Protokoll der Sitzung vom 14.09.2017

Vielen Dank, Herr Römer. – Ich erteile nun Herrn Abgeordneten Löttgen das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuschauerinnen und Zuschauer hier im Landtag und in den Medien! Das kleine Kätzchen, das so gerne der große Tiger geblieben wäre, hat gerade gesprochen.

(Heiterkeit und Beifall von der CDU – Verein- zelt Beifall von der FDP)

Für Sie gilt doch nach wie vor: Das Erzählte reicht. – Für uns aber gilt: Das Erreichte zählt.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Sehr geehrter Herr Römer, wenn Sie sich in Ihrer Rede einmal zaghaft getraut haben, sich an Zukunftsthemen heranzutasten, dann war das eher – und das hat auch so geklungen – wie eine Abrechnung mit Ihrer falschen Politik und ein Appell an uns, es besser zu machen.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Ich kann Sie beruhigen, Herr Römer: Wir machen es besser. Das, was Sie hier abgeliefert haben, war nicht gut – für die Sache nicht und auch nicht für Sie als Opposition.

(Zurufe von der SPD: Oh!)

Das, meine Damen und Herren, waren seinerzeit die Sätze des Kollegen Römer in der Aussprache zur Regierungserklärung am 16. September 2010 in der Entgegnung auf Karl-Josef Laumann. Deshalb war das „Oh!“ etwas verfrüht.

Das waren Sätze, meine Damen und Herren, sehr geehrter Herr Römer, liebe Kolleginnen und Kollegen der abgewählten Regierungsfraktionen, die jetzt auf Sie selbst zurückfallen und die sieben Jahre rotgrüne Politik perfekt beschreiben. Was für ein Blick über sieben Jahre, sehr geehrter Herr Römer, in eine Zukunft, der ich mich jetzt sehr gerne zuwenden werde!

Ministerpräsident Armin Laschet hat gestern einen Weg gewiesen. Der Leitgedanke der NRW-Koalition, eine Mentalität des Einstiegs zu fördern, statt immer neue und absurde Ausstiegsszenarien zu beschreiben, ist gut und richtig.

(Vereinzelt Beifall von der CDU – Zurufe von der SPD)

Mehr noch: Dieser Leitgedanke war notwendig, und er war längst überfällig, meine Damen und Herren.

Weg mit den Ausstiegsszenarien! Förderung einer Mentalität, ja, einer Kultur des Einstiegs als Leitsatz

der NRW-Koalition: Das heißt auch, sich mit dem konsensualen Grundsatz einer demokratischen Politik – „Zuhören. Entscheiden. Handeln“ in den von Ministerpräsident Armin Laschet genannten Spannungsfeldern unserer Gesellschaft, konsequent anzuwenden.

Sicherheit oder Freiheit, Marktwirtschaft oder Staatswirtschaft, Abschottung oder Freizügigkeit, kommunale Selbstverwaltung oder staatliche Lenkung, Verbrennungsmotor oder Elektromobilität, häusliche Pflege oder Unterbringung im Heim, Altersrücklagen bilden oder konsumieren im Hier und Jetzt, heiraten oder ohne Trauschein zusammenleben, Kinder zu Hause erziehen oder Erfolg im Beruf suchen, Mietwohnung oder Eigentum, studieren oder Beruf, ein Unternehmen gründen oder Angestellter bleiben – das alles sind Fragestellungen, mit denen die Menschen in unserem Land Nordrhein-Westfalen täglich konfrontiert sind. Es sind Fragestellungen, bei denen sich die Menschen in den vergangenen sieben Jahren alleingelassen gefühlt haben, weil ihnen suggeriert wurde, dass das Wort „oder“ der wichtigste Teil dieser Frage sei.

Aber das ist es nicht, meine Damen und Herren. Nordrhein-Westfalen darf kein Oder-Land werden. Damit werden wir uns als NRW-Koalition nicht zufriedengeben.

(Beifall von der CDU und der FDP – Michael Hübner [SPD]: Das ist Brandenburg! Dann re- den Sie auch über Brandenburg! Hier fließt der Rhein! – Zuruf von Marc Herter [SPD])

Wissen Sie, Herr Herter, wenn Sie an dieser Stelle schon so nett einsteigen, zwingen Sie mich ja quasi, schon jetzt ein Zitat eines großen deutschen Staatsmannes zu bringen,

(Zuruf von der SPD: Armin Laschet?)

das ich eigentlich erst am Schluss bringen wollte:

„Alle große politische Aktion besteht in dem Aussprechen dessen, was ist, und beginnt damit. Alle politische Kleingeisterei besteht in dem Verschweigen und Bemänteln dessen, was ist.“

Das, meine Damen und Herren, müssen Sie jetzt ertragen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Sie wissen genau, von wem dieses Zitat stammt,

(Nadja Lüders [SPD]: Natürlich!)

nämlich von Ferdinand Lassalle, einem der Gründerväter der SPD. Wie weit haben Sie sich von dem Gedanken, den er da geäußert hat, zwischenzeitlich entfernt!

(Beifall von der CDU und der FDP – Wider- spruch von der SPD)

Sie haben Nordrhein-Westfalen zu einem Oder-Land gemacht. Bei allen Entscheidungen wollen wir das berücksichtigen. Wir wollen Maß und Mitte im Blick haben,

(Zuruf von der SPD: Mittelmaß!)

wie einer der Väter der sozialen Marktwirtschaft, Wilhelm Röpke, es so markant benannt hat. Das ist wichtig für unser Land. Diesem Gedanken von Röpke folgend werden wir als NRW-Koalition Lösungen anbieten, die eine Mentalität des Einstiegs fördern und nicht bei der Verwaltung von Fragen stehen bleiben.

(Beifall von der CDU)

Sehr geehrte Damen und Herren von SPD und Bündnis 90/Die Grünen, einige dieser Fragen beantworten wir als NRW-Koalition in diesen für die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes so entscheidenden Themenfeldern anders als Sie in der rot-grünen Koalition in den letzten sieben Jahren. Es ist in einer parlamentarischen Demokratie nicht nur erlaubt, es ist geradezu notwendig, das Pendel für einen Moment in die andere Richtung schwingen zu lassen, damit Balance entsteht.

Wenig in meinem politischen Leben hat mir so viel Freude bereitet wie die Aufgabe, diese immer als Gegensätze beschriebenen Herausforderungen gemeinsam mit den Partnern der FDP während der Koalitionsgespräche in Balance zu bringen, die vermeintlichen Gegensätze auszutarieren, sie in einem Koalitionsvertrag zu Papier zu bringen und den Anspruch zu dokumentieren, diese Vorstellungen in den kommenden Jahren in Realität umzusetzen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Stichwort: Anspruch. Endgültig den Glauben daran, dass Sie als damalige rot-grüne Landesregierung überhaupt noch den Anspruch hatten, unser Land wieder auf die Spitzenplätze bei der Bildung, beim Wirtschaftswachstum, bei der Bekämpfung der Kriminalität, beim Kampf gegen Kinderarmut, bei der Beseitigung des Wohnungsmangels oder gar der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung zu führen, habe ich am 26. August 2016 verloren.

Parallel wurde die 54. Spielzeit der Ersten Fußballbundesliga angepfiffen, und in Düsseldorf startete das dreitägige Bürgerfest zum 70. Geburtstag unseres Landes. Mit Blick auf die Geschichte NordrheinWestfalens sprach Bundeskanzlerin Angela Merkel beim Festakt von einem „starken Stück Deutschland“. Sie hatte recht, und sie hat recht: Die Menschen in diesem Land haben allen Grund, stolz auf das Erreichte zu sein.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Im Gegensatz zu jedem Bundesligaverein, zu jedem Sportverein, der sich in diesem tollen Sportland anstrengt, hatten Sie zu diesem Zeitpunkt längst den

Anspruch aufgegeben, auf Platz eins der Bundesländertabelle zu stehen. Seit SPD und Grüne dieses Land regierten, seit 2010, wurden wir in den Vergleichstabellen immer weiter durchgereicht.

Nur vier Stichpunkte einer langen Liste: die niedrigste Betreuungsquote bei unter Dreijährigen, bei uns wurde pro Schüler am wenigsten investiert, die Frauenerwerbsquote war so niedrig wie sonst nirgendwo, und in keinem Flächenland wurden so wenige Straftaten aufgeklärt wie in Nordrhein-Westfalen.

In der Geschichte unseres Landes, der Bundesrepublik Deutschland, war Nordrhein-Westfalen stets der wirtschaftliche und industrielle Mittelpunkt. Zwischen Rhein und Ruhr lag der Motor des Wirtschaftswunders. Hier wurden die Grundlagen unseres Wohlstandes geschaffen. Aber in den vergangenen sieben Jahren mussten wir feststellen, dass ein Grundklima fehlte, dass denen, die etwas unternehmen wollten, nicht noch zusätzliche bürokratische Hemmnisse in den Weg gelegt werden.

(Monika Düker [GRÜNE]: Wann kommen Sie denn mal auf die nächsten fünf Jahre zu spre- chen?)

Wer wie die ehemalige rot-grüne Landesregierung den Weg an die Spitze mit wirtschafts- und kommunalfeindlichen Gesetzen mit einem geradezu manischen Kontroll- und Zentralisierungswahn blockiert hatte, wer ein Jahr vor der Landtagswahl am 4. Mai 2016 von der „ZEIT“ in einem Artikel über die Regierungschefin mit der Überschrift „Sie will: nichts“ konfrontiert wurde,

(Zuruf von Monika Düker [GRÜNE])

der hatte den Anspruch aufgegeben, unser Land wieder auf die ersten Plätze zu führen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

In einer vergleichbaren Situation hätten die Fans betroffener Vereine natürlich längst lautstark und zu Recht einen Trainerwechsel gefordert. In NordrheinWestfalen haben das die Wählerinnen und Wähler am 14. Mai zu unseren Gunsten über die Auswechslung der ermattet, müde und träge gewordenen rotgrünen Regierungsmannschaft entschieden.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Herr Römer, die Wählerinnen und Wähler haben Sie entzaubert. Heute, nach 76 Tagen Regierungszeit, sind Sie als Oppositionsparteien von SPD und Bündnis 90/Die Grünen – so war mein Eindruck der gestrigen Debatte – anscheinend mit der Gabe der Prophetie, der langfristigen Vorausschau gesegnet. Darum beneide ich Sie.