Aber was kann die Politik nun dazu beitragen, dass die Zahl der Organspenden wieder ansteigt? Das Land hat in seinem Krankenhausgestaltungsgesetz – wir haben es gehört – einen Transplantationsbeauftragten verpflichtend vorgeschrieben. Es gilt aber auch die strukturellen Abläufe so zu verbessern, dass mehr potenzielle Spender bereits vor einem Abbruch der intensivmedizinischen Maßnahmen erkannt werden.
Ich freue mich, dass Minister Laumann hier die Initiative ergreift und die ärztlichen Leitungen aller Kliniken mit Neurochirurgie in Nordrhein-Westfalen kurzfristig zu einem Gesprächstermin eingeladen hat.
Wir sollten überlegen, ob wir wie in Bayern konkrete Regelungen zur Freistellung, Vergütung und Ausstattung der Transplantationsbeauftragten einführen.
Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, der Deutsche Bundestag hat 2012 unter dem damaligen liberalen Gesundheitsminister die Verpflichtung eingeführt, dass alle Bürgerinnen und Bürger ab 16 Jahren regelmäßig von ihren Krankenkassen per Post angeschrieben und über die Organspende informiert und zum Ausfüllen eines Organspendeausweises aufgefordert werden. Dies lässt natürlich die Möglichkeit offen, auf dem Ausweis der Organspende zu widersprechen.
Dieses Verfahren sollten wir weiterentwickeln. So gibt es bereits den Prototyp einer Onlineanwendung zum Organspendeausweis. Wir brauchen aber dazu die rechtlichen und organisatorischen Voraussetzungen, um die entsprechenden Daten sicher auf einem zentralen Server speichern zu können. Eine solche App zur Organspende könnte viele Menschen dazu bewegen, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen.
Auch eine neue Bundesregierung muss sich mit der Frage der Organspende beschäftigen. Für mich ist es enttäuschend, dass in dem Sondierungspapier von CDU, CSU und SPD kein Wort zur Organspende zu finden ist.
Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, wir haben hier ein wichtiges Thema. Ich möchte Sie alle hier im Raum, in diesem Hohen Hause ermuntern: Überlegen Sie noch einmal, wie schön es wäre, Ihr
Vielen Dank, Frau Kollegin Schneider. – Die Abgeordnete Lück von der SPD hat nun das Wort. Bitte schön.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Thema unserer Aktuellen Stunde ist zweifelsohne von höchster Dringlichkeit. Für viele Erkrankte ist ein Spenderorgan die einzige Chance auf Genesung. Trotzdem sind die Wartelisten lang und die Spenderorgane rar.
Ich habe viele Jahre lang im Herz- und Diabeteszentrum in Bad Oeynhausen gearbeitet. Dort werden jährlich die meisten Herzen bei uns in Deutschland transplantiert. Im letzten Jahr waren es aber nur noch 71 Herztransplantationen, die durchgeführt worden sind. Das war die geringste Zahl seit 2011.
Durchschnittlich muss ein Patient in Bad Oeynhausen rein rechnerisch 100 Tage auf ein Spenderherz warten. Diese Rechnung ist natürlich pure Statistik und geht nicht immer auf. Es kann durchaus auch Jahre dauern, bis ein passendes Herz gefunden ist.
Für die Betroffenen bedeutet das einen ungeheure Belastung, und nicht nur für sie. Auch ihre Familien machen eine enorme Leidenszeit mit. Neben der emotionalen Anspannung und der Zerreißprobe für die ganze Familie, wenn Vater, Mutter oder das Kind auf ständige stationäre medizinische Unterstützung angewiesen sind und ihr Leben an einem seidenen Faden hängt, spielen natürlich auch andere Faktoren eine große Rolle.
Die Kosten für die medizinischen Maßnahmen sind immens. Wenn im schlimmsten Fall ein Verdiener ausfällt, kann die ganze Familie finanziell ins Schlingern geraten. Auch deshalb ist es ungeheuer wichtig, bessere Transplantationsmöglichkeiten zu schaffen. Natürlich trifft dieser Sachverhalt nicht nur für Herzpatientinnen und -patienten zu, sondern auf sämtliche transplantierbaren Organe.
In Deutschland werden wir zu Beginn jedes Jahres aufs Neue mit der dramatischen Situation und den ernüchternden Spenderzahlen konfrontiert. In diesem Jahr ist es besonders gravierend. Wir haben den niedrigsten Stand seit 20 Jahren. Es wird deutlich, dass dringender Handlungsbedarf besteht.
Ein Blick nach Österreich zeigt uns, dass es dort viel besser um die Spenderzahlen bestellt ist. Das Land mit halb so vielen Einwohnern wie Nordrhein-Westfalen hatte in 2016 208 Organspender. In NRW waren es im selben Jahr nur 162 Organspender. Für diesen Unterschied gibt es sicherlich mehrere
Gründe, aber einen ganz gravierenden: In Österreich ist jeder Mensch Organspender, gegebenenfalls auch Sie, wenn Sie dort im Urlaub sind, es sei denn, Sie haben vorher explizit erklärt, dass Sie kein Spender sein möchten. – Bei unseren Nachbarn in Österreich gibt es die sogenannte Widerspruchslösung.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, nachdem es in 2012 den Verdacht auf Manipulationen in Transplantationszentren gab, war das Image der Organspende in Deutschland stark angekratzt. Wir haben uns damals im Gesundheitsausschuss ausführlich mit dem Thema befasst und bei einer auswärtigen Sitzung im Herz- und Diabeteszentrum bereits Anfang 2013 fraktionsübergreifend die Bad Oeynhausener Erklärung verabschiedet. Darin erklärten wir, dass wir im Rahmen unserer politischen Möglichkeiten die Unregelmäßigkeiten aufdecken und die Organspenden unterstützen wollten.
Die Unregelmäßigkeiten sind mittlerweile weitgehend geklärt. Was bleibt, ist die Notwendigkeit der Verbesserung des Systems. Dabei fallen mir drei mögliche Ansätze ein:
- zweitens die Änderung der öffentlichen Wahrnehmung durch noch mehr Öffentlichkeitsarbeit und positive Darstellung in den Medien,
Lassen Sie mich zunächst mit dem letzten Punkt fortfahren. Wir haben in Deutschland ca. 1.300 Entnahmekrankenhäuser im Sinne des Transplantationsgesetzes. Die Koordination und Beratung der Organspende übernimmt die Deutsche Stiftung Organtransplantation. Die Entnahmekrankenhäuser sind per Gesetz zur Zusammenarbeit mit der DSO verpflichtet, um die vorhandenen Möglichkeiten zur Organspende wahrzunehmen.
Im Transplantationsgesetz ist festgelegt, dass Krankenhäuser mit Intensivstationen verpflichtet sind, Transplantationsbeauftragte zu benennen. Die
Transplantationsbeauftragten tragen dafür Sorge, dass die Krankenhäuser ihrer Pflicht zur Meldung möglicher Organspendung an die Deutsche Stiftung Organtransplantation nachkommen.
Allerdings gibt es in manchen Entnahmekrankenhäusern Deutschlands recht selten den tatsächlichen Fall einer Organentnahme. Weil eine Organspende ein so seltenes Ereignis im Krankenhaus ist, erfordert es bei allen Beteiligten spezielle Kenntnisse und Fähigkeiten. Sollte ein möglicher Spender übersehen und nicht an die DSO gemeldet werden, gibt es darauf auch keine Reaktionen.
Es ist aber wichtig, Ansprechpartner in der Klinik zu haben, die sich nicht nur fachlich mit der Organspende auskennen, sondern auch die richtigen Worte finden, beispielsweise um mit den Angehörigen zu reden. Es ist großes Fingerspitzengefühl notwendig, um die Angehörigen in dieser Situation auf eine Organspende anzusprechen und gleichzeitig deren Ausnahmesituation zu berücksichtigen.
Das zeigt uns auch, wie notwendig es ist, Personal entsprechend auszubilden, Krankenhäuser entsprechend auszustatten und dafür zu sorgen, dass Organspende enttabuisiert werden kann.
Zur Enttabuisierung muss auch – jetzt komme ich zu meinem zweiten Punkt – eine noch gezieltere Öffentlichkeitsarbeit beitragen. Diese muss sowohl in der Bevölkerung zusätzlich für Organspende werben als auch in den Fachkreisen eine höhere Aufmerksamkeit auf das Thema lenken.
Ich komme nun zum Schluss und damit zu meinem dritten Punkt. Die sicherste Methode, um die Organspendezahlen in Deutschland zu erhöhen, wäre eine grundlegende Änderung der rechtlichen Lage. In Ländern wie Österreich oder Spanien gibt es bereits ein Transplantationsrecht, das die Organspende als Selbstverständlichkeit und die Ablehnung als Sonderfall ansieht. Hier muss also ein expliziter Widerspruch gegen die Spende erfolgen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sitzen doch alle im selben Boot. Jeder von uns kann durch eine verschleppte Grippe seinen Herzmuskel so geschädigt haben, dass er schneller auf die Warteliste für ein Spenderherz kommt als man glauben mag. Deshalb ist es nicht ausreichend, hier heute eine Aktuelle Stunde durchzuführen.
Die Frage, die sich heute stellt, ist: Was macht diese Landesregierung, damit wir in Nordrhein-Westfalen mehr Organspender bekommen, um die Situation zu verbessern?
Vielen Dank, Frau Kollegin Lück. – Für die Grünen darf ich nun dem Abgeordneten Mostofizadeh das Wort erteilen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Organspenden können Leben retten. So lautet auch die Überschrift des Bundesverbandes. Dem können wir uns nur anschließen. Ich kann nur alle Menschen dazu aufrufen, sich sehr intensiv mit dieser Frage auseinanderzusetzen.
Ich stimme dem Kollegen Klenner, der hier im Parlament die erste Rede zu dieser Aktuellen Stunde gehalten hat, ausdrücklich in allen Punkten zu. Ich fand auch Ihre Rede sehr sachangemessen.
Wir von der Grünen-Fraktion können nur sagen: Wir stehen eindeutig hinter den Initiativen und Maßnahmen, die Herr Laumann im Hinblick auf die Krankenhausgesellschaft angesprochen hat. Das sollte uns in diesem Hause an keiner Stelle trennen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Ich halte dieses Thema – das will ich in aller Deutlichkeit sagen – für nicht geeignet, um parteipolitischen Streit auszutragen oder über Leistungsbilanzen und anderes zu debattieren. Wir Abgeordnete im Landtag von Nordrhein-Westfalen sollten uns gemeinsam dafür einsetzen, dass Organspenden Leben retten können, und um Vertrauen werben.
Es war meine Heimatstadt Essen, in der es einen Skandal gegeben hat, was die Vergabe von Organen betrifft. Wir müssen also immer wieder deutlich machen, dass das nicht in Ordnung ist, dass das kriminell ist, aber dass die allermeisten Krankenhäuser mit hohem Einsatz dafür sorgen wollen, Leben zu retten. Leben kann auch gerettet werden – Kollege Klenner hat es richtig beschrieben –, wenn jemand stirbt, was tragisch genug ist, und es dann noch möglich ist, Organe zu entnehmen und zu spenden.
Trotzdem ist es eine ureigene persönliche Entscheidung, ob man seine Organe spenden will oder nicht. Insofern lehnen wir jede Verknüpfung – und deshalb war es auch richtig, zu sagen, dass es keine Umlage geben kann –, die Menschen persönlich unter Druck setzt, ab.
Allerdings – das will ich an dieser Stelle auch sehr deutlich sagen – bin ich der Meinung, dass sich jeder Mensch mit dem Thema auseinandersetzen sollte. Die frühere Gesundheitsministerin Steffens hat 2012 vorgeschlagen, dass die Menschen auf die Möglichkeit der Organspende hingewiesen werden sollten, wenn beispielsweise neue Ausweise ausgegeben werden. Die Krankenkassen weisen alle zwei Jahre auf die Möglichkeit der Organspende bzw. auch auf eine differenzierte Möglichkeit der Organspende hin. Dann kann man den kleinen Organspenderausweis ausfüllen und gegebenenfalls mit einem Widerspruch versehen. Das ist das ureigene Recht jedes Menschen, aber man hat auch die Aufgabe, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen.
Es ist kein einfaches Thema. Auch wenn man ein Testament verfasst und über Dinge verfügt, mag das nicht einfach sein. Aber es ist etwas anderes, ob man
In diesem Zusammenhang möchte ich auch sagen – Herr Gesundheitsminister Laumann, ich hatte Sie schon gelobt; das möchte ich noch einmal aufnehmen –: Ich bin schon etwas erstaunt, dass wir dieses Thema im Rahmen einer Aktuellen Stunde diskutieren.