Wir brauchen Verlässlichkeit für unser Staatswesen und für die Hauptverwaltungsbeamtinnen und -beamten, die derzeit im Amt sind, aber auch für die zukünftigen Kandidatinnen und Kandidaten, die für das Amt der Landräte, Oberbürgermeister und Bürgermeister antreten wollen. Ich kann Sie nur auffordern: Sehen Sie von diesem Unsinn, von diesem politischen Irrsinn ab! – Herzlichen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Heute ist bundesweiter Vorlesetag. Dass die SPD sich mal wieder für die Kategorie „Märchen“ entschieden hat, haben wir gerade von Herrn Dahm deutlich gehört.
Als Lehrbeauftragter für Kommunalrecht beschäftige ich mich seit einigen Jahren auch mit Fragen des Kommunalwahlrechts und damit auch regelmäßig mit der Stichwahl in Nordrhein-Westfalen, die natürlich immer in der Diskussion ist.
Hören wir doch einmal auf den Bürger, der durch seine geringe Wahlbeteiligung bei den Stichwahlen bereits klargemacht hat, wie er zum doppelten Urnengang steht! Er hält die Stichwahl für überflüssig. Sie war auch nie eine Stärkung der Demokratie, sondern schon immer ein Beitrag zur Wahlmüdigkeit.
Ich erinnere mich noch gut an meine erste Kommunalwahl im Jahr 2004. Damals durfte ich zum ersten Mal selbst mitbestimmen, wer bei uns das höchste Amt im Kreis und in der Heimatgemeinde ausüben sollte.
(Zuruf von der SPD: Welchen Studenten er- zählen Sie das? Es ist gut, dass Sie es uns und nicht den Studenten erzählen!)
Bei der damaligen Kommunalwahl lag die Wahlbeteiligung der Bürgerinnen und Bürger NRW-weit bei 54,4 %. In gut einem Viertel der Kommunen wurde eine Stichwahl notwendig. Im zweiten Wahlgang lag die Wahlbeteiligung nur noch bei 38 %. Fast ein Drittel weniger Bürgerinnen und Bürger entschieden sich dafür, zur Urne zu gehen.
Damit haben die Wähler bereits 2004 deutlich gemacht, dass sie die Stichwahl nicht schätzen. Es war also folgerichtig, dass die schwarz-gelbe Landesregierung den Doppelurnengang im Jahr 2007 abschaffte.
Völlig uninteressiert, am Willen des Bürgers vorbei, führte die rot-grüne Minderheitsregierung 2011 die Stichwahl dann wieder ein. Es kam, wie es kommen musste: Bei den Wahlen der Bürgermeister und Landräte im Jahr 2014 beteiligten sich 51,9 % der Wahlberechtigten. Bei der Stichwahl waren es wiederum nur 36,7 %. Somit ging da ein Drittel weniger zur Urne.
Wir halten also fest: Sie stellen uns vor das gleiche Problem und haben selbst keinen Beitrag geleistet, um die Stichwahl irgendwie attraktiver zu machen oder die Wahlbeteiligung zu stärken. Die SPD verfährt anscheinend lieber nach dem Motto: Hauptsache, das Etikett sieht gut aus – wen interessiert schon der Inhalt?
Anders als beim Alkohol ist es aber so, dass die reine Prozentzahl nichts über die Stärke einer Wahlentscheidung aussagt.
Viel wichtiger als die reine Prozentzahl ist die Frage, wie viele Stimmen sich hinter denjenigen, die unseren Verwaltungen vorstehen, verbergen. Herr Dahm, Ihre Zahlen sind so nicht richtig. Oft führt die geringere Wahlbeteiligung dazu, dass auch die absoluten Stimmenzahlen für die Kandidaten in der Stichwahl deutlich niedriger sind.
Ich nenne nur ein Beispiel aus meinem Wahlkreis. Bei einer Wahl in der Hansestadt Soest erhielt der Bürgermeister im ersten Wahlgang 9.653 Stimmen. Ihm fehlten lediglich 25 Stimmen zur absoluten Mehrheit. Im zweiten Wahlgang – da hat er die 50-%Hürde natürlich überschritten – waren es ein Fünftel weniger Stimmen, nämlich nur noch 7.825. Das ist keine stärkere demokratische Legimitation.
Wir könnten jetzt noch einige Beispiele hin und her schieben – aber vielleicht reicht Ihnen das als SPD auch –, um den Unterschied zwischen dem Stimmenanteil und der sich dahinter verbergenden Stimmenanzahl deutlich zu machen.
Aber dass Sie beim Thema „Prozentrechnung“ Nachhilfe benötigen, zeigt bereits Ihr Antrag. Sie behaupten, dass – ich darf einmal zitieren – „ohne Stichwahlen wiederum Kandidaten ins Amt kämen, die nur eine sehr geringe Stimmenanzahl auf sich vereinigen“. Das Beispiel von gerade zeigt aber: Der Stimmenanteil, also die Prozentzahl, ist gewachsen, die Stimmenanzahl jedoch möglicherweise gleichzeitig gesunken.
Entweder wissen Sie nicht, was Sie wollen, oder Ihr Antrag enthält handwerkliche und logische Fehler. Er birgt im Übrigen noch viel mehr sozialdemokratischen Sprengstoff.
von der SPD-Fraktion. Nimmt man den Antrag Ihrer Fraktion ernst, dürften Sie gar nicht hier sitzen und über Gesetze abstimmen, zum Beispiel über das Kommunalwahlgesetz, wenn es denn ansteht. Schließlich haben Sie Ihr Direktmandat mit weniger als einem Drittel der Wählerstimmen gewonnen. Auch über die Landesliste säßen Sie heute nicht hier.
(Beifall von der CDU – Widerspruch von der SPD – Christian Dahm [SPD]: Geben Sie Ih- ren Lehrauftrag zurück!)
Dazu sagt Ihre Fraktion wörtlich: „zu niedrig, um einen ausreichenden Rückhalt in der Wählerschaft zu gewährleisten.“
Ich kann Sie aber beruhigen. Der Landesverfassungsgerichtshof sieht Sie ausreichend legitimiert. Er hat die Rechtmäßigkeit der relativen Mehrheitswahl bereits bestätigt. Denn was Sie als einen Angriff auf die Demokratie bezeichnen, trägt nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofs NRW – Zitat – „dem verfassungsrechtlichen Erfordernis demokratischer Legitimation von Staatsgewalt ausreichend Rechnung“. Das stellte das Gericht bereits 2009 klar, als Sie sich mit Ihrer Klage gegen die Abschaffung der Stichwahl die Finger verbrannten.
Ich frage mich, warum die SPD überhaupt Angst vor der Abschaffung der Stichwahl hat. Entweder fürchten Sie, dass die Grünen Sie bei dem Rennen um die Hauptverwaltungsbeamten überholen und Sie keine Rolle mehr spielen...
Ja, man greift immer nur den an, der den Ball hat, und wenn ich sehe, wie unruhig Sie sind, habe ich hier offenbar einen Punkt angesprochen, der Sie hart trifft –,
... oder Sie vermissen einfach nur die Möglichkeit des politischen Taktierens; denn ohne Stichwahl muss man dem Bürger vorher sagen, wie die Allianzen sind, wer wen unterstützt und wer mit wem zusammenarbeitet.
Am kommenden Sonntag findet in Schleiden eine Stichwahl statt. Auch dort fehlten nur 35 Stimmen. Der eine Kandidat, der dort in die Stichwahl geht, tritt gegen einen anderen Kandidaten an, der nicht einmal halb so viele Stimmen bekam. Da wundere ich mich nicht, wenn der Bürger nach einer Rechtfertigung für diesen Aufwand fragt. Ohne neue Erkenntnisse zu bekommen, werden ehrenamtliche Wahlvorstände, Wahlkämpfer, Kandidaten und kommunale Haushalte in Anspruch genommen.
Ich komme zum Ende und stelle fest: Der Bürger hat längst mit den Füßen entschieden. Für den Bürger ist es ein unnötiger Aufwand, der abgeschafft gehört. Das Verfassungsgericht hat seinen Segen gegeben. Hören wir doch einfach einmal auf den Bürger! – Danke.