Bei aller hervorragenden Arbeit durch die Menschen im Kreis und bei aller Unterstützung der übergeordneten Behörden beschäftigt uns ein gesellschaftliches Problem immer mehr: die Stigmatisierung der Bürgerinnen und Bürger des Kreises Heinsberg. Auch die möchte ich hier ansprechen.
In den sozialen Netzwerken wird uns die Schuld gegeben, dass das rheinische Derby ohne Zuschauer stattfindet. Leute werden in Betrieben nach Hause
geschickt, nur weil sie mit Personen aus dem Kreis Heinsberg in Kontakt waren oder hier in den letzten Wochen einmal zu Besuch gewesen sind.
Ganz besonders tragisch ist, dass den Unternehmern und Handwerkern im Kreis die Aufträge gekündigt werden, nur weil sie aus dem Kreis Heinsberg kommen. Einem jungen Unternehmen aus der Automatisierungsbranche wurden alle Inbetriebnahmen und Verhandlungen zu weiteren Vertragsabschlüssen abgesagt. Für viele Firmen steht bei uns daher sogar schon bis zum Monatsende die Frage der Existenz an.
Aus der Wirtschaftsförderung unseres Kreises hörte ich gestern, man fühle sich zwischenzeitlich wie in Nordkorea. Die Betriebe bei uns leiden nicht in erster Linie aufgrund von Lieferengpässen oder Absagen von Veranstaltungen, sondern nur, weil sie einfach aus dem Kreis Heinsberg kommen. Ich danke dem Ministerpräsidenten noch einmal dafür, dass er hier Unterstützung zugesagt hat.
Aus Sicht einer Region, die vom Virus bislang wie keine andere betroffen ist, ist uns daher die Notwendigkeit der von der Landesregierung getroffenen Maßnahmen völlig klar, vielleicht mehr als Menschen in Regionen, die noch nicht in diesem Maße betroffen sind.
Im parlamentarischen Umgang mit solchen Krisen hat der politische Angriffsmodus nichts verloren. Ja, wir müssen auch hier vielleicht um die richtigen Konzepte ringen und – wie Herr Mostofizadeh gesagt hat – einige sachdienliche Hinweise geben, aber – auch dies sei als Hinweis aus dem Kreis Heinsberg gestattet – Parteipolitik hat im Umgang mit dieser Krise nichts verloren.
Ich habe in der letzten Woche die Bundestagsdebatte und die Unterrichtung des Bundestages durch Bundesgesundheitsminister Spahn verfolgt und habe diese Diskussion und das solidarische Verhalten der überwiegenden Anzahl der Oppositionsparteien als sehr wohltuend und eindrucksvoll erlebt. Ich denke, Herr Kutschaty und Herr Neumann hätten sich gerade besser ein Beispiel daran genommen und nicht die anderen Punkte, die sie in der Gesundheitspolitik diskutieren, hier für eine Generalabrechnung genutzt.
Herr Kutschaty, wir hätten im Kreis Heinsberg auch gern die Schutzausrüstung genommen, die Sie in Ihrer Regierungszeit angeschafft und bevorratet haben, aber die war nicht vorhanden.
(Beifall von der CDU und der FDP – Christian Dahm [SPD]: Das liegt aber schon drei Jahre zurück, Herr Kollege!)
Zum Abschluss möchte ich uns allen noch mit Genehmigung der Präsidentin ein Zitat unseres Landrats mit auf den Weg geben.
Er hat neulich gesagt: Es gibt ein Medikament, das haben wir alle bei uns – Solidarität und Mitmenschlichkeit.
Früher sagte man bei uns in vielen Orten im Heinsberger Land „Glück auf“. Heute verabschieden wir uns mit dem Slogan „HS – be strong“. – In diesem Sinne danke ich für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Kollege Schnelle. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Mostofizadeh.
Herr Kollege Schnelle, in weiten Teilen konnte ich Ihrem Beitrag folgen, aber zu dem Rückblick auf die vorherige Regierungszeit, was Hygieneartikel anbetrifft, möchte ich zwei Hinweise geben.
(Karl-Josef Laumann, Minister für Arbeit, Ge- sundheit und Soziales: So ist es! – Christian Dahm [SPD]: Und dann der jeweilige Träger!)
Ich sage Ihnen das vor folgendem Hintergrund – ich habe ja eben einen Vorschlag gemacht –: Ich bin ausdrücklich der Meinung, dass wir eine Bevorratungsstrategie und auch eine Eigenproduktionsstrategie in Nordrhein-Westfalen oder in Europa fahren sollten. Im Gesundheitsausschuss habe ich das angesprochen. Dort hat ein Kollege von Ihnen gesagt: Dann sollen sich die Krankenhäuser doch darum kümmern, wenn da die Sachen geklaut werden. – Insofern: Vorsicht – auch bei Ihnen – an der Bahnsteigkante!
Erstens. Das DRG-System ist von Ulla Schmidt im Wesentlichen entworfen, ausgebaut und entwickelt worden.
Zweitens. Ich halte es für richtig, gerade aufgrund der jetzigen Vorkommnisse, dass wir eine Krankenhausplanung machen, die sich konzentriert. Denn wir haben zwar Kapazitäten, was Häuser anbetrifft, aber nicht beim Personal. Das wissen wir beide doch. Deswegen lassen Sie uns doch jetzt nicht davon ausgehen zu sagen, wir müssten das abblasen.
Wo ich ausdrücklich Ihrer Meinung bin, Herr Kollege Neumann, ist der Punkt, dass es im Sinne von Wirtschaftlichkeit eben nicht effizient ist, Rettungssysteme und Redundanzen usw. vorzuhalten. Da müssen wir staatlich intervenieren.
Da sind wir einer Meinung. Ich glaube, da macht die Bundesregierung auch nicht genug. Auch dass wir immer schneller, just in time sein wollen, halte ich für die falsche Strategie. Da sind wir ausdrücklich einer Meinung.
Der Wirtschaftsminister ist jetzt nicht hier. Das nehmen wir zur Kenntnis. Deshalb mag möglicherweise der wirtschaftspolitische Aspekt heute nur eine untergeordnete Rolle spielen.
Herr Ministerpräsident, unsere ausdrückliche Bitte ist – das könnte ein zentraler Aspekt sein, auch wenn ich das jetzt als Gesundheitspolitiker sage –: Der Umgang mit der Krise, was die Vorsorge und die Behandlung anbetrifft, ist das eine.
Aber wie wir den Leuten über Kurzarbeitergeld hinaus konkret helfen, was die richtige Strategie ist, dazu sollte man im Zweifel dem Koalitionspartner oder anderen politischen Mitbewerbern sagen: Nein, nicht alles, was wir schon immer gesagt haben, ist das Richtige.
Man sollte vielmehr konkret fragen: Was hilft uns in Nordrhein-Westfalen – dafür sind wir hier zuständig –, und was hilft uns im Bund? Statt solcher Debatten über Steuersenkung rauf und runter – ich will weder über das eine noch das andere positiv reden – gilt:
Wir müssen hier unsere Strukturen stark machen, damit wir hier Nachfrage haben. Denn wir werden nicht auf „international“ setzen können. Die Chinesen werden wahrscheinlich – ich bin auch kein Prophet – nicht hilfreich sein und ausfallen, zumindest was die Auftragslage anbetrifft.
Da bitte ich die Landesregierung, relativ zügig aus dem Quark zu kommen. Denn was uns der Kollege Schnelle vorgetragen hat, muss uns umtreiben: dass allein die Psychologie ausreicht. Wie sinnvoll ist es, nicht in ein Chinarestaurant zu gehen, weil vielleicht der Wirt einmal mit China telefoniert hat? Wo da die Viren übertragen worden sind, weiß kein Mensch. Genauso wenig sinnvoll ist es, dem Tischler oder dem Elektriker im Kreis Heinsberg den Auftrag zu versagen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, sich sachlich mit der Sache auseinanderzusetzen, auf Fehler hinzuweisen, ist überhaupt kein Problem. Man sollte aber nicht an den falschen Stellen Keile ins Getriebe bringen. Das halten wir für falsch.
Wir kämpfen für eine gute Strategie, und wir kämpfen auch darum, die Ressourcen, die wir jetzt haben, möglichst effizient einzusetzen, das Optimale herauszuholen, um mit der Krise klarzukommen. Ob wir das am Ende „erfolgreich“ nennen können, weiß ich nicht, aber wir müssen es ernst nehmen.
Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen, war die Debatte gut. Wir sollten sie sachlich weiterführen und auch den politischen Mitbewerber sehr ernst nehmen, denn der hat möglicherweise auch etwas Kluges zu sagen.
Vielen Dank, Herr Kollege Mostofizadeh. – Für die Landesregierung spricht noch einmal Herr Minister Laumann.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Neumann, gerade mir Markenliberalität vorzuwerfen!? – Ich habe dich nicht um deine Rede beneidet; denn für die heutige Form deines Fraktionsvorsitzenden kann ich ja nichts. Darauf eine Rede zu halten, ist ja nicht so einfach.
Zweiter Punkt. Ich glaube, dass es jetzt nicht der richtige Zeitpunkt ist, über die Frage zu reden: Welche Konsequenzen ziehen wir aus dieser Krise nach der Krise?