Ich bin geduldig und warte sehr gern ab, bis alle Beteiligten sich auf ein Konzept geeinigt haben, denn hier gilt: Sorgfalt vor fahrlässiger Schnelligkeit.
Im Übrigen kann ich mir sehr gut vorstellen, dass wir künftig sogenannte „Second Stage“-Projekte und teilstationäre Einrichtungen wie das Modellprojekt wohnenPlus in Espelkamp unterstützen werden. Frau Paul, das wurde bisher nie infrage gestellt.
(Josefine Paul [GRÜNE]: Ich habe das auch nicht infrage gestellt! – Weiterer Zuruf von Jo- sefine Paul [GRÜNE])
So können wir Angebote zwischen dem Akutschutz im Frauenhaus und einer dauerhaften Unterkunft ausbauen.
Zum Schluss noch ein Gedanke zur Prävention: Eine prekäre Situation kann gerade für alleinerziehende Frauen oder nach einer Trennung entstehen, wenn eine neue Wohnung benötigt wird und keine Möglichkeit besteht, den Lebensunterhalt durch eigene Arbeit zu verdienen.
Ein gesichertes Arbeitsverhältnis ist hier der beste Schutz. Die NRW-Koalition hat sich zum Ziel gesetzt, die Menschen in diesem Land in Arbeit zu bringen.
Außerdem brauchen wir eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Christdemokraten und FDP haben hier bereits gehandelt, indem wir die Kitaöffnungszeiten ausdehnen und flexibilisieren.
Dies alles zeigt doch: Die NRW-Koalition wird das Ziel im Auge behalten, Wohnungslosigkeit bei Frauen und bei Männern zu bekämpfen und ihr vor allem auch vorzubeugen. – Ich danke Ihnen.
Vielen Dank. – Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Vielleicht ist Ihnen ein Phänomen aus der Physik noch bekannt: der sogenannte Dopplereffekt. Wenn sich ein schnelles Objekt auf Sie zubewegt, dann wird es lauter bzw. schriller.
Ich dachte bisher, dies trifft auf Formel-1- oder Rettungswagen zu, die an einem vorbeifahren. Dass es – das musste ich feststellen, als ich das Papier in der Hand hielt – auch auf Parteien zutrifft, die sich im freien Fall befinden, an einem vorbeirauschen und dabei immer schriller werden, war mir tatsächlich neu.
Dass Sie versuchen, die Obdachlosigkeit monokausal zu erklären – gerade als SPD, gerade als Partei, die doch an vielen sozialen Projekten irgendwie beteiligt ist –, wundert mich massiv, denn Sie müssten genau wissen – das sagt Ihnen jeder, der mit Wohnungs- und Obdachlosigkeit länger zu tun hat –: Die Schicksale, die hinter Obdachlosigkeit stehen, sind genauso individuell wie die Gründe dafür. Dies nur durch den sozialen Wohnungsbau erklären zu wollen, ist geradezu infam. – Entschuldigung!
Die Zahlen, die Sie vorlegen, sind wiederum aus dem Jahr 2016. Wenn Sie in Ihrer Verzweiflung versuchen, die Zahlen aus dem Jahr 2016 der schwarzgelben Regierung unterzuschieben – entschuldigen Sie, aber auch an diesem Punkt ist es vielleicht angebracht, sich an die eigene Nase zu fassen.
Aber in der Tat: Wenn wir uns die neuen Schätzungen anschauen und wie es mit der Wohnungslosigkeit aussieht, dann stellen wir fest: Schätzungen auf Bundesebene sehen mittlerweile vor, dass wir wahrscheinlich noch in diesem Jahr deutlich über 1 Million Wohnungslose in der Bundesrepublik haben werden.
Das sind, auf die Wohnbevölkerung gerechnet – man weiß nicht, wie viele es genau sind, die sich in Deutschland befinden; das ist leider auch eine der Eigenheiten, die die Große Koalition mit sich gebracht hat – gut 1 %, die obdachlos sind.
Stellen Sie sich das einmal im Plenum vor: Wir sind jetzt knapp 200 Personen. Es sind rund zwei Personen, die sich hier befinden – wenn wir tatsächlich die Bevölkerung abbilden würden –, die kein Obdach hätten. Stellen Sie sich einmal vor, was das bedeutet. Das ist nicht nur eine Politik, die seit gestern verfehlt ist oder die heute verfehlt wird, sondern eine Politik, die seit Langem verfehlt ist.
Es ist nun einmal so, dass der soziale Wohnungsbau ein Baustein von vielen ist. Aber denken Sie daran – gerade, wenn Sie über diese besonders vulnerable Gruppe der obdachlosen Frauen sprechen –, dass es gerade dort darauf ankommt, auch Aspekte im Blick zu haben wie zum Beispiel sexualisierte Gewalt und Phänomene wie Straßenprostitution oder Drogensucht.
Wenn ich beispielsweise in Essen einen Drogenkonsumraum besichtige und dort die lokale bzw. kommunale Verantwortung so weit abgelehnt wird, dass man sagt, dieser Drogenkonsumraum werde nicht so hoch finanziert, dass sich die Menschen dort ganztägig aufhalten sollen – ich bitte Sie, liebe SPD: Wo sind Sie dann in den Kommunen, und was machen Sie denn dort, bitte schön, im Einzelnen?
Ein letzter Punkt, der ebenfalls dazugehört: Wenn ich mehr Menschen in einen ohnehin schon aufgeheizten Wohnungsmarkt bringe, ist es absolut klar, dass er sich verknappt. Das ist einer der Aspekte, die man auch immer im Blick haben muss, wenn man Menschen helfen will: dass man sich natürlich darauf vorbereitet, dass man das auch kann und keiner auf der anderen Seite hinten überfällt. – Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist schön, dass das Thema Wohnungslosigkeit grundsätzlich auch hier im Plenarsaal einmal eine Rolle spielt, vielleicht auch angestoßen durch eine Anfrage meines Kollegen Langguth, die Sie ja zum Anlass genommen haben, auch selbst Anträge zu stellen.
Es ist schön, dass wir das Thema auf dem Schirm haben. Nicht so schön ist, dass wir es unter falschen Vorzeichen diskutieren. Denn wenn Sie sozialen Wohnungsbau, Mietpreisbremse und solche Dinge anführen, dann ist das vielleicht kurzfristig eine Möglichkeit, Wohnraum zu verbilligen, es ist aber langfristig die Garantie, Wohnraum zu verknappen.
Wenn wir über Wohnungslosigkeit sprechen, sprechen wir nicht über die Frage, wie billig oder teuer Wohnungen sind, sondern wir sprechen in der Regel über die Frage, ob überhaupt ausreichend Wohnraum vorhanden ist. Das erreichen Sie mit diesen Themen, mit Marktverzerrungen nicht – im Gegenteil: Sie schaffen langfristig genau diese Probleme.
Etwas bizarr ist Ihr Thema in der Aktuellen Stunde deshalb, weil wir heute ausschließlich über Frauen diskutieren sollen. Nun haben Frauen in der Tat völlig andere Bedingungen in der Wohnungslosigkeit und müssen insofern zum Teil anders betreut werden, als es bei Männern der Fall ist.
Aber dasselbe könnte man über Senioren sagen, dasselbe könnte man über Kinder sagen, die im Übrigen rund 18 % der Wohnungslosen stellen, dasselbe könnte man über behinderte Wohnungslose, dasselbe könnte man über – Achtung – Männer sagen.
Es ist doch einfach nicht richtig, wenn Sie vortragen, es seien insbesondere Frauen ganz besonders schrecklich davon betroffen. Jeder individuelle Fall ist immer ein Drama.
Wenn Sie sich aber die Zahlen ansehen, dann sind 73,5 % der Wohnungslosen in Nordrhein-Westfalen, zumindest im Jahr 2016, männlichen Geschlechts, weil es eben nicht nur um häusliche Gewalt geht, weil es nicht nur um Scheidungsfolgen geht, sondern weil es zum Beispiel um Drogen- und Alkoholkonsum geht, um gesundheitliche Fragen, von denen Männer in deutlich stärkerem Maße als Frauen betroffen sind.
Dass Sie das an dieser Stelle aus dem Blick nehmen, meine Damen und Herren von der SPD, finde ich eben nicht in Ordnung. Es reicht nicht, den Blick auf die Frauen zu richten. Denn in dem Moment, wo Sie das einseitig tun, vergessen Sie dabei immer ganz
andere Zielgruppen, und das sollten wir in dieser Frage, die höchst individuelle Schicksale mit sich bringt, nicht tun. – Herzlichen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Antrag, der der heutigen Aktuellen Stunde zugrunde liegt, verwebt drei Themen miteinander:
Der Titel lässt darauf schließen, dass es um die Wohnungslosigkeit von Frauen geht. Im Inhalt wird dann zentral eine vermeintliche Kürzung der öffentlichen Wohnraumfördermittel für den Zeitraum 2018 bis 2022, die Sie immer wieder behaupten, kritisiert. Drittens werden letztlich die Kapazitäten der Frauenhäuser in Nordrhein-Westfalen thematisiert.
2016 in Nordrhein-Westfalen weist aus, dass zum Stichtag 30. Juni insgesamt 25.045 Personen in Nordrhein-Westfalen von den Kommunen und von Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe in freier Trägerschaft als wohnungslos gemeldet wurden. Die Zahl der erfassten wohnungslosen Personen ist damit gegenüber dem Vorjahr, der letztmaligen Erfassung 2015, deutlich gestiegen.
Auf Nachfrage gaben damals viele Kommunen an, dass der Anstieg auf die gestiegene Zahl der anerkannten Asylbewerberinnen und -bewerber zurückzuführen ist, die die Asylunterkünfte verlassen müssen und auf einem angespannten Wohnungsmarkt im unteren Preissegment keine bezahlbare Wohnung finden.
Die Zahlen bei den Wohnungslosen bzw. von Wohnungslosigkeit bedrohten Frauen haben sich wie folgt entwickelt, was ich Ihnen zur Einordnung einmal vortrage: Bei den ordnungsrechtlich untergebrachten Personen hat sich der Frauenanteil kaum verändert. Im Jahr 2015 lag er bei 37,6 %, im Jahr 2016 bei 37,7 %. Das ist eine Veränderung um 0,1 Prozentpunkte.
Auch bei den freien Trägern lagen die Frauenquoten 2015 und 2016 auf einem ähnlichen Niveau: Hier waren 2015 17,4 % und 2016 17,7 % zu verzeichnen.
Frau Paul, Sie haben auf einen Vergleich mit dem Jahr 2011 hingewiesen. Der greift insofern nicht – und das wissen Sie auch, weil dieser Vergleich unredlich ist –, da die Wohnungslosenstatistik geändert wurde. Selbst in allen Berichten, die damals in Ihrer Regierungsverantwortung herausgegeben wurden,
Schauen wir uns die Art der Unterkunft an. Die Kommunen führen aus, dass knapp 85 % der wohnungslosen Personen in Obdachlosenunterkünften oder sonstigen Unterkünften untergebracht waren. Die weiteren 15 % waren in Normalwohnungen durch die kommunale Seite untergebracht worden.
Bei den freien Trägern der Wohnungslosenhilfe sieht es wie folgt aus: Die Auswertung nach der Art der Unterbringung zeigt, dass die von den freien Trägern gemeldeten wohnungslosen Personen am häufigsten bei Bekannten untergekommen waren, nämlich in 35 % der Fälle.