Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In unserem Land sind Staat und Kirche bzw. Staat und Religionsgemeinschaften voneinander getrennt. Weil es aber eine Reihe gemeinsamer Aufgaben, vor allem im Bereich des Sozialen und der Bildung gibt, sprechen Fachleute von einer balancierten Trennung.
Eines der wichtigsten Grundrechte ist die Religionsfreiheit. Wir haben dabei einen positiven Begriff von Religionsfreiheit. Das heißt, dass der Staat das religiöse Leben im gemeindlich institutionellen, also im sozialen Sinne, und die individuelle Bildung einer religiösen Identität seiner Bürgerinnen und Bürger achtet und sogar fördert.
Der Verfassungsrechtler Ernst-Wolfgang Böckenförde hat einmal gesagt, ein liberaler Staat lebe von Voraussetzungen, die er selbst nicht leisten könne. Der Staat ist also darauf angewiesen, dass es in der pluralen Gesellschaft Werte-, Glaubens- und Identitätsgemeinschaften gibt, die Bedeutungszusammenhänge und Weltanschauungen reflektieren und tradieren.
Dabei geht es nicht bloß um abstrakte Begriffe, sondern es geht um lebendige Überzeugungen, um in gemeinsamer Glaubenspraxis gelebte Orientierungen und Verständnisse.
Der Religionsunterricht ist deswegen bei uns ein ordentliches Lehrfach und selbstverständlicher Teil unserer Schulwirklichkeit, in der unsere Kinder und Jugendlichen ihre Kompetenzen und ihre Persönlichkeiten entwickeln. Religionsunterricht ist das einzige Fach mit Verfassungsrang – und was so hoch angesiedelt ist, muss auch für möglichst alle gelten.
Wir haben heute die Aufgabe, die auf Basis einer Übergangsvorschrift in Nordrhein-Westfalen seit einigen Jahren erfolgreich ermöglichte Einführung eines islamischen Religionsunterrichtes als ordentliches Lehrfach abzusichern und weiterzuentwickeln.
Mit dem vorliegenden Gesetz machen wir den in Nordrhein-Westfalen etablierten islamischen Religionsunterricht in deutscher Sprache unter deutscher Schulaufsicht und mit in Deutschland ausgebildeten Lehrkräften als normales schulisches Angebot zukunftsfest.
Im Schuljahr 2017/18 gab es in Nordrhein-Westfalen etwa 415.000 Schülerinnen und Schüler islamischen Glaubens, für die ein islamischer Religionsunterricht infrage käme. Für beinahe 20.000 Schüler konnten wir bereits ein Angebot realisieren. Als Staat garantieren wir die äußeren Bedingungen des Religionsunterrichts, die Hardware: Schulgebäude, Personal, Organisation.
Wir sind aber aufgrund der notwendigen Neutralität des Staates darauf angewiesen, dass die Religionsgemeinschaften selbst – natürlich auf dem Boden des Grundgesetzes – die Inhalte, gleichsam die Software, des Unterrichts festlegen.
Dafür braucht der Staat Ansprechpartner, mit denen dies verbindlich geschehen kann. Es zeigt sich, dass unser Staatskirchenrecht, das in Auseinandersetzung und Zusammenarbeit mit den christlichen Kirchen entstanden ist, offen und anschlussfähig ist und im Sinne eines Religionsverfassungsrechts gesellschaftliche Entwicklungen und Pluralisierungsdynamiken aufnehmen kann.
Da das islamische Leben anders strukturiert ist als zum Beispiel bei den verfassten Kirchen, schaffen wir eine Kommission als Ansprechpartner für die inhaltliche Ausgestaltung des islamischen Religionsunterrichts und die Feststellung der Idschāza, der religiösen Bevollmächtigung zur Erteilung dieses Unterrichtes.
Wir möchten, dass in dieser Kommission landesweit tätige islamische Organisationen auf Basis eines Vertrages mit dem Land Nordrhein-Westfalen gemeinsam und theologisch argumentierend zusammenarbeiten und die einer Religionsgemeinschaft nach den §§ 30, 31 des Schulgesetzes zugewiesenen Aufgaben wahrnehmen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin sehr froh, dass der federführende Ausschuss für Schule und Bildung den aufgrund der Anhörung leicht geänderten Gesetzentwurf mit einer übergroßen Mehrheit angenommen hat und uns empfiehlt, dieses Gesetz heute so zu beschließen.
Ich danke allen Experten, die sich für den Religionsunterricht allgemein und den islamischen Religionsunterricht im Besonderen engagieren. Wichtige Hinweise der Sachverständigen und von SPD und Grünen sind in die Änderungen eingeflossen.
Besonders gefreut haben mich die Aussagen der beiden Vertreter des katholischen und evangelischen Büros, die sehr eindrücklich die Unterstützung der christlichen Kirchen für unser Vorhaben zum Ausdruck gebracht haben.
Diese Unterstützung und der in diesem Hause weitreichende Konsens zeigen, dass wir in NordrheinWestfalen auf einem guten Weg eines guten Miteinanders unterschiedlicher Glaubensrichtungen sind.
Der große Sozialphilosoph und Modernisierungstheoretiker Jürgen Habermas, der kürzlich seinen 90. Geburtstag gefeiert hat und sich selbst als eher religiös unmusikalisch bezeichnet, hat einmal gesagt, dass Religionsgemeinschaften in ihren Überlieferungen semantische Gehalte tradieren, die sich nicht in eine säkulare Sprache übersetzen lassen.
Im Wissen um diese religiöse Dimension des Humanen ermöglichen wir die Weiterentwicklung auch des islamischen Religionsunterrichts. Als Christdemokrat freue ich mich über eine solch religionsfreundliche Politik und danke ganz herzlich für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Dr. Nacke. – Als nächste Rednerin hat für die Fraktion der SPD Frau Kollegin Voigt-Küppers das Wort. Bitte sehr, Frau Abgeordnete.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! An erster Stelle will ich mich der Bewertung meines Vorredners anschließen und sagen – ich kann es kurz machen –: Es entspricht genau dem Diskussionsverlauf, und auch wir als SPDFraktion sind ausgesprochen froh und glücklich darüber, dass wir in einem derartig konstruktiven Prozess dieses Gesetz jetzt auf den Weg bringen können.
Ich will dabei noch einmal einige wichtige Grundsätze aus diesem Gesetz unterstreichen. Zunächst sind wir froh und glücklich, dass es jetzt den islamischen Religionsunterricht in verbesserter und gesicherter Form gibt. Die Lehrkräfte sind in Nordrhein-Westfalen ausgebildet, die Schulaufsicht liegt beim Land, und die Unterrichtssprache ist selbstverständlich Deutsch.
Der Religionsunterricht genießt hohes Ansehen und wird von Schülern und Eltern positiv gewertet. Zu diesem Schluss kommt auch die wissenschaftliche Begleitung der Universität Duisburg-Essen.
Es ist ein gutes Zeichen, dass die Grundsätze einer breiten Mehrheit in diesem Hause klar sind und der Landtag sich deshalb zum islamischen Religionsunterricht bekennt. Folgerichtig haben wir ein hohes Interesse daran, den islamischen Religionsunterricht rechtlich auf solide Füße zu stellen.
Deshalb bin ich froh darüber, dass wir jetzt eine solche Lösung gefunden haben, die den gemeinsamen Änderungsantrag zum Gesetzentwurf hervorgebracht hat.
Auf dem Weg zu diesem Änderungsantrag war die Anhörung sehr hilfreich und konstruktiv. Bei allen Sachverständigen und den zahlreichen Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartnern in den vergangenen Wochen möchten wir uns deshalb herzlich bedanken.
Mit dem gemeinsamen Änderungsantrag ist unser eigener Gesetzentwurf nicht mehr notwendig. Deshalb haben wir ihn konsequenterweise zurückgezogen.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, in Richtung Koalition will ich allerdings noch ein kleines bisschen Wasser in den Wein gießen. Dass die in § 132a des Schulgesetzes getroffene Regelung mit diesem Schuljahr ausläuft, war eine ganze Zeit lang bekannt. Einen Gesetzentwurf hat die Koalition aber erst im April dieses Jahres eingebracht – wohl wissend, dass dieser unter großem Zeitdruck verabschiedet werden muss. Wir hätten uns ein bisschen mehr zeitlichen Vorlauf und mehr Kooperationsbereitschaft seitens der Koalition gewünscht. Unsere Mitarbeit hatten wir im Vorfeld mehrfach angeboten.
Trotzdem möchte ich den Blick nach vorne richten; denn wir haben eine gemeinsame Lösung gefunden, und das ist auch gut so. Wir halten es für richtig, den bisherigen Beirat durch eine Kommission zu ersetzen. So wird die Möglichkeit geschaffen, einzelne Verbände in die Kommission zu berufen und auch abzuberufen. Auf diese Weise kann die Vielfalt der Verbände abgebildet werden. Gleichzeitig besteht die Möglichkeit, die Zusammensetzung der Kommission anzupassen, sofern es notwendig ist.
Wir halten es außerdem für sinnvoll, dass das Ministerium künftig einmal jährlich im Landtag Bericht erstatten soll und dass wieder eine Übergangsregelung im Gesetz steht. Der Paragraf muss damit bis 2025 erneut überarbeitet werden.
Ich darf das Fazit ziehen, dass unsere Änderungswünsche in dem vorliegenden Änderungsantrag enthalten sind. Deshalb werden wir diesem Gesetzentwurf in der vorliegenden Form zustimmen. Ich bin froh, dass wir hier zu einer, wie ich finde, guten Lösung gekommen sind. – Vielen Dank und Glück auf!
Vielen Dank, Frau Abgeordnete Voigt-Küppers. – Für die FDPFraktion hat nun Frau Kollegin Müller-Rech das Wort. Bitte sehr, Frau Abgeordnete.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Lassen Sie mich meine Rede anschließend an die Vorrednerin mit einem Dankeschön beginnen. Ich möchte mich ganz herzlich dafür bedanken, dass wir es geschafft haben, bei diesem wichtigen Thema mit einem gemeinsamen Änderungsantrag der Fraktionen von CDU, FDP, SPD und Bündnis 90/Die Grünen eine Einigung zu erzielen.
Ich finde es gut, dass wir jetzt zusammen die wesentlichen Aspekte aus der Anhörung aufgegriffen haben, weil das auch ein tolles und wichtiges Zeichen für die 241 Lehrkräfte ist, die an rund 234 Schulen unseres Landes den islamischen Religionsunterricht für fast 20.000 Schülerinnen und Schüler erteilen.
Mit diesem Gesetzentwurf zur Weiterentwicklung des islamischen Religionsunterrichts setzen wir ein deutliches Signal, dass das Unterrichtsfach weiter an unseren Schulen unterrichtet werden kann und somit Kinder ihren Glauben in der Schule im Rahmen des Unterrichts vertiefen können.
Zudem handeln wir mit diesem Gesetzentwurf zukunftsweisend; denn der Bedarf an islamischem Religionsunterricht an den Schulen ist noch lange nicht gedeckt. Wir sprechen über rund 415.000 Schülerinnen und Schüler muslimischen Glaubens, die in Nordrhein-Westfalen leben.
Kernpunkt des Entwurfs ist die Überarbeitung des Beiratsmodells, um die Vielfalt des Islams im Unterricht stärker zu berücksichtigen. Gerade uns Freien Demokraten ist es wichtig, dass jeder Verband mitwirken kann, der landesweit tätig ist, bei der Zusammenarbeit mit dem Land die Gewähr dafür bietet, eigenständig und staatsunabhängig zu sein, die Verfassungsprinzipien achtet und dem Land bei der Durchführung des islamischen Religionsunterrichts auf absehbare Zeit als Ansprechpartner zur Verfügung steht.
Damit wird der Vielfalt des Islams in Deutschland Rechnung getragen; denn der Islam in Deutschland und in NRW besteht eben nicht nur aus der großen DITIB, sondern auch aus zahlreichen Organisationen, die nun durch die Teilnahme in der Kommission ein Mitspracherecht erhalten können. Somit stärken und verbessern wir das Mitwirken gerade von kleineren Verbänden, die künftig stärker berücksichtigt werden.
Die Mitgliedschaft in der Kommission ist für jede islamische Organisation geöffnet, die – ich zitiere – die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt und mit der das
Der Vertrag soll hauptsächlich alles zu den Zielen, den Grundlagen, der Aufnahme und der Beendigung der Zusammenarbeit regeln. Natürlich wird dabei darauf geachtet, dass die Interessen am Religionsunterricht weiterhin den verfassungs-, schul- und staatskirchenrechtlichen Maßstäben entsprechen.
Die Verbände sollen sich bei der Arbeit in der Kommission auf die theologische Arbeit konzentrieren und sich generell staatsfremd halten. Es ist mir wichtig, das noch einmal zu betonen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein weiterer wichtiger Punkt, der mit dem gemeinsamen Änderungsantrag eingebracht wurde, ist die jährliche Berichterstattung der Landesregierung an den Landtag über die Mitglieder und die Arbeit der Kommission. Diese Transparenz ist sehr wichtig, da sich der islamische Religionsunterricht noch im Aufbau befindet und wir daher die Entwicklungen besonders beobachten möchten.