Protokoll der Sitzung vom 15.11.2019

Ich sage Ihnen ganz deutlich, dass wir die kommunale Demokratie im Vergleich zu Ihnen vor allem dadurch stärken, dass wir der kommunalen Selbstverwaltung vertrauen. Kommunale Selbstverwaltung scheint aber für Sie ein Fremdwort zu sein, wenn ich nur Ihren Forderungskatalog sehe. Darin ist von kommunaler Selbstverwaltung nichts zu erkennen.

Es geht Ihnen aber auch nicht um die Stärkung der kommunalen Demokratie, sondern nur um Ihre PRArbeit. Herr Loose, Herr Tritschler, ich beobachte Sie schon etwas länger, wenn Sie Ihre Reden halten. Es geht mir gar nicht um den Inhalt; dazu haben wir unsere feste Meinung. Sie sprechen gar nicht zu den Abgeordneten.

(Zurufe von Sven Werner Tritschler [AfD] und Christian Loose [AfD])

Sie sprechen jedes Mal ins Off oder in die Medienkamera. Aber die Debatte gehört hier in dieses Haus. Es geht darum, dass wir mit den Kolleginnen und Kollegen Argumente austauschen und miteinander streiten. So ist es auch in einem Kommunalparlament.

Sie kennen die Kommunalparlamente überhaupt nicht. Da gibt es nicht nur Säle mit festen Redepulten, sondern es gibt Kommunalparlamente, bei denen der Rat im Kreis – Sigrid Beer weiß es auch, das ist in Paderborn der Fall – zusammensitzt, Argumente austauscht und übrigens zu mehr als 90 % zu einvernehmlichen Entscheidungen kommt. – Sie wollen demgegenüber die Inszenierung haben.

Ich gebe für die weiteren Beratungen – der Antrag wird in den Ausschuss überwiesen werden, dem stimmen wir auch zu – gern einige persönliche Einschätzungen anhand der in Ihrem Antrag unterbreiteten Feststellungen und Beschlussvorschläge mit auf den Weg.

Zu II.1: Die kommunale Demokratie kann durch digitale Lösungen gestärkt werden, sie hängt aber ganz bestimmt nicht davon ab.

Zu II.2 bzw. III.4: Die Glaubwürdigkeit von kommunalen Mandatsträgern in der Bevölkerung ist in der Regel derart hoch, dass wir keinen Videobeweis benötigen. Ich brauche keinen Videobeweis dafür, dass kommunale Ratsvertreterinnen und Ratsvertreter arbeiten. Wenn Sie das meinen, dann haben Sie wiederum nicht verstanden, wie kommunale Zusammenarbeit funktioniert.

Zu III.1: Sie widersprechen sich selbst, wenn Sie auf der einen Seite sagen, die Kosten seien überschaubar, aber auf der anderen Seite fordern, das Land solle die Kosten übernehmen. Darin sehe ich einen Widerspruch.

Die Redezeit.

Ich komme zum Schluss.

Zu III.2 und III.3: Solche Verpflichtungen, die Sie dort fordern, widersprechen, wie schon gesagt, dem Ansatz von kommunaler Selbstverwaltung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Überweisung in den Ausschuss stimmen wir zu. Chancen auf inhaltliche Zustimmung sehen wir überhaupt nicht. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Sieveke. – Für die SPD-Fraktion spricht jetzt Frau Kollegin Stock.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ehrenamtliche unter dauerhafter Beobachtung in einem Internet, das nicht vergisst – ist dies eine zu hohe Belastung für das Ehrenamt oder mittlerweile ein Erfordernis, das dem Gebot der Transparenz geschuldet ist?

Der hier vorliegende Antrag sieht vor, Beratungen von Räten und Kreistagen digital zu veröffentlichen, also alle öffentlichen Sitzungen live im Internet zu streamen und diesen Stream ein Jahr lang abrufbar zur Verfügung zu stellen. Hier stoßen wir auf mehrere Problematiken.

In den Räten der Städte und Gemeinden sitzen ehrenamtliche Politikerinnen und Politiker. Die meisten von ihnen sind keine Medienprofis. Die Angst, etwas Falsches zu sagen, sich mit einem Versprecher zu blamieren oder auf irgendeine Art und Weise bloßgestellt zu werden, hat mit hoher Wahrscheinlichkeit einen negativen Einfluss auf die Diskussionskultur in unseren Räten und Kreistagen.

(Beifall von Sven Wolf [SPD])

Es muss aber ganz deutlich zwischen hauptamtlichen Abgeordneten und ehrenamtlichen Kommunalpolitikern unterschieden werden. Noch einmal ganz deutlich: Ehrenamtliche sind keine Medienprofis. Hier geht es also nicht nur um die datenschutzrechtlichen Rahmenbedingungen. Sicherheit und Persönlichkeitsrechte müssen für die Ehrenamtlichen auch im Internet gewahrt werden.

Schon jetzt äußern ehrenamtliche Kommunalpolitiker ihren Unmut über die gestiegenen Belastungen durch das Ehrenamt. Die fachlichen Herausforderungen steigen, die Kommunikationserwartungen der Bürgerschaft ebenso. Gleichzeitig sinkt der Respekt vor der von den Ehrenamtlichen geopferten Freizeit, und die Kritik an den getroffenen Entscheidungen wird teilweise mit harten Bandagen vorgetragen. Auch sogenannte Shitstorms nehmen zu.

Ehrenamtliche Kommunalpolitiker zu zwingen, sich und ihre Aussagen einer weltweiten Öffentlichkeit auszusetzen, birgt die Gefahr, dass die Bereitschaft sinkt, sich für ein Ehrenamt zur Verfügung zu stellen. Menschen in kommunalen Gremien sind nicht alle rhetorisch geschult. Sie dem potenziellen Spott der Internetöffentlichkeit per Gesetz auszusetzen, halten wir für falsch.

(Beifall von der SPD)

Mehrere Städte in Nordrhein-Westfalen übertragen ihre Ratssitzungen bereits im Internet. Dies bedeutet, dass die Kommunen eine Übertragung zulassen und somit möglich machen. Hier machen die Kommunen von ihrem hohen Gut der kommunalen Selbstverwaltung Gebrauch. Für die SPD gibt es keinen Grund, warum man den Kommunen mit einem Landesgesetz einen Streaming-Zwang auferlegen sollte.

Hier geht es nicht nur um die Frage der kommunalen Selbstverwaltung, sondern auch um eine konnexitätsrelevante Regelung. Das Land müsste für die Installierung und die Wartung der Technik finanziell aufkommen. Die Beschneidung der kommunalen Selbstverwaltung und der enorme Kostenaufwand

für das Land bestärken uns in der Ablehnung dieses Vorhabens.

Sitzungen von Räten und Kreistagen sind grundsätzlich öffentlich. Jeder, der an der Debatte ein Interesse hat, kann dieser beiwohnen. Auch Protokolle über die abgehaltenen Sitzungen sind wahrscheinlich öffentlich einsehbar. Hier lässt sich wahrlich nicht von einer Intransparenz sprechen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die SPD steht dafür, dass Politik verständlich, nachvollziehbar und transparent sein muss.

Wir sind der Meinung, dass wir mit der derzeitigen Regelung, dass jede Kommune selbst darüber entscheiden kann, ob sie ihre Sitzungen live im Internet zeigen möchte, alle Möglichkeiten der Transparenz und öffentlichen Teilhabe selbstständig und ohne Bevormundung von oben sicherstellen. Öffentliche Rats- und Kreistagssitzungen sind keine nebulösen Hinterzimmerveranstaltungen. Jede Bürgerin und jeder Bürger hat stets die Möglichkeit, am politischen Geschehen seiner Kommune live und in Person teilzunehmen.

Wenn darüber hinaus eine Transparenz in Form eines Internetstreams gewünscht wird, dann muss das im Einvernehmen der Beteiligten in den jeweiligen Kommunen erfolgen und nicht über eine verpflichtende Regelung aus Düsseldorf. Für die SPD besteht hier kein Regelungsbedarf. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und Matthias Kerkhoff [CDU])

Vielen Dank, Frau Kollegin Stock. – Für die FDP-Fraktion spricht Herr Kollege Haupt.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Thema Digitalisierung und insbesondere das Thema Transparenz von politischen Entscheidungen liegen uns als FDP bekanntermaßen sehr am Herzen.

(Vereinzelt Beifall von der FDP)

Darum freut es uns auch grundsätzlich, dass bei anderen die Bedeutung dieses Themas anzukommen scheint.

Auch wenn wir uns als FDP an vielen Stellen eine Digitalisierung und die entsprechende Transparenz wünschen, so ist die Welt manchmal nicht ganz so einfach, und es gibt einige Hürden zu nehmen.

So ist der Grundsatz der kommunalen Selbstverwaltung ein hohes Gut unserer Verfassungsordnung. Art. 28 Abs. 2 besagt, dass unsere Kommunen das Recht haben, ihre Angelegenheiten in eigener Verantwortung zu regeln. Dieser Grundsatz umfasst

auch und gerade das Hausrecht und die Sitzungsleitung von Kommunalparlamenten.

Dass die AfD nun möchte, dass das Land per Gesetz von oben herab verordnet, ob und wie Kommunen und Verbände Livestreams ihrer Sitzungen bereitstellen und diese den Mandatsträgern zur Verfügung stellen, halten wir vor diesem Hintergrund für den komplett falschen Weg.

(Beifall von der FDP, der CDU und Sven Wolf [SPD])

Den kommunalen Mandatsträgern, bei denen es sich ja eben nicht um Berufspolitiker handelt, sondern um ehrenamtlich engagierte Bürgerinnen und Bürger unseres Landes, eine Aufzeichnung aufzuzwingen, ist nicht der richtige Weg angesichts der immer öfter eskalierenden Diskussionen in den sozialen Medien und den teils damit einhergehenden Bedrohungen von Kommunalpolitikern. Wir müssen beachten, dass durch eine solche Regelung noch mehr Menschen von einer kommunalpolitischen Tätigkeit Abstand nehmen könnten. Hier würde eben nur freiwilliges Einverständnis Akzeptanz schaffen.

Sogar bei den Kandidaten der AfD zur Landtagswahl wurde diese Auffassung offenbar geteilt. So hat sich am Kandidaten-Check des WDR zur Landtagswahl, wo von jedem Kandidaten – die Kollegen hier wissen das; sie haben alle daran teilgenommen – ein dreiminütiges Video erstellt wurde, damit die Bürgerinnen und Bürger des Landes sich bereits vor der Stimmabgabe ein Bild der Person machen konnten, kein einziger Abgeordneter der heutigen AfD-Landtagsfraktion beteiligt.

(Frank Müller [SPD]: Hört, hört! – Zuruf von Sven Wolf [SPD] – Weitere Zurufe)

Aber das wäre doch genau die Transparenz gewesen,

(Zurufe von der AfD – Unruhe – Glocke)

welche Sie in Ihrem Antrag einfordern, meine Damen und Herren der AfD-Fraktion!

(Zuruf von Sven Werner Tritschler [AfD])

Entweder ist Ihnen von der AfD-Fraktion die Transparenz doch nicht so wichtig, wie Sie schreiben – Klammer auf, was ich persönlich auch glaube, Klammer zu –, oder aber, Sie befürchten, dass, wenn Sie sich selbst den Inhalt nicht zurechtschneiden können, die von Ihnen gewünschte manipulative Wirkung nicht erreicht wird – Klammer auf, was ich auch glaube, Klammer zu.

(Beifall von der FDP, der CDU, der SPD und den GRÜNEN)

Ihnen geht es eben nicht um die Liveübertragung einer Debatte und der dort im Zusammenhang gesendeten Rede, Ihnen geht es vielmehr um den aus dem

Zusammenhang geschnittenen Wortbeitrag. So fordern Sie auch unverblümt in Ihrem Antrag unter Punkt 4: