Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal kann ich nicht richtig nachvollziehen, woraus sich die gute Laune speist, die offensichtlich vom Wirtschaftsminister und Teilen der Regierung heute verbreitet wird.
Denn das, was gestern Neues beschlossen wurde, ist nicht so viel, wie es hier mancher darstellt. Die wenigen guten Nachrichten lassen sich aus meiner Sicht wie folgt zusammenfassen.
Die erste Nachricht ist tatsächlich eine gute: Die Abrechnungs- und Rückzahlungspflichten sind deutlich ins nächste Jahr verlagert worden. Das ist, glaube ich, eine ganz erhebliche Hilfe für diejenigen, die es betrifft.
Das Zweite ist: Es sollen jetzt die Novemberhilfen, möglicherweise beginnend ab dem 25. November, ausgezahlt werden. Das ist zumindest im Verhältnis zu der Diskussion der letzten Tage eine gute Nachricht. Es ist aber eigentlich keine gute Nachricht, wenn man von Novemberhilfen spricht und diese dann möglicherweise ab dem 25. November auszahlen will. Ob das tatsächlich gelingt, daran kann man
Zweifel haben, wenn man Zeitung liest. Es ist so, dass zum Beispiel „DER SPIEGEL“ schreibt, dass es möglicherweise Programmierprobleme geben könnte.
Es gibt einen dritten kleinen Fortschritt: Bei der Bundeshilfe sollen Entbürokratisierungen stattfinden. Auch da muss man sehen, ob sich das tatsächlich auswirkt.
Meine Damen und Herren, die Tatsache allerdings, Herr Rehbaum, dass für Anträge oberhalb von 5.000 Euro weiterhin Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder Anwälte bemüht werden müssen, ist mit Sicherheit kein Fortschritt. Unterhalb von 5.000 Euro betrifft es auch nicht so viele Leute.
Für viele Antragsteller wird es schon ein Problem sein, selbst herauszubekommen, welcher der angebotenen Umsatzvergleichszeiträume für sie der günstigste ist. Das ist auch keineswegs unbürokratisch zu nennen.
Richtig ist, dass die Bundesregierung eine wichtige Stütze unserer Volkswirtschaft, nämlich die vielen Hunderttausend soloselbstständigen Kulturschaffenden und Freiberufler jetzt endlich im dritten Anlauf mit bedenkt. Aber sie sollen eine Pauschale erhalten, mit der sie – ich will es jetzt einmal bildlich sagen – möglicherweise jetzt ihren Kühlschrank füllen können, der in der letzten Zeit leer geblieben ist.
Aber, meine Damen und Herren, Hunderttausende Selbstständige haben seit acht Monaten Rückstände angehäuft, Mietstundungen, Ratenpausen bei den Banken, offene Rechnungen, Versicherungen wurden gekündigt, die Altersvorsorge wurde ausgesetzt. All diese Menschen leben im Moment von der Hand in den Mund. Genau diese Probleme sind doch heute Morgen keineswegs gelöst.
Mit diesem Programm können sie den Monat November wahrscheinlich erst im Dezember überbrücken. Aber es ist offensichtlich überhaupt nicht klar, ob diese rückwirkende Hilfe im Dezember fortgesetzt werden wird.
Wenn ich dann heute Morgen lese und höre, dass Finanzminister Scholz sagt, es könnten auch mehr als 10 Milliarden Euro sein, ist das die eine Botschaft. Es stellt sich aber doch die Frage: Ist es tatsächlich so, dass die Formalien, die Fragen, wie das gestaltet wird, gelöst sind? Da sage ich, das ist offensichtlich nicht der Fall.
Meine Damen und Herren, klar ist, dass die Pandemie im November und im Dezember nicht vorbei ist. Deswegen müsste man doch jetzt eigentlich die Frage stellen, wie diese sogenannten Überbrückungshilfen III im Dezember und im Januar 2021 fortgeführt werden und wie sie ausgestaltet werden. Man kann doch nicht bis Januar warten, um dann
darüber zu reden, wie der Januar gestaltet werden soll. Das ist jedenfalls aus unserer Sicht völlig daneben.
Das zieht sich ja durch die ganzen letzten Monate. Wenn wir vom Abflachen der Kurve reden, dann scheint man manchmal zu denken, es handelt sich um das Abflachen der Lernkurve. Die Lernkurve müsste bei Ihnen deutlich progressiver werden.
Das ist der Punkt, bei dem ich noch einmal einhaken will. Ich will deutlich darauf hinweisen – ich glaube, das ist eine Auseinandersetzung neben der richtigen Beschreibung von Herrn Sundermann, dass es sich heute Morgen um ein Ablenkungsmanöver handelt –, dass wir hier das Handeln des Bundes ein Stück weit im Landtag betreiben und die Auseinandersetzung um den Unternehmerlohn, die es offensichtlich seit langer Zeit zwischen der SPD und der CDU gibt, hier nachholen. Es ist doch ganz unzweifelhaft so, dass wir den Unternehmerlohn brauchen
und dass er – Herr Rehbaum, Sie haben eben nach vorne diskutiert – eigentlich längst überfällig ist.
(Henning Rehbaum [CDU]: Deswegen haben wir ihn ja auch in Nordrhein-Westfalen gezahlt, Herr Becker!)
Herr Rehbaum, nun regen Sie sich mal nicht auf, sonst würde ich Ihnen noch ein paar Takte dazusagen.
Sie sind ja nicht durchsetzungsfähig, Herr Rehbaum. Sie haben in der letzten Wahlperiode permanent die Ministerpräsidentin dafür kritisiert, dass sie angeblich in Berlin nicht durchsetzungsfähig sei.
Ihr Ministerpräsident ist in Berlin überhaupt nicht durchsetzungsfähig – in so einer wichtigen Frage, in so einer wichtigen Frage!
In der Sache nach vorne diskutiert kann es nicht sein, dass wir die Soloselbstständigen in die Grundsicherung treiben, sie ihre Alterssicherung infrage stellen müssen und dass sie am Endes des Tages in der Grundsicherung, wenn sie die Wohnzuschüsse und die Krankenversicherungszuschüsse haben, teilweise noch mehr kosten als die 1.200 Euro, über die wir alle an dieser Stelle immer wieder geredet haben.
sigen Neuigkeitswert. Es ist auch wieder eine Diskussion, die aus dem Bundestag hierhin verlagert wird. Und es ist tatsächlich eine Situation, in der wir uns die Frage stellen müssen: Was können wir in Nordrhein-Westfalen zusammen tun, wenn der Bund nicht endlich mehr in die Pötte kommt, als er es bis jetzt gekommen ist? Kleine Fortschritte sind auch Fortschritte. Aber ausreichende Fortschritte sehen deutlich anders aus als das, was Sie uns heute Morgen hier vorgestellt haben. – Schönen Dank.
Herr Becker, von guter Laune kann überhaupt keine Rede sein. Die Lage ist ernst. Viele Menschen in unserem Land haben blanke Existenzangst. Hunderttausende Arbeitsplätze sind betroffen, sind in Gefahr. In dieser Situation – das hat mich heute Morgen wirklich betroffen gemacht – dreht die SPD-Fraktion im nordrhein-westfälischen Landtag diesen Menschen den Rücken zu. Sie zeigt, dass sie ihr egal sind,
sie zeigt, dass sie sie ignoriert. Die Rede des Kollegen Sundermann war ein Tiefpunkt der nordrheinwestfälischen Sozialdemokratie, meine Damen und Herren. Dafür sollten Sie sich schämen!
Fünf Jahre lang – zwischen 2012 und 2017 – habe ich als neuer Abgeordneter in diesem Haus erlebt, was es heißt, von einer Landesregierung nicht informiert zu werden, was es heißt, von einer Landesregierung nicht unterrichtet zu werden.
Gestern hat es eine Einigung gegeben. Gestern Abend meldet ein Wirtschaftsminister eine Unterrichtung dieses Landtags an. Das darf doch wohl nicht Ihr Ernst sein: Was reden Sie hier von Parlamentsmissachtung? Hätte dieser Wirtschaftsminister im Landtag heute nicht unterrichtet, hätte Herr
Kutschaty heute Mittag eine Pressemitteilung herausgehauen und gesagt, dass das eine Missachtung des Parlaments ist. Entscheiden Sie sich doch einmal, was Sie hier eigentlich fordern wollen! Das, was Sie hier tun, ist lächerlich!
Dieser Landesregierung, diesem Wirtschaftsminister eine Instrumentalisierung der betroffenen Menschen vorzuwerfen,
ist unterirdisch, um keinen unparlamentarischen Ausdruck zu verwenden. Lieber Frank Sundermann, ich habe dich heute Morgen hier nicht erkannt.
Entschuldigung, dass ich das einmal so persönlich anspreche. Da ist eine Entschuldigung gegenüber diesem Minister fällig!
In dieser Weise spucken Sie als Sozialdemokraten in Nordrhein-Westfalen auf Hunderttausende von betroffenen Menschen. So können wir hier nicht zusammenarbeiten!