Protokoll der Sitzung vom 12.02.2020

Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich heiße Sie alle herzlich willkommen zu unserer heutigen 80. Sitzung des Landtags von Nordrhein-Westfalen.

Mein Gruß gilt auch den Gästen auf der Zuschauertribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.

Für die heutige Sitzung haben sich vier Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden in das Protokoll aufgenommen.

Damit sind wir bei Tagesordnungspunkt 1:

1 Treibhausgasarmer Wasserstoff – Energieträ

ger der Zukunft: Nordrhein-Westfalen muss Chancen als Wasserstoff-Modellregion ergreifen

Antrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP Drucksache 17/8589

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner für die Fraktion der CDU dem Abgeordneten Rehbaum das Wort.

(Unruhe)

Ich bitte Sie gleichzeitig alle um entsprechende Ruhe.

(Glocke)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Auf der E-world gestern war das Thema „Wasserstoff“ in aller Munde; unser Antrag hierzu hatte sich schon herumgesprochen.

Um es gleich zu Beginn zu sagen: CDU und FDP setzen auf Wasserstoff. Wir sind fest entschlossen, NRW zum Wasserstoffland Nummer eins in Deutschland zu machen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Die Chancen des Wasserstoffs für Klimaschutz, Wirtschaft und Arbeitsplätze in NRW liegen auf dem Silbertablett; die NRW-Koalition hat sich bereits im Koalitionsvertrag 2017 zum Wasserstoff bekannt.

Es gibt drei große Anwendungsfelder für Wasserstoff: zum einen die Mobilität. Während die Elektromobilität für kürzere innerstädtische Strecken ihre Stärken ausspielen kann, ist Wasserstoff in Brennstoffzelle oder modifiziertem Otto-Motor für längere Strecken geeignet.

Der zweite Einsatzbereich für Wasserstoff ist die Stahlproduktion. Wenn man im Schmelzprozess Wasserstoff statt Kohlenstaub einbläst, lässt sich ein großer Teil des CO2 vermeiden.

Die Stahlindustrie will ihre Produktion bis 2050 auf Wasserstoff umstellen. Die Landesregierung unterstützt diese Entwicklung mit IN4climate.NRW. Am 11.11.2019 war Weltpremiere für Stahlproduktion mit Wasserstoff bei thyssenkrupp. Wasserstoff in der Stahlproduktion: Das ist Klimaschutz made in NRW.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Als dritte große CO2-Senke durch Wasserstoffeinsatz positioniert sich die Chemieindustrie, eine der Leitindustrien in NRW. Zahlreiche heute kohlenstoffhaltige Grundstoffe können bis 2050 durch Wasserstoff ersetzt werden, sodass auch die Chemieindustrie in NRW einen erheblichen Beitrag zum Klimaschutz leisten kann.

NRW hat gute Voraussetzungen. Air Liquide betreibt hier das größte Wasserstoffnetz Deutschlands. Shell in Wesseling errichtet den größten Elektrolyseur Deutschlands, Wasserstoff ist Teil der Energieversorgungsstrategie der Landesregierung. Die NRWWasserstoff-Roadmap ist in Arbeit.

Dabei steht – anders als in den nördlichen Bundesländern – nicht die Produktion des Gases im Mittelpunkt, sondern die klimafreundliche Nutzung von Wasserstoff und die Produktion von Wasserstofftechnik. Wasserstofftechnik entwickeln, marktreif machen, industriell fertigen, weltweit exportieren, in Arbeitsplätze ummünzen – das ist Klimaschutz made in NRW.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Verkehr, Stahl und Chemie werden Wasserstoff in großen Mengen benötigen. Dazu müssen die Unternehmen jetzt Milliardeninvestitionen auf den Weg bringen, um auf Wasserstoff umzurüsten.

Ohne Fördermittel, etwa aus dem Green Deal der EU-Kommission, wird es nicht gehen, aber auch die Unternehmen selber müssen investieren.

Doch wer Milliarden in die Wasserstoffumrüstung investiert, braucht auch die Sicherheit, dass dann genügend Wasserstoff zur Verfügung steht, um die neuen Anlagen wirtschaftlich auslasten zu können. Dazu werden wir als Brücke auf blauen Wasserstoff zurückgreifen müssen, der nach und nach durch grünen Wasserstoff ersetzt wird.

Das Ziel ist klar: Um Wasserstoff als wirksamen Beitrag zum Klimaschutz einzusetzen, muss er auf die Dauer regenerativ hergestellt sein. Das fängt vor der eigenen Haustür an:

Es ist absurd, Windstrom bei Überangebot ins Ausland zu verschenken oder Windräder aus dem Netz zu nehmen. Phantomstrom mit Millionenbeträgen zu

vergüten, ist geradezu verrückt. Mit diesem Wahnsinn muss endlich Schluss sein. Wir sollten endlich aus überschüssigem Windstrom Wasserstoff herstellen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Klar ist: Die Fläche Deutschlands ist zu klein, um vor Ort genügend grünen Wasserstoff zu erzeugen. Die heutige Stromproduktion in Deutschland beträgt ungefähr 600 Terawatt. Der Energiebedarf für die erforderliche Wasserstoffproduktion für Stahl, Chemie und Mobilität beträgt zusätzlich rund 700 Terawatt. Wir müssen uns ehrlich machen: Selbst, wenn wir auf jedem Kirmesplatz ein Windrad bauen, werden wir Wasserstoff aus dem Ausland benötigen.

Wasserstoff könnte man hervorragend in Nordafrika erzeugen. Dazu braucht es Abkommen mit der EU, die Transportfrage muss geklärt werden, und im deutschen Energierecht muss Wasserstoff als Energieträger eingestuft werden, um Klarheit für die Pipeline-Betreiber zu schaffen.

Fazit: NRW soll Wasserstoffstandort Nummer eins werden, und es braucht schnell verlässliche Wasserstoffmengen, damit in die Umrüstung für Industrieanlagen und in Fuhrparks investiert werden kann.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Weil wir gestern zusammen Karneval gefeiert haben, sage ich es noch einmal in Reimform: Ist zu wenig Wasserstoff in Sicht, rechnet sich der Umbau nicht. Ist reichlich Wasserstoff lieferbar, rechnet sich der Umbau – sonnenklar. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die Fraktion der FDP hat nun der Abgeordnete Brockes das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Keine Sorge,

(Unruhe – Glocke)

ich werde jetzt nicht versuchen, den karnevalistischen Endpunkt des Kollegen aus Westfalen zu toppen.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Als Rheinländer weiß ich, wie hoch die Latte da liegt.

(Hendrik Wüst, Minister für Verkehr: Du könn- test was singen!)

Meine Damen und Herren, es freut mich, dass wir die heutige Plenardebatte mit so einem schönen sachlichen und technischen Thema beginnen, was aber auch gerade ein strategisch wichtiges Thema für Nordrhein-Westfalen ist.

Eigentlich wollte ich meine Rede damit beginnen, dass Wasserstoff in aller Munde ist und auch gestern auf der E-world ein Thema war. Aber da Herr Kollege Rehbaum gerade so begonnen hat, schenke ich mir das.

Auch wir als FDP-Fraktion waren in der Tat gestern auf der E-world. Neben den aktuellen Themen der Energiewirtschaft war Wasserstoff das Topthema, das Zukunftsthema, auf das man an fast allen Ständen angesprochen wurde. Insofern kommt dieser Antrag der Koalitionsfraktionen genau zum richtigen Zeitpunkt.

Ich finde es auch gut und richtig, dass der Bundeswirtschaftsminister jetzt einen Entwurf zur nationalen Wasserstoffstrategie vorgelegt hat. Dieser Entwurf ist aktuell in der Ressortabstimmung.

Es ist richtig, hier mit einer Strategie heranzugehen. Aber gerade auch auf Bundesebene muss neben einer Strategie auch für vernünftige regulatorische Rahmenbedingen gesorgt werden. Dazu komme ich gern gleich noch.

Warum ist Wasserstoff gerade für Nordrhein-Westfalen so wichtig? – Wenn wir weiter Industriestandort Nummer eins in Europa bleiben wollen – das ist das Ziel der NRW-Koalition – und wir die Industrie mittel- und langfristig klimaneutral gestalten wollen – auch das ist das Ziel der NRW-Koalition, denn wir wollen unseren Beitrag zum Pariser Klimaabkommen leisten –, müssen wir uns mit Wasserstoff auseinandersetzen und auch deutlich nach vorn bringen.

Umgekehrt kann aber auch die Industrie helfen, endlich die Wasserstoffproduktion auszubauen, denn gefühlt reden wir in der Politik schon seit 15 oder 20 Jahren über das Thema „Wasserstoff“, aber sind dort in der Vergangenheit nicht so richtig vorangekommen.

(Zuruf von Christian Loose [AfD])