Protokoll der Sitzung vom 08.10.2020

Ich könnte es wiederholen, aber das ist nicht schön – vor allem um die Mittagszeit herum nicht.

(Heiterkeit)

Danke schön für das Verständnis.

Als nächster Redner spricht für die SPD-Fraktion Herr Bialas.

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich muss schon sagen: Ich habe heute von der CDU etwas anderes als oftmals

zuvor gehört. Sie öffnen sich; das finde ich sehr erfreulich. Wenn Sie das in eine Generalkritik an der SPD verpacken müssen, ist das in Ordnung; geschenkt. Hauptsache wir entwickeln uns an der Stelle weiter.

Zur Rede meines Kollegen von der FDP: Wir sind im 250. Jahr nach der Geburt von Hegel. Was Sie hier an Dialektik gebracht haben, macht diesem Geburtsjahr alle Ehre.

(Lachen von Marc Lürbke [FDP])

Lassen Sie mich feststellen: Insgesamt wäre es gut, wenn wir aufhören würden, ein kritisches Hinterfragen der Exekutivkräfte zu diskreditieren.

Es wäre gut, wenn wir aufhören würden, bei kritischen Fragen bezogen auf die Polizei permanent einen Generalverdacht zu unterstellen.

Es wäre gut, wenn wir aufhören würden, bei Kritik am Fehlverhalten von Polizistinnen und Polizisten den Kritikern zu unterstellen, sie hätten früher nicht genug gemacht, sie hätten alles längst machen können, sie wären – ich darf das Wort nicht nennen – „Klugsch …“

(Sven Wolf [SPD]: Schlaumeier!)

und würden auf die Kolleginnen und Kollegen eindreschen.

Das ist ein typisches Verhalten, das wir mittlerweile bei Kritik permanent erleben müssen. Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Auch das geht schlicht und ergreifend nicht.

(Beifall von der SPD)

Es wäre auch gut, wenn wir aufhören würden, immer zu erzählen, die Polizei würde in der Öffentlichkeit, hier im Parlament und bei den politischen Parteien mehr und mehr als Gegner gesehen, man würde immer mehr Gegner haben, man müsse daher an allererster Stelle diese verteidigen, weil es sonst keiner mehr mache.

Lassen Sie mich klarstellen: Die Polizei ist nach wie vor eine der angesehensten Einrichtungen. Wir Polizistinnen und Polizisten genießen ungebrochen mit das höchste Ansehen in unserem Staat.

Es gibt keine andere Berufsgruppe, der wir in diesem Plenum häufiger unseren Rückhalt, unseren Dank und unsere Wertschätzung versichert hätten als der Polizei,

(Beifall von der SPD)

und zwar nicht als Lippenbekenntnis, sondern aus vollster Überzeugung. Ich kann mich kaum an etwas anderes erinnern als an diesen Punkt, bei dem wir uns in diesem Haus derart einig sind.

Klar ist aber auch: Dieses Vertrauen und den hohen Respekt müssen wir Polizistinnen und Polizisten uns

immer wieder neu erarbeiten. Er ist nicht mehr automatisch ohne Rückbezug auf die eigenen Handlungen gegeben. Ich glaube, damit haben die Polizistinnen und Polizisten in der überwiegenden Mehrheit auch überhaupt keine Schwierigkeit.

Daher sage ich genau andersherum: Setzen Sie dieses wertvolle Gut, unser gutes Ansehen und den Respekt nicht durch eine Verweigerung einer angemessenen Befassung mit Rechtsextremismus, Rechtspopulismus und Rassismus aufs Spiel.

In Anlehnung an Ihre Rede möchte ich sagen: Sie machen ja in der Tat etwas. An der Stelle müssen wir uns nicht streiten, sondern uns tatsächlich über das Mehr und das Wie unterhalten.

Es wäre auch gut, wenn wir aufhören würden, allein mit Einzelfalltheorien zu argumentieren und mit pauschalen Abwehrmechanismen zu reagieren. Auch hier gibt es deutliche Entwicklungen und Veränderungen, und das ist auch sehr gut so.

Es geht dabei nämlich eben nicht nur um ein Lagebild, um eine Auflistung von Straftaten. Da sind Sie weiter. Was der Bundesinnenminister liefert, ist schon ein wenig gruselig.

Es geht um das umfangreiche Aufdecken von Strukturen. Es geht um gruppendynamische Prozesse, es geht um ein Entwicklungsgeschehen. Es geht um Bildungsansätze, um Vorgesetztenfunktionen und deren Wahrnehmung oder Nichtwahrnehmung, wie diese Rollen auch ausgefüllt werden.

Es geht um Reflexionsfähigkeit, es geht um die Rolle von Ansprechpartnern, in welcher Art und Weise sie zur Verfügung stehen, aber auch proaktiv möglicherweise auf die Leute zugehen und nicht nur warten, dass jemand kommt.

Es geht auch um Opfer einer jeweiligen Haltung; die lassen wir nämlich häufig genug völlig außer Acht. Rassismus hat schlicht und ergreifend auch Opfer und nicht nur abstrakte Folgen:

(Beifall von Verena Schäffer [GRÜNE])

Opfer unter den Bürgerinnen und Bürgern, aber häufig genug auch in der Polizei unter unseren Kolleginnen und Kollegen selbst.

Gucken Sie es sich einmal an – Sie haben erklärt, Sie täten das, was ich nur herzlich begrüßen kann –, was an den Schwarzen Brettern hängt. Gucken Sie sich einmal an, lassen Sie sich berichten, wie Gespräche laufen, welche Witzchen gemacht werden, was nicht nur in Chatforen gepostet, sondern auch ganz offen untereinander geredet wird, wie mit Bürgerinnen und Bürgern umgegangen wird, die erkennbar einen Migrationshintergrund haben,

(Zuruf von Andreas Keith [AfD])

wie mit kritischen Kolleginnen und Kollegen umgegangen wird – auch mit denen, die etwas mitteilen.

Das ist häufig nicht strafbar – da sind wir unterhalb der Strafnorm –, aber es ist oftmals zumindest bemerkenswert und bitte einmal zu beleuchten.

Den demokratischen Grundkonsens zu vergiften, fängt nicht mit Straftaten an, sondern hört mit Straftaten auf. Ich darf Dirk Heidemann von der Deutschen Hochschule für Polizei zitieren, abgedruckt in der neuen Zeitung der Polizeigewerkschaft:

Wir müssen akzeptieren, dass die Trägerin des Gewaltmonopols samt umfassender Eingriffsrechte und Eingriffsmöglichkeiten zu Recht unter Beobachtung steht, denn unsere Demokratie braucht für ihren Erhalt eine Polizei. Sie ist ein zwingendes Fundament einer stabilen Demokratie, aber nur dann, wenn sie für die demokratischen Grundwerte eintritt. Wenn sie dies nicht tut, ist es ein gefährliches Instrument, korrumpierbar in den Händen von Machthabern.

Das kennen wir aus der Geschichte. Das kennen wir übrigens auch ganz aktuell aus zahlreichen Ländern dieser Welt. Daher ist hier eine hohe Sensibilität gefragt.

Als Parlament haben wir daher einen Auftrag, nämlich die Kontrolle. Das ist nicht Herumkrittelei, Besserwisserei, Nestbeschmutzung, Generalverdacht, böse Absicht, sondern in einem demokratischen Rechtsstaat schlicht und ergreifend unsere Pflicht als Parlament.

Sehr geehrter Herr Minister Reul, einem guten Innenminister sollte das längerfristige Fragezeichen manchmal näher sein als das schnelle Ausrufezeichen. Das entbindet Sie ausdrücklich nicht von der Pflicht, auch jetzt schnell und effektiv zu handeln.

Hier gibt die Wissenschaft auch in der längerfristigen Betrachtung deutlich die einen oder anderen Erkenntnisse, aber auch Hinweise, wie es noch besser sein kann.

Einsetzen, Nachfragen und Aufsicht – das ist eben kein Entweder-oder, sondern ein Und. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD)

Danke schön, Herr Bialas. – Für die CDU-Fraktion spricht Herr Sieveke.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das ist so eine Sache mit dem Lob: Man nimmt ein Lob sehr gerne an, aber es kann auch vergiftet sein.

Die Vorredner von Bündnis 90/Die Grünen und der SPD haben recht: Es ist gut, dass wir uns in dieser sachlichen Atmosphäre austauschen und so vernünftig miteinander sprechen können; es ist schon fast gespenstisch ruhig in diesem Saal. Bei so einem sehr wichtigen Thema habe ich das auch schon anders erlebt.

Herr Bialas, Sie haben das gerade geschickt gemacht: Sie haben davon gesprochen, dass Sie überrascht gewesen seien, dass sich die CDU öffne. Das kann ich so nicht akzeptieren:

Wir müssen uns nicht öffnen. Wir sind bei dem Thema immer schon klar gewesen: Rechtsextremismus geht gar nicht, und zwar nicht nur bei den Sicherheitsbehörden, sondern auch in der Gesellschaft. Das ist für uns klar.

(Beifall von der CDU und Marc Lürbke [FDP] – Zuruf von Verena Schäffer [GRÜNE])

Frau Schäffer, ich verstehe Ihre Reaktion nicht. Wenn ein Christdemokrat sagt, Rechtsextremismus ist der größte Feind der Gesellschaft, ist der Rechtsextremismus – übrigens auch der politische Rechtsextremismus – der größte Feind der CDU.

Wir kümmern uns um die demokratische Rechte, die bei uns Platz finden darf. Die Rechtsradikalen gehen in andere Parteien. Es sollte doch auch ein Grundkonsens zwischen uns sein, dass man uns abnehmen sollte, dass wir uns dieser Thematik sehr ernsthaft stellen.