Protokoll der Sitzung vom 08.10.2020

Wir kümmern uns um die demokratische Rechte, die bei uns Platz finden darf. Die Rechtsradikalen gehen in andere Parteien. Es sollte doch auch ein Grundkonsens zwischen uns sein, dass man uns abnehmen sollte, dass wir uns dieser Thematik sehr ernsthaft stellen.

Ausdrücke, wie Sie sie eben verwendet haben, Herr Wolf, wie „erst durch unsere Nachfragen“ oder „Salamitaktik“ suggerieren aber, dass sich diese Landesregierung dieser Thematik nicht ernsthaft stellt.

Sie hat sich dieser Herausforderung aber schon viel früher gestellt, ohne Ihre Nachfrage. Sie haben im März noch ein Maßnahmenpaket mit 51 Punkten vorgeschlagen – Sie haben das heute in der Rede gar nicht erwähnt –, was man alles machen kann. Haben Sie sich auch mal angeguckt, was diese Landesregierung von diesen 51 Punkten schon lange umgesetzt hat oder was in Umsetzung ist?

(Sven Wolf [SPD]: Copy-and-Paste! Alles gut!)

Herr Wolf, das Weglassen einer solchen Information ist problematisch.

(Zuruf von Sven Wolf [SPD])

Sie bringen Vorschläge ein, und die Landesregierung sagt: Wir kümmern uns schon darum, haben es schon gemacht, oder wir machen das. – Das zu erwähnen, stärkt auch das Vertrauen in die parlamentarische Arbeit untereinander.

Frau Schäffer hat eben den Satz gesagt: Ich erwarte dann aber auch, wenn ich Vorschläge mache, dass man sie genauso ernsthaft prüft wie bei jedem anderen. – Das suggeriert aber auch, dass man das nicht machen würde.

(Zuruf von Sven Wolf [SPD])

Umgekehrt wird ein Schuh draus: Man prüft. – Man muss aber auch akzeptieren, dass ein Vorschlag abgelehnt werden kann, weil er als nicht zielführend erachtet wird.

(Zuruf von Sven Wolf [SPD])

Deswegen sage ich ganz ehrlich: Ich persönlich brauche keine Studie, die mir meinetwegen in vier Jahren erklärt, was ich vor vier Jahren hätte machen müssen, um das Problem zu bearbeiten.

Ich brauche vielmehr eine Ausarbeitung – das ist eben mehrmals genannt worden – aufgrund des Lagebildes, aufgrund der vorliegenden Informationen.

Frau Schäffer, vielleicht ist das Folgende genau der Grund dafür, dass wir diesen letzten Schritt bei dieser Debatte nicht aufeinander zugehen können. Sie haben die Diskussion mit der Frage begonnen: Haben wir strukturellen Rassismus bei der Polizei?

(Verena Schäffer [GRÜNE] hat die Hände vors Gesicht geschlagen.)

Sie schlagen jetzt schon wieder die Hände vors Gesicht. So ist es uns auch gegangen, weil Sie in der Debatte gesagt haben: Ich will damit nicht ausdrücken, dass die Polizei rechtsradikal ist, aber …

Sie suggerieren jedes Mal, wir hätten ein strukturelles Problem. Wir haben aber kein strukturelles Problem bei der Polizei, denn wenn wir ein strukturelles Problem hätten, müssten wir darüber nachdenken. Würde es sich um ein Gebäude handeln, würde man es abreißen und neu bauen.

(Zuruf von Verena Schäffer [GRÜNE])

Bei der Polizei müsste man dann eine Neuausrichtung machen. Wollen wir das? – Nein. Wir haben kein strukturelles Problem. Das ist eine Frage der Begriffsdefinition.

Herr Bialas, Sie sind eben darauf eingegangen und haben gesagt: Nein, wir haben das nicht. Wir haben auch keine Einzelfallproblematik.

Ich muss mich jetzt mit beiden auseinandersetzen, und Frau Schäffer hat es zumindest immer wieder in Diskussionen in der Ausschussberatung erwähnt.

(Andreas Bialas [SPD]: Der Innenminister hat zwar andere Worte verwendet, aber der war eben klarer!)

Am Ende sagen Sie dann: Ich will damit aber nicht ausdrücken, dass … – Letztlich ist das kraus.

Ich darf auch noch einmal daran erinnern, dass bei den Innenausschussberatungen gerade zum Thema „Rassismus und Diskriminierung“ aber auch von Ihnen sehr schnell Vergleiche gezogen wurden zwischen der Polizei in Nordrhein-Westfalen und der Polizei in Amerika, ganz subtil: Sie haben das mit George Floyd in Verbindung gebracht.

Ich darf noch einmal an den Vorfall in Düsseldorf erinnern, nach dem Sie eine Riesenanfrage gestellt haben. Als dann die Antwort kam, dass sich der Fall

ganz anders dargestellt hat, kam von Ihnen keine Klarstellung.

Das Weglassen von Klarstellungen bedeutet auch, dass man billigend den Eindruck in Kauf nimmt: Die haben ein Problem. Das war nicht alles in Ordnung.

Zur demokratischen Verantwortung gehört aber auch, dann zu sagen: Das war nicht so, wie wir das vermutet haben.

(Vereinzelt Beifall von der CDU – Zuruf von den GRÜNEN)

Letztlich geht es uns darum, diesen Bereich thematisch ernsthaft anzugehen. Wir wissen das beim Innenminister in guten Händen.

Wir haben kein strukturelles Problem in der Polizei; wir haben vielmehr ein strukturelles Problem in der Gesellschaft, das sich an Informationen, Bildern und Witzen zeigt. Da gebe ich Ihnen zu 100 % recht, Herr Bialas.

Das sind aber nicht nur die Witze: Das kommt von Kollegen bei der Polizei oder im Finanzamt. Das kommt aber auch in der Gesellschaft vor: beim Schützenverein, beim Sportverein oder in der Nachbarschaft.

Dort kommen plötzlich Sprüche und Witze, zu denen man sagen sollte: Das war nicht in Ordnung. Ich lache darüber nicht; aber spreche ich es auch bewusst an? Oder mache ich das nur mit mir selber aus?

Ich bin weit entfernt davon, immer zu sagen: Darum muss sich die Schule kümmern. – Worum soll sich Schule noch kümmern? Wir geben immer mehr an die Schule ab.

Als Gesellschaft müssen wir uns aber sicherlich dieser Herausforderung stellen und dürfen bei Witzen oder Sprüchen, die die eigene politische Meinung unterstützen sollen, nicht weggucken und weghören.

Lassen Sie uns also die Gemeinsamkeiten ernst nehmen und nicht immer wieder suggerieren, nicht so ganz überzeugt zu sein, was diese Regierung macht.

Sie sagen, man sollte nicht immer in die Vergangenheit gucken. Der Blick in die Vergangenheit gehört natürlich auch dazu. Warum sind diese Probleme erst so spät aufgefallen? Oder sie sind aufgefallen, aber man hat sie nicht angesprochen, auch durch politisches Agieren?

Dabei geht es nicht um Nestbeschmutzung oder Schuldzuweisung, sondern darum, eine gemeinsame Basis zu finden, um dieses Problem ernsthaft anzugehen und zu lösen. Dazu sind wir alle bereit.

Ich bin dem Innenminister für die Maßnahmen, die er schon vor Bekanntwerden dieser Fälle gestartet hat, dankbar.

Uns allen rate ich, diese ruhige und sachliche Diskussion so weiterzuführen. Ich glaube, dann werden wir der Thematik wirklich gerecht. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Danke schön, Herr Sieveke. – Frau Schäffer spricht für die Grünen.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde, ein bisschen Streit ist doch eigentlich ganz gut. Die Debatte ist doch ein Wesenskern der Demokratie; insofern sehe ich darin überhaupt kein Problem.

Herr Sieveke, es gibt zwei Grundprobleme, weshalb wir in diesen Diskussionen so häufig aneinander vorbeireden:

Das erste Grundproblem ist, dass Sie uns Grünen immer dann, wenn wir im Innenausschuss Themen angemeldet haben, bei denen wir Probleme innerhalb der Polizei gesehen haben – und zwar im besten Sinne einer konstruktiven Fehlerkultur, die Sie jetzt übrigens anmahnen – sofort Generalverdacht unterstellt haben.

Das war absolut schädlich für die Diskussion, die wir hier schon viel eher hätten konstruktiv führen müssen. Ich mache Ihnen zum Vorwurf, dass Sie solche Debatten in den letzten Jahren verhindert haben.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Das zweite Grundproblem ist, dass Sie häufig gar nicht verstehen, worüber wir reden. Sie verstehen nicht den Unterschied zwischen Rechtsextremismus als Sammelbegriff für verschiedene Einstellungsmuster und Rassismus als eine Einstellung wie Antisemitismus, Antiziganismus, Islamfeindlichkeit.

Diese Unterscheidung ist wichtig, um festzustellen, dass wir ein strukturelles Problem in unserer Gesellschaft haben, dass es rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische usw. Einstellungen in der Mitte der Gesellschaft gibt. Das heißt Rassismus. Natürlich macht das nicht vor der Behördentür halt; darüber müssen wir reden.

Ferner müssen wir darüber reden, was es mit den Betroffenen macht. Die Betroffenenperspektive fehlt in Ihrem Entschließungsantrag komplett; die taucht überhaupt nicht auf, aber darum geht es doch.

Es geht doch nicht nur darum, abstrakt den Staat vor Rassismus zu schützen, sondern darum, die Betroffenenperspektive einzubeziehen und aufzuzeigen, was es eigentlich mit Menschen macht, die Opfer von rassistischer Gewalt oder von rassistischer Diskriminierung werden.