Protokoll der Sitzung vom 26.06.2019

(Beifall von der SPD, der CDU, der FDP und den GRÜNEN)

Ihre Arbeit ist auch erfolgreich. Das sehen wir an ganz konkreten Beispielen, zum Beispiel im Kampf gegen Rechtsextremisten in Dortmund. Seit dem Jahr 2015 gibt es dort die Sonderkommission „Rechts“ der Polizei.

In der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“ vom 22. Juni 2019 berichtete Polizeisprecher Gunnar Wortmann über die Arbeit dieser im Jahr 2015 eingesetzten Kommission. Er sagte:

„,Wir stehen denen auf den Füßen.‘ Jede Beleidigung werde verfolgt, jede Ordnungswidrigkeit. Wortmann: ,Immer, wenn sie eine Demonstration

gegen Polizeiwillkür anmelden, wissen wir: Wir haben alles richtig gemacht.‘“

Genauso ist es, meine Damen und Herren. Sie machen es richtig. Sie können stolz auf Ihre Arbeit sein. Wir sind es. Und wir brauchen mehr davon. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD, der CDU, der FDP und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die AfD hat nun der Abgeordnete Wagner das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dr. Walter Lübcke ist tot. Der Kasseler Regierungspräsident wurde leblos mit einer Schusswunde im Kopf aufgefunden. Er hinterlässt seine Frau und zwei Söhne. Sie verdienen unsere aufrichtige Anteilnahme.

Der Fall ist noch nicht gerichtlich aufgearbeitet. Wir bewegen uns also bei Fragen zum Tatgeschehen noch im Konjunktiv. Erst mit Stand von heute scheint gesichert, dass es sich bei der Ermordung von Walter Lübcke um einen Mord durch den Neonazi Stephan E. handelt. Sollte dies der Fall sein, so hätten wir es mit einem politischen Attentat zu tun.

Wie bei anderen Attentaten auch – der Tyrannenmord sei hier einmal ausgenommen –, handelt es sich trotz des vermeintlichen oder tatsächlichen politischen Mäntelchens, das sich die jeweiligen Täter umlegen, um einen Mord. Als solcher wäre er dann auch zu verurteilen und zu ahnden.

Für die AfD-Fraktion ist es wie für das ganze Haus und jeden normalen Menschen eine pure Selbstverständlichkeit: Morde sind zu verurteilen; politische Morde sind zu verurteilen. Für die Verurteilung sind nicht primär Ideologie oder Herkunft von Täter und Opfer entscheidend, sondern der Wesenskern des Bösen der Tat.

Natürlich fragen sich viele: Wie konnte es dazu kommen? Da ist zunächst das direkte Tatgeschehen. War es der Verdächtige wirklich? Und wenn ja, war er es alleine? Wie lief es ab? Haben die Sicherheitsbehörden alles Erdenkliche richtig gemacht? All dies sind zum jetzigen Zeitpunkt noch völlig offene Fragen, zu denen wir, zu denen ich nichts Seriöses sagen kann. Das ist Aufgabe der Gerichte.

Aber bevor all das überhaupt erfolgt ist und die Sachebene des Tatgeschehens abgeklärt ist, kommen schon die parteipolitischen Ausschlachter des politisch-medialen Komplexes. Man hat noch nicht einmal einen Schuldigen verurteilen können und ge

rade erst einen Verdächtigen gefasst, da wissen einige schon, wer denn gleich noch mitschuldig sein soll und wie er zu bestrafen wäre.

Die Instrumentalisierung der Tat, und sei sie noch so bösartig an den Haaren herbeigezogen, ist diskursbestimmend, der herrschaftsfreie Diskurs à la Habermas eine Schimäre. Was da zum Teil geäußert wird, ist nicht nur grotesk. Es ist demokratiefeindlich, es ist rechtstaatfeindlich, und es ist, um eines der Lieblingswörter der grün dominierten Altparteien zu zitieren, in letzter Konsequenz menschenfeindlich.

(Beifall von der AfD – Dietmar Bell [SPD]: Be- schämend!)

Voreilig wurde zum Beispiel ein Zusammenhang des Tatverdächtigen zu „Combat 18“ in Dortmund gezogen und dann wieder zurückgezogen. Über alles wird alarmistisch und voreilig fehlspekuliert. Gelernt wird daraus nicht. Wichtig ist nur das sogenannte Framing. Man selbst soll gut dastehen – der andere hingegen, der Gegner, für manche gar der Feind, böse. Der jeweilige Vorfall ist dabei nur Kulisse.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Ekelhaft!)

Meine Damen und Herren, genau das finde ich erbärmlich.

(Beifall von der AfD – Christian Dahm [SPD]: Erbärmlich ist diese Rede!)

Es gehört aus meiner Sicht leider wohl zu unserer Zeit, dass vieles immer hektischer, schneller, emotionalisierter und moralisierter daherkommt. Zu vieles wird ab der ersten Sekunde für vermeintliche parteipolitische Geländegewinne ausgeschlachtet, die sich nicht selten als Rohrkrepierer erweisen. Da nehme ich auch Mitglieder meiner eigenen Partei nicht aus.

All das geht auf Kosten von Ruhe sowie von Wahrheit und Klarheit. Stattdessen erfolgen Zuspitzungen, Übertreibungen und Verzerrungen, die nicht nur ins Skurrile und Groteske gehen, sondern zum Teil wirklich eine Gefahr für unsere freiheitliche Ordnung und unser friedliches Zusammenleben in einer pluralistischen Gesellschaft darstellen.

Da sind wir schnell bei dem gescheiterten CDUGeneralsekretär Peter Tauber, unter dessen kurzer Ägide gemeinsam mit Angela Merkel die CDU zweistellig an Zustimmung verlor – dem Peter Tauber, dessen einziges Vermächtnis bis dato die Brüllerei „Wer hier nicht für Merkel ist, ist ein A…loch“ darstellt, bei der sich schon damals einen autoritärer Charakter zeigte.

Auf „Politico“ schreibt Alexander Wendt dazu, Tauber wolle einen Grundrechtsentzug selbst für bürgerliche Konservative wie den CDU-Mann Professor Otte, die Ex-CDU-Menschenrechtsbeauftragte Erika Steinbach oder die AfD-Chefin Alice Weidel.

Für Taubers antidemokratische Ausfälle zeigt „Politico“ naturgemäß wenig Verständnis – schon gar nicht dafür, dass Tauber als Kronzeugen seiner sogenannten Haltung Ex-Reichskanzler Joseph Wirth herbeizitiert; jenen Joseph Wirth, der den nach einem der größten Verbrecher der Menschheitsgeschichte benannten Stalin-Friedenspreis annahm.

Man kann das alles kaum glauben. Im innerparteilichen Machtkampf gegen die kleine WerteUnion, die so etwas wie den Versuch unternimmt, die CDU von den irrigsten Verrenkungen zu befreien, und im Abwehrkampf gegen die aufsteigende AfD, die in einigen Bundesländern bereits jetzt stärkste Partei ist, werden Stalin-Preisträger zu Kronzeugen der Meinungsunfreiheit.

Wer von Ihnen hält eigentlich noch manchmal inne bei all dem Irrsinn, der die SPD auf 11 % und die CDU auf 24 % geführt hat? Grund dafür sind auch Leute wie Peter Tauber, über den aktuell der „Cicero“ empört schreibt – ich zitiere –:

Es ist nicht weise, was Tauber da tut. Gerade erst hat der ehemalige Bundespräsident Gauck zweimal hintereinander davor gewarnt, die AfD und ihre Anhänger auszugrenzen, da macht Tauber genau das. Mehr noch: Er bringt einzelne Personen und eine ganze Partei in direkten Zusammenhang mit einem nach Lage der Ermittlungen rechtsextremistischen Mord.

Der Chefredakteur des „Cicero“ schreibt weiter: Aber das, was Tauber da macht, das geht nicht. In Taubers Logik sind alle 68er mitschuldig an den Morden der RAF. Er weiß nicht, was er da tut. – So weit der „Cicero“.

Die „FAZ“ meint zu Recht, niemand könne unter wehrhafter Demokratie ernsthaft die Mitschuld Unschuldiger verstehen.

(Beifall von der AfD)

Meine Damen und Herren, der kruden und gefährlichen Ausfälle eines Taubers und anderer sogenannten Spitzenpolitiker zum Trotz: Sollte der Täter in diesem Fall tatsächlich der Neonazi Stephan E. sein, gilt es natürlich auch, über dessen gefährlichen politischen Hintergrund zu sprechen. Denn eines ist doch unmissverständlich klar – wer es nicht von alleine weiß oder wusste; spätestens das Verbrecherregime von 1933 bis 1945 hat das bewiesen –: Nazis haben dieses Land ins Unglück geführt. Sie sind verantwortlich für Abermillionen Tote. Sie gehören bekämpft. Keiner will sie. Keiner wählt sie. Das ist auch gut so.

(Beifall von der AfD)

Dr. Walter Lübcke ist tot. Sein Tod, der womöglich das Produkt einer Kette von sich aufschaukelnden Polarisierungen, Provokationen und Radikalisierungen ist, sollte gerade nicht für diese Zwecke erneut missbraucht werden. Privat und menschlich kann

man einem Tod in der Regel nie etwas Gutes abgewinnen. Jedoch kann er, wenn wir es wollen, als Fanal für die verbale Abrüstung stehen, für das Verbindendende über die Parteigrenzen hinweg. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der AfD)

Vielen Dank. – Als Nächster hat der fraktionslose Abgeordnete Herr Pretzell das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen! Bis zum Ende des ersten Drittels der Rede meines Vorredners war ich versucht, meine Rede damit zu beginnen, alle Redner für die verbale Abrüstung in dieser Debatte zu loben.

Herr Sieveke, Herr Lürbke, Herr Kutschaty und selbst Frau Schäffer haben sich hier tatsächlich dem Rechtsextremismus gewidmet und haben klargemacht, dass es die Prävention braucht, die politisch erfolgen muss, dass es aber vor allem – an dieser Stelle sind wir beim aktuellen Beispiel und natürlich schon weit davor – die Repression braucht, wo es eben nicht mehr um Prävention, sondern um Straftaten geht.

Da ist die Frage, wer sich möglicherweise in den letzten Tagen geäußert hat, ob Herr Tauber oder zahlreiche AfD-Politiker etc. pp., zwar eine interessante; aber es wäre eine Möglichkeit gewesen, gerade in dieser Debatte auch aufseiten der AfD einmal eine Stufe abzurüsten und das zu tun, was andere hier heute getan haben – zu meinem persönlichen Erstaunen, ja, aber sie haben es getan. Das hätte man heute vielleicht auch vonseiten der AfD einmal anerkennen können.

Stattdessen verweist man hier hämisch auf die Umfragewerte von CDU und SPD und macht sich keine Gedanken darüber, warum seit drei Jahren die eigenen Umfragewerte nicht mehr steigen, sondern maximal noch stagnieren. Das hat vielleicht auch etwas damit zu tun.

Wenn man zwar behauptet, dass Extremismus bekämpft gehört, sich aber gleichzeitig in der BundesPressekonferenz mit Björn Höcke auf ein Podium setzt, bekämpft man den Rechtsextremismus in der eigenen Partei eben nicht. Machen Sie sich darüber einmal Gedanken.

Schauen Sie sich die Verbindungen zwischen Höcke und Heise oder Landolf Ladig an. Betrachten Sie die Verbindungen zwischen „Combat 18“ und Heise, zwischen Rechtsextremismus und einem Landesvorsitzenden der AfD, der in der Tat bekämpft gehört; jawohl!

(Beifall von der CDU, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Dann sind das Luftnummern – wie die letzten zwei Drittel der letzten Rede. Dann geht es gerade nicht mehr um Prävention, und es geht schon gar nicht mehr um Repression. Da sind wir bei einigen Kollegen in der AfD leider genau an dem Punkt, an dem es eigentlich bereits um die Repression ginge.

Das ist schade, weil die Debatte heute ansonsten ausgesprochen gut ist. Ich möchte mich ausdrücklich bei Herrn Kutschaty bedanken. Das war für mich heute die absolut angenehmste und abgewogenste Rede. Dass ich das zu einem SPDler sage …

(Zurufe von der SPD)

Trotzdem vielen Dank.

(Vereinzelt Beifall)

Vielen Dank, Herr Pretzell. – Für die Landesregierung darf ich nun unserem Ministerpräsidenten Armin Laschet das Wort geben.