„Einmischung ist die einzige Möglichkeit, realistisch zu bleiben“, hat Heinrich Böll gesagt, der in diesem Jahr 100 Jahre alt geworden wäre.
Ich bin dankbar dafür, dass ich die Gelegenheit hatte, mich 22 Jahre lang aktiv in die Landespolitik Nordrhein-Westfalens einmischen zu können und sie intensiv mitzugestalten. Es war eine reiche Zeit mit Höhen, aber auch mit Tiefen.
Die mir gegebenen Ämter konnte ich nur ausfüllen, weil mich dabei sehr viele Menschen mit sehr viel Vertrauen und großem Engagement unterstützt haben. Der Loyalste – Herr Laschet hat das für sich persönlich auch erzählt – und der Kritischste war natürlich mein Mann. Daneben erwähne ich die grüne Partei und die grüne Fraktion, deren Vorsitzende ich zehn Jahre lang war, die rot-grünen Koalitionen, die wir gemeinsam gestaltet haben, auch in unterschiedlichen Rollen, und – das möchte ich ausdrücklich unterstreichen – die vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Schulministeriums, die mich in den letzten sieben Jahren wirklich sehr gut begleitet haben. Ich danke auch der Opposition, die mich in den letzten sieben Jahren ordentlich herausgefordert hat. Auch diesen Herausforderungen habe ich mich sehr gerne gestellt. – Vielen Dank und Ihnen alles Gute!
Vielen Dank, Frau Kollegin Löhrmann. – Das war Ihre letzte Rede vor dem Plenum dieses Landtags, von dem Sie sich nunmehr verabschiedet haben.
22 Jahre haben Sie die nordrhein-westfälische Landespolitik an entscheidenden Stellen mitgeprägt. Sie haben als Parlamentarische Geschäftsführerin und Fraktionsvorsitzende in diesem Haus gewirkt. Sie haben in der Regierung und in der Opposition Verantwortung getragen, zuletzt als Ministerin für Schule und Weiterbildung sowie stellvertretende Ministerpräsidentin. Wir alle haben Sie stets streitbar in Sachthemen, aber immer respektvoll im persönlichen Umgang erlebt. Dafür danke ich Ihnen im Namen des Hohen Hauses sehr herzlich.
Ob in Fragen der Bildungsgerechtigkeit, der Gleichstellung, der Erinnerungskultur oder der Stärkung kommunaler Anliegen: Wichtig war Ihnen stets ein Grundkonsens, dass die Wahrung unserer parlamentarischen Demokratie immer auch unseres dauernden persönlichen Einsatzes bedarf. Deshalb haben Sie in Fragen der Förderung des gesellschaftlichen Zusammenhalts nachdrücklich auf das Zustandekommen parlamentarischer Mehrheiten hingearbeitet.
Wir wünschen Ihnen für den nun beginnenden neuen Lebensabschnitt nach der aktiven Landespolitik Erfolg und Freude bei all Ihrem Tun, das dann sicherlich auch wieder etwas stärker selbstbestimmt sein wird, und natürlich an erster Stelle Gesundheit und Gottes Segen. – Danke und alles Gute für Sie!
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich darf dann in der Reihenfolge der Rednerliste fortfahren und Herrn Dr. Nacke für die CDU-Fraktion um seinen Wortbeitrag bitten. Zuvor möchte ich noch darauf hinweisen, dass Frau Löhrmann ihre Redezeit etwas überzogen
hat. Das ist bei letzten Reden üblich. Wir werden daher auch den folgenden Rednern bei Bedarf etwas mehr Zeit zugestehen. – Bitte schön.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Lehre dieser Tage ist, dass es politisch gesehen keine Selbstverständlichkeiten gibt. Das gilt nicht nur in Bezug auf die Entwicklung der Rechtsstaatlichkeit einiger EU-Nachbarländer oder NATO-Partner.
Insbesondere das vergangene Wochenende hat uns brutal vor Augen geführt, wie unter dem Deckmantel des politischen Protestes gegen den G20-Gipfel in Hamburg das Gewaltmonopol des Staates durch linksautonome Chaoten massiv infrage gestellt wurde.
Die Erfahrungen eines staatlichen Kontrollverlustes in Hamburg wie auch in der Kölner Silvesternacht oder angesichts des rechtsextremistischen Terrors in Freital erschüttern das Vertrauen der Bürger in die Handlungsfähigkeit unserer demokratischen Grundordnung.
Die wirksame Garantie innerer und äußerer Sicherheit ist also die erste Grundbedingung für das Vertrauen in Demokratie und Rechtsstaat. Dafür haben wir als Landesparlament zuallererst zu sorgen. Verunsicherung schafft Ängste. Wer aus politischem Kalkül mit den Emotionen der Bürger spielt, Debatten populistisch anheizt, Fakten verdreht, Verschwörungstheorien spinnt und Ängste gegen Fremde schürt, nutzt die ihm anvertrauten demokratischen Rechte, um Demokratie selbst infrage zu stellen. Demokratie ist immer fragil und höchst voraussetzungsvoll. Es ist die Aufgabe, möglichst alle als Demokraten zu gewinnen.
Demokratie ist dabei zunächst eine Frage individuellpersönlicher Haltung. Es geht um die Aufrichtigkeit und Urteilsfähigkeit, mit der Debatten geführt werden müssen. Nur so gibt es eine gemeinsame Sachgrundlage, auf deren Basis Alternativen argumentativ verhandelt werden können.
Problematisch ist es, wenn in der Politik anstatt von Kompromissen von Deals gesprochen wird. Schließlich geht es darum, von den eigenen Interessen zugunsten eines gemeinsamen Gemeinwohls abstrahieren zu können.
Demokraten benötigen Empathie, um sich in die Situation der jeweils anderen hineinzuversetzen. Sie benötigen außerdem die Fähigkeit zur Toleranz, bei der zugunsten eines umfassenden Ganzen bis zu einem bestimmten Grade Nichtübereinstimmung ausgehalten werden kann.
Nicht zuletzt geht es um Selbstbewusstsein und Mut, seine eigene Meinung auch gegen Anfechtungen zu vertreten und zu begründen.
Demokratie ist dann eine Frage gesellschaftlich eingeübter Kultur. Demokraten handeln politisch auf der Basis der Erfahrung gelungener demokratischer Praxis. Die politischen Formen demokratischer Auseinandersetzungen wurden mühsam entwickelt und sind eine kulturelle Errungenschaft. Wer aus der Geschichte nicht lernt, wird sie schmerzvoll wiederholen.
Natürlich ist Demokratie eine Frage politischer Strukturen und Funktionen. Die parlamentarische Demokratie muss ihre Bürgernähe demonstrieren. Dabei geht es um die spürbare Leistungsfähigkeit und Problemlösungskompetenz der verschiedenen politischen Ebenen von der Kommune vor Ort über Land und Bund bis hin zur Weltpolitik.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit dem Haus der Parlamentsgeschichte, das wir nicht zuletzt der Initiative unseres ehemaligen Landtagspräsidenten Eckhard Uhlenberg verdanken, mit dem Besucherdienst, der Tausende Menschen aus unseren Wahlkreisen mit diesem Hohen Haus bekannt macht, mit dem neuen Besucherzentrum, mit den unzähligen Praktikanten in den Fraktionen, den Abgeordnetenbüros und der Verwaltung und mit vielem anderen mehr bemühen wir uns um die Transparenz parlamentarischer Prozesse und um Bürgernähe.
Eine besondere Chance für die Stärkung der Demokratie liegt in unserer landespolitischen Verantwortung für die Bildungspolitik von der Kita über die Schule bis zur Erwachsenenbildung.
Wie können wir zukünftig für unseren föderalen Aufgabenbereich landespolitische Öffentlichkeit herstellen? Nutzen wir unsere Möglichkeiten in der Medienpolitik, und gibt es nicht weiteres Potenzial im Bereich von Social Media für das Anliegen der Stärkung von Demokratie? Wie begeistern wir Menschen, sich auch künftig für politische Ämter zur Verfügung zu stellen? Lässt sich das Bemühen um eine Stärkung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in eine Ideenwerkstatt delegieren, oder geht es nicht vielmehr darum, den politischen Alltag als Ganzes attraktiv zu machen, und das mit den Mitteln, die bereits zur Verfügung stehen?
Mit diesen Fragen müssen wir uns beschäftigen. Deswegen empfehle ich die Überweisung dieses Antrags an den Ausschuss. – Vielen Dank.
Elisabeth Müller-Witt (SPD) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der vorliegende Antrag bietet viele Anknüpfungspunkte. Er greift einerseits eine berechtigte Sorge auf, die uns alle dieser Tage umtreibt.
Wir fragen uns: Was sind Rechtsstaatlichkeit und Demokratie heute noch wert, wenn so manche Regierung – leider auch in unseren europäischen Partnerländern – die Unabhängigkeit von Verfassungsgerichten gefährdet, die Medienfreiheit einschränkt und sich kaum von den Protesten ihrer eigenen Zivilgesellschaft oder den Mahnungen ihrer europäischen Partner beeindrucken lässt?
Der Antrag greift andererseits erneut eine Diskussion aus der 16. Wahlperiode auf: Was müssen wir tun, um gegenseitiges Verständnis zu fördern, wenn Geflüchtete bei uns wirklich ankommen sollen? Welche Notwendigkeiten ergeben sich für die aufnehmende Gesellschaft?
Diese Thematik hat an Aktualität bis heute nichts eingebüßt. Im Gegenteil! Aus gegebenem Anlass stellt sich die Frage, ob unsere Demokratie heute tatsächlich von allen in unserem Land lebenden Menschen 72 Jahre nach Ende der Naziherrschaft als eine der Grundfesten unseres Staates angenommen und gelebt wird oder ob sich Gleichgültigkeit und Ablehnung zunehmend breitgemacht haben. Die Anschläge auf Flüchtlingsheime, die zunehmende Zahl der sogenannten Reichsbürger und die grenzenlose Hetze im Netz sind Warnhinweise, dass unsere Werte offensichtlich von einem Teil der Bevölkerung weder akzeptiert noch gelebt werden.
Die Demokratie ist erst seit 1949 neben den anderen vier Verfassungsprinzipien einer der Grundpfeiler unseres Grundgesetzes. Daher kann man die berechtigte Frage stellen, ob es mit der Demokratievermittlung allein schon getan sein wird. Ist es nicht wichtiger, generell die Vermittlung der Grundwerte in den Mittelpunkt zu stellen?
Auch wir sehen die große Notwendigkeit, aufbauend auf dem Wertekanon und den Verfassungsprinzipien unseres Grundgesetzes die Rechte und Pflichten des Einzelnen in unserer Gesellschaft sowie das Selbstverständnis unseres Zusammenlebens in einer vielfältigen, offenen, freiheitlichen und sozialen Gesellschaft wachzuhalten und dort, wo es erforderlich ist, neu zu vermitteln.
Während Projekte und Maßnahmen zur Stärkung der Demokratie bzw. des Rechtsstaates lange Zeit dort ansetzten, wo Extremismus, zum Beispiel gewaltbereiter Salafismus, auf fruchtbaren Boden stießen, zeigt sich heute zunehmend die Notwendigkeit der allgemeinen Bewusstmachung der Grundlagen unserer demokratischen Gesellschaft. Es scheint, als wäre einem Teil der Menschen unseres Landes dieses Bewusstsein entweder abhandengekommen oder nie nachhaltig vermittelt worden.
Angesichts der Zunahme der zu uns geflüchteten Menschen in der jüngsten Vergangenheit bewiesen die Reaktionen in Teilen der Bevölkerung, dass bei ihnen ein weitgehendes Unwissen und Unverständnis über die Grundwerte vorherrscht.
Insofern ist die im Antrag gestellte Forderung nach einer „Ideenwerkstatt Demokratie und Rechtsstaat“ mit dem Ziel der Förderung einer demokratischen Grundhaltung sehr zu begrüßen, wenngleich sie nur als eine notwendige, aber nicht als eine hinreichende Maßnahme bezeichnet werden kann.
Dies beweisen die zahlreichen Initiativen des Projektes „Demokratie leben!“, die beispielsweise Demokratielandeszentren fördern, oder auch die hervorragende Arbeit unserer Landeszentrale für politische Bildung, die sich insbesondere die im Antrag geforderte Stärkung der demokratischen Grundhaltung zum Ziel gesetzt hat.
Dem Wunsch nach einer Unterstützung der bereits bestehenden Initiativen und Maßnahmen durch die Schaffung eines parlamentarischen Gremiums auf Landesebene im Sinne von § 62 der Geschäftsordnung des Landtages können wir durchaus etwas abgewinnen. Wir freuen uns deshalb zunächst auf die Diskussion im Ausschuss und hoffen, dass die gute Initiative konstruktiv aufgegriffen wird.
Zum Abschluss noch ein Wort an Sylvia Löhrmann: Liebe Sylvia Löhrmann, dies ist heute Ihre letzte Rede in diesem Plenum gewesen. Ich möchte mich im Namen meiner Fraktion ganz, ganz herzlich für die wunderbare Zusammenarbeit in den vergangenen 22 Jahren bedanken. Davon waren Sie sieben Jahre in der Verantwortung als Ministerin. Nochmals ganz herzlichen Dank. Sie haben insbesondere die Schulpolitik mit großem Engagement geprägt. Dafür gebührt Ihnen großer Dank und Respekt. Wir wünschen Ihnen für die Zukunft alles erdenklich Gute!
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Einleitend möchte ich meinem Bedauern Ausdruck verleihen, dass die im Antrag angesprochene Thematik nicht Gegenstand einer gemeinsamen parlamentarischen Initiative geworden ist. Aber das kann sich im weiteren Verfahren noch ergeben. Insofern ist das vielleicht der besonderen Situation geschuldet.
Der Antrag schildert Problemkreise, die die politische Debatte zu Beginn des 21. Jahrhunderts in der Tat nicht nur in Nordrhein-Westfalen, sondern auch in vielen anderen westlichen Demokratien kennzeichnen. Die Diskussionskultur hat sich verändert. Die allzeitige Verfügbarkeit neuer Medien für spontane schriftliche und mündliche Äußerungen – manchmal vielleicht auch als Ausdruck des Abbaus alltäglicher Aggressionen und Emotionen – in Gestalt politischer Debattenbeiträge ist festzustellen.
Es ist festzustellen, dass sich oftmals Hemmschwellen gegenüber schärfsten und manchmal vielleicht unbedachten, aber oftmals eben auch absichtsvoll beleidigenden Äußerungen aller Art im Internet abbauen. Diese Äußerungen setzen sich aber auch darüber hinaus fort und scheinen zunehmend Besitz von unserer Alltagswelt zu ergreifen.
Deswegen ist es sicherlich kein Zufall, dass zum Beispiel die Entwicklung und das Aufkommen und Erstarken populistischer Bewegungen in zahlreichen Industrienationen mit dieser neuen Art der Kommunikation korrelieren.
Der Landtag ist deshalb sicher gut beraten, wenn er sich diesen Schwierigkeiten durch eine konstruktive Diskussion und Debatte stellt. Allerdings bin ich auch der Überzeugung, dass jeder von uns in seinem Einflussspektrum durchaus darüber nachdenken kann, welchen Beitrag er selbst und in seiner eigenen Partei bewirken kann. Mit Negative-Campaigning werden wir gerade nicht dazu beitragen, ein positives Bild unserer Demokratie und unserer Lösungskompetenzen in einer parlamentarischen Demokratie zu zeichnen.