Protokoll der Sitzung vom 01.03.2018

Was wollen Sie eigentlich noch sagen, wenn mal wirklich etwas ist? Wo ist denn dann für Sie in der Empörungsskala nach oben hin überhaupt noch Platz?

(Zuruf von Carsten Löcker [SPD])

Aber, Herr Römer, ich kann Sie auch ein bisschen verstehen. Auch dafür gibt es zwei Gründe.

Ich kann erstens verstehen, dass es Sie schmerzt, dass es nach Ihrer desaströsen Niederlage 2017 Armin Laschet als Ministerpräsident des Landes nach nur wenigen Monaten gelungen ist, mehr Drive in die deutsch-niederländischen und deutsch-belgischen Beziehungen zu bringen,

(Lachen von der SPD)

als Sie das in den letzten fünf Jahren geschafft haben.

(Beifall von der CDU und der FDP – Zuruf von der SPD: Das war der humoristische Teil!)

Ich persönlich glaube auch, dass Sie eher diese „PP“-Reisen nach Belgien gemacht haben: morgens Pralinen und abends Pommes. Aber das bringt dem Land Nordrhein-Westfalen überhaupt nichts.

(Heiterkeit von der CDU und der FDP)

Zweitens erkenne ich natürlich auch den politisch oft angewandten Trick, mit externen Problemen von internen Problemen und schlechten Umfragen abzulenken.

Was Sie nämlich bei Ihrem Wortschwall vergessen haben, ist die Rolle der Bundesumweltministerin in diesem ganzen Zusammenhang. Mit ihr hatten Sie in den letzten sieben Jahren schon des Öfteren Freude, das kann ich noch gut erinnern: Bundesverkehrswegeplan, Berlin/Bonn-Gesetz, Braunkohleaus

stieg – das weiß ich alles noch.

Aber wenn Sie Gesäß im Beinkleid hätten, dann würden Sie hier die Rolle der Ministerin, die Ihrem Landesverband angehört, mit Blick auf Tihange und Doel auch deutlich zur Sprache bringen. Sie hat die Brennstäbe dorthin geliefert,

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Die Bun- desregierung! CDU und SPD!)

und sie wird es bis Ende April auch immer noch tun. Sie wissen ganz genau – der Ministerpräsident hat es in Ansätzen gerade deutlich rübergebracht –, dass es rechtlich nicht einheitlich bewertet wird, ob man sich rein auf die Vertragstreue innerhalb der EU zurückziehen kann, wie die Ministerin es immer tut. Sie wissen doch, dass die Rechtsnatur der EUVerträge durchaus Möglichkeiten lässt, solche Verträge mit dem Hinweis auf die Sicherheit der Bürger nicht zu erfüllen.

Eines möchte ich den Sozialdemokraten in diesem Zusammenhang nicht ersparen: Ich möchte in diesem Kontext darauf hinweisen, dass der ehemalige Wirtschaftsminister und heute amtierende Außenminister – auch Ihr Parteifreund, aber nicht aus Ihrem Landesverband – mal ganz anders gehandelt hat.

Erinnern wir uns doch an die Krise in der Ostukraine. Damals hat Gabriel die Ausfuhr von Rüstungsgütern im Wert von 120 Millionen € nach Russland gestoppt, obwohl sie bereits genehmigt war. Er ging damit ganz bewusst das Risiko der Regressforderungen ein, setzte es aber politisch durch und damit auch ein starkes Zeichen, weil er sich nicht – wie es im aktuellen Fall geschieht – einfach nur hinter zumindest unterschiedlich bewerteten Rechtsvorgaben verstecken wollte.

(Zuruf von den GRÜNEN)

Seien Sie sich sicher, dass Sie mit Ihren persönlichen Anwürfen gegenüber dem Ministerpräsidenten genau das Gegenteil von dem erreichen, was Sie möchten.

Erstens. Die Menschen spüren doch ganz deutlich, dass es der NRW-Koalition im Gegensatz zu RotGrün sehr ernst mit der Zusammenarbeit mit Benelux ist. Das merke ich bei uns im deutsch-niederländischen Grenzbereich schon jetzt.

Zweitens. Die Menschen wissen, dass oft derjenige, der persönliche Anwürfe von sich gibt, inhaltlich eigentlich nichts zu bieten hat. Das fällt dann dem Werfenden und nicht dem Angeworfenen vor die Füße.

(Karl Schultheis [SPD]: Da würde ich jetzt drüber nachdenken!)

Es wird Ihnen in diesem Sinne nicht gelingen, durch rhetorische Nebelkerzen und Unverschämtheiten davon abzulenken, dass Armin Laschet sich für die Menschen in NRW einsetzt, indem er mit Belgien einen zugegebenermaßen schmerzhaften Diskussionsprozess im Interesse der Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger auch Nordrhein-Westfalens fortsetzen wird.

Lassen Sie mich diese persönliche Anmerkung noch machen: Mein nur knapp 50 Kilometer entfernt von Doel lebender Cousin hat als Belgier sehr großes Verständnis dafür, dass ein Ministerpräsident aus der Nachbarschaft in sein Land kommt und auch solche unbequemen Themen anspricht. Nur so ist ein ehrlicher Dialog im Sinne einer guten Lösung für Nordrhein-Westfalen möglich. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Dr. Bergmann. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht jetzt Frau Kollegin Brems.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Ministerpräsident Laschet, Sie suggerieren hier, wir hätten Erwartungen geschürt, die Sie hinterher nicht erfüllen konnten.

(Beifall von den GRÜNEN – Marc Herter [SPD]: So ist das!)

Ehrlich gesagt: Sie allein waren es, der das gemacht hat. Sie haben diese Erwartungen geschürt, und zwar mit ganz faktenfreien Versprechungen, die Sie selber nicht einhalten konnten.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Ich möchte zu zwei Punkten etwas sagen, die problematisch und völlig faktenfrei waren. Mein Kollege aus der SPD hat eben schon etwas darauf hingewiesen, wie faktenfrei die Geschichte ist, dass wir mal eben schnell Strom aus Nordrhein-Westfalen nach Belgien liefern könnten. Die Leitungen sind nicht da; Sie haben es eben selber bestätigt. – Das ist der erste Punkt.

Lassen wir diesen Punkt mal beiseite. Sie sagen dann: Wir liefern denen Braunkohlestrom. Rein technisch gesehen: Man kann nicht etwas ausgleichen mit etwas, das schon zu 100 % läuft. Braunkohlekraftwerke laufen schon komplett durch; sie laufen schon zu 100 % durch.

(Dietmar Brockes [FDP]: Nein!)

Die kann man dann nicht noch hochfahren, um Atomkraftwerke auszugleichen.

(Dietmar Brockes [FDP]: Stimmt nicht!)

Dazu braucht es Gaskraftwerke, und die stehen in den Niederlanden und in Deutschland still. Zudem braucht es auch erneuerbare Energien bei uns, in den Niederlanden und in Belgien. Das ist das Thema, um das es geht. Zu sagen, wir liefern Braunkohlestrom, ist komplett faktenfrei, und damit sollten Sie aufhören.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Ja, wir haben eben schon gehört: Natürlich ist es erst einmal heikel, wenn man anderen Staaten energiepolitische Hinweise gibt. Es geht – das haben wir mehrmals gehört – um die Souveränität der EUMitgliedsstaaten. Aber natürlich darf man darüber sprechen.

Was Sie aber gemacht haben, Herr Laschet: Sie haben groß etwas verkündet, und dann nach unserer Kleinen Anfrage gemerkt, dass Sie jetzt liefern müssen. Dann haben Sie diese Reise mit heißer Nadel gestrickt und haben, als wenn dieser Arbeitsnachweis notwendig wäre, auch noch den Bus voller Journalisten dorthin mitgenommen. Ich finde, ehrlich gesagt, wenn das Ihr Verständnis von Diplomatie ist, dann kann das nur ein Desaster werden. So funktioniert das nicht.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Wir können uns dann einmal anschauen, was hier gerade für ein falsches Bild von der Vergangenheit dargestellt wurde. Ich mache es ungern, immer wieder die Vergangenheit auzuflisten.

(Widerspruch von der CDU und der FDP)

Das ist so. Sie können nachsehen, wie oft ich das bisher gemacht habe. Das können Sie mir jetzt persönlich wirklich nicht vorwerfen.

Aber sehen wir uns das einmal an: Mein belgischer Kollege Jean-Marc Nollet hat die Energieministerin gefragt: Was haben denn für Gespräche stattgefunden in letzter Zeit? – Und das kam als Antwort: Das letzte Gespräch, das dort geführt wurde, war mit dem damaligen Umweltminister Remmel. – Andere Gespräche hatten bis dahin nicht stattgefunden. Dann verkünden Sie groß, was Sie hier machen: „Wir treiben die Klagen weiter voran.“ – Das sind alles Dinge, die Rot-Grün angefangen hat. Ich finde es schön, dass Sie sie weiterführen. Aber Sie können dann nicht sagen: „Das ist das, was wir hier alles machen; das ist alles nur unser Verdienst.“ – Das stimmt einfach so nicht.

(Beifall von den GRÜNEN – Dietmar Brockes [FDP]: Gut für die Dialogbereitschaft!)

Zu guter Letzt – ich habe wirklich gedacht, ich kippe aus den Latschen –: Herr Laschet, wenn man einen Atomausstieg in Deutschland will, dann muss man ihn auch komplett wollen. Dann gehört eine Urananreicherungsanlage in Gronau dazu, und Lingen gehört ebenfalls dazu. Das geht nicht alleine. Wenn Sie hier auf einmal sagen „Wir müssen Gronau behalten, damit wir mit dem Iran reden können“, dann ist das diese Logik:

(Zuruf von Ministerpräsident Armin Laschet)

Wer sich für die Sicherheit vor atomarer Bedrohung in der Welt einsetzen will, der muss weiter selbst mit einer atomaren Bedrohung leben. – Das ist Ihre Aussage? Das kann doch wohl nicht wahr sein! Ich finde das so abstrus

(Beifall von den GRÜNEN)

wie Ihr Verständnis von Diplomatie, also Verhandlungen in der Öffentlichkeit zu führen!

(Zuruf von Ministerpräsident Armin Laschet)