine bestimmte Leistung erbringen darf.

Bis zum Ende des Jahres 2020 ist die Fertigstellung des Arbeitsentwurfes geplant, und Anfang 2021 soll dann der neue Plan im Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales vorgestellt werden. Im Anschluss werden die regionalen Planungsverfahren von Amts wegen in allen 16 Planungsbezirken eingeleitet. Daraus soll dann Schritt für Schritt eine neue verbindliche Krankenhausplanung Nordrhein-Westfalen entstehen.

Dies ist natürlich ein Prozess, der auch eine gewisse Zeit in Anspruch nimmt – völlig klar – und den wir natürlich in erheblichem Umfang auch mit Strukturmitteln, die wir als Land Nordrhein-Westfalen dafür vorgesehen haben, auch mit den Möglichkeiten, die wir durch den Strukturfonds des Bundes haben, begleiten werden. – Schönen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Minister Laumann. – Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor; daher schließe ich die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfs Drucksache 17/11162 an den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales – federführend –, an den Ausschuss für Heimat, Kommunales, Bauen und Wohnen sowie an den Ausschuss für Digitalisierung und Innovation. Gibt es jemanden, der dagegen stimmen möchte? – Gibt es jemanden, der sich enthält? – Dann darf ich feststellen, dass die Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen worden ist.

Vor Aufruf des nächsten Tagesordnungspunktes 5 rufe ich noch einmal den Tagesordnungspunkt 3 auf und gebe Ihnen das Ergebnis der namentlichen Abstimmung bekannt. Ihre Stimme abgegeben haben 182 Abgeordnete. Mit Ja stimmten 72 Abgeordnete, mit Nein stimmten 110 Abgeordnete. Der Stimme enthalten hat sich niemand. Damit ist der Antrag Drucksache 17/11173 abgelehnt.

Ich rufe auf:

5 Einsetzung eines Untersuchungsausschus

ses zum Vorgehen der nordrhein-westfälischen Landesregierung im Zusammenhang mit dem Coronavirus Sars-CoV-2 und der Erkrankung Covid-19 gemäß Artikel 41 der Landesverfassung Nordrhein-Westfalen

Antrag der Abgeordneten der Fraktion der AfD Drucksache 17/11172

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner für die antragstellende Fraktion Herrn Dr. Vincentz das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Es gibt ein schönes passendes Zitat von Thomas Carlyle, einem schottischen Historiker, das ich mit Erlaubnis des Präsidenten gerne zitieren würde: „Der schlimmste aller Fehler ist, sich keines solchen bewusst zu sein.“

Das passt sehr gut in die Situation und weil Thomas Carlyle Schotte war. Er ist in Edinburgh geboren, und eben an der University of Edinburgh ist dieser Tage eine Studie erschienen – das ist, glaube ich, eine der wichtigsten Studien zu diesem Thema, die wir zu erwarten hatten –, die besagt, dass die Folgen eines Shutdowns, des Lockdowns schlimmer sind als eine clevere Herdenimmunität.

Das muss man erst einmal so entgegennehmen, denn im Hintergrund braut sich etwas ganz anders zusammen: Es gibt eine Great Barrington Declaration, die mittlerweile 9.000 namhafte Mediziner unterschrieben haben. Da sind Leute von der Stanford University, von Oxford, von Cambridge dabei.

Das sind wirklich namhafte Topleute, die bereits vor dieser Studie gesagt haben, dass ein Lockdown schlimmere Folgen haben wird als eine vernünftige anderweitige Politik. Sie fordern die Politik auf zu reagieren und diese Form von Handlungen einzustellen.

(Beifall von der AfD)

Heute – so schließt sich dann letztlich der Kreis – fordert die AfD in Nordrhein-Westfalen einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu den Abläufen und zu den Reaktionen auf die Infektionen mit dem Coronavirus.