Protokoll der Sitzung vom 29.04.2020

Der Antrag der AfD-Fraktion ist, ehrlich gesagt, einfach nur schäbig. Wir reden über Kinder. Dass Sie noch nicht einmal Kindern eine Chance geben wollen, der katastrophalen Situation in den Flüchtlingslagern zu entkommen,

(Christian Loose [AfD]: 700 Kinder sterben täglich an dreckigem Wasser!)

zeigt für mich die völlige Empathielosigkeit dieser AfD-Fraktion.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Sie können noch nicht einmal gegenüber diesen Menschen – noch einmal: wir reden hier über Kinder –, die am allerwenigsten für ihre Situation können, Empathie zeigen. Wir sind oft fassungslos über

Ihre Anträge. Aber das hier übersteigt wirklich einiges. – Danke.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Schäffer. – Als nächster Redner hat für die Landesregierung Herr Minister Dr. Stamp das Wort.

(Zurufe von der AfD – Gegenrufe von der CDU)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Angesichts der permanenten Zwischenrufe aus der AfD-Fraktion ist es auch für mich manchmal nicht ganz einfach, immer die Contenance zu wahren; das muss ich ehrlich gestehen. Ich will es trotzdem versuchen.

Frau Walger-Demolsky hat hier zwei massive Unwahrheiten vorgetragen, die ich klarstellen möchte.

Zum einen hat sie behauptet, unbegleitete Minderjährige seien automatisch Ankerkinder, die nur ihre Familien nachholen wollten. – Das ist angesichts Ihrer Zwischenrufe, gerade bezogen auf Afrika und Kinder, die dort als Kindersoldaten missbraucht werden, ein solcher Schlag ins Gesicht jeglicher Humanität, dass Sie sich schämen sollten.

(Beifall von der CDU, der SPD, der FDP und den GRÜNEN – Zuruf von Gabriele Walger- Demolsky [AfD] – Christian Loose [AfD]: Wieso denn die Kindersoldaten? Sie holen die ja aus anderen Ländern und nicht aus diesen Ländern! Das ist die Verlogenheit!)

Frau Präsidentin, wenn der Kollege ausgebrüllt hat, werde ich fortfahren.

(Christian Loose [AfD]: Das können Sie gerne machen! – Zuruf von der SPD: Benehmen Sie sich hier mal ein bisschen!)

Die zweite Unwahrheit, die Frau Walger-Demolsky hier zum Besten gegeben hat, ist die Behauptung, wir würden die Unterbringungskapazitäten in Nordrhein-Westfalen wegen eines erwarteten weiteren Migrationsdrucks ausweiten. – Wir haben extra in der Coronakrise in zusätzlichen Telefonschalten die Obleute im Beisein von Frau Walger-Demolsky darüber informiert, dass wir die Einrichtungen aufgrund der Coronakrise ausweiten, damit wir dort entzerren können und es in Räumlichkeiten, in denen mehrere Hundert Menschen zusammen in einem Bereich leben, nicht zu zusätzlichen Ansteckungsrisiken kommt. Das ist die Wahrheit.

(Zuruf von Gabriele Walger-Demolsky [AfD])

Frau Walger-Demolsky, ich bin künftig nicht mehr bereit, solche Obleuteschalten mit Ihnen zu machen, wenn Sie sich anschließend hier hinstellen und das komplette Gegenteil behaupten, nämlich, von diesem Pult aus zu lügen. Das ist nicht in Ordnung. Das nehme ich nicht hin. Schämen Sie sich!

(Beifall von der CDU, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Ich sage Ihnen noch etwas, und zwar in aller Deutlichkeit und in aller Überzeugung: Wenn ich das von Ihnen höre, dann trage ich den Titel der Systemparteien, den Sie uns abfällig anheften wollen, mit Stolz. Denn es sind die Parteien von CDU und CSU, SPD, Grünen und FDP,

(Zuruf von Christian Loose [AfD])

die in diesem Land jeden Tag bis an die Grenze der Erschöpfung daran arbeiten, die Coronakrise in den Griff zu bekommen und Menschen zu schützen.

(Lachen von Christian Loose [AfD])

Das Einzige, was die AfD in dieser Krise anzubieten hat, ist billige Polemik gegen kleine Kinder. Meine Damen und Herren, schämen Sie sich!

(Beifall von der CDU, der SPD, der FDP und den GRÜNEN – Zuruf von Christian Loose [AfD])

Vielen Dank, Herr Minister Dr. Stamp. – Dennoch muss ich der guten Ordnung halber darauf hinweisen, dass Sie gerade eine unparlamentarische Äußerung verwendet haben,

(Dr. Joachim Stamp, Minister für Kinder, Fami- lie, Flüchtlinge und Integration: Welche denn?)

die ich hier jetzt nicht wiederhole. Ich ermahne aber alle, die parlamentarischen Gepflogenheiten, die wir uns gegeben haben, einzuhalten. Das tun wir im Normalfall auch.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, weil ich weitere Wortmeldungen nicht vorliegen habe, sind wir bei diesem Tagesordnungspunkt am Schluss der Aussprache angelangt.

Wir kommen zur Abstimmung. Die antragstellende Fraktion der AfD hat direkte Abstimmung beantragt. Ich darf also fragen, wer dem Inhalt des Antrags Drucksache 17/9050 zustimmen möchte. – Das sind die Abgeordneten der Fraktion der AfD. Wer möchte dagegen stimmen? – Das sind die Abgeordneten der Fraktion der CDU, der Fraktion der SPD, der Fraktion der FDP und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Gibt es Kolleginnen und Kollegen, die sich der Stimme enthalten wollen? – Das ist nicht der Fall. Dann stelle ich fest, dass der Antrag Drucksache 17/9050 mit deutlicher Mehrheit abgelehnt wurde.

Wir kommen zu:

10 Familien entlasten – Kostenübernahme der

Kita- und OGS-Gebühren durch das Land bis zum Ende der Betretungsverbote – Sicherheit für Eltern und Kommunen

Eilantrag der Fraktion der SPD Drucksache 17/9102

Ich eröffne die Aussprache und erteile dem ersten Redner vonseiten der antragstellenden Fraktion, der SPD, Herrn Abgeordneten Dr. Maelzer das Wort. Bitte sehr, Herr Kollege.

Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unsicherheit ist das viele Familien beherrschende Thema in der Coronakrise. Nicht auf alle Fragen kann die Politik schon jetzt eine befriedigende Antwort liefern. Wie werden wir als Familie diese Krise überstehen? Wie verkraftet mein Kind die Isolation von Freunden und Großeltern? Wann können die Kitas und Schulen wieder öffnen, und ist mein Kind dort wirklich sicher?

Viele Familien haben aber auch Geldsorgen. Diesbezüglich hat das Land mit der Aussetzung der Kitagebühren einen Hebel in der Hand, um Eltern finanziell zu entlasten und Familien für die Dauer der Krise mehr Sicherheit zu gewähren.

Genau an dieser Stelle hat die Landesregierung in dieser Woche aber eine große Chance verpasst. Bei Ihnen besteht nicht die Bereitschaft, den Eltern klipp und klar zu sagen: Solange keine reguläre Betreuung in den Kitas und Offenen Ganztagsgrundschulen stattfinden kann, werden wir in NRW keine Gebühren einfordern.

(Beifall von Regina Kopp-Herr [SPD])

Stattdessen soll in Trippelschritten Monat für Monat neu entschieden werden. Das ist eine Hinhaltetaktik und schafft weder Sicherheit noch Vertrauen – übrigens auch nicht bei den Kommunen. Deren finanzielle Situation ist sehr unterschiedlich. Die kommunalen Spitzenverbände sind frühzeitig auf das Land zugekommen und haben eine vollständige Übernahme der Kosten gefordert, aber auch sie sind bei Ihnen abgeblitzt.

Die SPD hingegen sagt: Familien sind systemrelevant, und Kommunen sind es übrigens auch. Wir brauchen die vollständige Befreiung von Kita- und OGS-Gebühren in dieser Krise.

(Beifall von der SPD)

Bayern ist diesbezüglich schon einen Schritt weiter und wird immerhin in den nächsten drei Monaten keine Gebühren erheben. Der stellvertretende

Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen aber sagt, er werde den Weg von Markus Söder nicht gehen. Bayern als Vorbild? – Das ist für die NRWLandesregierung in dieser Zeit undenkbar.

Die Eltern interessieren sich aber nicht für parteipolitische Ränkespiele oder für hilflose Abgrenzungsversuche. Sie haben jetzt auch kein Interesse daran, wer nächster Kanzlerkandidat wird. Familien wollen möglichst rasch zumindest finanzielle Sicherheit haben.

(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

Herr Minister, glauben Sie mir: Sollte es die Möglichkeit geben, die Kitas unter sicheren Bedingungen früher wieder regulär zu öffnen, wird Ihnen das niemand verübeln.

Bis dahin gibt es weitere Möglichkeiten, gezielt Eltern, denen keine Kinderbetreuung zur Verfügung steht, mehr Sicherheit zu geben. Es gibt die Soforthilfen für Familien über das Infektionsschutzgesetz des Bundes. Nordrhein-Westfalen sollte sich dafür einsetzen, dass diese entfristet werden; denn sonst laufen die Hilfen für viele Familien Mitte Mai aus.

Beim Kurzarbeitergeld wurden auf Druck der SPD schon erste Schritte zu Verbesserungen erreicht. Diese Verbesserungen sollte man wirkungsgleich auch auf die Soforthilfen für Familien übertragen; denn für das Portemonnaie der Eltern macht es keinen Unterschied, ob der Lohn ausfällt, weil das Unternehmen Kurzarbeit angemeldet hat, oder ob der Lohn fehlt, weil sie ihre Arbeitskraft nicht anbieten können, da sie die Betreuung ihrer Kinder sicherstellen müssen.

Es gibt also konkrete Ansätze dafür, Familien zumindest finanzielle Sicherheit zu gewähren. Herr Minister Stamp, genau dazu hätte ich mir öffentliche Äußerungen gewünscht.

Stattdessen haben Sie sich dafür entschieden, die Virologen mit dem flotten Spruch „weniger Talkshowauftritte, mehr forschen“ öffentlich zu maßregeln. So tragen Sie dazu bei, das Vertrauen in die Wissenschaft zu untergraben. Das ist umso bemerkenswerter, als die Landesregierung im Rahmen der Heinsberg-Studie gezeigt hat, wie man nicht sinnvoll mit Wissenschaft umgeht.