Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herrn! Da ich etwas Zeit gewonnen habe, möchte ich durchaus zum Ausdruck bringen, dass ich mich sehr darüber gewundert habe, wie diese Aktuelle Stunde formell überhaupt zugelassen werden konnte. Was ist hier wirklich aktuell?
Wir haben es geschafft, zu dem Thema einen Antrag zu formulieren. Das hat Sie offensichtlich dazu angeregt, in einer Aktuellen Stunde mitdebattieren zu wollen; sehr schön.
Irgendwie geht aus Ihrem Antrag nichts hervor. Dass Sie das formell hinbekommen haben, wundert mich.
Gefährliche Islamisten ohne deutschen Pass dürfen abgeschoben werden, obwohl sie noch keine Straftat begangen haben. Eine Rückführung in ihr Heimatland kann auch präventiv zur Gefahrenabwehr erfolgen. – So lautet ein Grundsatzurteil des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahr 2017.
Tatsächlich gibt es schon heute umfangreiche rechtliche Möglichkeiten zur Abschiebung, wenn unsere Interessen erheblich gefährdet sind. Das gilt bei schweren Straftätern, aber auch bei Personen, die zur Verfolgung ihrer religiösen Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt sind oder öffentlich dazu aufrufen, sowie erst recht zur Abwehr terroristischer Gefahren.
Auch Asylberechtigte und Asylbewerber sind laut Aufenthaltsgesetz von diesem Grundsatz natürlich nicht ausgenommen. Besteht im Herkunftsland keine Gefahr der Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe oder Folter, steht einer Abschiebung also grundsätzlich nichts im Wege.
Fällt das Herkunftsland für eine Abschiebung aus, muss man sich für geeignete Alternativen starkmachen. Tatsächlich hat das jetzt in Sachsen-Anhalt, meine ich, geklappt: Dort ist ein Syrer in den Sudan ausgereist. Es gibt also weitere Möglichkeiten.
Die falsch verstandene Toleranz muss ein Ende haben. „Wir müssen der Wahrheit ins Auge sehen, wie gefährlich die Ideologie des politischen Islams für unsere Freiheit und das europäische Lebensmodell ist“, sagte Österreichs Bundeskanzler Kurz letzte Woche.
Das ist schön, aber solchen Erkenntnissen müssen auch Taten folgen; die mahnen wir seit Jahren an. Der Täter von Wien war in einem Deradikalisierungsprogramm mit dem Namen Derad, und auch Abdullah A. H. H., der Täter von Dresden, nahm in der Haft an einem Deradikalisierungsprogramm teil, galt aber bei seiner Haftentlassung weiterhin als Gefährder.
Ein so offensichtliches Scheitern solcher Programme nährt unsere oft geäußerten Zweifel, auch wenn Minister Reul den Erfolg von „Wegweiser“ kürzlich wieder betont hat. Ein konkreter Nachweis dafür fehlt meines Erachtens bis heute.
Hier jedenfalls wäre eine Abschiebung direkt aus der Haft ganz offensichtlich der einzig richtige Weg gewesen. Außenpolitische und diplomatische Arbeitsverweigerung des Auswärtigen Amtes haben das verhindert.
Es gibt zwar Lageberichte, die sich auf externe Quellen stützen, zum Beispiel auf Berichte von Amnesty International, aber seit 2012 kein Lagebild. Ja, es fehlt die Diplomatie.
Daher war es auch keineswegs hilfreich, dass sich Minister Stamp in NRW schon vor Jahren festgelegt hat, dass es mit ihm niemals eine Abschiebung nach Syrien geben werde, solange Baschar al-Assad dort Präsident ist. Assad ist erst 55 Jahre alt; er wird vermutlich noch lange Präsident bleiben. Oder setzen Sie jetzt Ihre neue Hoffnung auf eine neue Intervention der USA?
Wir müssen bei Gefährdern und bei Clanmitgliedern, bei der Organisierten Kriminalität sowie bei ausländischen Hasspredigern erheblich deutlicher als bisher rote Linien ziehen und konsequenter abschieben.
Wenn wie im Jahre 2019 aus NRW nur elf von 200 Gefährdern abgeschoben wurden, dann ist das im Vergleich zu anderen Bundesländern möglicherweise viel, aber es reicht doch nicht, nur die Hitliste der halbherzigen Minister anzuführen.
Viele Personen, bei denen ein hohes Ausweiseinteresse besteht, haben in der Vergangenheit neben der eigenen auch die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen. Wollen wir nicht die Falschen schützen, gilt es, zeitnah die rechtlichen Möglichkeiten zu prüfen, dieses in begründeten Fällen wieder rückgängig zu machen.
Der Deutsche Bundestag hat im Jahr 2019 eine Änderung des Staatsbürgerschaftsrechts für Mitglieder ausländischer Terrormilizen beschlossen. Es ist nun
an der Zeit, Gefährder, Clanmitglieder und Schwerkriminelle in diese Regelung einzubeziehen und so eine neue Debatte zum Staatsbürgerschaftsrecht anzustoßen.
Ein wesentliches Problem ist natürlich die Rücknahmebereitschaft vieler Länder. Hier muss Deutschland wesentlich mehr Druck, auch monetär, ausüben als in der Vergangenheit; auch Sanktionen dürfen kein Tabu sein. Die Außenpolitik der SPD im Bund hierzu: gar nix.
Das Problem der ungehinderten Einreise und Wiedereinreise scheint nun einem Teil der europäischen Regierungschefs zu dämmern. Wir weisen seit Jahren darauf hin, dass Schengen ohne sichere Außengrenzen zu einer unzureichenden Sicherheitslage führt und vom Traum zum Albtraum wird.
„Wenn wir jene beherbergen und schützen, die dieses Land mitsamt seinen Werten und seiner Entschlossenheit, Menschen zu beschützen, in die Luft sprengen wollen, wenn wir durch Schutz von Mördern den Mord an Menschen in unserem Land ermöglichen, dann schalten wir unsere freiheitliche Gesellschaft auf Selbstzerstörungsmodus. Dann bereiten wir der Auslöschung unserer Werte den Weg.“
Vielen Dank, Frau Abgeordnete Walger-Demolsky. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der CDU Herr Abgeordneter Blondin das Wort. Bitte sehr.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Natürlich ist das Thema höchst aktuell, gerade in diesen Wochen, deshalb stellt sich diese Frage nicht.
Wir müssen wachsam sein, denn die Gefährdungslage durch den islamistischen Terrorismus in Deutschland, aber auch in Europa und weltweit ist unverändert hoch. Ich möchte dazu einiges unterstreichen.
Bis zum Mai 2021 will die EU-Kommission eine Strategie zur Reform des Schengenraums präsentieren. EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen kündigte außerdem an, bis zum Ende des Monats einen Aktionsplan Integration vorlegen zu wollen. Noch in
diesem Jahr, am 9. Dezember, soll darüber hinaus eine Agenda zur Terrorismusbekämpfung vorgelegt und ein entschiedener Kampf gegen islamistische Propaganda im Internet geführt werden.
Wir haben es hier wiederholt deutlich gemacht, und ich tue es noch mal: In Nordrhein-Westfalen verfolgen wir als NRW-Koalition gemeinsam mit der Landesregierung im Kampf gegen den gewaltbereiten, verfassungsfeindlichen Salafismus und gegen den islamistischen Terror eine doppelte Strategie, um Anschläge zu verhindern. Es gibt die konsequente Rückführung von Personen ohne Aufenthaltsberechtigung und die Verbesserung der präventiven Maßnahmen für solche, die dem gewaltbereiten Islamismus den Rücken kehren wollen.
Das Programm zur Reduzierung, das Aussteigerprogramm Islamismus, ist bereits erwähnt worden. Hinzu kommt das erfolgreiche Präventionsprogramm „Wegweiser“, welches wir in den vergangenen Jahren erheblich ausgebaut haben. Seit dem 1. Juli 2020 gibt es landesweit rund 25 Beratungsstellen dieses Programms, die den Ratsuchenden vor Ort Beratung und Betreuung anbieten. So sollen mögliche Radikalisierungsprozesse bei Jugendlichen und jungen Heranwachsenden bereits in ihren Anfängen verhindert werden. Hierzu bietet das Programm zusammen mit den lokalen Netzwerkpartnern organisierte, individuelle Hilfe. Ein nächster Schritt ist es nun, „Wegweiser“ auch online zu etablieren und ein digitales Beratungsprogramm zu schaffen.
Ich darf unseren Innenminister Herbert Reul zitieren, der, als er die „Wegweiser“-Beratungsstelle in meiner Heimatstadt Krefeld eröffnete, Folgendes gegenüber der Presse erwähnte: Es gibt durchaus positive Zeichen, wenn von sehr, sehr vielen Beratungen, von mittlerweile rund 1.000 Beratungen, 80 bis 90 % einen positiven Verlauf nehmen.
Insgesamt ist mit der wachsenden Bedrohung durch den islamistischen Terrorismus in den vergangenen zehn Jahren in Deutschland ein immer weiter wachsendes Netz von Präventions- und Deradikalisierungsprogrammen entstanden. Der Bund verdreifachte von 2015 bis 2018 seine Mittel für Prävention.
Nordrhein-Westfalen investiert viel in seine Programme, um Radikalisierungsprozesse bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen frühzeitig zu erkennen und dem gegenzusteuern oder um Aussteiger aus der islamistischen Szene bei ihrer Abkehr zu unterstützen.
Trotzdem dürfen wir in unseren Bemühungen nicht nachlassen und müssen stattdessen noch genauer hinschauen, denn jeder Jugendliche, der uns nicht in die islamistische Szene abrutscht, und jeder Islamist, der sich aus dieser fatalen Weltanschauung befreien kann und den Ausstieg schafft, macht unsere Welt
Trotz alledem sage ich natürlich, dass für uns eines außer Frage steht: Wer die Werte und Normen unseres Grundgesetzes und eines friedlichen Miteinanders der Kulturen mit Füßen tritt, der hat keinen Platz in unserem Land. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Blondin. – Liebe Kolleginnen und Kollegen weitere Wortmeldungen liegen nicht vor und sind aufgrund der Verabredung auch nicht mehr zulässig. Damit schließe ich die Aktuelle Stunde und die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der AfD Drucksache 17/11667. Hier hat die antragstellende Fraktion direkte Abstimmung beantragt, sodass ich nunmehr frage, wer dem Inhalt des Antrags Drucksache 17/11667 zustimmen möchte. – Das sind die Abgeordneten der Fraktion der AfD. Gibt es Gegenstimmen? – Das sind die Abgeordneten der CDU, der Fraktion der SPD, der Fraktion der FDP, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sowie der fraktionslose Abgeordnete Langguth. Möchte sich eine Kollegin oder ein Kollege enthalten? – Das ist nicht der Fall. Dann stelle ich fest, dass der Antrag Drucksache 17/11667 abgelehnt wurde.