Protokoll der Sitzung vom 08.10.2020

Wie lautete noch 2007 die damalige Begründung für die Abschaffung der Detailplanung bei den Krankenhäusern durch den damaligen Gesundheitsminister Laumann? Mit Erlaubnis des Präsidenten zitiere ich aus dem Protokoll vom 29. März 2007:

„Detaillierte Vorgaben engen den Handlungsspielraum von Krankenhäusern und Krankenkassen ein. Eine bis ins Einzelne gehende Krankenhausplanung behindert den Wettbewerb.“

Und weiter heißt es, dass einzelne Regelungen, wie die Streichung des Verbots von Parallelvorhaltungen, gestrafft werden sollten.

Wozu hat die Einführung dieses Wettbewerbs bei gleichzeitiger Scharfschaltung der diagnosebezogenen Fallpauschalen denn geführt? – Die Krankenhäuser befinden sich in einem ruinösen Wettlauf um diejenigen Leistungsangebote, mit denen sich die besten Erlöse erzielen lassen. Einige sprechen von Kannibalismus unter Krankenhäusern.

Das dünnt einerseits notwendige Versorgungsangebote aus und führt andererseits zu parallelen Angeboten in unmittelbarer Nachbarschaft. Heute beklagen Sie diese, aber genau das war das Ziel Ihrer Änderungen von 2007.

(Beifall von der SPD)

Bereits gegen Ende der vorigen Legislaturperiode stand für meine Fraktion fest, dass nach zehn Jahren Krankenhausplanung nach schwarz-gelben Regeln die Fehlentwicklungen inzwischen für alle soweit sichtbar geworden sind, dass sich ein breiter Konsens für eine erneute Korrektur hin zu mehr Planung und Steuerung entwickelt.

(Zuruf – Karl-Josef Laumann, Minister für Ar- beit, Gesundheit und Soziales: Ja, also!)

Fest stand und steht für uns aber auch, dass dies nur mit zielgerichteter Investitionsförderung gelingen kann. Die von Kollegin Schneider gerade herausgestellte Milliarde – darauf sollte man hinweisen – ist ausschließlich Corona geschuldet und stammt aus dem bereitgestellten Rettungsschirm; es ist keine Regelförderung für Krankenhäuser.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ihren Fehler, die Einzelförderung 2007 abzuschaffen, haben Sie bereits in dieser Legislaturperiode korrigiert.

(Karl-Josef Laumann, Minister für Arbeit, Ge- sundheit und Soziales: Nein!)

Jetzt soll bei der Krankenhausplanung die Korrektur Ihres zweiten Fehlers aus 2007 erfolgen. So weit, so gut. Doch schaut man sich den vorliegenden Gesetzentwurf an, kann der alte Satz vom Tiger bemüht werden: als Tiger gesprungen und als Bettvorleger gelandet.

Lautete die politische Ankündigung das ganze Jahr über gebetsmühlenartig, dass das Bett als Planungsgröße wegmüsse, heißt es jetzt im Gesetzentwurf, dass Krankenhausplanung künftig nicht mehr allein anhand der Bettenzahl vorgenommen werden solle.

Das heißt, es ist sehr wohl vorgesehen, dass nach dem zukünftigen Krankenhausplan in den Feststellungsbescheiden Planbettenzahlen und Behandlungsplatzzahlen ausgewiesen werden, um die Versorgungskapazitäten im Ist und Soll darzustellen.

Statt der früheren Bezeichnung „Abteilung“ wird jetzt der Begriff „Leistungsbereich“ eingeführt, der sich im Wesentlichen an den Fachgebieten der ärztlichen Weiterbildung orientiert. Gleichzeitig legen Sie in § 31 fest – ich zitiere wieder aus dem Gesetzentwurf – dass das Krankenhaus „nach den Vorgaben der Feststellungen des Krankenhausplans in Abteilungen gegliedert“ ist.

Also bleibt es doch bei der Struktur. Statt der 2007 verteufelten Detailplanung werden nun unterhalb der

Leistungsbereiche Leistungsgruppen geplant. Das heißt, Sie machen vor allem eines: eine Umetikettierung.

Da man inzwischen festgestellt hat, dass man sich bei der zusätzlichen Festschreibung von quantitativen Parametern wie Mindestfallzahlen verfassungsrechtlich auf sehr dünnem Eis befindet, soll das nun auf Leistungen von hoher Komplexität beschränkt werden. Das heißt, dass es auf die viel zitierten KnieOPs nicht zutrifft.

Zusammenfassend kann ich Folgendes feststellen: In Anbetracht der vor über einem Jahr erfolgten bombastischen Ankündigung einer neuen mutigen Krankenhausplanung ist das, was jetzt vorliegt, nicht besonders originell. Und in Anbetracht dessen, was der gestern eingebrachte Landeshaushalt alles nicht enthält, um einen solchen Prozess erfolgreich gestalten zu können, birgt dieser Prozess große Risiken für unsere Gesundheitsversorgung.

Deren Sicherstellung …

Frau Kollegin, die Redezeit ist deutlich überschritten.

… müssen wir uns im Ausschuss verantwortungsvoll annehmen. Wir sehen der Beratung im Ausschuss daher mit Freude entgegen.

(Beifall von der SPD)

Danke schön. – Für die Fraktion der Grünen spricht nun der Abgeordnete Mostofizadeh.

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zunächst auf Kollegin Gebhard eingehen. Frau Kollegin, Sie haben die wichtigen Punkte bezüglich dieses Gesetzentwurfs herausgearbeitet. Trotzdem möchte ich versöhnlich mit dem Positiven anfangen.

Ausdrücklich positiv finden wir die zweite Regelung, in der es um die Insolvenzen geht, und in der das angepackt und klargestellt wird. Es hat in der Vergangenheit nämlich ärgerliche Einzelfälle gegeben, bei denen diese Insolvenzen tatsächlich dazu geführt haben, dass zum Schaden der Betroffenen bzw. der Versicherten Patientenakten nicht mehr auffindbar waren. Diese Regelung halten wir also ausdrücklich für richtig.

Wir halten es auch ausdrücklich für richtig, sich – wie es ursprünglich geplant war – die Krankenhauslandschaft anzuschauen und sich dem Problem zu stellen, dass es auf der einen Seite eine hohe Belastung

und auf der anderen Seite eigentlich zu wenig Fachpersonal gibt, um das abwickeln zu können.

Ich will auch in Zeiten von Corona und starker Belastungen sowie angesichts der Diskussion, die im Ballungsgebiet Rhein-Ruhr geführt wird, deutlich sagen: Wer Krankenhäuser in Nordrhein-Westfalen plant, der muss auch sagen, wo das Fachpersonal herkommen soll, das in diesen Krankhäusern arbeiten und die Leistungen erbringen soll, die wir uns vorstellen. Das gehört zur Wahrheit einfach dazu.

(Beifall von den GRÜNEN)

Da das so ist, muss ich Ihnen allerdings einige Fragen dazu stellen, wie ernst Sie es denn meinen. Ich bin dabei durchaus auf derselben Fährte unterwegs, wie Frau Kollegin Gebhard sie ausgelegt hat.

Im letzten Jahr wurde tatsächlich die Abschaffung des Bettes als Planungsgröße beschlossen – Frau Gebhard hat einiges dazu gesagt –, und wir sind durchaus bereit, dies mitzutragen. Wir sind auch bereit, eine andere Struktur mitzutragen.

Ich sage auch ausdrücklich: Ich bin nicht dafür, Krankenhäuser oder einzelne Abteilungen – ich will mich da gar nicht festlegen – am Leben zu erhalten, in denen es zum Beispiel 300 oder 400 Geburten gibt – wir könnten auch noch andere Bereiche heraussuchen –, was dazu führen würde, dass Leistungen möglicherweise nur durchschnittlich angeboten werden, auf der anderen Seite aber Personal fehlt, um Leistungen erbringen zu können, die fachlich erforderlich sind. Das ergibt für niemanden Sinn – weder für diejenigen, die dort arbeiten, noch für diejenigen, die die Leistungen brauchen. Das will ich vorwegschicken.

Herr Minister Laumann, ich will aber auch etwas zu der Diskussion in Essen sagen. Sie schreiben in Ihrem Gutachten, welches bezeichnenderweise in meiner Heimatstadt Essen, in der Norbertstraße an der Messe Essen, veröffentlicht worden ist, klipp und klar, dass Rhein und Ruhr eigentlich übermöbliert sind. Das Ärzteblatt schrieb davon noch vorgestern in einem Beitrag. Laut Gutachten würden dort viel zu viele Leistungen angeboten.

Nun kann man sich fragen, was das denn dann heißt. Heißt das, dass es mehr Krankenhäuser in Essen oder in der Rhein-Ruhr-Region geben soll? Oder bedeutet das eine Konzentration? Und wie wollen Sie es dann angehen?

Als es diese Diskussion in Essen gab, habe ich mitbekommen, dass das Ministerium angeschrieben wurde, als das Konzept von Contilia vorgelegt wurde. Es wurde gefragt, wie eine Konsolidierung gesehen würde. Daraufhin kam ein Schreiben aus dem Ministerium, in dem es hieß: Wir finden das richtig. Wir finden auch die Richtung richtig. Wir hätten uns vielleicht in Nuancen ein anderes Konzept vorgestellt.

Gleichzeitig wird in Essen aber suggeriert, eine Stadt wie Essen könne ein eigenes Krankenhaus bauen, die alten Strukturen am Leben halten und vielleicht auch noch Leistungen aufbauen. – Herr Minister, das passt vorne und hinten nicht zusammen. – Und es waren beides Christdemokraten, die das ausgeheckt haben, Herr Minister Laumann.

(Beifall von den GRÜNEN)

Herr Kollege Preuß, deswegen frage ich auch nach der Ernsthaftigkeit Ihres Gesetzgebungsvorhabens. Sie haben damit eingeleitet, dass es nicht um Schließungen gehe. – Doch, es wird um Schließungen gehen. Es wird um Konsolidierungen gehen. Es gibt ausdrücklich Strukturgelder dafür, dass Stationen geschlossen und Bereiche zusammengelegt werden. Dann sagen Sie das auch. Dann diskutieren Sie das auch offen.

Zur Offenheit will ich auch sagen: Ich fordere ausdrücklich, dass die Beteiligten mit einbezogen werden. Damit meine ich nicht nur die Krankenhausgesellschaften – die müssen dabei sein –, sondern auch die Betroffenen. Wir haben lange über die Frage der Barrierefreiheit und die Einbeziehung der Menschen, die Assistenzen im Krankenhaus brauchen, diskutiert.

Wir müssen in einem offenen Dialog mit den Menschen in Nordrhein-Westfalen darüber diskutieren, wie unsere Krankenhauslandschaft aussieht. Da geht es nicht um einzelne Paragrafen, wie sie jetzt geändert werden sollen. Darüber werden wir uns im Ausschuss sicherlich inhaltlich unterhalten.

Ich fordere, dass aber auch über solche Faktoren wie eine Erreichbarkeit in 20 oder 30 Minuten – im letzten Jahr waren es noch 30 Minuten, jetzt sind es 20 Minuten – diskutiert wird. Herr Minister, dann legen Sie uns bitte schön Daten vor, was das erfordert und welche finanziellen Auswirkungen es hat. Was bedeutet es konkret vor Ort?

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, wir haben doch gemeinsam ein Interesse daran, zu wissen, worüber wir hier sprechen. Ich möchte keinen Popanz darüber aufbauen, ob hier oder da etwas geschlossen wird oder nicht. Ich will aber ganz genau wissen, wie die Prognose aussieht. Wenn wir eine Entscheidung treffen, möchte ich wissen, was wir damit anrichten – auch in der Struktur. Herr Minister, Sie sind gefordert, dies zu liefern. Und Sie hätten heute auch diesen Gesetzentwurf liefern müssen.

Der Überweisung an den Ausschuss stimmen wir selbstverständlich zu.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Vielen Dank. – Für die Fraktion der AfD spricht nun Herr Dr. Vincentz.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Man kann den regierungstragenden Fraktionen im Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales sowie dem Gesundheitsminister Laumann sicherlich einiges vorwerfen. Frau Gebhard hat dies sehr eindrucksvoll getan; anscheinend hat sich als Vorsitzende des Ausschusses einiges aufgestaut, was jetzt mal herausgekommen ist. – Sehr gut; es hat mich gefreut, das mal zu sehen.

(Angela Lück [SPD]: Das ist doch Quatsch!)

Aber man muss an dieser Stelle auch sagen – das gehört zur Wahrheit dazu –: Beide – sowohl die regierungstragenden Fraktionen als auch der Gesundheitsminister – trauen sich in dieser Legislaturperiode, die wirklich dicken Bretter zu bohren. Das ist zuerst bei der Pflegekammer so gewesen, die sicherlich für keinen Gesundheitspolitiker ein leichtes Terrain ist, insbesondere angesichts der Vorgänge in Niedersachsen. Wir haben sicherlich alle sehr unterschiedliche Meinungen dazu, aber das Thema ist angegangen worden. Man hat sich da nicht weggeduckt.

Ähnlich ist es jetzt mit dem Dritten Gesetz zur Krankenhausplanung. Wir haben lange darauf gewartet. Auch da müssen wir zur Kenntnis nehmen: Natürlich gibt es Diskussionen darüber. Einige zentrale Kritikpunkte, die ja offensichtlich sind und auf dem Tisch liegen, hat Frau Gebhard soeben vorgetragen.