Das Aushalten politischer Positionen bedeutet jedoch nicht, dass man ausblenden kann und sollte, welches die Geister waren, die Bernd Lucke rief, die er schließlich nicht mehr loswurde und denen er sich nicht entgegengestellt hat, sondern vor denen er weggerannt ist.
Die AfD war nie die harmlose Professorenpartei, auch nicht unter Professor Bernd Lucke. Lucke selbst bezeichnete unsere Demokratie als – Zitat – entartet. Er ließ Parteifreunde vom Schießbefehl auf Kinder an der Grenze fabulieren, ohne sich davon zu distanzieren.
Er ließ zu, dass rechte Narrative wie Staatsmedien, Blogparteien und Multikultiumerziehung Eingang in die offizielle AfD-PR fanden, und er selbst bezeichnete Geflüchtete als – Zitat – Bodensatz. Von einer solchen Wortwahl ist es nicht mehr weit bis zu Björn Höcke und seinen ein ums andere Mal entlarvenden Deportationsfantasien.
Diese Kritik, meine Damen und Herren, muss Bernd Lucke aushalten – unter keinen Umständen mit Gewalt, aber mit deutlichen und klaren Worten, denn Meinungsfreiheit bedeutet nicht Widerspruchsfreiheit.
Auch ein Herr Gauland muss es aushalten, Herr Seifen, dass man an sein Zitat aus einer Rede am 18.08.2019 in Brandenburg an der Havel erinnert, in der er von der Machtergreifung fabuliert hat.
Herr Gauland muss es aushalten, dass man daran erinnert und ihm an dieser Stelle klar widerspricht, denn unser Grundgesetz ist das Grundgerüst für die wehrhafte Demokratie, und eine wehrhafte Demokratie ist selbstverständlich auch eine Demokratie, die der Meinungsfreiheit verfassungsrechtliche Grenzen setzt, nämlich wenn eine Meinung sichtbar gegen die Grundgerüste der Demokratie geht, wenn sie geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören oder die Meinungsfreiheit anderer einzuschränken. Das sind die Grenzen, und das muss wieder demokratischer Konsens sein.
Wer versucht, sich diesem demokratischen Konsens zu entziehen, kann sich nicht als Opfer darstellen, wie es die AfD in diesem Antrag versucht, denn es ist doch die AfD selbst, die immer wieder versucht, Meinungen einzuschränken, die Hass und Hetze befeuert und auf diese Weise Menschen vom politischen Diskurs ausschließt.
Gucken Sie sich doch einmal die Statements – nicht zuletzt von heute – im Deutschen Bundestag an, in dem Journalisten nach den Vorgängen im Rechtsausschuss gefragt haben. Diese Fragen wurden, begleitet von einer Welle von Beschimpfungen, beantwortet.
Es ist die AfD, die selbst vor der Wissenschaft nicht haltmacht. Sie wollen Wissenschaftler, die nicht in Ihr rückwärtsgewandtes Weltbild passen, ausschließen und missliebige Disziplinen einfach abschaffen. Sie fahren regelmäßige Frontalangriffe auf die wissenschaftliche Debatte, die nicht unwidersprochen bleiben dürfen.
Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Wissenschaft ist nicht neutral. Universitäten waren immer ein Ort gesellschaftlicher Debatte und des gesellschaftlichen Fortschritts.
Auch Hochschulen sind nicht dazu verpflichtet, bei Diskussionen Personen zu berücksichtigen, die demokratiefeindliche, menschenfeindliche oder völkisch-rassistische Ideologien verbreiten, sei es direkt oder unterschwellig. Keine öffentliche Einrichtung – weder in unserem Land, noch in der Bundesrepublik – darf neutral sein, wenn es darum geht, die Demokratie zu verteidigen. – Ich danke Ihnen.
Vielen Dank, Herr Kollege. – Es gibt eine Kurzintervention der AfD-Fraktion. Der Abgeordnete Seifen hat das Wort.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Kollege Bolte-Richter, ich finde es gut, dass wir uns einig sind, dass Wissenschaftsfreiheit unbedingt sein muss.
Sie haben natürlich versucht, meinen Antrag und meine Rede zu relativieren; das ist in Ordnung. Schließlich entspricht das dem politischen Geschäft in diesem Parlament. Insofern finde ich Ihre Rede wesentlich fundierter als das, was ich vorher gehört habe.
Aber trotzdem sind Sie ausgewichen. Sie sprechen dauernd davon, Meinungsfreiheit müsse Meinung ertragen können. Es geht hier um die Wissenschaftsfreiheit. Auch die Leute in Hamburg müssen ertragen, dass ein Herr Lucke – egal, wie man ihn sonst so findet – seine – Zitat – neoliberalen Wirtschaftsansichten vorbringt.
Das möchte ich ganz deutlich sagen. Diese Leute, die dort randaliert haben, haben in erster Linie gar nicht von der AfD gesprochen – das haben Sie nebenbei auch gesagt –, sondern dezidiert davon, dass Herr Lucke seinen wissenschaftlichen Standpunkt nicht darlegen darf. – Das geht auf keinen Fall. Sie wissen ganz genau, dass wir das nicht verharmlosen dürfen.
Selbst Bodo Ramelow hat in Bezug auf die Antifaschisten die Nerven verloren und gesagt: „Es kotzt mich an, wie arrogant ihr seid.“ – Das sagte er bei einem Auftritt in Halle zu den linken Autonomen.
Frau Beihl, das hat übrigens nichts mehr mit Political Correctness zu tun, das ist Meinungsdiktatur. Dagegen verwahren wir uns. Wir würden vom Landtag ein sehr gutes Signal in die Hochschullandschaft senden, nämlich dass wir völlig hinter den Professoren stehen, die für die Wissenschaftsfreiheit sind.
Vielen Dank. – Zur Reaktion auf diese Kurzintervention hat der Abgeordnete Bolte-Richter wieder das Wort.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Abgeordneter Seifen, es gibt in diesem Land keine Meinungsdiktatur. Deutschland hat insbesondere im 20. Jahrhundert schmerzlichste Erfahrungen mit Diktaturen gemacht, und wir sollten uns da auch mäßigen, wenn wir mit diesem Begriff hantieren. Es gibt in diesem Land keine Meinungsdiktatur, es gibt in diesem Land keine Einschränkungen der Wissenschaftsfreiheit.
Ich sage Ihnen auch ganz klar: Zu den Vorfällen bei der Vorlesung von Herrn Lucke ist durch die Wissenschaftssenatorin alles gesagt worden. Sie hat ganz klar gesagt:
„Wie im Hörsaal mit Herrn Lucke umgegangen wurde, widerspricht den Regeln fairer politischer und demokratischer Auseinandersetzung.“
Insofern inszenieren Sie hier etwas, was es nicht gibt. Sie warnen vor etwas, was nicht passieren wird, und Sie tun das mit einer Folie, die für unsere Demokratie nicht gut ist.
Vielen Dank, Herr Kollege Bolte-Richter, für die Erwiderung. – Jetzt fahren wir in der regulären Redeliste fort. Der Nächste ist der fraktionslose Abgeordnete Pretzell, der jetzt das Redepult für sich hat.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen! Eigentlich wollte ich heute tatsächlich etwas zur Antifa sagen und zum in der Sache völlig richtigen Antrag der AfD-Fraktion, weil ich den durchaus für ausgewogen und richtig in der Sache empfinde. Das ist auch der Grund, warum ich dem nachher zustimmen möchte.
Aber die Redebeiträge hier haben mich doch dazu veranlasst, zu fast jedem Beitrag noch etwas zu sagen.
Zum einen. Herr Dr. Nacke hat so schön diesen Begriff der autonomen Hochschule verwendet. Ob die Doppeldeutigkeit nun gewollt oder nicht gewollt war, jedenfalls war sie richtig. Denn in der Tat, die Hochschulen sind unterwandert, und man muss ganz klar sagen: Die studentische Mitbestimmung an den Hochschulen ist in weiten Teilen als gescheitert zu betrachten und politisch instrumentalisiert.
Dann zu dem, was hier über Lucke alles so gesagt worden ist. Ich bin nun weit davon entfernt, persönlich, politisch oder sonst wie ein besonders großer Freund von ihm zu sein, aber was ihm hier wissenschaftlich passiert ist …! Ich glaube, dass es darum geht. Es geht nicht um politischen Diskurs an der Hamburger Hochschule. Den kann jeder führen, wie und wo er möchte. Das ist überhaupt nicht das Problem; dafür gibt es genug freien Raum. Was aber nicht geht, ist, dass eine Makroökonomievorlesung verwendet wird, um politisch missliebige Wissenschaftler anzugreifen und ihnen zu versagen, sich wissenschaftlich zu äußern. Das ist nicht in Ordnung. Ich
verteidige Herrn Lucke nicht politisch, nicht persönlich, aber ich verteidige ihn als Wissenschaftler.
Im Übrigen, Herr Professor Rudolph, nur das sei Ihnen gesagt: Ihn gegen die furchtbaren Rechten, die ihn stürzen wollten, zu verteidigen, ist insofern interessant, weil Herr Höcke einer von zwei Menschen war, denen Herr Lucke auf seinem Abwahlparteitag 2015 noch persönlich gedankt hat.
Was aber hochinteressant war, war der Redebeitrag der Kollegin Beihl von der FDP. Also, wie Sie hier Meinungsfreiheit definiert haben, das ist für eine Freie Demokratin beachtlich bis erschreckend. Denn es geht gerade nicht um irgendwelche wachsweichen Grenzen von Anstand und ich weiß nicht was alles, die Sie glauben bei der Meinungsfreiheit ziehen zu müssen.
Bei der Meinungsfreiheit geht es eben gerade darum, dass Leute Dinge sagen können, die in Ihren Ohren unerträglich sind. Darum geht es. Hier werden ganz viele Dinge ständig und immer wieder gesagt, die in meinen Ohren unerträglich sind, und trotzdem muss man die sagen dürfen.
Das ist ja gerade Meinungsfreiheit, und die Meinungsfreiheit endet nur an einer Stelle: an den deutschen Strafgesetzen. Da endet die Meinungsfreiheit und nirgendwo sonst. Ich hoffe, dass das so bleibt an deutschen Universitäten und an nordrhein-westfälischen Universitäten im Speziellen.
Ich kann das beurteilen. Ich habe an einigen Universitäten politische Auftritte gehabt. Ich kann Ihnen sagen: Keiner hier in Nordrhein-Westfalen ist ohne gravierenden Polizeischutz ausgekommen. Freie politische Debatte findet an deutschen Universitäten tatsächlich nicht mehr statt.
Das hat nichts damit zu tun, dass Leute keinen Widerspruch vertragen, sondern das hat was mit Sachbeschädigung zu tun, mit körperlichen Angriffen, Bedrohungen etc. – Herzlichen Dank.