Was wir aus einem so grausamen Fall wie Lügde lernen können und lernen müssen, ist deshalb doch, dass wir alle Register ziehen müssen, um sicherzustellen, dass kein Missbrauchsfall möglich wird, weil staatliche Behörden nicht alles versucht hätten oder ihren Aufgaben nicht vollumfänglich nachgekommen wären.
Der von uns gemeinsam eingesetzte Untersuchungsausschuss wird deshalb untersuchen, wie die Polizei vor Ort gearbeitet hat, wie die Aufsicht über die Ermittlungen und die Polizeiarbeit ablief. Er wird untersuchen, wie die Jugendämter vor Ort gearbeitet haben und was hätte anders laufen müssen. Ich denke, gerade diese Verzahnung der beiden Untersuchungsthemen ist überaus sinnvoll.
Wir sperren uns natürlich auch nicht dagegen, dass Rolle, Verhalten und Kommunikation der Landesregierung in diesem schrecklichen Fall untersucht werden. Ich möchte aber deutlich sagen: Wir müssen als Allererstes herausfinden, wo es bei den Behörden vor Ort, bei der Polizei, bei den Jugendämtern gehakt
Meine Damen und Herren, deswegen ist es so wichtig, dass uns diese beiden Themenkomplexe, die der Parlamentarische Untersuchungsausschuss zuerst bearbeiten soll, dazu führen, dass wir Antworten und Lösungen finden. Das muss uns allen besonders wichtig sein. Ich freue mich wirklich, dass wir uns darauf verständigen konnten: Erst die Opfer, dann alles Weitere. Ich freue mich, dass insbesondere auch die SPD sich auf diesen Kurs verständigt hat.
Klar ist auch: Bereits die laufenden Strafverfahren werden für die Opfer und ihre Angehörigen zweifellos enorm belastend werden. Als Parlament können wir nur alles Menschenmögliche tun, um die involvierten Stellen und Personen zu unterstützen. Wir werden penibel darauf achten, den Opfern mit der Aufarbeitung in einem Untersuchungsausschuss nicht noch mehr zuzumuten.
Das Ziel des Untersuchungsausschusses ist deshalb klar: auf allen Ebenen aufklären, analysieren und in Zukunft besser machen. Alle Kinder und Jugendlichen in Nordrhein-Westfalen haben es verdient, dass wir als Parlamentarier unseren Beitrag leisten, um sie zu schützen.
Deswegen ist es ein gutes Zeichen, dass sich die Fraktionen von SPD, Grünen, CDU und FDP hier auf einem gemeinsamen Kurs, auf eine gemeinsame Linie verständigt haben. Auch dafür möchte ich mich bedanken. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Kollege Lürbke. – Als nächste Rednerin hat nun für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Abgeordnete Schäffer das Wort. – Bitte sehr, Frau Kollegin.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch nach den vielen Sitzungen im Innenausschuss, im Familienausschuss, den Diskussionen mit den Expertinnen und Experten und den Plenardebatten ist es noch immer völlig unbegreiflich, was über 40 Kinder und Jugendliche über Jahre hinweg erleiden mussten.
los, weil diesen Kindern und Jugendlichen nicht geholfen wurde, weil die Behörden Hinweisen offenbar nicht ausreichend nachgegangen sind.
Wir haben in den vergangenen Monaten über etliche Fragen und Ungereimtheiten gesprochen und diskutiert, doch viele Fragen sind nach wie vor offen. Das sind zum Teil Fragen, die wir gar nicht klären konnten, weil sie jetzt eine Rolle im Prozess spielen werden und wir dafür auch die Akten benötigen.
Es sind aber auch Fragen, die aus meiner Sicht im Innenausschuss vom Innenministerium nicht ausreichend beantwortet wurden, und die wir jetzt im Untersuchungsausschuss stellen werden.
Ich bin froh – da kann ich mich meinen Vorrednern anschließen –, dass wir jetzt einen gemeinsamen Antrag zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses von CDU, SPD, FDP und uns Grünen auf den Weg gebracht haben; denn ich glaube, dass dieser gemeinsame Antrag noch einmal deutlich macht, dass es auch ein gemeinsames parlamentarisches Aufklärungsinteresse gibt. Ich finde, es wird der Dimension dieses Themas nur gerecht, wenn wir gemeinsam an der Aufklärung arbeiten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt eine Zeit vor Oktober 2018, und es gibt eine Zeit danach. Zu der Zeit vor Oktober 2018 – das war der Zeitpunkt, als eine Mutter Strafanzeige gegen den Hauptangeklagten Andreas V. stellte – werden wir viele Fragen untersuchen.
Wir müssen den Fragen nachgehen, was mit den Hinweisen von 2016 und 2017 in Bezug auf Kindeswohlgefährdung und insbesondere auf die Hinweise in Bezug auf sexuellen Missbrauch geschah.
Welche Informationen wurden wann zwischen Polizei und Jugendämtern ausgetauscht? Wir sprechen hier immerhin von einem Offizialdelikt, bei dem es einen Strafverfolgungszwang gibt. Deshalb ist die Frage auch so entscheidend, was die Polizei mit diesen Hinweisen machte.
Wir werden aber auch der Frage nachgehen, wie es sein konnte, dass der Hauptangeklagte Andreas V. eine Pflegeerlaubnis bekam. Ich stelle mir immer noch die Frage – darauf haben wir auch noch keine Antworten –, ob tatsächlich niemand und in keiner Institution – damit meine ich zum Beispiel Schule, Ärztinnen und Ärzte – einen entsprechenden Verdacht gehegt haben soll. Diese Frage werden wir uns stellen müssen.
Wir wollen aber auch die Zeit nach Oktober 2018 aufarbeiten. Wie kann es sein, dass 155 Datenträger bei der Polizei spurlos verschwinden? Wie wurden die Vernehmungen der Opfer durchgeführt? Mussten Vernehmungen aufgrund von Fehlern wiederholt
werden? Herr Wolf hat gerade die Problematik angesprochen. Müssen Vernehmungen eventuell auch im Prozess noch erfolgen? Wurden tatsächlich Aktenmanipulationen beim Jugendamt vorgenommen?
Das sind alles Fragen, die wir klären müssen; denn ich glaube, dass diese Problematiken auch dazu führen können, dass wertvolles Vertrauen in die Ermittlungsbehörden verloren gehen kann. Deshalb müssen wir das aufklären.
Wir werden aber auch die Rolle der Landesregierung aufarbeiten. Da gibt es einmal Fragen zu der internen Kommunikation der betroffenen Ministerien und der Staatskanzlei. Ich halte nach wie vor auch die Frage für zentral, ob die Ermittlungen früher hätten von der kleineren Kreispolizeibehörde Lippe auf das größere Polizeipräsidium Bielefeld übertragen werden müssen.
Die Frage ist deshalb so zentral, weil sie mögliche strukturelle Probleme bei der Polizei NordrheinWestfalen mit ihren 47 Kreispolizeibehörden und – wie wir seit Kurzem wissen – mit gerade einmal 105 Stellen für den Bereich Kindesmissbrauch anspricht.
Wir müssen aber auch der Frage nachgehen, ob es strukturelle Probleme im Aufbau der Jugendämter in Nordrhein-Westfalen gibt, denn es gibt auch eine Zeit nach dem 30. Januar. Ich will noch einmal in Erinnerung rufen: Am 30. Januar gab es die Pressekonferenz der Polizei Lippe, bei der erstmals der langjährige und vielfache Kindesmissbrauch in Lügde öffentlich wurde.
Ich glaube, dass die breite Berichterstattung und die politischen Diskussionen, die wir seitdem führen, auch die Chance geben, Konsequenzen aus diesem furchtbaren Fall zu ziehen und den Kinderschutz besser aufzustellen.
brauch“ als Instrument zu nutzen, um strukturelle Defizite aufzudecken und gemeinsam Konsequenzen daraus zu ziehen.
Das heißt übrigens nicht – auch darüber haben wir im Vorfeld schon diskutiert –, dass parallel zum Untersuchungsausschuss nicht gleichzeitig an Konsequenzen gearbeitet werden kann und gearbeitet werden muss. Ich glaube, es braucht beides.
Man braucht die Aufarbeitung nach hinten, und wir müssen schauen: Wann hat welche Behörde möglicherweise welchen Fehler gemacht? Wo gibt es strukturelle Defizite im Behördenaufbau in Nordrhein-Westfalen? Wir müssen andererseits die Konsequenzen nach vorne ziehen. Ich bin froh, dass wir diesen Weg der parlamentarischen Aufarbeitung jetzt gemeinsam gehen. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Kollegin Schäffer. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der SPD Herr Abgeordneter Ganzke das Wort.
Dann liegen uns zu diesem Tagesordnungspunkt keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich schaue in die Runde: Das bleibt auch so. – Damit, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind wir am Schluss der Aussprache und kommen zur Abstimmung.
Zunächst stimmen wir über den Antrag der Abgeordneten der Fraktion der AfD Drucksache 17/6582 ab. Die antragstellenden Abgeordneten der Fraktion der AfD haben direkte Abstimmung beantragt, sodass wir nun zur Abstimmung über den Inhalt des Antrags Drucksache 17/6582 kommen.
Wer dem Inhalt des Antrags zustimmen möchte, den darf ich bitte jetzt um das Handzeichen bitten. – Das sind die anwesenden Abgeordneten der Fraktion der AfD. Gegenstimmen? – Das sind die anwesenden Abgeordneten der Fraktion der CDU, der Fraktion der SPD, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion der FDP. Gibt es Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist der Antrag Drucksache 17/6582 mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis abgelehnt.
Wir kommen weiter zur Abstimmung über den von 65 Abgeordneten der Fraktion der CDU, der Abgeordneten der Fraktion der SPD, von 26 Abgeordneten der FDP und der Abgeordneten der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gestellten Antrag auf Einsetzung des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses Drucksache 17/6660. Die Antragsteller haben direkte Abstimmung beantragt, sodass wir nun zur Abstimmung über den Inhalt des Antrags Drucksache 17/6660 kommen.
Wer diesem Antrag zustimmen möchte, den darf ich um das Handzeichen bitten. – Das sind die anwesenden Abgeordneten der Fraktion der CDU, der Fraktion der SPD, der Fraktion der FDP, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion der AfD. Gibt es Gegenstimmen? – Das ist nicht der Fall. Gibt es Enthaltungen? – Dann ist der Antrag Drucksache 17/6660 mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis angenommen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile für die Fraktion der CDU dem Abgeordneten Dr. Nacke das Wort. Bitte sehr, Herr Abgeordneter.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In unserem Land sind Staat und Kirche bzw. Staat und Religionsgemeinschaften voneinander getrennt. Weil es aber eine Reihe gemeinsamer Aufgaben, vor allem im Bereich des Sozialen und der Bildung gibt, sprechen Fachleute von einer balancierten Trennung.