Protokoll der Sitzung vom 18.12.2019

Dies ist zwar – das hat auch der Sachverständige Löffelmann in seiner Stellungnahme mitgeteilt – unter fiskalischen Gesichtspunkten bestimmt nachvollziehbar, begegnet aber gerade im Hinblick auf Art. 33 Abs. 4 Grundgesetz nicht unerheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken. Deshalb kurz zur Information: Es geht bei diesen Anforderungen um den Vollzug von freiheitsentziehenden Maßnahmen. Es geht hier unserer Ansicht nach auch nicht um bloße Hilfstätigkeiten, wie in den Begleittexten noch gesagt wurde – zum Beispiel Hilfstätigkeiten wie das Reichen der Verpflegung für Menschen, die in Gewahrsam genommen worden sind –, sondern hier geht es wirklich um den Vollzug freiheitsentziehender Maßnahmen.

Da sind wir der Ansicht, dass es hier um die Wahrnehmung hoheitsrechtlicher Befugnisse im Sinne des Art. 33 Abs. 4 GG geht. Eine Übertragung dieser hoheitlichen Befugnisse von einer sogenannten notwendigen Staatsaufgabe ist nur unter hohen Anforderungen überhaupt delegierbar. Da sind wir der Ansicht, gemeinsam mit zwei Sachverständigen aus der Anhörung, dass hier allein fiskalische Gründe nicht ausreichen, denn gerade bei der Ingewahrsamnahme als einer freiheitsentziehenden Maßnahme geht es darum, dass diejenigen, die diese freiheitsentziehende Maßnahme vollziehen, besondere Kompetenzen aufweisen.

Diese besonderen Kompetenzen haben insbesondere Beamte mit ihrer Pflicht und ihrer aktiven Treue zur Verfassung. Unserer Ansicht nach haben gerade diese Beamten die Möglichkeit und den Hintergrund, diese wichtige Aufgabe auszuführen, weil es hier die Möglichkeit gibt, dass sie diese Aufgabe grundrechtsschonender ausführen als andere.

Kurz zur Erinnerung auch noch einmal: Auch im Bereich der Fixierung bestimmter Personen begegnet

diese Vorschrift unter den Bestimmtheits- und Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten Bedenken. Wir hätten uns gewünscht, dass wir diese Bedenken – das ist das, Kollege Sieveke, worüber wir im Innenausschuss diskutiert haben –, die mehrere Sachverständige nach vorne gebracht haben, gemeinsam auch noch einmal diskutieren. Das haben wir nicht getan.

(Sven Wolf [SPD]: Das ist der Unterschied!)

Sie haben jetzt diesen Gesetzentwurf so zur Abstimmung gestellt. Deshalb ist es so, dass wir als Opposition sagen, dann können wir dem nicht zustimmen, weil das wichtige Kritikpunkte in dem Bereich waren.

(Daniel Sieveke [CDU]: Mal einen Ruck ge- ben!)

Da hilft dann leider auch nicht Ihre einladende Rede hier und der Adventsgedanke, der uns alle trägt. Vor dem Hintergrund lehnen wir diesen Gesetzentwurf ab. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit. Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Ganzke. – Als nächster Redner hat Herr Abgeordneter Lürbke das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Worum geht es hier eigentlich heute im Kern? Mit diesem Gesetzentwurf entfristen wir insbesondere die Nutzung von polizeilichen Bodycams und machen somit den sinnvollen Einsatz der Bodycams dauerhaft möglich. Wir schützen unsere Polizeibeamten und stärken ihnen so den Rücken gegen zunehmende Übergriffe. In dieser Frage helfen nämlich keine Sonntagsreden, sondern hilft praktische Politik, die auch Lösungen bietet.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, vom Mai 2017 bis Januar 2018 wurden an sechs Pilotwachen die Bodycams im täglichen Einsatz getestet. Frau Kollegin Schäffer, der Pilotversuch wurde ja wissenschaftlich begleitet in den Behörden. Wenn man genau in die Studie hineinschaut, dann liest man da direkt – ich habe es mir noch einmal angeschaut – in den ersten Zeilen schwarz auf weiß – Zitat –:

„Die Befunde der Videoanalyse, der quantitativen und qualitativen Befragungen belegen das deeskalative Wirkpotenzial von Bodycams in polizeilichen Einsatzsituationen.“

So weit und so klar verständlich. Deswegen haben wir nicht ganz verstanden, dass Sie, Frau Kollegin, in der letzten Innenausschusssitzung fast einen parlamentarischen Tobsuchtsanfall bekommen haben

und uns als regierungstragenden Fraktionen vorgeworfen haben,

(Monika Düker [GRÜNE]: Achtung, das kommt gleich noch einmal!)

wir würden nicht auf die Wissenschaft hören und keine wissenschaftlich basierten Ergebnisse in unsere Politik einfließen lassen. Das Gegenteil ist natürlich der Fall.

(Beifall von der FDP)

Natürlich berücksichtigen wir wissenschaftliche Erkenntnisse. Wir verlieren dabei – das ist der Unterschied vielleicht zu den Grünen – vor lauter munteren Wissenschaftsstuhlkreisen nicht den Blick für das Wesentliche, für die Realität,

(Beifall von Daniel Sieveke [CDU])

sondern schaffen genau diese angesprochenen Lösungen.

(Norwich Rüße [GRÜNE]: Was denn jetzt?)

So, meine Damen und Herren, es ist völlig klar: Die Beamtinnen und Beamten, die mit den Geräten umgehen, die so eine Bodycam schultern, müssen natürlich geschult und trainiert werden und auch in der Lage sein, ihr Einsatzverhalten völlig unabhängig vom Einsatz der Bodycam auszugestalten. Das ist für uns auch klar. Daran werden wir weiter arbeiten.

Denn es ist Fakt: Seit 2017 lässt die Politik die Polizei in Nordrhein-Westfalen eben nicht mehr im Regen stehen. Fakt ist aber auch: Trotz allem, Herr Ganzke, trotz Ihrer Einlassung sehe ich keinen wirklichen Grund, warum Sie als Opposition diesem Gesetzentwurf und dieser Entfristung nicht zustimmen können.

Gleiches gilt auch für die weiteren Punkte, die wir in diesem Gesetzentwurf nun rechtlich sauber regeln. Ich will sie kurz nennen. Zum Beispiel normieren wir den Einsatz von Regierungsbeschäftigten im Polizeigewahrsam. Ja, das gibt es in anderen Ländern auch, das haben andere Länder übrigens auch schon gemacht. Unsere Polizei soll entlastet werden, und Regierungsbeschäftigte – das ist wichtig – sollen im Einklang mit den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts auch im Polizeigewahrsam eingesetzt werden.

Es geht insbesondere um die Versorgung der in Gewahrsam befindlichen Personen, um Papierkram, um Formalia, für was man nun wirklich keinen voll ausgebildeten Polizeihauptkommissar einsetzen

muss, der in der gleichen Zeit dann auf der Straße für Sicherheit sorgen könnte, meine Damen und Herren.

Zudem regeln wir mit diesem Gesetzentwurf die Fixierung von Personen im Polizeigewahrsam. Die Landesregierung und die Fraktionen von CDU und FDP haben sich auch dabei an den Vorgaben des

Verfassungsgerichts orientiert und schreiben Betroffenenrechte im Gesetz selbst fest und normieren hier strenge Vorbehalte. Das gab es alles vorher nicht. Und deswegen, Rot-Grün, Sie wollen jetzt wegen vorgeschobener Bedenken dieser offensichtlichen Stärkung der Betroffenenrechte nicht zustimmen. Das finde ich eher...

(Zuruf von Hartmut Ganzke [SPD])

Wir haben gerade davon gesprochen: Es ist Adventszeit und Weihnachtszeit, deswegen weiß ich nicht, wie ich es schonend formulieren soll. Ich finde es zumindest fragwürdig, unverständlich, warum das so ist. Nachvollziehbar ist es für mich jedenfalls nicht.

Am Ende haben die Grünen in der Anhörung sogar noch ein Problem damit entwickelt, dass betroffene Bürger jetzt auch der Löschung von Aufzeichnungen der polizeilichen Bodycams zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit der aufgezeichneten Maßnahmen widersprechen können.

Das ist doch eine Stärkung von Betroffenenrechten. Warum Sie dem nicht zustimmen wollen, verstehe ich nicht. Aber das macht auch nichts. Dafür, die Bürgerrechte zu stärken, gibt es eine Partei – das machen wir als FDP, meine Damen und Herren.

(Beifall von der FDP)

Liebe Genossen der SPD – Kollege Sieveke hat das gerade schon ausgeführt, ich kann mir diesen Kommentar aber nicht sparen –, wie schön, dass Sie beim letzten Mal auf unseren Entwurf des Polizeigesetzes auf den allerletzten Metern noch aufgesprungen sind, auch wenn Sie das heute anders darstellen und so tun, als hätten Sie den Gesetzentwurf insgesamt höchstselbst zusammengeklöppelt.

Vor dem Hintergrund, dass Sie damals vernünftigerweise mitgemacht haben, Herr Kollege Ganzke, ist es mir wirklich völlig unerklärlich, wieso Sie hier nicht mitgehen können. Das finde ich sehr schade. Es geht um praktische Änderungen, um kleine Stellschrauben im Sinne der Polizei und im Sinne der Sicherheit in Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Die FDP-Fraktion wird auf jeden Fall zustimmen. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit und Ihnen allen eine schöne Weihnachtszeit.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Lürbke. – Als nächste Rednerin hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Kollegin Schäffer das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich weiß nicht, Marc Lürbke, warum du es fragwürdig findest, dass wir hier nicht zustimmen. Ich muss ehrlich sagen, dass wir nach der Anhörung fest davon ausgegangen sind, dass es noch Änderungsanträge geben wird. Die liegen bis heute nicht auf dem Tisch.

(Beifall von den GRÜNEN)

In der Anhörung wurden mehrere Punkte angemerkt. Das sind keine gravierenden Punkte; wir reden nicht über einen Gesetzentwurf wie im vergangenen Jahr. Aber wir hätten es sinnvoll gefunden, wenn es Klarstellungen gegeben hätte. Das haben Sie nicht gemacht. Ich persönlich finde das sehr bedauerlich, weil ich meine, dass die Kritik der Sachverständigen relevant war.

Einer dieser Punkte betrifft das Thema „Polizeigewahrsam“. Sie wollen im Gesetzentwurf regeln, dass Regierungsbeschäftigte im Polizeigewahrsam eingesetzt werden können. Das hat unter anderem die Gewerkschaft der Polizei heftig kritisiert – wie ich finde, aus nachvollziehbaren Gründen. Sie sagen, dass es gerade im Polizeigewahrsam zu Konfliktsituationen kommen kann, die oft weitere Maßnahmen mit polizeilichen Eingriffen erfordern. Ich halte das für ein gutes Argument dafür, das Ganze noch mal zu überdenken bzw. etwas strenger zu regeln.

Ein weiterer Punkt betrifft die grundsätzliche Frage des Umgangs mit Grundrechtseingriffen, die insbesondere bei einer freiheitsentziehenden Maßnahme wie dem Polizeigewahrsam besonders gravierend sind.

Ich zitiere aus der Stellungnahme der Gewerkschaft der Polizei – ich mache es kurz, es ist nur ein Satz –:

„Aus Sicht der GdP ist deshalb der Ansatz, ausgerechnet im grundrechtssensiblen Bereich des Gewahrsams Polizeivollzugsbeamtinnen und beamte (PVB) durch Angestellte zu ersetzen, nicht nachvollziehbar.“

Das muss man doch mindestens zur Kenntnis nehmen.

(Beifall von den GRÜNEN)