Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! In kollegialer Verbundenheit freue ich mich für den Kollegen Bell, wenn er hier mit geradezu diebischer Freude seinen Redebeitrag zu dem Antrag vortragen kann. Ich weiß auch, dass er über dieses Thema gerne debattiert. Trotzdem wird das nichts daran ändern, wann die Landesregierung in dieser Frage entscheidet, denn für uns geht all dem tatsächlich eine saubere Analyse voraus.
Für uns sind Studienbeiträge kein Selbstzweck, sondern ein Beitrag zur besseren, zur auskömmlichen Finanzierung unseres Hochschulsystems. Das Geld muss da ankommen, wo es hingehört, nämlich bei unseren Hochschulen.
Die Studierendenzahlen sind in den letzten Jahren massiv gestiegen, allein an den Universitäten um 30 %. Wir hatten viele zusätzliche Mittel – übrigens auch Hochschulpaktmittel –, aber der Mittelaufwuchs hält mit den Studierendenzahlen gerade so Schritt. Zusätzliche Qualität kann man dafür nicht organisieren.
Der Punkt ist: Da Sie wieder einen grundsätzlichen Ausschluss aller Studienbeitragsmodelle in Ihren Antrag geschrieben haben, möchte ich noch einmal aus unserer Ausschussanhörung zum Gesetzentwurf zitieren. Die Landesrektorenkonferenz hat zum Beispiel gesagt:
Das Zentrum für Hochschulentwicklung möchte keinen apodiktischen Ausschluss von Studienbeiträgen haben. Insofern sind die Experten da schon wieder nicht ganz auf Ihrer Seite.
Sie haben die Studiengebühren in Nordrhein-Westfalen abgeschafft und Qualitätsverbesserungsmittel – 249 Millionen € – eingeführt. Seitdem sind die Studierendenzahlen aber weiter massiv gestiegen.
(Rüdiger Weiß [SPD]: Das sagten Sie bereits! Das heißt, pro Kopf, pro Studierendem ist heute we- niger Geld im System. Genau deswegen denken wir darüber nach, wie wir weitere Modelle schaffen kön- nen – neben dem Landeshaushalt, über den wir zu- sätzliche Mittel ins System bringen können –, um auch zusätzliche Qualität zu generieren. (Beifall von der FDP)
Und ja, erste Zahlen aus Baden-Württemberg liegen vor; das haben Sie eben auch dargestellt. Ich will gleich darauf eingehen.
Es gibt weitere gute Gründe, für eine Beteiligung internationaler Studierender an unserem Hochschulsystem zu werben; denn im internationalen Vergleich sind Studienbeitragsmodelle absolut üblich.
Es gibt – auch in der Hochschullandschaft – Bedenken gegenüber dem gesamten Modell. Diese haben wir zur Kenntnis genommen und schauen uns auch deswegen das Vorbild Baden-Württembergs jetzt ganz genau an. Neben der Senkung der Zahlen um 21 % sind da durchaus weitere Fragen relevant, beispielsweise: Für welche Nationalitäten sind denn die Zahlen so rückläufig? Steigen sie eventuell bei anderen auch wieder? An welchen Hochschulen, an welchen Hochschultypen sind die Zahlen rückläufig, und wenn ja, für welche Studiengänge?
Und vor allem: Die Befreiungsquote von 50 %, Kollege Bell, die Sie anführen, ist nur vorläufig. Das sagt das Wissenschaftsministerium in Baden-Württemberg auch ganz deutlich.
Wir wissen aus internationalen Erfahrungen: Nach Einführung von Gebührensystemen für internationale Studierende sinken die Studierendenzahlen zunächst immer, erreichen aber in aller Regel anschließend wieder das vorherige Niveau.
All diese Fragen werden derzeit in Baden-Württemberg umfassend analysiert. Wir werden uns die Ergebnisse sehr genau anschauen, aber dafür bedarf es der entsprechenden Zeit. Ich weiß nicht, ob die Grünen schon weitere Erkenntnisse haben; es ist ja eine grüne Wissenschaftsministerin. Es ist ein grünes Wissenschaftsministerium, das dieses Modell eingeführt hat: diese schlimmen diskriminierenden, den internationalen Hochschulraum abschottenden – wie Sie das immer nennen – Gebühren. Das sind Grüne, die das da machen.
Vielleicht haben Sie ja – ich könnte mir das vorstellen – über die Zusammenarbeit auf einem Bundesparteitag schon mehr Erfahrungen aus Baden-Württemberg? Dann freue ich mich, wenn Sie uns diese Details gleich noch mitteilen.
Selbst der dritte Gesetzentwurf, der sich mit dem Thema befasst – ich weiß, das drängt Sie –, weist auf eine gewisse Nervosität bei der SPD-Fraktion hin; ich kann das angesichts Ihrer derzeitigen Umfragewerte auch verstehen.
Wir aber werden uns in Ruhe damit beschäftigen, denn das genau unterscheidet uns von der Vorgängerregierung: dass wir Dinge, die wir mal verabredet haben, nicht einfach durchboxen, sondern uns das Ganz vorher genau anschauen. Das hätten Sie beim vorigen Thema, bei der Inklusion, auch tun können. Da haben Ihnen alle Experten gesagt, dass Sie das so nicht machen können. Sie haben es genau so gemacht – und genau diese Art und Weise unterscheidet Sie von uns.
Wir werden uns mit diesem Thema in Ruhe beschäftigen und arbeiten weiter daran, dass unsere großartige Hochschullandschaft in Nordrhein-Westfalen in Zukunft noch besser wird. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Körner. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht der Abgeordnete BolteRichter.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Lieber Moritz Körner, sehr gerne gehe ich auf das ein, was NordrheinWestfalen und Baden-Württemberg unterscheidet – abgesehen davon, dass wir in Ihrem Redebeitrag heute klar erkannt haben, dass es Ihnen nicht um das Baden-Württemberg-Modell geht, sondern dass die FDP am liebsten allgemeine Studiengebühren hätte, wie sie sie schon einmal eingeführt hat.
Man muss auch sagen: Es gibt einen klaren Unterschied zwischen dem, was Sie hier in NordrheinWestfalen machen, und dem, was Baden-Württemberg macht.
Dass wir das Modell der Ausländerstudiengebühren in Baden-Württemberg für falsch halten, haben wir zu allen Zeiten klargemacht.
Aber Sie dürfen sehr gerne zur Kenntnis nehmen, dass es noch einen weiteren gewichtigen Unterschied gibt, nämlich: Baden-Württemberg erhöht die Grundfinanzierung seiner Hochschulen jährlich um 3 % bis 4 %. Das tun Sie nicht, lieber Kollege Körner; das tun Sie nicht, meine Damen und Herren von CDU und FDP.
Die Einnahmen aus diesen Ausländerstudiengebühren sind also in Baden-Württemberg nicht das Einzige, was es für die Unis gibt, und das ist der Unter
schied. In NRW wird nicht viel mehr bei den Unis ankommen als die Einnahmen an Studiengebühren, wie sie der Kollege Bell eben vorgerechnet hat. Denn für die Unis in NRW gibt es nur diesen kleinen Betrag aus Studiengebühren, aber keine Erhöhung der Grundfinanzierung.
Es gibt keine Steigerung der Grundfinanzierung, es gibt keine Dynamisierung der Qualitätsverbesserungsmittel, und es gibt keine Verbesserung der Betreuungsrelation: Nichts von alledem, was Sie in Ihrer Oppositionszeit versprochen haben, kommt unter Ihrer Regierung.
Lassen Sie mich noch einmal klarstellen: Studiengebühren sind – das haben wir Grüne in NordrheinWestfalen immer betont – ein Irrweg. Das gilt vor dem Studium, nach dem Studium und während des Studiums, und das gilt für einzelne Gruppen sowie für die Allgemeinheit. Sie sind ein Irrweg, und deshalb war für uns in der rot-grünen Koalition die einzige Option, Studiengebühren abzuschaffen.
Ich finde es spannend, was wir hier seit einem Jahr, seitdem der Koalitionsvertrag von Schwarz-Gelb vorliegt, von allen Rednern in den Debatten immer wieder hören – ob gestern zum „Studigängelungsgesetz“ oder heute zu den Studiengebühren. Wir stehen immer hier und debattieren über das, was Sie vorhaben, und über das, was aus Ihrem Haus kommt, und dann sagen die Koalitionsredner an diesem Pult: Ach, wir müssen mal schauen, wir müssen mal prüfen, wir müssen mal sehen. Vielleicht war das Wetter in Baden-Württemberg im Wintersemester nicht so gut.
Beenden Sie doch endlich dieses Schauspiel. Sagen Sie: Das Modell, wie Baden-Württemberg es gefahren hat, haben wir uns angeschaut. Das funktioniert nicht, es schreckt die Leute vom Studium ab. Deswegen beerdigen wir dieses bürokratische Monstrum.
Alle Zahlen sprechen nämlich gegen Ihr Vorhaben. Das Statistische Landesamt Baden-Württemberg meldete am 8. Mai:
„Trendwende bei den Studierendenzahlen … Weniger Bildungsausländerinnen und -ausländer nach Einführung von Studiengebühren … Gegenüber dem Wintersemester 2016/2017 sank die Anzahl … um 21 %“.
Das ist die Zahl, auf die Sie immer warten wollten, die Sie immer prüfen und sich anschauen wollten.
Wenn man die Zahlen genauer betrachtet, sieht man auch, was für Disruptionen Ihre Pläne in NRW auch auslösen könnten. Es gibt in Baden-Württemberg fast keine Neueinschreibungen von Studierenden
aus Afrika mehr, und es gibt deutlich weniger Studierende aus Asien. Die Studiengebühren in BadenWürttemberg führen dazu, dass künftig vorrangig das Geld darüber entscheidet, wer aus dem Nicht-EUAusland in Baden-Württemberg studieren kann, und das ist kein Modell für unser Land, meine Damen und Herren.
Diese Zahlen zeigen ganz klar: Studiengebühren für Nicht-EU-Bürgerinnen schrecken Talente vom Studium in NRW ab. Sie passen nicht zu einer weltoffenen Hochschulkultur. Sie sind unausgegoren, unsozial, diskriminierend, und sie schaden den Internationalisierungsbemühungen am Hochschulstandort
Man dachte immer, die Ausländermaut auf den Autobahnen, die Herr Dobrindt in den letzten Jahren vorangetrieben hat, sei die größte bürokratische Schnapsidee dieses Jahrzehnts. Aber Sie sind gerade dabei – das zeigen alle Zahlen –, ihm diese Trophäe abzunehmen.
Lassen Sie es also bleiben. Die fiskalische Situation ist eine deutlich einfachere als zu der Zeit, in der wir die Studiengebühren abgeschafft haben. Überzeugen Sie den Finanzminister endlich, dass von seinen Überschüssen auch einmal etwas im Wissenschaftsetat ankommen muss. Wenn diese Zahlen Sie nicht überzeugen können, dann hören Sie auf die gesellschaftlich relevanten Gruppen. Das raten wir Ihnen auch immer wieder.