Dass dem Fiskus durch diese Cum-Ex-Dealer hohe Steuerzahlungen entgingen bzw. gar nicht entrichtete Steuern gezahlt wurden, war den Behörden bereits seit den 90er-Jahren bekannt. 2002 forderte die Deutsche Bank selbst noch den Bankenverband auf, die Bundesregierung vor diesen Geschäften zu warnen.
Erst fünf Jahre später, im Frühjahr 2007, wurde die Gesetzeslücke dann endlich geschlossen. Allerdings unterlief der Regierung ein Fehler, und die Geschäfte
konnten, sofern der Aktienhandel über das Ausland abgewickelt wurde, weiterlaufen. Also, der Steuerbetrug ging munter weiter.
Makaber ist, dass sich ausgerechnet die Deutsche Bank dieser Gesetzeslücke offenbar sehr schnell bewusst war und sie schamlos zu nutzen wusste. Das Groteske dabei ist, dass der Mann, der diese Gesetzeslücke entdeckte, heute noch im Dienste der Deutschen Bank ist und mehr als der gesamte Vorstand der Commerzbank verdient. Wer darüber etwas lesen will, sollte in den aktuellen „SPIEGEL“ blicken. Das nennt man wohl „Wolf im Schafspelz“. Genutzt hat es der Bank bekanntlich nichts. Erst im Jahr 2012 wurde die Gesetzeslücke dann endlich geschlossen, und mit den Steuertricks war es vorbei.
Nordrhein-Westfalen nahm bei den Betrügereien der Aktieninvestoren eine Schlüsselrolle ein. In Bonn sitzt das Bundeszentralamt für Steuern, das diese Steuern erstattete. Hinzu kommt, dass die federführende Staatsanwaltschaft ihren Sitz in Köln hat. Zurzeit – wir haben es gehört – sind 50 Ermittlungen gegen ca. 200 Beteiligte anhängig. Die berechtigten Fragen, die sich jetzt stellen, sind die nach der ausreichenden Anzahl an qualifizierten Ermittlern und die nach der Verjährung.
In der letzten Sitzung des Haushalts- und Finanzausschusses am 04.04.2019 haben uns das Ministerium und der Finanzminister mehrfach erklärt, dass eine ausreichende Anzahl von qualifizierten Ermittlern – 661 Steuerfahnder insgesamt – tätig sei. Davon würden 22 gezielt und ausnahmslos für die Cum-Ex-Ermittlungen eingesetzt. Diese Anzahl an Mitarbeitern sei zurzeit ausreichend, und falls sich abzeichnen sollte, dass weiterer Bedarf entstehe, solle sofort gehandelt werden. Man hat das Problem also voll im Fokus.
Die Forderung nach den fehlenden 30 bis 40 spezialisierten Steuerfahndern von Herrn Sebastian Fiedler, immerhin Chef des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, ist also unbegründet – hoffentlich. Anklagen wurden bislang noch nicht erhoben, sodass die Frage nach der Verjährung mindestens so brisant ist wie die nach der ausreichenden Mitarbeiterzahl.
Herr Minister Lienenkämper sprach in der letzten Woche von den Fällen aus 2008 bis 2012. Das heißt, die Fälle von vor 2008 bleiben unverfolgt, und das Geld des Steuerzahlers ist uneinbringlich verloren, da das erste fehlerhafte Gesetz bekanntlich erst 2007 in Kraft trat.
Zugesagt wurde uns, dass alle 50 bekannten Fälle in der Bearbeitung sind, in keinem Fall eine Verjährung droht und somit zehn weitere Jahre Zeit bleiben, um Anklage zu erheben, was hoffentlich auch in allen Fällen geschehen wird.
Die Frage, warum Nordrhein-Westfalen bislang nicht den erfolgreichen Weg der bayerischen Finanzbehörden übernommen hat und Haftungsbescheide an die beteiligten Banken mit Bezug auf § 44 Abs. 5 Einkommensteuergesetz für die Haftung von nicht gezahlten Abgaben verschickt hat, blieb auch nach einer Rückfrage unbeantwortet. Nicht nur die Deutsche Bank ist doch ein klarer Fall. Vielleicht bekommen wir heute sogar noch eine Antwort.
Dem Antrag zuzustimmen, würde nach der Sitzung des Haushalts- und Finanzausschusses am 04.04. dieses Jahres und den Aussagen des Ministers und des Ministeriums bedeuten, den Minister und sein Ministerium der Lüge zu bezichtigen. Das tun wir selbstverständlich nicht. Aus diesem Grunde werden wir dem Antrag nicht zustimmen. Wir werden uns aber im HFA ständig über den aktuellen Stand informieren lassen. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die Landesregierung erteile ich Herrn Minister Lienenkämper das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal freue ich mich sehr über die Gelegenheit, zu diesem wichtigen Thema eine Debatte aus dem Haushalts- und Finanzausschuss im Plenum noch einmal wiederholen zu können, ist doch das Prinzip der Wiederholung ein pädagogisch erfolgreiches Konzept für den Hinzugewinn von Erkenntnissen.
Erste Erkenntnis, die ich wiederhole: Der erste Prozess zu einem Cum-Ex-Fallkomplex steht am Landgericht Bonn bevor. Die Staatsanwaltschaft Köln hat dem Gericht am 3. April 2019 die erste Anklage gegen zwei Beschuldigte zugestellt. Diese gute Nachricht verdanken wir dem hochengagierten und hochspezialisierten Einsatz der Fachkräfte der Finanzverwaltung, des Landeskriminalamtes und der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen.
Dieses Verfahren wird Gelegenheit geben, die individuelle strafrechtliche Verantwortung der Angeklagten und die dahinterliegenden Komplexe näher zu beleuchten. Das ist gut und notwendig.
Sie wissen, dass Ermittlungen in Cum-Ex-Fällen ganz besonders kompliziert und zeitintensiv sind. Sie erfordern tiefgreifende Fachkenntnisse; denn hinter
einem Verfahren verbergen sich in der Regel viele Fälle mit jeweils höchst unterschiedlichen Akteuren und vielfältigen Beteiligten. Genau um diese Aufgabe effektiver zu bewältigen und die Qualität der Arbeit noch weiter zu steigern, haben sich das Ministerium der Finanzen und das Ministerium der Justiz im Frühjahr 2018 darauf verständigt, die Cum-Ex-Bearbeitung zu zentralisieren.
Die Landesregierung hat, wie ich im Ausschuss bereits vorgetragen habe, zudem 22 weitere Stellen für den Bereich Steuerstrafsachen und Steuerfahndung in der sogenannten Taskforce geschaffen. Auch diese beinhalten insgesamt zehn zusätzliche Steuerfahnderinnen und Steuerfahnder. Das ist eine gute Botschaft. Das war die zweite Aufstockung der Stellen im Bereich der Steuerfahnderinnen und Steuerfahnder seit 2007. Ich bin ganz sicher, das ist eine richtige Entscheidung.
Diese betreffen zum größten Teil ausländische Kapitalgesellschaften, die jeweils ihre Erstattungsansprüche geltend gemacht haben, und zwar gegenüber dem Bundeszentralamt für Steuern.
Bei all diesen Fallkomplexen handelt es sich um umfangreiche Komplexe. In den allermeisten Fällen sind strafrechtliche Ermittlungsverfahren bereits eingeleitet. In den Fällen, in denen bisher kein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde, sind zum Teil noch Ermittlungen des BZSt abzuwarten.
In der Regel betreffen die Tatzeiträume die Jahre 2008 bis 2012, aber nicht ausschließlich. Es gibt jeweils eine Vielzahl von identifizierten und auch noch nicht identifizierten Tätern. Die Verfahren richten sich deshalb gegen verschiedene Akteure auf den unterschiedlichen Handlungsebenen, unter anderem gegen Shortseller, gegen Broker, aber auch gegen die ganze Kette im Rahmen eines komplexen Cum-ExDeals.
Zusammenfassung: In allen drei Ressorts wurden und werden geeignete Maßnahmen getroffen, auch um einer strafrechtlichen und steuerrechtlichen Verjährung entgegenzutreten.
Wir beschäftigen derzeit 22 Mitarbeiter der Steuerfahndung in Nordrhein-Westfalen ausschließlich mit den Cum-Ex-Fällen. Daneben trägt auch eine Vielzahl anderer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Finanzverwaltung zur Aufdeckung und zur Aufarbeitung von Cum-Ex-Fällen bei, beispielsweise in den Groß- und Konzernbetriebsprüfungsstellen.
Selbstverständlich gilt: Die Landesregierung behält die Entwicklungen bei der Aufarbeitung der Cum-ExGeschäfte genau im Blick. Sofern sich die aktuelle
Herr Minister, ich habe den Eindruck, mit Ihren ständigen Wiederholungen versuchen Sie eher, sich selbst zu überzeugen als andere. Deswegen habe ich mich aber nicht gemeldet. Ich habe mich nach dem Beitrag von Herrn Witzel gemeldet.
Herr Witzel, ich weiß nicht, wie es um Ihr Gewissen bestellt ist. Ich weiß aber, dass Sie hier zweimal die Unwahrheit gesagt haben. Sie haben einmal gesagt, das eine eingeleitete Verfahren sei ein Beispiel für mehrere. Nein, es gibt nur ein Verfahren. Das ist ja das Problem, und das ist der Skandal, dass es nur ein Verfahren gibt.
Der zweite Punkt, den ich ansprechen möchte: Sie haben hier in den Raum gestellt, ausgerechnet Norbert Walter-Borjans hätte nicht genug zu Cum-Ex getan.
Dass Sie allerdings behaupten, er habe gesagt, bei der WestLB gäbe es das nicht, das ist eine Lüge. Versuchen Sie hier nicht, denjenigen zu diskreditieren, der wie kein anderer für Steuergerechtigkeit in Nordrhein-Westfalen gekämpft hat.
Herr Kollege Zimkeit, die wenigen Sekunden haben ausgereicht, um eine Kurzintervention anzufragen. – Für die FDP hat Herr Witzel das Wort.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Kollege Zimkeit, ich meine das ganz ernst. Wenn Sie die Debatten aus der letzten Legislaturperiode und die Wortbeiträge von zahlreichen Abgeord
neten der FDP – des Kollegen Kai Abruszat, des Kollegen Dirk Wedel oder auch meiner Wenigkeit – nachvollziehen, werden Sie feststellen, dass wir immer wieder vom Finanzminister eingefordert haben, dass er sich dort, wo er selber Eigentümerverantwortung trägt, bei der WestLB und später bei der Portigon AG, ernsthaft damit zu beschäftigen hat.
Norbert Walter-Borjans hat uns mitgeteilt, dass er in den Gremien nachgefragt und die Mitteilung bekommen habe, es gebe keine bekannten Anhaltspunkte, dass da etwas gewesen sei. Wir haben darauf entgegnet, dass uns das nicht reiche, dass mehr nachgeschaut werden müsse. Daraufhin hat er den Wirtschaftsprüfer gefragt. Der konnte auch nichts finden.
Dann ist es später seine eigene Steuerfahndung gewesen, die ihm gesagt hat: Ja, für die Verdachtsmomente – was man in Marktkreisen gehört hat, was die FDP-Landtagsfraktion immer wieder vorgetragen hat – scheint es Anhaltspunkte zu geben, dass das auch bei der WestLB in öffentlicher Verantwortung stattfindet. – Das ist so. Dann sind die Belege gefunden worden. In den Bilanzen sind Rückstellungen für die Strafforderungen, die dort kommen, gebildet worden.