In der Debatte um die Brennelementelieferung habe ich für die SPD-Fraktion erklärt, dass wir bereit wären, in dieser Frage das Risiko eines Rechtsstreits einzugehen, also die Bundesregierung dabei zu unterstützen, ein solches Rechtsrisiko einzugehen. Aber ich verweise auch auf das Urteil zur Brennelementesteuer: Es ist ein Risiko.
Die zentrale Herausforderung ist für uns und insbesondere für Belgien, die Versorgungssicherheit in Belgien sicherzustellen. Das genannte BET
Gutachten des Ingenieurbüros aus Aachen kommt nicht zu dem Schluss, dass dies relativ schnell zu erreichen ist. Das Gutachten hat gezeigt, dass Belgien eben nicht sehr schnell aus der Versorgungsfalle herauskommt, sondern die umstrittenen Reaktoren aus der Not heraus für die Landesversorgung benötigt.
Erst ein Ausbau der Stromverbindung mit Deutschland führt zu einer besseren Einbindung in den Strommarkt und ermöglicht es Belgien, für die Versorgung des Landes auch von temporär hohen Windeinspeisungen in Deutschland zu partizipieren. Dies umfasst einen Zeitraum von mehreren Jahren. ALEGrO, die erste Verbindung mit 1.000 MW Leistung, soll 2020 in Betrieb genommen werden. Eine zweite Verbindung könnte bei maximaler politischer Unterstützung – und darum geht es: maximale politische Unterstützung bei den Planungsvorhaben – bis 2025 fertiggestellt werden.
Dies würde es den belgischen Nachbarn ermöglichen, den dort gesetzlich festgeschriebenen Atomausstieg bis 2025 zu realisieren. NRW muss hierbei durch enge Kooperation unterstützen, damit Belgien dieses Ziel erreichen kann.
„Gemeinsam für die Region“ ist das Motto der Initiative der SPD in Nordrhein-Westfalen und der Sozialdemokraten in der Wallonie. Die Landtagsfraktion hat im Dialogforum diesen grenzüberschreitenden Ansatz mit wesentlichen Playern in Belgien initiiert. Das heißt also: helfen statt bevormunden, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen!
Im Übrigen mangelt es zurzeit nicht an regenerativer Energie, sondern an Transportkapazität. Deshalb hat Frau Ministerin Zypries gemeinsam mit den Netzbetreibern auch die zweite Gleichstromtrasse in den neuen Netzentwicklungsplan 2030 eingebracht. Das ist eine wesentliche Voraussetzung. Ich darf alle bitten, hierbei auf dieser Basis durch neue Netzverbindungen unterstützend zu wirken – insbesondere auch die Liberalen, Herr Kollege, in Belgien, die dort eine ganz bestimmende Wirkung in der föderalen Gesetzgebung haben –, damit es zu einem früheren Ausstieg aus der Atomenergie in Belgien kommt. Es ist eine große Aufgabe der Liberalen, ihre europäischen Kolleginnen und Kollegen in Belgien davon zu überzeugen.
Wir sagen: Partnerschaft, Kooperation, keine Bevormundung! Wir werden dem Antrag der Grünen zustimmen, und wir werden uns beim Antrag von CDU und FDP der Stimme enthalten. Ich wünsche mir, dass wir in dieser Angelegenheit gemeinsam Erfolg haben werden. – Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Schultheis. – Ich darf dem Abgeordnetenkollegen Herrn Dr. Werner Pfeil das Wort zu seiner ersten Rede hier im Plenum erteilen.
Sehr geehrter Herr Präsident, vielen Dank! – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Verehrte Kollegen! Die Einwohner der Grenzregion Aachen – und damit meine ich die Bürgerinnen und Bürger auf niederländischer, belgischer und deutscher Seite; nicht nur kleinräumlich auf Aachen beschränkt, sondern großräumig bis nach Düren, Heinsberg, Euskirchen, Maastricht, Eupen und St. Vith – sind seit Jahren in Sorge, in Sorge um Tihange und Doel und um die Sicherheit beider Reaktoren.
Zunächst zu den Fakten. Nach einer aktuellen Schätzung leben auf deutschem Staatsgebiet in einem Umkreis von ca. 100 km um das Kernkraftwerk 1,2 Millionen Menschen. Nach Angaben des Betreibers Electrabel ereigneten sich seit dem Jahr 2007 bereits 28 Störfälle der Stufe 1. Von der FANK wurden im Jahr 2014 insgesamt 3.149 Hinweise auf Schäden in Tihange 2 festgestellt. Bei der jüngsten Überprüfung im Frühjahr 2017 waren es 3.219 Risse. Wir sprechen in diesem Gebiet außerdem von einer Erdbebenzone. Hinzu kommt, dass die Informationspolitik von Electrabel als sehr zurückhaltend zu bezeichnen ist. Diese Fakten sind seit Jahren bekannt.
Sodann zu den Maßnahmen der Region. Die Region hat dagegen mobilisiert. Seit 2011 gab es vielfach Demonstrationen für mehr Sicherheit und Forderungen nach einer Abschaltung. Ich persönlich war einer dieser 50.000 Bürgerinnen und Bürger, die am letzten Sonntag mit der Menschenkette deutschlandweit auf die seit Jahren bestehende Problematik aufmerksam gemacht haben. Als Mitglied des Städteregionstages Aachen habe auch ich für die beiden Klagen gestimmt, die im Jahr 2016 eingereicht wurden.
Und jetzt zur rechtlichen Einordnung des Problems. Es handelt sich um ein rechtlich schwieriges Thema, da beide Reaktoren nicht auf deutschem Hoheitsgebiet stehen,
und zum anderen, weil die Energieversorgung des Königreichs Belgien spezieller Natur ist. All diese Umstände und Tatsachen waren der alten Landesregierung über mehrere Jahre bekannt, und all diese
Umstände und Tatsachen sind auch der neuen Landesregierung bekannt, deren Minister vor einigen Minuten vereidigt wurden.
Nun zum Antrag der grünen Fraktion. Das mit dem Antrag verfolgte Ziel soll durch Fortsetzung der bisherigen rot-grünen Landespolitik erreicht werden. Jedoch stellt sich die Frage, ob der eingeschlagene Weg der letzten Jahre richtig und erfolgreich war, um das erstrebte Ziel zu erreichen. Dies muss man verneinen, denn sonst hätte es offenbar dieses Antrags nicht bedurft. Auch hätte es keiner Klagen und keiner Menschenkette am Wochenende bedurft.
Es stellt sich nun die Frage: Welcher Weg, den wir einschlagen, ist der richtige? – Hier kann es nur eine Antwort geben. Sie lautet: Gespräche führen. Gespräche gemeinsam mit unseren Nachbarn, mit der belgischen Regierung, mit der EU-Kommission, der deutschen Bundesregierung und dem Bundesumweltministerium führen. Genau das sieht der Entschließungsantrag von CDU und FDP vor.
Ein solch wichtiges Thema, das die Sicherheit und die körperliche Unversehrtheit von mehreren Millionen Menschen zum Gegenstand hat, kann niemals zur Unzeit kommen, aber es hätte dieses Antrags der Grünen heute und jetzt nicht bedurft – wenige Minuten, nachdem die Landesregierung vereidigt wurde. Effektiver wäre es gewesen, den Antrag für eine reguläre Beratung im Juli-Plenum einzureichen, damit zuvor die ersten Gespräche hätten geführt werden können.
Wir wollen eine neue Art des politischen Umgangs mit unseren belgischen Nachbarn einleiten und pflegen und damit die wichtigen Ziele – zum einen einen dauerhaften Schutz für die Bevölkerung durch das Abschalten von Tihange und Doel, zum anderen Sicherheit – erreichen.
Minister Remmel hat stets die Bundesregierung und Bundesumweltministerin Barbara Hendricks in die Pflicht genommen. Das ist auch notwendig, aber es ist nicht genug. Nein, das ist entschieden zu wenig. Die neue Landesregierung will und wird durch Gespräche mit unseren Nachbarn mehr unternehmen. Dabei kommt es aber gerade auch auf den richtigen Ton an, denn sonst wird gut Gemeintes eher schaden als nutzen.
Im europäischen Miteinander und gerade auch bei Konflikten, die sich grenzüberschreitend auswirken, ist es gerade nicht angesagt, unseren Nachbarn oberlehrerhaft vorzuschreiben, was gut und was richtig ist und was zu tun ist.
„In Gesprächen mit der Europäischen Kommission und unseren Nachbarn wollen wir Perspektiven für Energielieferungen aus den Niederlanden und Nordrhein-Westfalen als Ausgleich für die abgeschalteten belgischen Atomkraftwerke entwickeln.“
Die neue Landesregierung – und an der Spitze unser Ministerpräsident – wird mit der zuständigen EUKommission und mit der belgischen Regierung das Gespräch suchen, um genau dies umzusetzen, nämlich erstens die absolute Sicherheit von mehreren Millionen Menschen, zweitens die Gewährleistung der Energieversorgung in Belgien und drittens den Ausbau der Netzverbindungen zwischen Belgien und NRW und die stärkere Integration Belgiens in den Energiebinnenmarkt. Es ist ein absoluter Anachronismus, dass es bis heute keine direkte Stromverbindung zwischen Belgien und NRW gibt.
Von diesem Geist ist unser CDU-FDP-Koalitionspapier getragen und genau so gehen wir mit unserem Antrag 17/57 vor. Ich bitte deshalb um Ihre Zustimmung. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Pfeil. Sie haben die Redezeit etwas überschritten, was wir Ihnen bei der ersten Rede nachsehen. – Ich darf dann, ebenfalls zu seiner ersten Rede, Herrn Abgeordneten Christian Loose von der AfD das Wort erteilen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die belgischen Kernkraftwerke in Tihange und Doel sind aufgrund verschiedener Meldungen aktuell im Gespräch. So wird aufseiten der Kritiker insbesondere auf sogenannte Haarrisse im Reaktordruckbehälter Tihange 2 hingewiesen. Die belgische Atomaufsicht mitsamt eines neunköpfigen international besetzten Spezialistenteams sieht nach Analysen keine Bedenken, die Kraftwerke wieder in den Betrieb zu nehmen, da es sich offensichtlich nicht um Risse, sondern lediglich um sogenannte Ausflockungen bzw. Wasserstoffeinschlüsse handelt.
Diese seien bereits bei der Erstellung der Druckbehälter beim üblichen Schmiedeprozess entstanden und hätten sich im Laufe der Zeit nicht vergrößert.
Nehmen wir uns also Zeit für eine sachliche und nüchterne Diskussion des Antrags der Grünen. Als Erstes möchten wir Ehrlichkeit in diese Diskussion einbringen. So schnell, wie Sie diesen Antrag für die neue Legislaturperiode eingebracht haben, wird es gar keine Änderung der Situation in Tihange geben
können. Bei Ihrem Antrag geht es somit lediglich darum, die Deutschen weiter in Ihrem dauerhaften Würgegriff aus Hysterie und Panik einzuschnüren.
Mit dem bewusst von Ihnen falsch genutzten Begriff der „Risse“ arbeiten Sie zudem mit alternativen Fakten und schüren lediglich die Ängste der Bürger.
In diesem Zusammenhang möchte ich auch mit einem Wort auf den Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP eingehen. Allein mit der missbräuchlichen Verwendung des Begriffs „Risse“ haben Sie Ihre fehlende Sachkenntnis unter Beweis gestellt.
Wieder zurück zum Antrag der Grünen. Wir erkennen in der Forderung Nummer 1, dass Sie sich nach dem Umgang mit der Katastrophe von Fukushima immer noch nicht auf die richtigen Dinge konzentrieren. Anstatt sich mit akuten Ereignissen in einzelnen Kraftwerken zu beschäftigen, fordern Sie reflexartig die Stilllegung eines kompletten Energiesektors. Sie machen sich noch nicht einmal die Mühe, die Abschaltung des Kernreaktors in Doel in der Ausgangslage des Antrags überhaupt zu begründen.
Kommen wir zur Forderung Nummer 2. Ein deutsches Exportverbot der Brennelemente würde lediglich eines verursachen, nämlich, dass die Kraftwerke ihre Brennelemente woanders herbekommen. Ansonsten hat das überhaupt keine Konsequenzen. Somit ist das hier ein reiner Showantrag.
Nun zu Ihrer Forderung Nummer 3. Bei dem von Ihnen benannten BET-Gutachten handelt es sich um ein Gefälligkeitsgutachten im Auftrag des ehemaligen Umweltministers Remmel.
Das Gutachten hat den Kernenergieausstieg bereits als Prämisse gesetzt und setzt sich damit bereits ideologiegetrieben nur noch mit bestimmten Technologien auseinander. Damit fehlt jede Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit.
Dann verweisen Sie hier auf dieses Gutachten und behaupten allen Ernstes noch, dass der Atomausstieg alternativlos sei. Wenn man sich jedoch bereits im Vorfeld Denkverbote auferlegt, kann man Alternativen aber gar nicht erst erkennen.