Protokoll der Sitzung vom 08.10.2020

(Beifall von der FDP und der CDU)

Die Umsiedlungen haben Sie damals beschossen. Den Hambacher Forst abzuholzen, haben Sie damals beschlossen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Meine Damen und Herren, es ist nicht redlich, wenn Sie sich hier hinstellen und davon nichts mehr wissen wollen, wenn Sie so tun, als hätte es das alles nicht gegeben und als wären Sie daran nicht beteiligt gewesen. Sie haben da überall mitgemacht!

(Beifall von der FDP und der CDU)

Es geht um unser Land. Es geht nicht um eine einzelne Region. Es geht auch nicht allein um energiepolitische Fragen, sondern es geht um die Menschen vor Ort, und es geht darum, wie wir zukünftig Energie produzieren wollen. Es geht aber auch um Themen wie Nachhaltigkeit, Arbeitsplätze, Transformationsprozesse und auch um Versorgungssicherheit. All das klammern Sie komplett aus und tun so, als würde es das nicht geben.

Ich möchte in Richtung des Kollegen Kämmerling an der Stelle sagen: Ich fand Ihre Rede hier schon bemerkenswert.

(Stefan Kämmerling [SPD]: Das meine ich aber auch! Da haben Sie recht!)

Ja, das kann ich Ihnen sagen. Die Hälfte Ihrer Redezeit haben Sie darauf verwendet zu erklären, wie enttäuscht Sie von dem Prozedere sind, davon, dass Sie erst gestern von der Leitentscheidung erfahren haben. Darüber haben Sie fast die Hälfte Ihrer Redezeit gesprochen. Das kann ich nicht nachvollziehen.

(Stefan Kämmerling [SPD]: Das liegt an Ihrer schwachen Auffassungsgabe! Da müssen Sie besser zuhören!)

Das kann ich nicht nachvollziehen, sage ich ganz ehrlich, Herr Kämmerling. Woran liegt das? Das hängt damit zusammen, dass es das Beispiel von Ralph Bombis gibt, dass die Regierung damals schon das Parlament nicht richtig informiert hat. Und das gab es zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal. Weil die FDP-Landtagsfraktion am 01.10. eine Aktuelle Stunde gefordert hat, wurde die alte Leitentscheidung hier überhaupt erst zum Thema gemacht.

(Beifall von der FDP und Henning Rehbaum [CDU])

Sie haben nun die Wahl, meine Damen und Herren. Wollen Sie konstruktiv an diesem Prozess teilnehmen, oder stellen Sie sich fundamental gegen die notwendigen Maßnahmen, um das Rheinische Revier zukunftsfest zu machen und den Menschen dort eine Perspektive zu geben?

(Stefan Kämmerling [SPD]: Meinen Sie jetzt wieder mich? Dann haben Sie gar nicht zuge- hört! – Das sage ich Ihnen allen, Herr Kämmerling. (Stefan Kämmerling [SPD]: Allen?)

Ja. Ich denke, das ist auch so in Ordnung, oder?

(Stefan Kämmerling [SPD]: Unfassbar!)

Ich lade Sie alle noch einmal zu einem konstruktiven Prozess ein.

Deshalb untermauere ich das noch einmal und möchte Sie in diesem Zusammenhang auch gerne an die Worte des damaligen Fraktionsvorsitzenden Reiner Priggen erinnern, der sagte: Wenn man in der Verantwortung steht, ist man in der Verantwortung für alle, die davon betroffen sind. – Meine Damen und Herren, ich bitte Sie darum: Beachten Sie das bitte auch. Es geht um die Menschen vor Ort.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Wir werden das Rheinische Revier von einer vom Kohleabbau geprägten Region schrittweise zu einer nachhaltigen Mobilitäts- und Energieregion umgestalten. Wir haben die historische Gelegenheit, ein seit mehreren Jahrzehnten durch den Tagebau zerschnittenes Gebiet wieder zu vereinen. In der Zukunft entsteht eine Folgelandschaft, die wir innovativ gestalten können, und das alles viel eher, als bisher geplant. So werden wir den Gewinnungsbetrieb in

den Tagebauen Garzweiler II und Hambach deutlich früher als geplant enden lassen. Die Jahre 2026, 2029, 2032 werden wir dazu nutzen, um prüfen zu lassen, ob das Ausstiegsdatum 2035 nicht vielleicht doch realisiert werden kann.

Ortschaften, die nahe am Tagebau Garzweiler II liegen, sollen einen Abstand von mindestens 400 m zur Abbruchkante haben. Gegebenenfalls besteht noch die Möglichkeit, diesen Abstand auf 500 m zu vergrößern, wenn wir früher aussteigen können.

Der weitere Gewinnungsbetrieb von Garzweiler II innerhalb des künftigen Abbaubereiches soll so gestaltet werden, dass eine Flächeninanspruchnahme im Tagebauvorfeld auf den notwendigen Umfang beschränkt wird. Anders als Sie es in der letzten Leitentscheidung von 2016 festgelegt haben, werden wir den Hambacher Forst erhalten.

In gleicher Weise verfahren wir mit dem Merzenicher Erbwald, dem Waldgebiet westlich des FFH-Gebiets Steinheide. Ebenso bleibt die Ortschaft Morschenich bestehen. Den bisher dort verbliebenen Einwohnerinnen und Einwohner wird weiterhin die Option angeboten, nach Morschenich-neu überzusiedeln. Generell werden wir die vorgeschriebenen Zeiträume für derartige Umsiedlungen verlängern, weil es schonender für die betroffenen Menschen ist und sie sich darauf einstellen sollen, dass sie ihr Zuhause verlieren.

Für uns als NRW-Koalition ist es wichtig, dass die Rekultivierung der Flächen des ehemaligen Tagebaus hochwertig und nachhaltig gestaltet wird. Tagebauböschungen müssen sicher und dauerhaft errichtet werden, und das dafür notwendige Füllmaterial zum Aufschütten der Böschungen soll hauptsächlich aus dem jeweiligen Abbaufeld stammen.

Den Tagebau Inden werden wir wie bisher fortführen. Hier wird bereits wie geplant ab 2029 Schluss mit der Braunkohlenverstromung sein.

Eine Leitentscheidung wie diese für das Rheinische Revier zeichnet nicht bloß eine Landkarte in anderen Farben und Mustern neu. Vielmehr betrifft sie die Menschen in dieser Region direkt und hat Auswirkungen auf unser gesamtes Land. Denn mit diesen Maßnahmen tragen wir dazu bei, dass der CO2Ausstoß, der durch die Braunkohlenverstromung derzeit verursacht wird, ab dem Jahr 2030 um zwei Drittel gesenkt wird. Wir tragen als Landespolitik die Verantwortung, hierbei gewissenhaft und mit Entschlossenheit zu gestalten.

Meine Damen und Herren, ich appelliere an jeden Einzelnen und an jede Einzelne von Ihnen: Die Öffentlichkeitsbeteiligung beginnt jetzt. Schalten Sie sich konstruktiv und bitte auch frei von Ideologien in diesen Prozess ein! – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Freynick. – Für die AfD-Fraktion spricht noch einmal Herr Kollege Loose.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Selbst der IPCC, der sogenannte Weltklimarat, stimmt der Aussage zu, dass 95 % der CO2-Emissionen auf der Welt natürlichen Ursprungs sind und lediglich 5 % der CO2-Emissionen auf einen menschlichen Beitrag zurückzuführen sind.

Die Hauptquellen der 95 % natürlicher CO2-Emissionen sind Ozeane, Mikroben, Insekten oder auch Vulkane sowie Waldbrände. Die Hauptquellen für die 5 % verbleibenden, von Menschen erzeugten CO2Emissionen bilden China, die USA, Indien und Russland mit einem Anteil von zusammen deutlich mehr als 50 % dieser Emissionen. Deutschland hat nur einen Anteil von 2 % an den von Menschen verursachten bzw. 0,1 % an allen Emissionen.

Die vier Hauptquellen sind, wie gesagt, China, die USA, Indien und Russland, und diese vier Länder sind vom Pariser Klimaabkommen überhaupt nicht betroffen – sei es, weil China und Indien trotz ihrer wirtschaftlichen Entwicklung weiterhin als Entwicklungsländer eingestuft werden und bis zum Jahre 2030 ihre Emissionsquellen so sehr erweitern bzw. vergrößern können, wie sie es gerne möchten, oder sei es, weil sich die USA am Abkommen schlichtweg nicht beteiligen.

Doch das alles interessiert Herrn Pinkwart nicht. Der EU-weite Zertifikatehandel interessiert Herrn Pinkwart auch nicht. Was werden Sie eigentlich einmal Ihren Enkeln sagen?

Werden Sie sagen: „Wir wollten CO2 sparen, aber wir waren einfach nicht intelligent genug, um das mit dem Zertifikatehandel zu verstehen“ oder „Wir wollten CO2 sparen, aber wir waren einfach nicht intelligent genug, um das mit den Emissionen in China und Indien zu verstehen“ oder „Wir wollten CO2 sparen, aber wir waren einfach nicht intelligent genug, um zu verstehen, dass die Industrie einfach abwandert und CO2 woanders in die Luft pustet“ oder „Wir wollten CO2 sparen und haben die modernsten Kohlekraftwerke der Welt abgeschaltet, aber wir waren einfach nicht intelligent genug, um zu verstehen, dass dann der Strom aus minderwertigeren Kohlekraftwerken aus Polen und Tschechien kam“?

Sehr geehrte Damen und Herren, Sie können heute die Wähler täuschen, Sie können heute die Schulkinder täuschen. Aber in 20 Jahren wird man erkennen, dass Sie unsere Industrie grundlos vernichtet haben. Klar, dann sind Sie in Pension, und es schert Sie nicht mehr. Wer aber bei dieser Politik der Vernichtung unserer Industrie mitmacht, legt die Axt an unseren Wohlstand, legt die Axt an die Zukunft unserer Kinder.

Wer gleichzeitig aus der Kernenergie und der Kohlekraft aussteigt, der sagt der Industrie: Wir sichern eure Stromversorgung nicht mehr. Wir wollen euch als Industrie nicht mehr. Geht ins Ausland!

Dabei weiß doch jeder, der schon mal in der Industrie tätig war – viele von Ihnen kennen das nicht –, wie wichtig eine gleichbleibend sichere Stromversorgung ist. Filigrane Werkzeuge können Sie nur herstellen, wenn die Frequenz der Stromversorgung dauerhaft bei 50 Hertz liegt und nicht zwischen 49,8 und 50,2 Hertz schwankt. Sonst laufen die Maschinen nicht gleichmäßig, und Sie haben Ausschuss.

Und die Zahlen sind eindeutig. Ich zitiere aus dem Bericht des BDEW zu den Redispatch-Maßnahmen. Was das ist, sage ich Ihnen gleich. Zitat:

„Durch den verstärkten Ausbau von Windenergieanlagen … kommt es im deutschen Übertragungsnetz häufig zu Netzengpässen.“

Jetzt die Erklärung:

„Redispatch bezeichnet den … Eingriff in den … Fahrplan, … um Leistungsüberlastungen im Stromnetz vorzubeugen bzw. zu beheben.“

Ich übersetze das mal für Sie: Ohne Eingriffe in das Stromnetz käme es dank der sogenannten Erneuerbaren zu Blackouts. Und die Zahlen sind dramatisch. So heißt es weiter im BDEW-Bericht:

„Während im Jahr 2010 lediglich rund 306 GWh ,redispatcht‘ wurden, hat sich die Gesamtarbeit bis zum Jahr 2017 um den Faktor 66,8 auf 20.439 GWh erhöht.“

Um das 66,8-Fache! – Die Kosten dieser Netzeingriffe stiegen von 13 Millionen Euro im Jahr 2010 auf mehr als 420 Millionen Euro im Jahr 2017. Die gesamten Engpasskosten – inklusive Redispatch-Maßnahmen – stiegen im Jahre 2017 auf einen Rekordwert von rund 1,4 Milliarden Euro.

Die Engpässe sind klar benannt. Trotzdem schalten Sie, Herr Pinkwart, die sichersten Kohlekraftwerke hier in NRW ab. Trotzdem bauen Sie weiter wetterabhängige Stromerzeuger.

Der richtige Schritt wäre allerdings, erst einmal innezuhalten. Bauen Sie zuerst die Netze aus, bauen Sie doch zuerst einmal die Speicher, die Sie immer wieder ankündigen. Wir fragen Sie dazu in Kleinen Anfragen. Aber dann kommt nichts von Ihnen. Sie haben keine neuen Gaskraftwerke, Sie haben keine neuen Pumpspeicherkraftwerke. Sie haben ein bisschen Batteriespeicher. Aber der Speicher, den Sie zusätzlich gebaut haben, hält doch nicht einmal für drei Minuten.

Also, nutzen Sie die Zeit zum Innehalten und nutzen Sie unsere versorgungssicheren Kern- und Kohlekraftwerke. Das wäre der richtige Schritt für unsere

Industrie, für unsere Arbeitsplätze und damit für die Zukunft unserer Kinder. – Vielen Dank.

(Beifall von der AfD)

Vielen Dank, Herr Kollege Loose. – Für die Landesregierung spricht jetzt Herr Professor Dr. Pinkwart.