Protokoll der Sitzung vom 23.05.2019

Wir hoffen – ich gehe davon aus, dass die meisten von uns das tun –, dass Europa die Bewährungsprobe für Demokratie und Vielfalt bestehen wird, die sich mit dieser Wahl 2019 in ganz besonderem Maße verbindet.

Über ihre Aktivitäten im Bereich der Demokratiebildung hat die Landesregierung den Hauptausschuss und andere Ausschüsse des Landtags kontinuierlich informiert und wird dies sehr gerne auch weiterhin tun.

Die im Antrag geforderte Verstetigung in Form eines jährlichen Demokratieberichts zur Lage der politischen Bildung ist aus Sicht der Landesregierung zu begrüßen. Ein solcher Bericht kann ein gutes Instrument sein, um zu informieren, aber auch, um über zukünftige Perspektiven zu diskutieren und sich auf diese Weise jährlich zu vergewissern, an welchen Stellen wir noch besondere Anstrengungen unternehmen müssen. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Frau Ministerin. – Für die CDU-Fraktion hat nun der Abgeordnete Löttgen das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Seifen! Was Sie hier abgeliefert haben, Ihr historisches Verständnis der Weimarer Republik und der SPD, ist nicht nur erschütternd, sondern es ist, ganz einfach in einem Wort, widerwärtig.

(Beifall von der CDU, der SPD, der FDP und den GRÜNEN – Helmut Seifen [AfD]: Sie ha- ben keine Ahnung!)

Ganz einfach. – Es war nicht selbstverständlich, dass 65 Menschen der Einsicht Raum gegeben haben, dass eine Verfassung ihre Grundlage im Leben nur dann finden kann, wenn sie die Geschichte des betroffenen Landes reflektiert, wenn sie die Erfahrungen aufgearbeitet hat, die ein Land mit sich selbst gemacht hat, wenn sie das Scheitern berücksichtigt hat, das an anderen Stellen im eigenen Land stattgefunden hat, und die Gründe, die dazu geführt haben.

In der DNA von vier Fraktionen in diesem Haus ist das Bewusstsein der Verfassungsmütter – die übrigens viel zu wenig erwähnt werden – und Verfassungsväter fest verankert.

(Zuruf)

Ich will sie Ihnen gerne nennen: Friederike Nadig, Elisabeth Selbert, Helene Weber und Helene Wessel; auch denen haben wir das Grundgesetz zu verdanken.

(Beifall von der SPD, der CDU, der FDP und den GRÜNEN)

In unserer DNA, in der DNA von vier Fraktionen ist fest verankert, was Konrad Adenauer an diesem Tag zum Ausdruck gebracht hat. Ich zitiere:

„Wer die Jahre seit 1933 bewusst erlebt, den völligen Zusammenbruch im Jahre 1945 mitgemacht hat, wer miterlebt hat, wie die ganze staatliche Gewalt seit 1945 von den Alliierten übernommen ist, der denkt bewegten Herzens daran, dass heute mit dem Ablauf dieses Tages das neue Deutschland entstanden ist.“

Das, meine Damen und Herren, ist eine DNA, die wir teilen, Sie nicht.

(Beifall von der CDU, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Deshalb ist mein Schlussappell im Hinblick auf die kommende Europawahl gar nicht von Parteizugehörigkeit geprägt, sehr wohl aber vom Redebeitrag des Kollegen Seifen. Unser Mann im All, Astro-Alex, Alexander Gerst, postete einmal ein Bild von Europa bei Nacht, zu dem er schrieb: Wenn nachts die Lichter leuchten, dann sieht man, dass Europa zusammengehört.

Deshalb soll uns jenseits aller tagespolitisch trennenden Auffassungen hoffentlich an diesem Tag der von mir bereits mehrfach hier zitierte Satz eines der Väter des Grundgesetztes, des SPD-Politikers Carlo Schmid, dessen Bedeutung in der heutigen Zeit und leider auch heute an diesem Pult erneut an Bedeutungsmächtigkeit gewonnen hat, Leitlinie sein: Man muss auch den Mut zur Intoleranz denjenigen gegenüber aufbringen, die die Demokratie gebrauchen wollen, um sie umzubringen. – Zitatende.

(Lebhafter Beifall von der CDU, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Es gibt die Anmeldung einer Kurzintervention durch die AfD und den Abgeordneten Herrn Seifen. Sie haben das Wort, bitte.

Vielen Dank, Herr Präsident! Herr Löttgen, ich muss Ihnen ehrlich sagen: Es ist erschütternd, was Sie hier abliefern. Sie unterstellen uns, wir wollten die Demokratie abschaffen. Ich bitte Sie! Entweder haben Sie unser Parteiprogramm nicht gelesen, oder Sie lügen. Wer unser Parteiprogramm sieht, weiß, dass wir auf dem Boden dieser Verfassung stehen. Uns gibt es, weil es das Grundgesetz gibt. Und wir sind die Grundgesetzpartei hier.

(Lachen von der CDU, der SPD, der FDP und den GRÜNEN – Zurufe)

Wir weisen Sie ständig darauf hin, dass einige politische Entscheidungsträger gegen grundgesetzliche Bestimmungen verstoßen. Ich brauche nur an Artikel 16a zu denken.

Ein Nächstes: Ich bin auf Herrn Kutschaty eingegangen, weil er monokausal das Scheitern der Weimarer Republik erklärte. – Ich gebe Ihnen recht: Die Verfassungsväter haben nämlich genau deswegen aus dieser Situation, die die Parteien im Reichstag eingenommen haben, die 5-%-Klausel und das konstruktive Misstrauensvotum eingeführt.

Aber Fakt ist, dass die SPD seit der Währungskrise, der galoppierenden Inflation 1923 bis 1928, nicht in der Regierung war und sich verweigert hat. 1928 ist Reichskanzler Müller – da muss ich mich korrigieren – in die Regierung gegangen. Und 1930 ist die Koalition geplatzt wegen DDP und SPD. Das ist Fakt. Das können Sie hier nicht einfach leugnen. Ich finde es albern, dass Sie solche historischen Fakten leugnen.

(Unruhe – Zurufe)

Natürlich ist das so. Die Kausalkette war da, ganz eindeutig. Ich bitte Sie wirklich, endlich einmal Ihr Reden und Ihr Tun in Einklang zu bringen. – Vielen Dank.

Herr Abgeordneter Seifen! Bevor Herr Abgeordneter Löttgen antwortet: Sie haben dem Kollegen eben eine Lüge mit unterstellt. Dafür rüge ich Sie.

(Helmut Seifen [AfD]: Ich habe gesagt „entwe- der, oder“! – Zurufe – Roger Beckamp [AfD]: Das kann er sich aussuchen!)

Aber es war trotzdem der direkte Bezug.

Sehr geehrter Herr Präsident! Lieber Herr Kollege Seifen! Unser Grundgesetz ist so gut, dass Art. 3 sogar diese Meinungsäußerung, die

Sie gerade getätigt haben, deckt. Sie geben mir Gelegenheit und auch Anlass, dass ich den Kolleginnen und Kollegen und den Zuschauerinnen und Zuschauern auf der Tribüne gerne einmal sagen will, dass Sie für mich heute den besten Beweis geliefert haben, dass ein Zitat Ihres Bundesvorsitzenden Alexander Gauland, das er in einem Werbevideo für die FPÖ abgeliefert hat, weiß Gott kein Zufall war. Ich zitiere Alexander Gauland:

„Die FPÖ ist für uns die am nächsten stehende Partei. Das ist völlig klar. Das fängt bei der Sprache an, den gemeinsamen Traditionen. Und sie sind natürlich als Partei inzwischen weiter. Wir wären gerne so weit. Alles, was die machen, ist natürlich für uns vorbildhaft, weil wir auch gerne mal so weit kommen würden, wie sie jetzt sind.“

Herzlichen Glückwunsch!

(Beifall von der CDU, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter. – Für die SPD-Fraktion hat nun die Abgeordnete Frau Müller-Witt das Wort.

(Helmut Seifen [AfD]: Die SPÖ koaliert doch mit denen! – Zuruf von der SPD – Bodo Lött- gen [CDU]: Sind die Schmerzen so groß? – Zuruf von der SPD: Zuhören! – Unruhe – Glo- cke)

Ist der Dialog da vorne beendet? – Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Seifen, was Sie da eben abgeliefert haben, das zeigt ganz eindeutig, dass Ihr Antrag, den Sie heute vorgelegt haben, lediglich ein Feigenblatt war. Sie haben soeben Ihre Maske vom Gesicht gerissen und Ihr wahres Gesicht gezeigt.

(Beifall von der SPD, der CDU, der FDP und den GRÜNEN)

Ich möchte mich gar nicht mit Ihren kruden Theorien zur Geschichte auseinandersetzen. Ich möchte nur eine Sache erwähnen: Wir haben vor einiger Zeit unser 150-jähriges Jubiläum gefeiert; hoffentlich werden Sie das nie feiern.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Ver- einzelt Beifall von der FDP)

Aus diesem Anlass hat Bundespräsident Gauck den Sozialdemokraten gratuliert, weil sie nicht dem Ermächtigungsgesetz zugestimmt haben, und er hat ihnen dafür gedankt, dass sie so die Ehre der Parlamente erhalten haben.

(Beifall von der SPD, der CDU, der FDP und den GRÜNEN)

Das, was Sie soeben von sich gegeben haben, war an Schamlosigkeit kaum zu überbieten. Da kann man nur mit Otto Wels kontern: Freiheit und Leben kann man uns nehmen, aber nicht die Ehre.

(Beifall von der SPD)

Das sagte Otto Wels anlässlich …

(Zuruf von Sven Werner Tritschler [AfD])

Ich würde vorschlagen, Sie hören einfach mal zu. Diese Tugend werden auch Sie vielleicht noch lernen.

(Sven Werner Tritschler [AfD]: Otto Wels ist für Sie ein paar Schuhgrößen zu groß! – Gegen- ruf von Dr. Günther Bergmann [CDU])

Ihre Schuhgröße möchte ich gar nicht erst haben.

Ja, es ist richtig und wichtig in diesen Tagen, in Feierstunden, in Parlamenten, in den Medien, in Ausstellungen dem 70. Jahrestag des Inkrafttretens unseres Grundgesetzes zu gedenken. Ich hoffe, das findet woanders etwas würdevoller statt als hier, wo Sie ausrasten und uns beleidigen.