Es ist schon mehrfach gesagt worden, dass der durch die SPD-Fraktion vorgelegte Gesetzentwurf sich an Schleswig-Holstein orientiert. Meines Wissens befindet sich der Gesetzentwurf in Berlin noch in der Debatte, aber auch das muss man sich noch einmal angucken.
Wir Grüne freuen uns auf die Diskussionen über diesen Gesetzentwurf. Ich würde mich sehr freuen, wenn CDU und FDP sich nicht beleidigt in die Ecke stellen und sagen würden: Na ja, eigentlich wollten wir ja, aber jetzt ist die SPD uns zuvorgekommen, und deshalb lehnen wir das ab und machen etwas eigenes. – Machen Sie es bitte nicht. Ich würde mich wirklich über eine konstruktive Debatte freuen. Wir können durchaus unterschiedlicher Meinung zu den verschiedenen Regelungen sein, aber nehmen Sie die Diskussion bitte ernst. Lassen Sie uns das als Vorlage nutzen, um darüber zu diskutieren. Wie gesagt, Sie können ja Änderungsanträge schreiben. Ich bin auf jeden Fall sehr gespannt auf die Diskussionen. – Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Heute geht es um einen Gesetzentwurf zum Versammlungsrecht, also um Demos und Aufzüge. Diese Materie ist unverändert facettenreich. Die kreativen Formen reichen von Treckerdemos bis hin zu schulstreikenden Schüler-Klimaschützern.
Die Versammlungsfreiheit fußt auf Art. 8 des Grundgesetzes. Seit 2006 können die Länder entsprechende eigene Gesetze erlassen; deswegen befassen wir uns heute damit. Bis zur Ablösung durch ein neues Landesrecht gilt weiterhin das Versammlungsgesetz des Bundes.
Nun gibt es eben den Gesetzentwurf der SPD. Er ist zwar abgeschrieben, aber das ist nicht schlimm. Das machen ja alle so. Das ist völlig unbedenklich, und wir sollten das nicht zu hoch hängen.
Anhaltende Krisenzeiten – Klimakrise, Finanzkrise, Flüchtlingskrise, Wohnungskrise, Was-auch-immerKrise – sind Zeiten von vielfältigen Kundgebungen und Aufzügen, immer verbunden mit einer latenten und auch offenen Konfliktträchtigkeit.
Entsprechend stark muss die Fähigkeit des Versammlungsrechts und auch seiner Anwender sein, diese auftretenden Konflikte zu bewältigen. Das meiste ist bereits durch Gerichte oder den Rückgriff auf das Polizeirecht geklärt. Insofern befinden wir uns nicht in einem luftleeren Raum. Aber eine aktuelle, in einem Gesetz als ganzer Guss zusammengefasste versammlungsrechtliche Regelung ist durchaus wünschenswert.
Insofern geht der Dank an die SPD, dass Sie sich dieses Themas – wie abgeschrieben auch immer – annehmen.
Kommen wir zu einzelnen Vorschlägen von Ihnen: § 7, Störungsverbot. Zitat: „Es ist verboten, eine Versammlung mit dem Ziel zu stören, deren Durchführung erheblich zu behindern oder zu vereiteln.“ – Sehr gut. Das ist natürlich auch nach dem geltenden Bundesrecht schon so, aber es soll ja das ganze Recht neu in einem Guss gefasst werden.
Also, behindern und vereiteln sind verboten. – Wir kennen das nur zu gut, wenn unsere Demos verhindert und vereitelt werden sollen. Aber leider bleibt dieses rechtliche Schwert, das Sie ziehen, stumpf. Denn wer eine Versammlung behindern oder vereiteln möchte, soll nach Ihrem Vorschlag nur eine Ordnungswidrigkeit begehen. Erst wenn Gewalt ins Spiel kommt, soll es eine Straftat sein.
Lesen wir dazu § 23 Ihres Gesetzentwurfes: „Wer in der Absicht, nicht verbotene Versammlungen zu verhindern oder sonst ihre Durchführung zu vereiteln, Gewalttätigkeiten vornimmt oder androht, wird mit Freiheitsstrafe …“ usw. bestraft.
Aber um Versammlungen und ihre Teilnehmer wirksam zu schützen – so hatte ich auch die CDU und die FDP eben verstanden –, ist es eben nicht genug, wenn massive Störungen oder Verhinderungen einer Demonstration nur als Ordnungswidrigkeit gewertet werden. Das ist eine Einladung an alle Störer und solche, die es werden wollen.
Eine Geldbuße bis 500 Euro oder vielleicht auch etwas mehr tut da nicht wirklich weh. Die rote Hilfe ist nicht weit und wird es schon bezahlen, und auch aus anderen Quellen fließt reichlich Geld, um genau diese Verhinderungs-, Vereitelungs- und Störungshandlungen zu ermöglichen.
Widerspruch und Missfallen in einer öffentlichen Versammlung sind natürlich zulässig – dass wir uns nicht falsch verstehen. Darum geht es nicht, so etwas gehört sogar zum Wesenskern einer Versammlung. Aber was ist mit Störungen, die eine Versammlung verhindern oder massiv beeinträchtigen?
Beispiele, die ich im Gesetzentwurf übrigens vermisse, gefällig? – Rauchbomben, Sprechchöre, Rangeleien, Anspucken, Fotos von jedermann, der zur Versammlung geht, auf diffamierenden Antifa-Seiten.
Ist das kommunikative Auseinandersetzung? – Das waren jetzt keine Worthülsen aus dem luftleeren Raum, sondern eigene Erlebnisse. Ich teile sie mit vielen meiner Kollegen – vielleicht auch mit einigen von Ihnen, das weiß ich nicht.
Aber hat nicht auch einmal die Versammlungsfreiheit zurückzutreten – vielleicht auch in diesen Gesetzentwurf –, wenn eine Abwägung unter Berücksichtigung der Bedeutung dieses Freiheitsrechtes – ein hohes Gut, das Versammlungsrecht – ergibt, dass dies zum Schutz anderer, mindestens gleichwertiger Rechtsgüter notwendig ist? Wäre das nicht ein überlegenswerter Punkt auch in Ihrem Gesetzentwurf?
Nehmen wir als Beispiel nicht die AfD, da kenne ich das Ergebnis bei Ihnen. Nehmen wir ein anderes Beispiel: Frauen. Frauen, die eine anerkannte Schwangerschaftsberatungsstelle aufsuchen wollen, haben ein aus ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht fließendes Recht darauf, diese Beratungsstelle ohne einen Spießrutenlauf durch eine blockadeartige Versammlung von Abtreibungsgegnern zu erreichen.
Zwar beinhaltet die Versammlungsfreiheit auch ein Selbstbestimmungsrecht über den Ort der Veranstaltung; die Wahl des Versammlungsortes darf jedoch nicht darauf ausgerichtet sein, die betroffenen Frauen einer Anprangerung und Stigmatisierung auszusetzen. So – in bester Tradition – von mir abge
schrieben aus einem Gesetzeskommentar mit Blick auf das Versammlungsrecht. Wie finden Sie das? Sehen Sie das genauso, wenn es um Frauen geht, die zur Schwangerschaftsberatung wollen?
Jetzt nehmen wir wieder eine Partei. Wir nehmen die AfD. Auch die AfD möchte ihre Versammlungen, ihre Aufzüge erreichen – etwa in Köln, in Münster, in Mülheim, in Düsseldorf, in Viersen, in Krefeld, in Bochum oder wo auch immer. Genau da – das Beispiel ist so lebensnah – erleben wir ständig Spießrutenläufe übelster Form. Wenn Sie einmal von einer grünen Oma getreten, bespuckt oder sonst etwas werden, fragen Sie vielleicht auch, ob das alles richtig ist und nur eine Lappalie oder Bagatelle ist oder ob das Ganze nicht doch so vehement in das hohe Versammlungsrecht von uns und anderen Parteien eingreift, dass dies anders als mit einer Ordnungswidrigkeit geahndet werden muss.
Auf der AfD-Seite wahrscheinlich nicht. Aber einige von Ihnen waren sicherlich auf der Gegen-Demo, das weiß ich, CDU auch Hand in Hand mit einer bunten Truppe, die „Deutschland verrecke“ auf den Lippen trägt.
Das ist alles gut; das ist alles Meinungsfreiheit, alles Versammlungsfreiheit. Aber was sehen Sie auf solchen Demos?
Ich weiß was Sie sehen. Sie sehen Polizisten, die CDU hat recht. Sie sehen die Gesichter der Polizisten. Stimmt‘s? – Sie alle sehen die Gesichter der Polizisten. Wir sehen die Rücken der Polizisten, weil die Gefahr von den Leuten auf der Gegen-Demo ausgeht. Die Polizei hat keine Angst vor uns, sondern sie schützt uns vor den Gegen-Demos. Das ist ein doch klares Signal, was dort passiert. Fragen Sie einfach einmal nach.
Tatsächlich wäre ein bisschen mehr Praxis bei dem Gesetzentwurf sinnvoll gewesen. Hier hätte ein bisschen mehr Sinn für die räumliche Zuordnung von gefahrminimierenden Maßnahmen gutgetan. Wichtig wäre es auch gewesen, bestimmte Taten als Straftaten und nicht nur als Ordnungswidrigkeiten zu fassen.
gelöst werden, wenn die öffentliche Sicherheit gefährdet wird. – So weit, so wichtig. Dies soll vorrangig dann naheliegen, wenn besondere Tage und besondere Umstände der deutschen Geschichte betroffen sind. – Darüber kann man nachdenken. Diese Regelung gibt es auch schon durchaus. Das haben Sie um die Daten 27. Januar und 9. November erweitert.
Aber warum gilt so etwas in Ihrem Gesetzentwurf nicht auch ausdrücklich für einen Aufzug von Kommunisten und Linksextremen am 17. Juni oder auch am 9. November? Der 9. November ist ein zugegeben kontroverses Datum, aber auch ein Datum der Befreiung vom Kommunismus. Und warum gilt das nicht auch für irgendwelche al-Quds-Demos, auf denen „Tod Israel“ gerufen wird?
Diese Fragen sind durchaus unausgegoren bei Ihnen beantwortet worden. Es fehlen auch weiterhin Gesichtspunkte zu Infrastruktureinrichtungen bei Demos zum Einsatz von Videoleinwänden. Das war ein großes Thema bei Erdogan in Köln. Da wäre ich sogar dafür. Wir stimmen der Überweisung zu und freuen uns auf nachhaltige Gespräche mit Ihnen. – Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Ich glaube, einen Blick in die Vergangenheit kann ich mir ersparen, weil die Vorredner dazu schon sehr viel vorgetragen haben. Nur vielleicht eine Erinnerung: Im Jahre 2006 hat der Bund den Ländern die Gesetzgebungskompetenz für das Versammlungswesen übertragen, und bis zur Landtagswahl 2017 war noch nichts passiert.
Warum ist eigentlich dazwischen nichts passiert? – Für uns als Landesregierung jedenfalls steht fest, dass wir von den Möglichkeiten der Gestaltung jetzt Gebrauch machen wollen, und zwar aus sehr guten Gründen:
Erstens ist das Land Nordrhein-Westfalen ein großes, bevölkerungsstarkes Bundesland. Das bedeutet, dass wir uns hier mit besonders vielen Versammlungen zu befassen haben, denn wo Menschen sind, da sind auch Versammlungen.
Zweitens ist das gültige Versammlungsgesetz des Bundes wirklich alles andere als modern: anno 1953 – es hat 70 Jahre auf dem Buckel. Trotzdem gibt es überraschenderweise nur wenige Bundesländer, die sich entschieden haben, ein eigenes Versammlungsgesetz zu machen. Die meisten verfahren nach dem Art. 125a des Grundgesetzes, und das heißt, dass
Wir wollen das ändern. Deshalb hat mein Haus einen Gesetzentwurf erarbeitet. Die Innenpolitiker wissen es längst, denen erzähle ich nichts Neues, weil ich das im Innenausschuss auch schon einige Male erwähnt habe: Das dauert ein bisschen, weil wir in der Endabstimmung sind und andere Leute noch beteiligen müssen.
Ich begrüße es sehr, dass auch der Landtag von seinem Initiativrecht Gebrauch macht – das ist jetzt keine Rede gegen das Initiativrecht des Landtags, sondern nur eine Vollständigkeit der Informationen – und die SPD ihren eigenen Gesetzentwurf vorlegt. Das ist in Ordnung; denn Demokratie lebt von Diskussionen.
Das ist ganz besonders wichtig, wenn es um besonders verfassungsrechtlich verbriefte Rechte geht, aber darauf haben ja schon viele Redner hingewiesen.
Ein einfaches Gesetz soll in diesem Fall konkret regeln, wie das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit gestaltet wird, Artikel 8 des Grundgesetzes. Wir reden hier schon über ein sehr hohes Gut unserer Gesellschaft, ein prägendes Element unseres demokratischen Rechtstaates. Um es mit den Worten des Bundesverfassungsgerichts zu sagen: