Protokoll der Sitzung vom 15.11.2017

Das Herzstück dieses Aufstiegs durch Bildung, meine Damen und Herren, sind aber natürlich nach wie vor die Schulen. Sie wurden in den letzten Jahren gleich doppelt gebeutelt. Einerseits gab es zu wenig Lehrer und zu wenig Geld für Gebäude und die technische Ausstattung, andererseits sollten die Schulen auch noch zum Experimentierfeld bei der mangelhaft vorbereiteten und unterfinanzierten Inklusion werden.

Wie soll das nordrhein-westfälische Versprechen vom Aufstieg eigentlich gelingen, wenn in der Schule dauernd der Unterricht ausfällt, wenn die notwendigen Fachpädagogen fehlen oder die Klassen so groß sind, dass eine individuelle Förderung eigentlich gar nicht mehr möglich ist? Die Antwort ist einfach: gar nicht.

Deswegen ändern wir diesen Zustand. Klar ist, dass die Änderung des Zustands eine breite Kraftanstrengung erfordern wird, an der Bund, Länder und Kommunen zukünftig gemeinsam mitwirken müssen. Mit dem Haushaltsgesetz 2018 gehen wir in NordrheinWestfalen in Vorleistung und schaffen allein für das nächste Jahr 2.048 neue Lehrerstellen. Die Vorgängerregierung wollte hier im Übrigen einen anderen Weg einschlagen. Rund 3.300 Stellen von Lehrerinnen und Lehrern waren als sogenannte kw-Stellen vorgesehen und sollten bald gestrichen werden. Gestrichen haben wir auch etwas, wir haben diese Beschränkung nämlich aufgehoben.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Gegenüber der Vorgängerregierung schaffen wir so über 5.300 Lehrerstellen für unser Land, davon übrigens 926 allein im Bereich der Inklusion, die wir im

Interesse aller davon Betroffenen sorgfältig planen und umsetzen wollen. Gerade der Bereich der Inklusion eignet sich nicht als Experimentierfeld.

Im Übrigen werden wir auch unser Versprechen einlösen, endlich eine schulscharfe und flächendeckende Erhebung des Unterrichtsausfalls in Nordrhein-Westfalen anzugehen. Dafür sind allein im Haushalt des nächsten Jahres 183 neue Stellen vorgesehen. Es entstehen 8.000 zusätzliche Plätze im offenen Ganztag in nordrhein-westfälischen Grundschulen. Wir werden auch die Lehrerinnen und Lehrer nicht vergessen. Die Konrektoren an den Grund- und Hauptschulen werden künftig auch besoldungsmäßig in ihrer wichtigen Arbeit stärker anerkannt, meine Damen und Herren.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Der andere zentrale Bestandteil unseres Aufstiegsversprechens lautet: Wenn du in Nordrhein-Westfalen hart arbeitest, dann hast du alle Chancen, dass es dir gutgeht. – Das heißt im Grundsatz, eine soziale Marktwirtschaft funktioniert nur dann, wenn es viele gut bezahlte Arbeitsplätze mit Zukunft gibt. Diese gibt es nur mit einer gut funktionierenden Wirtschaft.

Wäre Nordrhein-Westfalen ein souveränes Land, dann läge es im weltweiten wirtschaftlichen Vergleich auf Rang 19, noch vor der Schweiz, vor Schweden, Polen oder Belgien. Die Menschen an Rhein und Ruhr erwirtschaften immerhin 4,5 % der Wirtschaftsleistung aller 28 EU-Mitgliedstaaten zusammen.

Bei all den Problemen, die unser Land hat, deutet die schiere Größe der Wirtschaft auf ihr großes Potenzial hin. Meine Damen und Herren, wir wollen dieses Potenzial nutzen, und zwar mit zwei konkreten Ansätzen.

Der eine Ansatz ist unter dem Thema „Bürokratieabbau“ zu subsumieren. Wir brauchen endlich wieder den Freiraum für eine dynamische Wirtschaft. Deswegen hat Andreas Pinkwart bereits sehr früh das erste Entfesselungspaket auf den Weg gebracht. Weitere Entfesselungspakete werden folgen. Sie werden sehen, in diesen fünf Jahren decken wir die Potenziale auf, die dieses Land schon lange hatte, indem wir den Menschen sagen: Ihr könnt im Zweifel einfach machen. Wir schauen euch dabei zu und helfen euch. Ihr könnt es besser als wir. – Das ist unser zentrales Versprechen für die Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Der andere Ansatz besteht darin, gezielt zu investieren. So, wie ein guter Stadtplaner darauf achtet, mit einer intelligenten Raum- und Verkehrsplanung die richtigen Anreize für eine gute soziale Mischung zu schaffen, wollen wir mit klugen Investitionen die richtigen Anreize setzen. Jeder ab jetzt investierte Euro soll die größtmögliche Hebelwirkung für die Wirtschaft in unserem Land entfalten.

Ein wichtiges Beispiel dafür ist die Digitalisierung. Es steht außer Zweifel, dass das eine große Aufgabe ist. Ein so dicht besiedeltes Land wie Nordrhein-Westfalen mit einer einmaligen Mischung aus ländlichen Räumen und großen Städten, mit einer Dichte an Forschungseinrichtungen und Universitäten, hat potenziell die besten Rahmenbedingungen für das Zeitalter der Digitalisierung.

Mut und frische Ideen haben die Menschen in Nordrhein-Westfalen. Um sie heute in ein funktionierendes Unternehmen umzuwandeln, muss sich der Staat auf die richtigen Rahmenbedingungen konzentrieren. Dazu gehört eine erstklassige digitale Infrastruktur. Deswegen sind nicht die Kupferleitungen mit 50 Mbit/s unser Ziel. Unser Ziel ist eine flächendeckende gigabitfähige Infrastruktur für unser Land Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Allein für die Breitbandförderung sind im Haushaltsentwurf 2018 Landesmittel in Höhe von 220 Millionen € vorgesehen. Das sind 56 Millionen € mehr als im Vorjahr. Bis 2025 wollen wir insgesamt 7 Milliarden € in diesem Bereich an Investitionen mit EUGeldern, mit Bundesgeldern und mit Landesgeldern heben, damit unser Land nachhaltig modernisiert wird.

Ich könnte jetzt noch sehr viele weitere Schwerpunkte benennen, die wir mit diesem Haushaltsgesetz stärken werden, zum Beispiel die Denkmalpflege und die Heimat, die Stärkung nichtakademischer Gesundheitsberufe oder den Hochwasserschutz.

Ein Thema liegt mir aber besonders am Herzen. Das ist die Kultur. Eine Stadt ohne Kultur ist nicht lebenswert. Kein guter Stadtplaner wird je darauf verzichten, Orte zu schaffen, an denen die unterschiedlichsten Menschen zusammenkommen können, an denen gemeinsame Identität wurzelt und gleichzeitig immer wieder neu hinterfragt werden kann und an denen man auch einmal die Seele baumeln lässt. Gerade in unserer schnellen Zeit, in unserer immer vielschichtigeren Gesellschaft und der vielerorts drohenden Anonymisierung wird das von Tag zu Tag wichtiger.

Wenn in einem Bauwerk Risse drohen, dann braucht man Kitt, der die Teile zusammenhält. Kultur fördert Gemeinschaft statt Entfremdung. Kultur ist der Kitt, der unsere Gesellschaft zusammenhält. Deswegen stärken wir diesen Kitt und werden den Kulturetat über diese Legislaturperiode insgesamt um 50 % erhöhen, meine Damen und Herren.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Wir beginnen im Haushalt 2018 mit rund 20 Millionen € und steigern diesen Betrag bis 2022 auf 100 Millionen €; denn finanzielle Planungssicherheit ist

gerade für die kulturellen Begegnungsstätten entscheidend. Ob Literaturfestival, Orchester oder Musikschule – dort geht es nicht um Gewinnmaximierung, sondern um eine nachhaltige Bereicherung für uns alle.

Ein Kind, das in Nordrhein-Westfalen aufwächst, soll wissen, welch tolle Theater, Museen und Kunst es hier gibt und wie spannend und vielfältig die Geschichte unseres Landes ist. Es soll aber auch wissen, welche besondere Verantwortung wir durch unsere Geschichte haben. Kultur und politische Bildung müssen deshalb wieder eine prägende Rolle spielen, die gerade ein Land der Aufsteiger so dringend braucht, meine Damen und Herren.

(Beifall von der CDU)

Aufstieg und gesellschaftlicher Zusammenhalt gehören zur Kernmarke Nordrhein-Westfalen, auch wenn sie in den letzten Jahren immer schwerer zu verwirklichen waren. Diese Ziele vereint das Konzept der sozialen Marktwirtschaft. Alle wichtigen Akteure, die Bürgerinnen und Bürger, der Staat und die Wirtschaft müssen bestimmte Rollen ausfüllen, damit die verschiedenen Kräfte so zusammenwirken können, dass so etwas wie der einst von Wilhelm Röpke beschriebene ökonomische Humanismus entstehen kann, damit sich individuelles Streben und sozialer Ausgleich zum Wohle aller zusammenfügen.

Dabei spielt die staatliche Finanzpolitik eine prägende und zentrale Rolle. Sie muss mit besonderem Augenmaß die wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungen begleiten. Meine Damen und Herren, Augenmaß bedeutet das Gegenteil von Ideologie. Augenmaß bedeutet Voraussicht. Kein Theoriekonstrukt sollte das notwendige Augenmaß benebeln, sei es die antizyklische Konjunkturpolitik oder eine wie auch immer begründete angeblich vorsorgende Sozialpolitik.

Die hemmungslose Verschuldung der öffentlichen Hand, wie wir sie in Nordrhein-Westfalen über Jahrzehnte erlebt haben, lähmt uns alle. Ein Planer, der mit dem nachhaltigen Umbau einer Stadt beauftragt ist, sollte sich überlegen, wie er eine ausgewogene Mischung erreichen kann und die Lebensqualität nachhaltig steigert, wie er Bausünden möglichst geordnet zurückbaut und stattdessen neue, schöne, lebenswerte Orte des Miteinanders schafft.

Deshalb folgt unsere Haushalts- und Finanzpolitik dem Dreiklang: konsolidieren, modernisieren und investieren. Wir machen mit diesem Haushaltsgesetz Schluss mit immer neuen Schulden und legen uns auch für die weiteren regulären Haushaltsgesetze für diese Legislaturperiode fest.

Meine Damen und Herren, vergessen wir bitte nie mehr: Eine verlässliche, seriöse Finanzpolitik ist ein Eckpfeiler der sozialen Marktwirtschaft. Das gilt gerade in unserer heutigen vernetzten, schnelllebigen

und technologiegetriebenen Welt und in unserer immer vielschichtigeren Gesellschaft.

Ein Kind, das heute in Nordrhein-Westfalen geboren wird, hat mit einer Wahrscheinlichkeit von rund 30 % familiäre Wurzeln außerhalb von Deutschland. Mit einer Wahrscheinlichkeit von mehr als 20 % wird es von nur einem Elternteil erzogen. Seine Eltern arbeiten mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit in einem Unternehmen, das nicht mehr nur in Konkurrenz zu anderen deutschen Firmen steht, sondern das immer stärker mit Unternehmen in der ganzen Welt konkurriert.

Unsere Nordrhein-Westfalen-Koalition hat sich vorgenommen, dass dieses Kind in seinem Leben wieder das erfährt, was unser Land in seiner Gründerzeit auszeichnete: das Versprechen, durch gute Bildung und harte Arbeit aufsteigen zu können, egal woher das Kind kommt. Deswegen wollen wir die staatlichen Ressourcen so einsetzen, dass ein Kind aus Nordrhein-Westfalen sicher leben kann, die beste Betreuung findet, auf die besten Schulen gehen kann und später die besten Arbeitsplätze zur Verfügung stehen.

Der Haushaltsplanentwurf 2018 setzt hier die richtigen Schwerpunkte. Ich freue mich auf die anstehenden Beratungen. Ich sage abschließend: Das Ziel dieser Nordrhein-Westfalen-Koalition, das Ziel dieser Landesregierung ist im Kern in einem Satz zusammenzufassen, meine Damen und Herren: Wir wollen, dass Nordrhein-Westfalen wieder erstklassig wird.

(Lang anhaltender Beifall von der CDU und der FDP – Martin Börschel [SPD]: Dafür haben Sie eine Dreiviertelstunde gebraucht! Das gibt es doch nicht!)

Danke, Herr Finanzminister Lienenkämper. – Ich eröffne die Aussprache und erteile hiermit für die SPD Herrn Abgeordneten Römer das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Regierungsverantwortung zu übernehmen bedeutet immer auch, ein Erbe anzutreten. Wir wissen das.

(Bodo Löttgen [CDU]: Ja! – Unruhe von der CDU)

Erbe kann eine Belastung sein, auch eine Befreiung, aber zu erben ist in keinem Fall eine Leistung und erst recht keine Tugend, wie uns der Finanzminister das 43 Minuten lang weismachen wollte, meine Damen und Herren. Das ist es nicht.

(Beifall von der SPD)

Die neue Mitte-rechts-Koalition von CDU und FDP

(Zuruf: Oh! – Unruhe bei der CDU)

hat von ihrer rot-grünen Vorgängerregierung

(Bernd Krückel [CDU]: Ganz hilflos! – Weitere Zurufe von der CDU)

ein robustes Wirtschaftswachstum und solide Finanzen, Steuereinnahmen auf Rekordniveau und die niedrigste Arbeitslosigkeit seit 25 Jahren geerbt. Hinzu kommt das historisch niedrige Zinsniveau, auch nicht Ihr Verdienst, Herr Minister. Das sind die Gründe, warum Sie, Herr Lienenkämper, der zweite Finanzminister seit 1973 sind, der aller Voraussicht nach ein Haushaltsjahr ohne neue Kredite abschließen wird. Der erste war Norbert Walter-Borjans.

(Beifall von der SPD)

Dass Sie Ihrem Vorgänger nacheifern, das ist gut, das ist richtig. Dass Sie sich mit seinen Erfolgen schmücken können, ist unser Pech, Ihr Glück, aber mit Sicherheit nicht Ihre Leistung, Herr Lienenkämper, mit Sicherheit nicht Ihre Leistung.

(Beifall von der SPD – Zuruf von der CDU)

Weil Sie immer wieder dazwischenrufen, will ich eine grundsätzliche Bemerkung dazu machen. Jetzt kommen Sie mir wieder mit Ihrer Wahlkampfgeschichte: Unsere Wirtschaftspolitik sei erfolglos gewesen, weil sich schlechte Wirtschaftspolitik – na klar! – schon immer durch sinkende Arbeitslosenzahlen, durch sinkende Haushaltsdefizite und durch stetig steigende Steuereinnahmen ausgezeichnet hat. Das ist Volkswirtschaftslehre auf allerhöchstem Niveau, meine Damen und Herren, auf allerhöchstem Niveau.

Dass man Ihnen für diese Theorie noch nicht zu einem Nobelpreis verholfen hat, ist wahrlich ungerecht. Bewerben Sie sich doch einfach mal mit Ihrer Theorie ganz proaktiv bei der schwedischen Reichsbank. Da wird man beeindruckt sein. Also im Ernst: Mit diesem Unsinn blamieren Sie sich bis auf die Knochen. Lassen Sie es sein, das hilft Ihnen, hilft allen. Lassen Sie es sein!