Wir erwarten zu Recht auch oder vielleicht gerade von Kulturinstitutionen, dass sie die Werte Respekte, Toleranz, Gemeinschaft, Vielfalt und Gleichberechtigung nicht nur einhalten, sondern auch vorleben.
Ein Wegducken oder Ignorieren von Verstößen darf es nicht geben und wird es mit uns auch nicht geben. Oberstes Ziel bleibt deshalb, jeden Fall von Rassismus und Diskriminierung aufzuklären und Verstöße klar zu ahnden.
Ob uns die im vorliegenden Antrag geforderte Studie zu neuen Erkenntnissen führt, ist allerdings fraglich. Den Austausch hierüber sollten wir im Ausschuss aufnehmen und vertiefen.
Unabhängig davon treiben die NRW-Koalition und das Kulturministerium das Thema „Diversität“ weiter voran, um es noch stärker in unserer Kulturlandschaft zu verankern. Denn gerade Nordrhein-Westfalen bietet eine wunderbare Vielfalt an Menschen, die wir im Sinne des Kulturstandortes nutzen können und müssen.
Beispielhaft für die Aktivitäten des Landes ist das neue Referat im Kulturministerium zu nennen, das sich um die Themen „Diversität“ und „Teilhabe“ kümmert.
Darüber hinaus ist ein neues Förderprogramm für Diversitätskonzepte speziell in Kultureinrichtungen landesseitig in Vorbereitung.
Wenn es vorliegt, sollten wir entscheiden, ob es weiterer politischer Initiativen bedarf, um das Thema „Diversität“ im Kulturbereich noch breiter aufzustellen.
Unser parteiübergreifendes Ziel ist und bleibt, das Thema „Diversität“ auch in Kunst und Kultur fest zu verankern. Unabhängig davon stimmen wir der Überweisung des Antrags zu. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Sind Künstlerinnen und Künstler eigentlich bessere Menschen? Wahrscheinlich nicht. Werden sie dazu, wenn sie in einflussreiche Positionen kommen, gar Macht ausüben können? Ziemlich sicher nicht. Es sind Menschen wie wir alle, mit ihren Stärken und ihren Schwächen. Und doch irritiert es uns alle besonders, wenn Nachrichten von Diskriminierung, von Rassismus oder gar von Missbrauch aus dem Kultursektor kommen.
Ich möchte gern drei Fragen stellen: Warum werden diese Themen von uns besonders sensibel aufgenommen? Was sind spezifische Bedingungen im Kulturbereich, die solche Vorkommnisse vielleicht besonders begünstigen? Was können, was sollten wir sinnvollerweise tun?
Warum irritieren uns Nachrichten von Diskriminierung und Übergriffen im Kulturbereich besonders? Ich denke, es sind seine Vorbildfunktion und seine Diskursfunktion. Ersteres betrifft insbesondere die berühmteren Vertreter der Kultur, die über ihre künstlerische Tätigkeit hinaus von vielen Menschen als Vorbilder angesehen werden. Dies gilt auch für die Leiter von Einrichtungen, die nach außen, aber auch nach innen besonderen Ansprüchen genügen müssen.
Daneben gilt aber auch: Wer sich als Verhandlungsort für die Fragen und Probleme der Gesellschaft, für ihre Ungerechtigkeiten und Machtgefälle versteht, der steigert auch für sich selbst die Fallhöhe. Entsprechende Aufmerksamkeit ziehen dann Verfehlungen nach sich.
Was sind eigentlich spezifische Bedingungen im Kulturbereich, die so etwas befördern? Warum müssen wir gerade darüber sprechen? Ich möchte hier institutionelle und künstlerische Gründe unterscheiden.
Ganz offensichtlich werden gerade die komplexen, großen Bühnenbetriebe besonders hierarchisch geführt. Neben betrieblichen Erfordernissen spielt hier der Anspruch künstlerischer Führung sicher eine wichtige Rolle. Für manchen Intendanten und manche Intendantin ist das eigene Haus eine Art Instrument, das er, das sie mit künstlerischer Vision bespielt. Das passt dann nicht immer mit demokratischpartizipativen Prozessen zusammen. Es kreist das böse Wort von den letzten Bastionen des Feudalismus.
Damit berühren wir schon spezifische Gründe, die den Abläufen und Strukturen künstlerischer Prozesse – insbesondere in performativen Künsten – zu eigen sind. Künstlerisches Arbeiten setzt hier nicht selten auf Prozesse der Entgrenzung. Wir stoßen da auf die schwierige Frage, wie Regeln des Umgangs gewahrt werden können, wenn es gleichzeitig um Grenzüberschreitung und Akte der Entäußerung geht.
Gerade Schauspielerinnen und Schauspieler sind im Kontext ihrer Arbeit hochverletzlich. Ihre Arbeit beruht auf Öffnung und Vertrauen. Ihre Situation wird noch verschärft durch die große Konkurrenz am Arbeitsmarkt, in dem intrinsisch hochmotivierte Menschen vieles in Kauf nehmen, um ihre Chance zu bekommen. Abhängigkeitsverhältnisse stellen sich so sehr schnell ein. Beides – künstlerische Prozesse und ökonomische Abhängigkeiten – fordern den Verantwortlichen eigentlich besondere Achtsamkeit ab.
Was können wir also tun? – Was ich vorgetragen habe und die Kollegen hier vorgetragen haben, stellt keine Neuigkeit dar. Lange schon haben es Spatzen von den Dächern gepfiffen. Inzwischen hat es – über leider schon zu viele Fälle – auch öffentliche Debatten gegeben. Wir haben kein Erkenntnisproblem. Wir haben ein Umsetzungsproblem. Deshalb halten wir eine Studie auch nicht für das unmittelbar richtige Moment. Schaden tun die nie wirklich, aber ob uns das jetzt hilft? – Das diskutieren wir zusammen.
Wir müssen den Institutionen, den Verantwortlichen, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern schnell Angebote machen, die konkret zu Verbesserungen führen. Das können Fachtagungen zu den genannten künstlerischen Praktiken und auch Selbstverständnissen sein, Workshops vor Ort, Sensibilisierungen für die Fragen der Diversität, Strukturen, die Absicherungen bieten, wie zum Beispiel Vertrauenspersonen. Die Bundeskulturstiftung bietet hier mit ihrem 360°-Programm Projekte an. In diese Richtung sollten wir verstärkt denken und uns im Ausschuss darüber austauschen. Ich freue mich darauf. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Deutsch. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Kollegin Paul.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Theater ist ein Ort gesellschaftskritischer Auseinandersetzung. Es ist aber andererseits nicht frei von kritischen Strukturen. Auseinandersetzungen darüber dürfen aber nicht nur auf der Bühne stattfinden, sondern es bedarf auch einer kritischen Reflektion der eigenen Strukturen.
Immer wieder sind es eben die auch im Antrag beschriebenen mutigen Einzelpersonen, die auf Missstände hinweisen, oder es sind Gruppenaktionen, die versuchen, das deutlich zu machen. Denn es erfordert auch Mut, über persönliche Verletzungen öffentlich zu sprechen und diese öffentlich zu machen – möglicherweise auch gegen Widerstände.
Vielfalt ist auch auf der Bühne und im Film nicht so selbstverständlich, wie wir das vielleicht alle meinen möchten. Vielleicht wünschen wir uns auch alle, dass
sich das, was filmisch oder darstellerisch zum Vortrag gebracht wird, auch gleichzeitig in den eigenen Strukturen und im eigenen Selbstverständnis so widerspiegelt. Wir unterstellen das, aber nichtsdestotrotz müssen wir feststellen, dass natürlich auch im Kulturbetrieb Diskriminierung und Machtstrukturen vorhanden sind und auch die hinterfragt und angegangen werden müssen.
Diejenigen, die Handlungsbedarfe deutlich machen, brauchen strukturelle Unterstützung. Aber – darauf hat Kollege Deutsch auch schon hingewiesen – sie brauchen diese Unterstützung auch in der Leitung. Auch die Leitungen von Bühnen und Einrichtungen müssen sich ihrer ganz besonderen Verantwortung für die Künstlerinnen und Künstler und auch für alle anderen, die im Kulturbetrieb beschäftigt sind, bewusst sein.
Rassistische Vorfälle, die MeToo-Kampagne oder auch ActOut, die Kampagne der LSBTIQ-Schauspielerinnen und -Schauspieler, haben darauf hingewiesen, dass genau das nicht immer der Fall ist. Das Gefühl von Geborgenheit – dort geborgen zu sein, wo man so viel von sich preisgibt und so viel hineingibt – ist gerade nicht immer vorhanden. Die Sicherheit, dass ich dort, wo ich viel von mir preisgebe, auch den notwendigen Schutz zurückbekomme und in meiner ganzen Persönlichkeit, die ich auch einbringe, respektiert werde, scheint keine Selbstverständlichkeit zu sein.
Ja, natürlich, die Vielfalt der Gesellschaft muss sich auch im Kulturbetrieb widerspiegeln. Genauso muss sich aber auch der Kulturbetrieb selbst hinterfragen und mit der Frage von struktureller Diskriminierung und strukturellen Hemmnissen, gläsernen Decken bis hin zu missbräuchlichen Strukturen auseinandersetzen. Gibt es denn – Kollege Deutsch hat das gerade auch sehr breit dargelegt – diese Strukturen in Theater und Film, die missbräuchliches Verhalten in einer gewissen Art und Weise möglicherweise begünstigen? Wie kann dem dann tatsächlich konkret entgegengewirkt werden?
Ich finde es gar nicht schlecht, wie Kollege Bialas hergeleitet hat, warum es jetzt diese Studie braucht. Das Zuhören, das Wahrnehmen und das Analysieren erst einmal in den Fokus zu nehmen, finde ich gut und richtig. Denn das hat auch etwas mit Respekt zu tun – mit dem Respekt, den wir denjenigen entgegenbringen, die deutlich machen: Hier läuft etwas schief im System, und wir möchten, dass das gehört und ernst genommen wird.
Klar ist aber auch, dass Studien dann konkrete Konzepte und Maßnahmen nach sich ziehen müssen. Einiges davon ist ja schon genannt worden: die Frage von Vertrauenspersonen oder von Anlaufstellen. Es geht aber auch um die Frage struktureller Verantwortlicher innerhalb der Strukturen. Es bringt ja
nichts, dass wir uns in Leitbildprozessen auf Leitbilder verständigen und in Workshops sensibilisieren, wenn das anschließend in den Einrichtungen nicht zur tatsächlich gelebten Kultur wird. Deswegen ist es notwendig, dass diese Prozesse auch mit Verantwortlichkeit hinterlegt werden, damit sie dann tatsächlich die Chance haben, den Kulturbetrieb – die Bühnen, die Filme usw. – zu durchdringen und damit zu einem tatsächlichen Leitbild zu werden und zu einer tatsächlichen Umsetzung zu führen.
Ja, man hätte sicherlich schon über die Frage der Studie hinaus die ein oder andere Handlungsnotwendigkeit im Antrag aufführen können. Denn natürlich müssen wir zuhören, wahrnehmen und auch eine Datengrundlage schaffen. Auf der anderen Seite zeigen die hier im Antragstext aufgeführten Beispiele: Es liegt auf der Hand, dass Handlungsbedarfe bestehen. Es liegt auf der Hand, dass wir etwas tun müssen. Vielleicht ist das aber nicht das eine oder das andere, sondern vielleicht kann man die Studie angehen, aber gleichzeitig bereits in die Strukturen hineinwirken. Das wird im Ausschuss sicherlich weiter besprochen. Das würde ich mir wünschen – vor allem im Sinne einer vielfältigen Kulturlandschaft in Nordrhein-Westfalen.
Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Die SPD – also eine Partei, die tatkräftig dabei mitgeholfen hat, die gesamte Kulturbranche sinnlos in einen vierwöchigen Wellenbrecher-Lockdown zu zwingen, der inzwischen in der 29. Woche ist –, meldet sich nun mit einem Kulturantrag zu Wort.
Um was geht es in diesem Antrag? Gesteht sich die SPD endlich ein, dass Theater, Konzertsäle und Museen keine Infektionsorte sind und auch noch nie waren? Fordert sie nun endlich eine vollumfängliche Öffnung? Oder beantragt sie wenigstens nach über einem verlorenen Jahr, endlich Hygienekonzepte zu testen, damit erneute Schließungswellen in Zukunft definitiv vermieden werden können? – Natürlich nicht.
Nein, sie wollen den Theatern jetzt mit einer Bestandsaufnahme auf die Pelle rücken. Die soll überprüfen, ob NRWs Bühnen auch bunt genug sind. Sie fragen sich: Wie viele Frauen gibt es dort? Wie viele Migranten und wie viele Transsexuelle? Und was ist mit den Menschen mit Behinderung? Oder den Menschen mit unterschiedlichen Weltanschauungen? Und wie sieht es mit deren sexueller Orientierung aus? Aber eigentlich geht das niemanden etwas an.
Sie behaupten, all diese Menschen müssten sich – Zitat – „auf allen gesellschaftlichen Ebenen vertreten und gesehen fühlen“. – Aha. Und was, wenn nicht? – Sollte so ein Zensus herausfinden, dass eine Bühne nicht ihren Diversitätsansprüchen genügt – vor allem im ländlichen Raum dürften das gar nicht wenige sein –, droht dann wahrscheinlich bald die Quote? Ein ländliches Mundart-Theater mit Frauen und weißen alten Männern sind für Sie schließlich ein Beleg für angeblich strukturelle Diskriminierung.
Bekommen solche Bühnen dann auch einen Diversitätsbeauftragten? – Eigentlich könnten Sie die Intendanten doch gleich an allen Theatern sparen. Diversitätsbeauftragte würden dann alleinig und streng nach einer staatlichen Vielfaltsvorgabe – Vorgaben, wie sie einst das Kulturministerium der DDR für sämtliche die Kunst betreffende Bereiche gemacht hat – über die Einstellung von Schauspielern und über den künstlerischen Kurs des Hauses entscheiden.
Ihre geforderte Bestandsaufnahme soll aber nicht nur die Vielfalt auf den Bühnen abfragen, sondern sie soll auch Diskriminierungserfahrungen erfassen, was darunter heute auch immer fällt. Sie erwähnen den Vorfall am Düsseldorfer Schauspielhaus, bei dem ein dunkelhäutiger Schauspieler wohl tatsächlich rassistische Erfahrungen gemacht hat. Dabei gibt es dort bereits seit 2019 eine ganze DiversityAbteilung – die jetzt viel zu tun hat; denn als Antwort auf den Vorfall wird es in Düsseldorf fortan Workshops zu Antirassismus, zu diskriminierungskritischer Diversity sowie zu Stereotypen und zu Vorurteilen geben. Na, wenn das dann nicht hilft?
Auch fordert die SPD im Anschluss an ihre Bestandsaufnahme konkrete Maßnahmen für Spielstätten und Politik zur Entwicklung eines gerechteren und vielfältigeren Arbeitsumfeldes. Ich gehe davon aus, dass Ihnen dabei ebenfalls allerhand Antirassismus- und natürlich auch Antisexismus-Seminare vorschweben. Diese tragen aber leider keineswegs dazu bei, etwaigen echten Rassismus abzubauen geschweige denn die bunte heile Welt einzurichten, von der die Sozialdemokraten und Grünen so gern fantasieren. Das liegt schon an der täglichen Entwertung der Begriffe; das hat sogar die linke Politikerin Wagenknecht erkannt.
Meine Damen und Herren, zum Glück wissen immer mehr Menschen, dass wahrgenommener Sexismus und wahrgenommener Rassismus die bevorzugten Keulen im linken Kulturkampf sind. Der SPD dient der Vorfall in Düsseldorf daher als langersehnter Startschuss für eine MeToo-ähnliche Kampagne im hiesigen Theaterwesen mit dem Ziel, auch noch die letzte Bühne in NRW identitätspolitisch zwangszubeglücken und ein Meinungsklima der Angst zu schüren – kurz: sie auf ihre ideologische Linie zu zwingen. Wenn das tatsächlich so ist, lehnen wir das ab.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Lassen Sie mich eingangs eines grundsätzlich feststellen: Es ist erschütternd, dass sich in den vergangenen Jahren rassistische und diskriminierende Einstellungen, Äußerungen und Taten in Teilen unserer Gesellschaft zunehmend verbreitet haben und uns auch im Alltag immer wieder begegnen.