Protokoll der Sitzung vom 12.07.2017

Vielen Dank, Herr Kollege Körfges. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der FDP der Abgeordnete Mangen das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Zunächst richte ich mich an die Fraktion der Grünen: Ja, wir werden unser Wort halten. Das können wir aber auch tun, ohne diesem Antrag zuzustimmen. Es reicht dafür schlicht und ergreifend ein Blick ins Gesetz.

Die Herstellung und Wahrung der Balance zwischen Freiheit und Sicherheit stellt stets aus Neue eine große Herausforderung dar, insbesondere in Zeiten des internationalen Terrorismus. Das erfordert allerdings, einen differenzierten Blick auf Rechtsänderungen zu werfen, die nicht nur der Verfolgung terroristisch motivierter Straftaten dienen, sondern vor allem dem technischen Wandel Rechnung tragen. Dem wird der Antrag der Grünen in seiner Pauschalität in keiner Weise gerecht.

Die vom Bundesgesetzgeber avisierten Änderungen der Strafprozessordnung betreffen zunächst einmal die sogenannte Quellentelekommunikationsüberwachung; das ist die Überwachung in der Regel verschlüsselter Kommunikation über das Internet durch Ausleitung von Endgeräten. Gerade Messengerdienste bilden hierfür ein Beispiel.

Eine ganze Reihe von Fachgerichten und letztlich auch das Bundesverfassungsgericht haben eine Anwendung des § 100a StPO als Rechtsgrundlage für die sogenannte Quellen-TKÜ für rechtlich bzw. verfassungsrechtlich möglich erachtet.

Der Bundesgesetzgeber schafft insofern lediglich eine ausdrückliche und damit präzisere Rechtsgrundlage für diese schon seit Jahren praktizierte Art der Ermittlungsmaßnahme, die gerade mit Rücksicht auf technische Schutzvorkehrungen, Kernbereichsschutz und Richtervorbehalt den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen dürfte. Ein Anlass für eine nordrhein-westfälische Intervention ist insoweit kaum zu erkennen.

Anders liegt es bei der Onlinedurchsuchung, die durch den neuen § 100b StPO doch sehr stark ausgeweitet wird. Der zugehörige Deliktskatalog beschränkt sich nämlich nicht auf spezifische Terrorismusstraftaten, sondern umfasst allerlei Delikte, die nicht notwendigerweise mit der Vorbereitung terroristischer Gewaltakte im Zusammenhang stehen müssen. Zudem begründet die Onlinedurchsuchung einen besonders intensiven Eingriff in das Grundrecht auf Wahrung der Integrität und Vertraulichkeit informationstechnischer Systeme. Anders als bei der Quellen-TKÜ werden hier gleich ganze Datenträger durchsucht und ihre Inhalte ausgeleitet.

Angesichts der strengen Grenzen, die das Bundesverfassungsgericht der Onlinedurchsuchung zu Recht gesetzt hat, erscheinen die diesbezüglichen Änderungen des Bundesrechts aus unserer Sicht ausnehmend bedenklich. Dennoch besteht kein Anlass, Ihrem Antrag heute zuzustimmen.

In Nordrhein-Westfalen existiert gegenwärtig keine landesrechtliche Rechtsgrundlage für die Onlinedurchsuchung. Das nordrhein-westfälische Verfassungsschutzgesetz schließt diese im § 5 Abs. 2 Nr. 11 sogar ausdrücklich aus. Ich empfehle insofern die Lektüre des Gesetzes.

Aus unserer Sicht gibt es andere und effektivere Wege, die Wirksamkeit präventiv-polizeilicher Arbeit gerade in der Terrorismusbekämpfung zu erhöhen. Mehr Polizeibeamte mit klarem Aufgabenprofil sind der erste Schritt in diese Richtung. Der Ausbau technischer Infrastruktur und die Ausbildung von Polizistinnen und Polizisten, die mit diesen umzugehen wissen, bieten einen weiteren Ansatz.

Notwendig – und das hat gerade der Fall des Attentäters vom Berliner Breitscheidplatz gezeigt – erscheinen allerdings in erster Linie nicht immer neue Rechtsgrundlagen und Eingriffsbefugnisse, sondern ein besserer und effektiverer Informationsaustausch zwischen den beteiligten Behörden.

Viele Informationen sind im Rahmen der Terrorismusbekämpfung bereits mit den bestehenden Rechtsgrundlagen verfügbar. Wenn aber niemand

da ist, der diese Informationen auswertet oder an andere Stellen weiterleitet, dann hilft auch die weitestreichende Eingriffsbefugnis nicht weiter.

Deswegen haben CDU und FDP in Rahmen der Nordrhein-Westfalen-Koalition verabredet, gerade diesen Bereich zu einem ihrer Schwerpunkte zu machen, um den wechselseitigen Informationsaustausch auf eine neue Grundlage zu stellen. Ich lade Sie ein, daran mitzuarbeiten. Ihrem Antrag müssen wir unsere Zustimmung indes verweigern. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Mangen. Einen herzlichen Glückwunsch zu Ihrer ersten Rede im Hohen Haus. – Als Nächster hat das Wort – ebenfalls zu seiner ersten Rede, wenn ich richtig informiert bin – der Abgeordnete Tritschler von der Fraktion der AfD.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Für die AfD ist die Verteidigung unserer bürgerlichen Freiheiten ein wichtiges Anliegen. Das Bundesverfassungsgericht urteilte bereits 2008 zur Einführung der Onlinedurchsuchung im nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzgesetz, dass es als Ausfluss aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht auch ein Grundrecht auf die Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme gibt.

Was es ebenfalls innerhalb unserer Rechtsordnung gibt, ist das Recht unserer Bürger auf Sicherheit, und davon abgeleitet die staatliche Aufgabe, effektiv Straftaten zu verhindern und zu bestrafen. Die durch den Bundestag vor Kurzem stark ausgeweitete Quellentelekommunikationsüberwachung ist ein gutes Beispiel dafür, wie schwierig es ist, Sicherheit und Freiheit in eine vernünftige Balance zu bringen. Wenn es beispielsweise darum ginge, unsere Polizei finanziell, materiell und personell zu stützen, werden Sie in uns immer starke Fürsprecher von Recht und Ordnung erleben.

Unsere liberalen Wurzeln gebieten uns aber auch, den billig und gerecht denkenden Bürger vor zu viel staatlicher Kontrolle zu schützen. Insofern kommen wir hier nach einer sorgfältigen Abwägung zu dem Ergebnis, dass die Kritik der Grünen an der Ausweitung der Quellen-TKÜ gerechtfertigt ist.

Zunächst einmal ergeben sich verfassungsrechtliche Bedenken gegen die vom Bundestag beschlossene Ausweitung der Onlinedurchsuchung. Das Bundesverfassungsgericht hat klar und meiner Meinung nach richtig geurteilt, dass Eingriffe in das IT

Grundrecht nur bei Gefährdung überragend wichtiger Rechtsgüter wie Leib, Leben und Gesundheit von Menschen gerechtfertigt ist.

Insofern wirkt es schon extrem befremdlich, dass der Bundesgesetzgeber die Quellen-TKÜ in Zukunft selbst bei Delikten wie Urkundenfälschung und Sportwettbetrug zulassen möchte.

Betrachten Sie es einmal so: Ob meine Korrespondenz zu Hause nun auf dem Schreibtisch liegt und bei einer Hausdurchsuchung beschlagnahmt wird oder ob einer meiner verschlüsselten WhatsApp-Chats ausgelesen wird, nachdem ein Trojaner auf mein Mobiltelefon geladen wurde, unterscheidet sich in der Eingriffsintensität meiner Meinung nach überhaupt nicht. Eher wiegt die Onlinedurchsuchung noch schwerer als die Hausdurchsuchung, weil ich über Erstere nicht einmal informiert werden muss. Mich würde es deshalb wundern, wenn das Bundesverfassungsgericht die Ausweitung der Quellen-TKÜ in dieser Form abnicken würde.

Wir wissen natürlich, dass mit der Digitalisierung in nahezu allen Lebensbereichen Instrumente wie die Quellen-TKÜ auch einen Beitrag zur Modernisierung der Kriminalitäts- und Terrorismusbekämpfung leisten. Das ist uns als junger und internetaffiner Partei – anders als zum Beispiel der CDU – durchaus bekannt. Für diese stellt das Internet bekanntlich Neuland dar.

Berücksichtigt werden muss aber auch die Relevanz der Quellen-TKÜ für die Arbeit der Behörden. Laut Polizeilicher Kriminalstatistik wurden im Bundesgebiet 2016 gerade einmal 21 Straftaten gegen das Leben unter Verwendung des Tatmittels „Internet“ begangen. Bei Körperverletzungsdelikten waren es gerade einmal 317 Straftaten.

Auch die Neuland-CDU sollte begreifen, dass die überwältigende Mehrheit der Straftaten gegen Leib und Leben nicht einmal ansatzweise hierdurch zu stoppen wäre. Am wirkungsvollsten für die Kriminalitäts- und Terrorismusbekämpfung sind eben nicht staatliche Überwachungsmaßnahmen, sondern der robuste Schutz unserer Staatsgrenzen und die Kontrolle darüber, wer hier bei uns einreisen und einwandern darf.

(Beifall von der AfD)

Wir haben gerade erst erlebt, wie innerhalb weniger Tage 673 gesuchte Personen bei Grenzkontrollen festgenommen wurden. Wie viele Kriminelle gondeln jetzt wieder völlig ungehindert durch Europa?

Liebe Kollegen von der FDP, es ist wieder einmal bezeichnend, dass Sie jetzt den Antrag ablehnen. Das ist das klassische liberale Schema. Sobald der Dienstwagen vor der Tür steht, ist der Liberalismus abgemeldet.

(Beifall von der AfD)

Kurzum, die AfD wird dem Antrag zustimmen, auch wenn es uns gewisse Schmerzen bereitet, dass die Grünen in ihrer Verklemmtheit wieder einmal angestrengt von „Bevölkerung“ sprechen. Wir jedenfalls stimmen dem Antrag zum Wohl des deutschen Volkes zu. – Danke.

(Beifall von der AfD)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Tritschler. Auch Ihnen Gratulation zur ersten Rede. – Nun hat für die Landesregierung Minister Biesenbach das Wort. Bitte schön, Herr Minister.

Frau Präsidentin, verehrte Damen und Herren! Der Deutsche Bundestag hat am 22. Juni dieses Jahres das Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens beschlossen. Das, Herr Bolte, ist nahezu das Einzige, was an Ihren Ausführungen wirklich richtig war.

Der Bundesrat hat am vergangenen Freitag bei nur einer Gegenstimme, also nahezu einstimmig, dieses Gesetz beschlossen. Jeder weiß, wie der Bundesrat besetzt war. Unter anderem enthält das Gesetz auch die Regelung der sogenannten Quellentelekommunikationsüberwachung und die Einführung der Onlinedurchsuchung in der Strafprozessordnung.

Der Antrag der Grünen – dazu passen ihre Ausführungen – sieht wegen dieses Gesetzes nun nicht allein die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger in Nordrhein-Westfalen, sondern gleich den ganzen Digital- und Wirtschaftsstandort gefährdet. Bei aller gebotenen Zurückhaltung: Das ist natürlich Unsinn. – Weder die Onlinedurchsuchung noch die QuellenTKÜ sind grundlegende Neuerungen. Die Onlinedurchsuchung gibt es längst in § 20k des BKAGesetzes – und das mit dem ausdrücklichen Segen des Bundesverfassungsgerichts.

Auch die Quellen-TKÜ gibt es seit Jahren. Instanzgerichte ordnen sie an, weil sie der Ansicht sind, die bewährten Befugnisse in der StPO zum Überwachen der Telekommunikation umfassten auch softwarebasierte Kommunikation. Um es einfacher auszudrücken: Es kann keinen Unterschied machen, ob sich organisierte Banden per SMS oder per WhatsApp koordinieren. Der Rechtsstaat kann sich nicht taub stellen, nur weil sich Drogenhändler nicht mehr mit dem Handy absprechen, sondern über Skype.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

In jedem Fall – und das will ich hier ganz deutlich klarstellen – geht es um die Überwachung von Telekommunikation zur Aufklärung von Verbrechen; denn gerade organisierte und terroristische Tätergruppen nutzen die moderne Informationstechnik und -verschlüsselung ganz gezielt zur Anbahnung

und Pflege von Kontakten sowie zur Planung und Durchführung schwerster Straftaten.

Deshalb – und allein deshalb – hat die Expertenkommission zur StPO-Reform im Bundesministerium der Justiz, in der übrigens auch prominente Strafverteidiger mitgearbeitet haben, einstimmig empfohlen, den Eingriff der Ermittler in die Integrität informationstechnischer Systeme auf eine klare Rechtsgrundlage zu stellen, auch und gerade um Grundrechtsstandards zu gewährleisten.

Solche Standards gibt es jetzt mit dem verabschiedeten Gesetz in der Form von strengen Protokollierungspflichten, Verwertungsverboten zum Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung und zum Schutz von Berufsgeheimnisträgern durch einen strengen Richtervorbehalt. Die Behauptung, damit werde der massenhaften Ausspähung der Bürgerinnen und Bürger durch einen grenzenlosen Überwachungsstaat Tür und Tor geöffnet, ist schlicht und ergreifend eine Irreführung der Öffentlichkeit.

Den NRW-Trojaner, vor dem Sie hier warnen, gibt es nicht. In jedem Einzelfall ist eine dafür programmierte spezielle Software auf ein einzelnes Endgerät aufzubringen. Das stellt die Sicherheitsbehörden in jedem Einzelfall vor besondere logistische und technische Herausforderungen und ist regelmäßig mit hohem Aufwand verbunden. Schon das setzt jedem unverhältnismäßigen Einsatz verlässliche Grenzen.

Ich hätte mir wirklich gewünscht – und da stimme ich mit Herrn Kollegen Körfges überein –, dass wir noch etwas Zeit für ein wenig Feinschliff gehabt hätten. Wir verfügen in Nordrhein-Westfalen über erstklassige Experten im Bereich digitaler Ermittlungen. Diesen Feinschliff gilt es nun nachzuholen. So verdient beispielsweise der journalistische Quellenschutz unser Augenmerk. Sicherheitslücken in IT-Systemen können im Interesse verlässlicher IT-Strukturen für den Alltag der Bürgerinnen und Bürger nicht nach Belieben offengelassen werden.

All das verdient eine sachkundige Prüfung, der sich die Fachleute in den Justiz- und Innenressorts der Bundesländer längst widmen. Dazu gibt es Untersuchungen, und dazu gibt es anschließend auch Analyseergebnisse.

Wir brauchen dazu auch belastbare Zahlen, und die werden wir nun bekommen, weil das Gesetz engmaschig evaluiert werden wird. Es muss und wird eine sorgsame Balance zwischen Freiheit und Sicherheit gefunden werden. Wir werden daran intensiv mitarbeiten.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Minister. – Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, weitere Wortmeldungen liegen mir – auch bei einem Blick in die Runde – nicht

vor, sodass wir am Schluss der Aussprache sind und zur Abstimmung kommen können.

Die antragstellende Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen hat direkte Abstimmung beantragt. Ich stelle daher den Inhalt des Antrags Drucksache 17/71 zur Abstimmung. Wer dem Inhalt des Antrags zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die anwesenden Abgeordneten der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sowie die Abgeordneten der AfD. Dann frage ich, wer gegen den Antrag ist. – Das sind die Abgeordneten der Fraktion der CDU, der Fraktion der SPD und der Fraktion der FDP. Gibt es Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist der Antrag Drucksache 17/71 mit dem gerade mitgeteilten Ergebnis abgelehnt.

Wir kommen damit zu: