Protokoll der Sitzung vom 24.05.2019

die nur Deutsch sprechen … Die leben hier in Duldung. Welche Perspektive haben die eigentlich? Die haben keine Perspektive. Die wissen das. Die wissen mit zehn Jahren, dass sie in die völlige Perspektivlosigkeit gehen in Bezug auf Ausbildung, in Bezug auf Job usw. Das kann nicht sein.

Perspektivlosigkeit – um das hier klar und deutlich zu sagen, damit Sie es bloß nicht wieder missverstehen – kann und darf niemals – wirklich niemals! – eine Begründung oder eine Verharmlosung für Straftaten sein.

(Daniel Sieveke [CDU]: Aha!)

Aber zu ignorieren, dass Perspektivlosigkeit Kriminalität natürlich begünstigen kann, wäre ein ziemlich großer Fehler, und das darf nicht passieren.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Sie reden zwar immer davon, dass wir auch Maßnahmen der Prävention brauchen, aber was machen Sie denn? Bisher ist es doch eine komplette Fehlanzeige, eine komplette Leerstelle der Landesregierung. Hier passiert nämlich nichts.

Hier sind Sie gefordert, auch zusammen mit Herrn Stamp tätig zu werden. Für nachhaltige, für dauerhafte Lösungen zu sorgen, dazu rufen wir Sie auf. Wir haben dieses Thema auch im Integrationsausschuss angemeldet; bald werden wir es dort behandeln. Wir dürfen gespannt sein, was Sie da vorhaben.

Ich glaube, klar ist: Der Erfolg Ihrer Strategie wird sich nicht an der Resonanz von PR-Terminen messen lassen, sondern an der Reduzierung von Straftaten. Wir dürfen gespannt sein. In drei Jahren sind die nächsten Wahlen. Wir sind gespannt, wie die Zahlen dann aussehen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Für die Landesregierung erteile ich Herrn Minister Reul das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bedanke mich für die Gelegenheit, über dieses wichtige Thema hier zu diskutieren. Ein Satz vorweg: Das ist ein Problem, das lange verschlafen worden ist.

(Helmut Seifen [AfD]: Genau!)

Deswegen ist es gut, dass man jetzt endlich anfängt. Aber glaube keiner, dass das hopplahopp mal eben erledigt ist: Dafür braucht man einen langen Atem und konsequentes Handeln.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Voraussetzung ist allerdings, erst mal zuzugeben, dass es das Problem gibt, und dass man es aufschreibt.

(Beifall von der CDU und der FDP – Michael Hübner [SPD]: Es wurde aufgeschrieben, wo es erkannt worden ist und wie es erkannt wor- den ist!)

Deswegen gibt es bei uns jetzt ein abgestimmtes und konsequentes Vorgehen der Behörden – übrigens nicht nur von Polizei, sondern von Ordnungsämtern, vom Zoll, von Finanzämtern, von Gesundheitsämtern, und es gibt nachhaltige Erfolge.

Übrigens, Frau Schäffer: Es ist keine einmalige Aktion gewesen, auch keine PR-Aktion – das müssen Sie sich abschminken –, sondern es ist seit dem letzten Sommer permanente Praxis in den Behörden im Ruhrgebiet.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Nur mit solch einem Ansatz intensiver Zusammenarbeit kann man erreichen, dass man kriminelle Strukturen erhellt, Ermittlungsverfahren initiiert, die Nulltoleranzstrategie durchsetzt, Respekt gegenüber Einsatzkräften erreicht, die kriminelle Szene durch die „Strategie der 1000 Nadelstiche“ verunsichert und das Sicherheitsgefühl der Bürgerinnen und Bürger steigert.

Der Unterschied ist: Wir reden nicht nur, sondern wir handeln, wie Sie an den Beispielen sehen können: Erstens: das Lagebild.

Zweitens. Im Berichtszeitraum – die Zahlen sind schon genannt worden – gab es 6.449 Mitglieder diverser Clans, 14.225 Delikte – regionaler Schwerpunkt: Ruhrgebiet, aber nicht nur da –, Gewalttaten, Eigentums- und Betrugsdelikte. Alles das ist vorgetragen.

Wir haben eine gemeinsame Taskforce „Finanzermittlungen beim Landeskriminalamt“ eingerichtet; da geht es um langfristige Ermittlungsarbeit. Zusätzlich wird es ein Projekt zur Bekämpfung der Clankriminalität beim Landeskriminalamt geben.

Übrigens – nur, damit es mal gesagt ist: Wir kümmern uns jetzt hier um Clankriminalität und nicht um diesen Bereich der Organisierten Kriminalität. Verwischen Sie die Dinge jetzt nicht. Das hat auch etwas damit zu tun; aber es ist etwas Neues, was wir anpacken und wie wir es anpacken.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Dass wir das in die Ruhrgebietskonferenz eingebaut und ein Symposium durchgeführt haben, wo erstmalig Fachleute aus ganz Deutschland zusammen gewesen sind – über 500 Menschen –, dass wir im Mai ein zweites Arbeitstreffen hatten, wo wieder 100 Experten zusammen waren, das ist ein Vorteil.

Zu den Razzien. Wenn Sie sagen, das sei die normale Aufgabe der Strafverfolgungsbehörden, frage ich mich: Warum haben Sie in den letzten Jahren keine Razzien gemacht?

(Beifall von der CDU und der FDP)

Ich habe auch keine Lust mehr dazu, dass immer gesagt wird, das sei alles PR-Show. Ich nenne Ihnen mal ein paar Zahlen: Wir haben seit Beginn der Einsatzmaßnahmen – das sind jetzt neue Zahlen –, also ab 1. Juli 2018, schon über 500 Kontrollaktionen durchgeführt, zum Beispiel in Shisha-Bars und Glücksspielstätten, bei denen über 1.600 Objekte kontrolliert wurden.

Wir haben im Rahmen dieser Kontrollen über 100 der kontrollierten Objekte unmittelbar geschlossen. Insgesamt haben die Behörden im Rahmen der Kontrollaktionen über 10.000 Verstöße geahndet und über 2.500 Sicherstellungen durchgeführt. Wir haben über 5.500 Verwarngelder verhängt und mehr als 200 Festnahmen und Ingewahrsamsnahmen vorgenommen.

Das war keine PR-Aktion; da ist konkret etwas passiert, damit das klar ist!

(Beifall von der CDU und der FDP – Zuruf von Michael Hübner [SPD])

Das ist natürlich nur ein Teil der Maßnahmen; den anderen Teil habe ich genannt: dass beim LKA die Taskforce ansässig ist, dass wir auch langfristige Ermittlungsarbeit machen, die Zeit kostet – ja, selbstverständlich. Das ist die zweite Säule.

Drittens. Frau Schäffer, an dieser Stelle haben Sie hundertprozentig recht: Wir brauchen eine Chance für diejenigen, die aussteigen wollen, damit sie aussteigen können.

(Verena Schäffer [GRÜNE]: Herr Golland sieht das anders! – Sven Wolf [SPD]: Teil des Fünfpunkteplans in Berlin, Herr Minister!)

Das gehört auch dazu. Ich gebe zu: Da sind wir noch nicht so weit, dass wir wirklich einen konkreten, brauchbaren Vorschlag haben; denn es ist nicht so einfach. „Einfach“ ist das falsche Wort. Bei Links- und Rechtsextremismus haben wir ja Aussteigerprogramme, aber das ist hier viel schwieriger.

Zu unserem Konzept gehören die Razzien, zu unserem Konzept gehört langfristige Ermittlungsarbeit. Dazu gehören auch Aussteigerprogramme. Wir wollen mit langem Atem und konsequentem Handeln dafür sorgen, dass sich etwas ändert. Seit Mitte der 80er-Jahre sind diese Familien hier. Man hat sich um diese Familien nicht gekümmert. Erster Teil.

Zweiter Teil – da waren Sie nämlich dran –: Man hat es einfach laufen lassen und weggesehen oder sich – von mir aus – auch nicht getraut. Jetzt wird sich gekümmert, und jetzt brauchen wir Zeit, um das Ganze zu verändern.

(Beifall von der CDU und der FDP – Zuruf von Michael Hübner [SPD])

Vielen Dank, Herr Minister. – Für die SPD hat nun der Abgeordnete Herr Ganzke das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Besonders als Redner in der sogenannten zweiten Runde ist das immer so eine Sache mit dem, was man sagt. Mein Referent hat mich, bevor ich mich auf heute vorbereitet habe, gefragt, ob er mir eine Rede schreiben solle. Ich sagte ihm: Nein, Holger, brauchst du nicht, ich höre mir an, was meine Vorrednerinnen und Vorredner sagen und versuche, darauf zu reagieren.

Ich denke, es war gut, nicht mit einem starren Konzept in diese Rede zu gehen, sondern zuzuhören, was die Vorrednerinnen und Vorredner hier sagen. Das sollte man meines Erachtens in diesem Bereich immer machen.

Mein erster Vorredner, Herr Kollege Wagner, wendet sich in seinem dritten Satz an den Innenminister und sagt: Herr Innenminister, hier könnte man schon zusammenkommen. – Und wissen Sie was, liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie sind doch zusammenkommen, AfD und CDU und FDP, indem Sie nämlich diese Aktuelle Stunde beantragt haben.

(Widerspruch von der CDU und der FDP – Herbert Reul, Minister des Innern: Na, na, na!)

Was im Endeffekt dabei herausgekommen ist, sehen wir an den Reden. Das ist genau der Punkt. Ich will sagen …

(Beifall von der SPD – Dr. Joachim Stamp, Mi- nister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und In- tegration: Unverschämtheit! )

Das ist nicht unverschämt, das ist doch nur eine Feststellung, dass zwei Beantragungen von Aktuellen Stunden – einmal seitens der AfD, einmal seitens der CDU und der FDP – auf der Tagesordnung stehen. Wir haben uns die Reden angehört.

Die zweite Anmerkung. Ich habe gezählt: Es hat 45 Sekunden gebraucht, Herr Kollege Wagner, bis Sie gesagt haben, das Problem der Migration bedinge die Clankriminalität. Und weitere 45 Sekunden hat es gebraucht, bis Sie gesagt haben: Auch schon in den 70er-Jahren kamen angebliche Flüchtlinge und Asylbewerber hierher, und deshalb haben wir das Problem.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, merken Sie denn nicht, dass Sie hier immer wieder dieselben Sachen sagen und dass das den Leuten nicht nur zum Hals raushängt,

(Markus Wagner [AfD]: Wenn es halt so ist, dann muss man es so sagen! Das ist Ihr Problem!)

sondern Sie auch demaskiert mit den Anträgen, die Sie hier stellen?