Protokoll der Sitzung vom 25.11.2020

Sie von der Landesregierung teilen sicherlich den Kurs der regierungstragenden Fraktionen und sagen Nein zum Sexkaufverbot. Aber für kaum eine Berufsgruppe sind die Folgen des Lockdowns so verheerend. Die Verdrängung in die Illegalität und somit weg von den Leistungen des Gesundheitsamts, weg von der Sicherheit eines Bordells, weg von der Sozialarbeit hin zu heimlicher Tätigkeit unter großer finanzieller Not wirft sicher zahlreiche Prostituierte zurück in eine Arbeitsweise, die sie selber in Gefahr bringt und die im Sinne des Infektionsschutzes ebenfalls sehr bedenklich ist. Ihre landesweite Beratung wird somit in Zukunft sicher viel zu tun haben.

Aus den Mitteln Ihres Haushalts werden insgesamt zum Teil Projekte und Infrastruktur gefördert, die wir gutheißen. Aber da, wo wirklich Handlungsbedarf ist, verschließen Sie nach wie vor die Augen, und da, wo wir uns Zurückhaltung wünschen, versuchen Sie, Menschen, denen es eigentlich ganz gut geht, mit Ihrer Gleichstellungsideologie zu beeinflussen. Deshalb lehnen wir Ihren Haushalt in Gänze ab. – Danke.

(Beifall von der AfD)

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Für die Landesregierung spricht die Ministerin Scharrenbach.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Gleichstellungsideologie von CDU und FDP lässt sich in zwei Sätzen zusammenfassen: Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat trägt die Verpflichtung zur Durchsetzung der Gleichberechtigung. – So steht es in Art. 3 Grundgesetz. Das ist die Gleichstellungsideologie der Landesregierung. Frau Abgeordnete, ich glaube, Sie haben auch auf das Grundgesetz geschworen, als Sie das Mandat angenommen haben. Das ist meines Wissens immer noch so. Insofern wäre es ganz gut, wenn Sie dann auch den Auftrag des Grundgesetzes in Ihre Arbeit übernehmen würden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Frau Professor Rita Süssmuth hat es einmal auf den Punkt gebracht:

(Stefan Kämmerling [SPD]: Da hat sie Ihnen ja etwas voraus!)

„Gewalt ist Analphabetismus der Seele.“

Das ist dem Grunde nach unabhängig davon, von welchem Geschlecht Gewalt ausgeht, ob es Frauen sind, die Gewalt ausüben, oder ob es Männer sind, die Gewalt ausüben. Es ist Analphabetismus der Seele.

Deswegen enthält das Gleichstellungskapitel unverändert unter allen Landesregierungen einen sehr hohen Anteil an Maßnahmen, die dazu dienen, Menschen, die Opfer von Gewalt geworden sind, Schutz und Hilfe anzubieten. Das Prä liegt unverändert wie seit jeher auf Mädchen und Frauen, weil der weitaus überwiegende Anteil von Menschen auch in Nordrhein-Westfalen Opfer von Partnerschaftsgewalt wird, wenn man Frau/Mädchen ist.

Wir haben aber auch – das können Sie der Sonderauswertung des Landeskriminalamtes für das Jahr 2018 entnehmen; die Auswertung für 2019 liegt noch nicht vor und müsste in den nächsten Tagen kommen – rund 7.000 männliche Opfer von Partnerschaftsgewalt in unserem Bundesland. Deswegen

war die Entscheidung von CDU und FDP, ein Schutz- und Unterstützungssystem auch für männliche Opfer von Gewalt aufzubauen, der absolut richtige Weg. Insofern findet er zu Recht bundesweit Beachtung.

Nichtsdestotrotz haben wir in den letzten drei Jahren für Frauen und Mädchen, die Opfer von Gewalt geworden sind, ungeheuer viel auf den Weg gebracht. Das ist zuletzt – es ist hier schon zitiert worden – die Dunkelfeldstudie gewesen, die wir mit einem hohen Aufwand betrieben haben. Wir haben 60.000 Bürgerinnen und Bürger angeschrieben. Auch das war einmalig. Wir haben eben auch Bürger angeschrieben und hatten eine sehr hohe Rücklaufquote. Die Erkenntnisse, Frau Abgeordnete Paul, werden in der Tat dazu genutzt, entsprechende Lücken im System zu identifizieren und sie abzustellen. Im Übrigen haben wir das auch schon ohne diese Dunkelfeldstudie getan.

Obwohl mich das Ergebnis – das habe ich auch im Ausschuss gesagt – überrascht hat, haben wir gesagt: Wir müssen die Angebote, die die Landesregierung finanziell fördert, die aber auch ansonsten im Land vorhanden sind, sichtbarer machen, sie konzentrieren und sie auffindbarer machen, weil – das wird Sie nicht wundern; es geht Ihnen vielleicht genauso wie mir auch – eine ungeheure Informationsflut da ist. Letztendlich das herauszufischen, was wirklich von Relevanz ist, wenn man es dann auch schnell braucht, ist im Zusammenhang mit dieser Informationsintensität im Internet und in den Medien eine Herausforderung.

Deshalb ist Handlungsauftrag der Landesregierung, das Ganze zu konzentrieren, zusammenzuführen und sichtbarer zu machen.

Als wir im Sommer 2017 die Landesregierung übernommen haben, gab es 571 Plätze in Frauenhäusern. Wir werden – das ist die Planung – im Jahr 2021 bei 624 Plätzen stehen. Das sind plus 53 Plätze – und damit auch eine Zielerreichung vor 2022. Denn Sie wissen, dass wir im Jahr 2018 mit der Spitzenorganisation der Träger der Frauenhäuser die Zielvereinbarung getroffen haben, dass wir bis 2022 mindestens 50 Plätze schaffen wollen. Wir werden dieses Ziel schon 2021 erreichen.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Die Landesregierung trägt über die landesweite Bedarfsanalyse dafür Sorge, dass das Hilfeinfrastruktursystem insgesamt für die nächsten Jahre verlässlich aufgestellt wird.

Nicht nur in der Krise fest, sondern krisenfest: Das kennen Sie von der Landesregierung. Das ist unser Anspruch an die Politik im Bereich des Gleichstellungskapitels, unabhängig von Corona oder all dem, was uns hoffentlich in der Zukunft nicht begegnen mag. Es muss nämlich ein verlässliches System

sein. Denn wir, die politischen Vertretungen des Landes, können uns auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und auf die Unterstützungsinfrastrukturen verlassen, und zwar jeden Tag, genauso wie die Menschen, die Opfer von Gewalt geworden sind.

Insofern darf und muss auch der Gegenanspruch erfüllt sein, dass wir diese Infrastruktur in der Finanzierung, in der Ausrichtung, in der Qualität und in der Quantität quer über das Land Nordrhein-Westfalen mit all seinen Herausforderungen krisenfest und verlässlich aufstellen. Das ist der Anspruch.

Deswegen: Gewalt ist Analphabetismus der Seele. Lassen Sie uns gemeinsam dafür Sorge tragen, dass das in der Zukunft in Nordrhein-Westfalen viel weniger zum Tragen kommt. Insofern hoffen wir … Ich weiß, Frau Abgeordnete Butschkau, dass Sie dem Haushalt nicht zustimmen dürfen, auch wenn Sie es wollen. Aber ich habe Ihre Rede sowohl heute als auch im Ausschuss sehr erfreut zur Kenntnis genommen. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Frau Ministerin. – Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Daher schließe ich die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 08 des Ministeriums für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung.

Wir stimmen erstens über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD Drucksache 17/11930 ab. Wer möchte diesem Änderungsantrag zustimmen? – Das sind die SPD und die Grünen. Wer stimmt dagegen? – Die CDU, die FDP und die AfD. Gibt es Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist der Änderungsantrag Drucksache 17/11930, wie gerade festgestellt, abgelehnt.

Wir stimmen zweitens über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD Drucksache 17/11931 ab. Wer möchte diesem Änderungsantrag zustimmen? – Das sind SPD, Grüne und AfD. Wer stimmt dagegen? – Das sind CDU und FDP. Gibt es Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist der Änderungsantrag Drucksache 17/11931 abgelehnt.

Wir stimmen drittens über den Änderungsantrag der Fraktion der AfD Drucksache 17/11954 ab. Wer möchte diesem Änderungsantrag zustimmen? – Das sind die Abgeordneten der AfD. Wer stimmt dagegen? – Das sind CDU, SPD, FDP und Grüne. Gibt es Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist der Änderungsantrag Drucksache 17/11954 abgelehnt.

Wir stimmen viertens über den Einzelplan 08 ab. Der Haushalts- und Finanzausschuss empfiehlt in Drucksache 17/11908, den Einzelplan 08 unverändert anzunehmen. Wir kommen damit zur Abstimmung über

den Einzelplan 08 selbst und nicht über die Beschlussempfehlung. Wer möchte hier zustimmen? – Das sind CDU und FDP. Wer stimmt dagegen? – Das sind SPD, Grüne und AfD. Gibt es Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist der Einzelplan 08 in zweiter Lesung angenommen.

Ich rufe auf:

Einzelplan 04 Ministerium der Justiz

Ich weise auf die Beschlussempfehlung und den Bericht des Haushalts- und Finanzausschusses Drucksache 17/11904 hin.

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erster Rednerin für die Fraktion der SPD der Abgeordneten Frau Bongers das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! In einem sind wir uns wohl alle einig: Haushaltspläne sind in Zahlen gegossene Politik.

Wir als SPD-Fraktion unterstützen gerne eine Politik, in der die Arbeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wertgeschätzt wird.

Wir unterstützen ebenfalls aus tiefster Überzeugung eine Politik, in der die nordrhein-westfälische Justiz mit ausreichend Personal ausgestattet wird. Eine personell gut aufgestellte Justiz bedeutet letztlich, dass Bürgerinnen und Bürger vor Gericht schneller zu ihrem Recht kommen. Sie bedeutet auch, dass unsere Gefängnisse sicherer sind, Opferschutz breiter aufgestellt ist und mit Gefangenen adäquater umgegangen werden kann.

Ausreichend Personal bedeutet darüber hinaus immer die Entlastung der einzelnen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die teilweise ohnehin schon am Limit arbeiten. Aus diesem Grund finden wir es grundsätzlich gut, dass der Haushaltsplan vorsieht, neue Stellen zu schaffen. Dadurch wird unser politisches Anliegen gestärkt. Dadurch wird aus unserer Sicht ebenfalls der Rechtsstaat gestärkt. Das Problem sehen wir eher, wie in den vergangenen Jahren, in der Umsetzung.

Verehrte Landesregierung, Sie schreiben, dass Sie einen Schwerpunkt auf die Besetzung neuer Stellen legen. Schön, wenn es so wäre! Hier zeigt sich, wie schon in den vergangenen Jahren, leider das altbekannte Problem dieser Landesregierung. Rechnerisch haben Sie noch nicht eine der zusätzlichen neuen Stellen des vergangenen Jahres besetzt.

Nehmen wir als Beispiel ganz konkret den Strafvollzug. Laut Ihrer Information im Rechtsausschuss waren im Strafvollzug zum 01.07.2020 insgesamt 124

Stellen weniger besetzt als genau ein Jahr vorher. Um es hier genau aufzuschlüsseln – die Statistik kann ich Ihnen nicht ersparen –: Am 1. Juli 2019 waren im Strafvollzug insgesamt 8.537,15 Stellen besetzt. Am 1. Juli 2020, also ein Jahr später, waren es nur 8.412,65 Stellen, also 124 weniger. Diese 124 Stellen weniger kamen zu den unbesetzten Stellen hinzu, die im Strafvollzug zuvor schon unbesetzt waren. In der Summe waren zum Stichtag 01.07.2020 im Strafvollzug insgesamt 779 Stellen unbesetzt. Das heißt, dass mehr als 9,2 % aller Stellen im Strafvollzug unbesetzt sind. Im gleichen Zeitraum sind aber in einem anderen Bereich Stellen kontinuierlich hinzugekommen, und zwar im Ministerium selbst.

(Sven Wolf [SPD]: Die wurden auch alle be- setzt!)

Um es noch einmal in aller Deutlichkeit zu sagen: Wir finden, dass mehr Personal an den nordrhein-westfälischen Gerichtsstellen benötigt wird. Wenn allerdings neue Stellen im Haushaltsplan geschaffen, aber nicht besetzt werden, ist dies wenig hilfreich. Es ist das Sparschwein des Finanzministers.

Ich möchte noch einen anderen Aspekt anführen, nämlich die Wertschätzung von Arbeit. Dieser Haushalt ist unter dem Aspekt mehr als mutlos. In der Justiz sind derzeit 1.400 Stellen befristet, davon 1.000 sachgrundlos. Das ist ein Skandal. Sieht so Ihre Wertschätzung aus? Nicht ernsthaft!

Ein letztes Thema möchte ich ansprechen. Leider hat die Landesregierung in ihren schriftlichen Antworten auf unsere Fragen zum Haushalt zu keiner Verbandsforderung nach besoldungsrechtlichen Veränderungen den Willen und die Perspektive aufgezeigt, gesetzgeberisch aktiv werden zu wollen. Es ist an der Zeit, viel mehr für die Beschäftigten zu tun. Sie sind es wert. Sie tragen die Hauptlast dafür, dass unser Justizapparat läuft.

Zeigen Sie Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern endlich die Wertschätzung, die sie verdienen. Und sorgen Sie dafür, dass der nächste Haushalt nicht so mutlos ist, dass alle, die Respekt verdienen, diesen auch bekommen. – Danke.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Bongers. – Als nächste Rednerin hat für die Fraktion der CDU Frau Kollegin Erwin das Wort. Bitte sehr, Frau Abgeordnete.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Entwurf des Haushaltes 2021 steht unter dem Stern einer besonderen Zeit. Das Jahr 2020 hat uns in eine Ausnahmesituation versetzt. Obwohl wir die Folgen und die Herausforderungen, die die Coronapandemie sicherlich mit sich bringen wird, noch nicht abschließend

absehen können, gelingt es der NRW-Koalition, ihren klaren Weg in der Justiz fortzusetzen.

2018, 2019 und 2020 durfte Nordrhein-Westfalen bereits erleben, dass Wehrhaftigkeit und die besondere Bedeutung des Rechtsstaates nicht wie unter RotGrün nur vorgeschobene Begrifflichkeiten sind. Seit dem Regierungswechsel zeigt Schwarz-Gelb stringent und nachhaltig, wie das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in den Rechtsstaat wiederhergestellt werden kann.