Unsere gemeinsame Intention muss es sein, diese Kommission bei der Erarbeitung von Lösungen darin zu unterstützen, die vitalen Interessen unseres Landes Nordrhein-Westfalen in den Bereichen Strukturwandel, zukunftssichere Arbeitsplätze, Erhalt des Industriestandortes durch sichere Energie zu wettbewerbsfähigen Preisen und – nicht oder! – Klimaschutz durch schrittweise Reduzierung und Beendigung der Kohleverstromung nicht nur zu berücksichtigen, sondern so gut wie irgend möglich umzusetzen.
Deshalb ist es gut und richtig, dass von Gewerkschaften bis hin zu Umweltschützern, von Arbeitgebern und Industrievertretern bis hin zu Vertretern aus der Politik alle gemeinsam an einem Tisch sitzen. Für uns ist es aber von besonderer Bedeutung, dass sich
der Ministerpräsident, der Wirtschaftsminister, Ronald Pofalla als Vorsitzender und die Vertreter aus den betroffenen Regionen für die Wahrung der Interessen Nordrhein-Westfalens einbringen.
Der erste Auftrag ist die Schaffung einer konkreten Perspektive für neue, zukunftssichere Arbeitsplätze in den betroffenen Regionen. Ja, Nordrhein-Westfalen hat betroffene Regionen. Mit dem Ende des Steinkohlebergbaus in Bottrop und Ibbenbüren verschwindet am 21. Dezember 2018 eine stolze und traditionsreiche Industriebranche aus NordrheinWestfalen. Von mehr als 600.000 Menschen, die Ende der 50er-Jahre in dieser Branche Arbeit fanden, ist die Zahl der Beschäftigten heute auf rund 5.000 Menschen gesunken.
In der „Welt“ vom 15. Dezember 2017 wird die Kollegin der Grünen Wibke Brems mit dem vorangestellten Satz, Bergbaukritiker warnten vor historischer Verklärung, wie folgt zitiert:
„Die Steinkohleverstromung hat ganze Landstriche verrußt, das Klima massiv geschädigt und ist über viele Jahre teuer subventioniert worden.“
Ich möchte Ihnen, Frau Brems, gar nicht widersprechen. Ihre eindimensionale Sicht der Dinge jedoch, Ihre Regenbogenbrille, die Sie tragen, blendet eine zweite, gewichtige Seite des Steinkohlebergbaus vollkommen aus: die Kohle fördernden und sie weiterverarbeitenden Unternehmen. Die Menschen, die dort unter schwierigsten Bedingungen gearbeitet haben, haben über Jahrzehnte die Energieversorgung gesichert, Arbeitsplätze gerade in unserem Land geschaffen und Nordrhein-Westfalen überhaupt erst zum Industrieland gemacht.
Deshalb, sehr geehrte Frau Brems, stelle ich neben Ihre historische Verklärung auch einmal die historische Leistung, die dort erbracht worden ist. Diese Leistung ist für uns heute Verpflichtung – Verpflichtung, sich um die Nutzung der riesigen freien Bergwerksflächen zu kümmern, Entwicklung zu ermöglichen, Neuansiedlungen von Unternehmen zuzulassen, statt sie zu erschweren, Verantwortung zu übernehmen, und zwar nicht nur für die 5.000 Kumpel, die auf zukunftssichere Arbeitsplätze angewiesen sind, sondern für alle im Revier.
Diese Landesregierung stellt sich der Verantwortung, nämlich mit der Ruhrkonferenz und der aktiven Platzierung des Ruhrgebietes als Thema der Kommission. Gleiches gilt für das Rheinische Braunkohlerevier in der Kölner Bucht.
Menschen, Kommunen, Landschaften, die betroffen sind, werden durch ihre Leistung für uns alle – insofern sind sie betroffen – in Mitleidenschaft gezogen; sie wurden und werden noch heute in Mitleidenschaft gezogen. Deshalb muss der Grundsatz gelten: zuerst die Perspektive für die Menschen und dann der Ausstieg aus der Kohle.
Jetzt gilt es, stabile rechtliche und politische Rahmenbedingungen für das Rheinische Braunkohlerevier zu schaffen. Wir stehen zur Leitentscheidung, die hier getroffen worden ist.
Die Grünen haben sie aufgekündigt. Wir stehen für Planungssicherheit in der Region. – Die Grünen haben sie aufgekündigt! So geht man nicht mit Menschen um, die für unsere Energiesicherheit arbeiten!
Statt sich aber über die personelle Zusammensetzung der Kommission zu mokieren, sollten Sie, liebe Grüne, lieber Ihren Einfluss auf die neue Co-Vorsitzende Frau Baerbock geltend machen.
Ja, nun warten Sie erst mal ab; Sie wissen ja gar nicht, was Ihre Co-Vorsitzende gesagt hat. – Sie hat in einem „taz“-Interview am 6. Juni 2018 auf die Frage, wie denn die 1,5 Milliarden €, die der Bund zur Verfügung stellen will, ihrer Meinung nach eingesetzt werden sollen, geantwortet: „Es sollte in die Regionen gehen, vor allem in die Lausitz (…)“.
Das, meine Damen und Herren, müssen Sie ändern! Wir in Nordrhein-Westfalen brauchen den Hauptanteil, und nicht andere Bundesländer. Setzen Sie sich dafür ein, dann tun Sie ein gutes Werk.
Die zweite zentrale Aufgabe ist die Entwicklung eines Instrumentenmixes, der wirtschaftliche Entwicklung, Strukturwandel, Sozialverträglichkeit, gesellschaftlichen Zusammenhalt und Klimaschutz zusammenbringt und zeitgleich Perspektiven für zukunftsfähige Energieregionen im Rahmen der Energiewende eröffnet.
Dieses Hexagon ist eine Herausforderung, die es zu erfüllen gilt, aber bei weitem keine Hexerei, wenn man eine simple Regel der Mathematik für reguläre Sechsecke berücksichtigt: Alle Seiten sind gleich, alle Winkel gleich groß: Wirtschaftliche Entwicklung, Strukturwandel, Sozialverträglichkeit, gesellschaftlicher Zusammenhalt, Klimaschutz und zukunftsfähige Energieregionen sind alle unter dem gleichen Blickwinkel zu betrachten. Sie sind für uns alle von gleicher Wertigkeit.
Aus der Atomindustrie kann man aussteigen, aus der Chemieindustrie nicht. – Das sagte 1993 der damalige hessische Umweltminister Joschka Fischer. Er hatte damals recht, und er hat auch heute recht. Es ist geradezu ein Appell an uns und an die Kommission, bestehende Wertschöpfungsketten in den Blick zu nehmen, die Abhängigkeit zwischen den Beteiligten zu beachten und jedem der sechs Themenfelder die eigene herausgehobene Bedeutung zukommen zu lassen.
Drittens: Vorlage eines Plans zur schrittweisen Reduzierung und Beendigung der Kohleverstromung. Ich will es kurz machen: Diese Landesregierung steht zu den vereinbarten klimapolitischen Zielen. Das Ende des Steinkohlebergbaus steht bevor. Das Ende der Braunkohleverstromung ist vereinbart und nach heutigen, auch technologischen, Maßstäben – so sah es auch die alte rot-grüne Landesregierung – für 2045 vorgesehen.
Ändern sich die Möglichkeiten, kann es in der Abwägung von ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Gesichtspunkten auch gelingen, bezahlbare Versorgungssicherheit mit einem früheren Abbauende zu verbinden.
Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, dass die Interessen des Industrie- und Energielandes Nordrhein-Westfalen auch in dieser Kommission gewahrt werden.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Ergebnisse der Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ werden insbesondere Nordrhein-Westfalen betreffen. Es geht um die Zukunft und die Wettbewerbsfähigkeit des gesamten Industrie- und Energielandes Nummer eins in Deutschland.
Es geht um 1,4 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigte in der Industrie. Es geht um 17.000 Industrieunternehmen in Nordrhein-Westfalen. Es geht um 250.000 Beschäftigte in der energieintensiven Industrie in Nordrhein-Westfalen. Es geht um ca. 9 Millionen Privathaushalte. Natürlich stehen auch und gerade die Zukunft und der Strukturwandel des Rheinischen Reviers und des Ruhrgebiets im Blickpunkt. Dazu wird gleich der Kollege Brockes noch mehr sagen.
Wer nur von einer „Kohleausstiegskommission“ redet und immer die Frage nach dem Zeitpunkt des Ausstiegs aus der Kohleverstromung in den Mittelpunkt stellt, der hat die Aufgabe nicht verstanden, oder aber er verfolgt andere Interessen für das Land Nordrhein-Westfalen.
Deutschland hat sich sehr viel vorgenommen: Atomausstieg, Pariser Klimaschutzziele, Ausbau der erneuerbaren Energien und Mobilitätswende. Wenn wir nur einzelne Aspekte betrachten, werden wir unser Ziel niemals erreichen; denn teilweise widersprechen sich die Lösungsansätze total. Ersetze ich einen Diesel durch einen Benzinmotor, sinkt der Ausstoß von Stickoxiden. Ersetze ich einen Benziner durch einen Diesel, sinkt der CO2-Ausstoß. Welchen Weg sollen wir gehen? Auch darauf muss die Kommission eine Antwort geben.
Außerdem sollten wir andere Industriestaaten nicht ignorieren. Manche setzen auf Kohle, manche auf Atomstrom. Eine ganze Reihe von großen Industriestaaten setzt sogar auf beide Energieträger. Kein einziger Industriestaat kommt auf die Idee, heute oder morgen beide Energieträger zusammen abzuschalten.
Ein Ergebnis der deutschen Energiepolitik hat uns über „FAZ-Online“ am 9. Juni 2018 erreicht: Deutschland hat mittlerweile die höchsten Strompreise innerhalb der EU. Das Ziel der Kommission muss sein, sichere, bezahlbare und umweltfreundliche Energie zu sichern. Ein zu früher Ausstieg aus der Kohleverstromung widerspricht diesem Ziel.
Deshalb benötigt die Kommission Klugheit, Vernunft, Expertise und vor allem endlich Realismus in der Energiepolitik. Deshalb ist es sehr gut, dass Minister Pinkwart in der Kommission die Regierung vertritt und zudem die Interessen in Nordrhein-Westfalen bündelt. Ein breites NRW-Bündnis ist notwendig, um die energiepolitischen Ziele Nordrhein-Westfalens zu erreichen. Zu diesem Bündnis gehört sicherlich auch der IG BCE-Vorsitzende Michael Vassiliadis.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Herr Kollege Kutschaty, eine besondere Verantwortung liegt bei der nordrhein-westfälischen Sozialdemokratie. Wir erwarten, dass die SPD einen klaren Kompass hat und diesem auch folgt. Die damalige NRW-Ministerin Svenja Schulze hat 2016 mit der Regierung und der Koalition von SPD und Grünen die Nutzung der Braunkohle bis 2045 beschlossen, ohne Wenn und Aber.
Als Bundesumweltministerin verfolgt sie aktuell andere Ziele. Diese sind aber frei aus der Luft gegriffen und haben keinen sachlichen Hintergrund. Die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land erwarten von der Kommission Realismus und Verlässlichkeit.
Die Kommission muss ihrem Namen gerecht werden. Sie muss Wachstum und Beschäftigung stärken und den Strukturwandel gestalten, und zwar durch Investitionen in neue Technologien, Digitalisierung und Infrastruktur, durch den Abbau von Bürokratie – Nordrhein-Westfalen ist hier vorangeschritten – sowie die Gestaltung des freien Handels, des Freihandels, trotz Brexit, G7 und Trump.
Die Kommission muss energiepolitische Rahmenbedingungen verbessern und die Einhaltung der Pariser Klimaschutzziele ermöglichen: durch Wettbewerb statt Subventionen, durch realistische Zwischenziele – das ist besser als durch parteipolitisch motivierte Jahreszahlen –, durch Forschung und Entwicklung sowie Technologieoffenheit statt ideologischer Vorgaben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Kommission ist vielfältig besetzt. Die Interessen sind unterschiedlich. Es gibt zum Teil übermotivierte politische Ziele. Die Aufgaben sind gewaltig. Die Menschen in unserem Land erwarten Vorschläge für die ganz konkreten Fragen und Probleme von heute.
Dazu gehören die Fragen: Wie sichern wir Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung in der nordrheinwestfälischen Industrie und im gesamten Mittelstand? Was unternimmt die Bundesregierung dagegen, dass Deutschland mittlerweile die höchsten Strompreise in der EU hat? Wie schaffen wir Beschäftigungs- und Wachstumschancen für die Zukunft? Wie erreichen wir – das gehört natürlich dazu – die ökologischen Ziele?
Ich persönlich habe großen Zweifel daran, dass wir bis Ende 2018 wesentliche Ziele erreichen können. Im Interesse der Menschen, der Beschäftigten und der Unternehmen in Nordrhein-Westfalen, übrigens auch in ganz Deutschland, ist es wichtiger, diesen Interessen zu folgen, als einen selbst gesetzten und sehr fragwürdigen Zeitplan einzuhalten.
Wir stehen vor gewaltigen Aufgaben. Es wäre gut für Nordrhein-Westfalen, wenn die wesentlichen Player in diesem Hohen Hause gemeinsam – und zwar in die richtige Richtung – an einem Strick ziehen würden. – Herzlichen Dank.