Protokoll der Sitzung vom 11.10.2017

Ein vierter Punkt, über den wir auch gesprochen haben, war die Zusage, dass natürlich Thyssen Stahl in Deutschland mit Hauptsitz Duisburg erhalten bleibt und dass es damit hier die Montanmitbestimmung auch in Zukunft geben wird.

Der Ministerpräsident und ich haben nicht nur gegenüber den Gewerkschaftsvertretern, sondern auch gegenüber dem Unternehmen gesagt, dass wir uns darüber hinaus bezogen auf die Holding auch wünschen und es aus unserer Sicht wichtig ist, dass es bei den deutschen Mitbestimmungsregelungen bleibt. Das ist für mich und für die Landesregierung, für den Ministerpräsident selbstverständlich.

Insofern haben wir auch hier überhaupt keinen Dissens zu Karl-Josef Laumann. Im Gegenteil! Das ist unsere Meinung, meine Damen und Herren. Wir müssen nur solche Wünsche und Forderungen der Politik in Einklang mit den Möglichkeiten bringen, die die Unternehmensleitung, das Unternehmen insgesamt in einem globalen Kontext mit einem potenziellen Partner verhandeln kann.

Hier sind die Gespräche ja noch offen. Es ist nicht entschieden, aber es wäre nicht fair und nicht aufrichtig, hier den Eindruck zu vermitteln, als sei das ein Punkt, bei dem am Ende irgendjemand diese Fusion, wenn sie denn in allen anderen Punkten im Interesse der Arbeitnehmer vereinbart werden könnte, scheitern ließe. Ich glaube, das würden auch die Arbeitnehmervertreter nicht tun. Das muss man fairerweise hier einmal festhalten.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Meine Damen und Herren, alle vier Punkte, die bei den Gesprächen mit beiden Seiten thematisiert wurden, konnten jetzt schon erreicht werden. Wir haben die Arbeitsgruppe, wir haben die guten Gespräche,

und wir werden sie sehr konstruktiv begleiten. Wir werden alles tun, meine Damen und Herren, um diese Branche in Zukunft in Nordrhein-Westfalen wettbewerbsfähig zu halten.

Deswegen werden wir noch in diesem Jahr, im Dezember, unter der Leitung meines Hauses zu einem Stahlgipfel einladen, in Fortsetzung eines Stahlgipfels, den mein Amtsvorgänger seinerzeit bereits durchgeführt hat. Wir werden hierzu mit allen Beteiligten Gespräche führen, wie wir die Situation der Stahlindustrie verbessern können, wie wir gerade die Herausforderungen Energie- und Klimapolitik besser bewältigen können.

Sie wissen, von allen Seiten gibt es Anforderungen an die Industrie: vom Bundesgesetzgeber, vom europäischen Gesetzgeber, „EEG“, „CO2-Zertifikate“ sind die Stichworte. Damit müssen wir uns auseinandersetzen.

Ein weiterer Punkt wird die Möglichkeit der Handelspolitik sein. Hier ist dem Stahl ja schon geholfen worden, auch von der Europäischen Union. Hier wird man fragen müssen, wie das zukünftig gelingen kann in Anbetracht des Ziels, die Märkte offen zu halten. Wir werden uns über eine moderne Industriepolitik und auch über Rahmenbedingungen einer modernen Industriepolitik austauschen. Wir werden uns fragen, wie der Stahl eingebunden in Kunststoff und Aluminium und anderen modernen Werkstoffen eine Zukunft finden kann.

Lassen Sie mich an der Stelle sagen: Unsere Gespräche mit der Arbeitnehmerseite waren sehr stark davon bestimmt, dass die Stahlindustrie nicht in Abwehrkämpfe gerät wie andere sogenannte alte Industrien, die dann scheibchenweise zu Grabe getragen wurden.

Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer – über 43.000 in Nordrhein-Westfalen – wollen auch künftig in einer Industrie tätig sein können, die eine Zukunft hat, meine Damen und Herren.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Das heißt, wir müssen uns für die Rahmenbedingungen einsetzen.

Lieber Herr Römer, ich höre von Ihnen – ich bitte, das allen Gewerkschaftssekretären und Vorständen in Nordrhein-Westfalen so mitzuteilen –, dass wir hier eine Marktentfesselungsideologie planten.

Ich war unlängst vor wenigen Tagen beim Vorstand der IG BCE, über 100.000 Gewerkschaftsmitglieder. Herr Römer, besuchen Sie die doch einmal und hören Sie sich von den Vorständen an, welche Probleme sie am Standort Nordrhein-Westfalen sehen. Die führen zum Beispiel Klage darüber, dass die Genehmigungsverfahren hier doppelt und dreifach so lange dauern wie in anderen Bundesländern, erst

recht länger als in den Niederlanden – nur um einmal ein Beispiel aus der Nachbarschaft zu wählen.

(Michael Hübner [SPD]: Welche Genehmigun- gen dauern denn länger?)

Dann sagen uns die IG-BCE-Vorstände, sie könnten uns sogar genau benennen, an welchen Stellen es hapert: Da haben wir Gesetze, da haben wir Verordnungen. – Wir haben aber auch Behörden, die zum Teil so schlecht besetzt sind, dass Genehmigungsverfahren lange dauern.

In den vergangenen Jahren – ich war etwas weiter weg von Nordrhein-Westfalen – habe ich schon einmal gelegentlich in den Nachrichten gehört, dass die Vorgängerregierung die damalige schwarz-gelbe Regierung dafür verantwortlich gemacht hat, dass wir angeblich viele Stellen gestrichen hätten, die notwendig wären, um Genehmigungen durchzuführen.

Jetzt lernen wir vom Finanzminister, dass in unseren fünf Bezirksregierungen 1.100 Stellen nicht besetzt worden seien. Da sind also keine Stellen gestrichen worden, sondern sie s

ind in den vergangenen Jahren nicht besetzt worden. Die, die dann da waren, waren vielfach an anderen Stellen tätig als dort, wo Genehmigungen hätten erteilt werden können, meine Damen und Herren. All das müssen wir ändern. Wir müssen sehen, dass wir unkomplizierte Regelungen bekommen

(Zuruf von Horst Becker [GRÜNE])

und Genehmigungsbehörden haben, die auch genehmigen können, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Das ist entscheidend, wenn wir den Industriestandort modern und zukunftsträchtig erhalten wollen. Ich wäre herzlich dankbar dafür, wenn wir das nicht mit irgendwelchen Ideologien verbinden, sondern ganz lebenspraktisch bleiben und wir uns mit den Gewerkschaften, den Unternehmern unterhalten und von denen lernen, wie Nordrhein-Westfalen besser werden kann. Wenn Sie das unterstützen würden, dann wäre uns sehr geholfen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Minister Pinkwart. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der CDU Herr Abgeordneter Rehbaum das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

(Henning Rehbaum [CDU]: Die SPD will nicht?)

Die ist danach gemeldet. Kollegin Philipp wird sprechen.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Stahlindustrie ist ein wichtiger Teil nordrhein-westfälischer Geschichte. Ohne Stahl aus Nordrhein-Westfalen wären der Wiederaufbau Deutschlands, das Wirtschaftswunder, die Exportführerschaft von heute nicht möglich. Die Beschäftigten und Unternehmen in diesem Bereich leisten seit Jahrzehnten Großartiges. Dafür möchte ich einmal herzlich Danke sagen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vor allem aber bietet die Stahlindustrie heute Stahl von bester Qualität zu hervorragenden Arbeitsbedingungen und weltweit höchsten Umweltstandards.

Sehr geehrte Damen und Herren, die nordrheinwestfälische Stahlindustrie spielt weltweit in der ersten Liga. Das scheinheilige Theater der SPD in Sachen Thyssen ist unterstes Niveau.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Weder den Beschäftigten noch den Unternehmen und schon gar nicht dem Ruf des Standorts Nordrhein-Westfalen nutzt die seltsame Kampagne der SPD. Sie ist wohl dem aktuellen Selbstfindungsprozess der Partei geschuldet. Vor allem verschleiert sie mit viel Getöse eigene Untätigkeit in der eigenen Regierungszeit.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Jetzt ist einiges dringend erforderlich, vor allem 100%ige Transparenz gegenüber Arbeitnehmern und Politik bei der Gestaltung der Fusion, keine Abstriche bei der Mitbestimmung und die ernsthafte und intensive Prüfung der Beibehaltung des NRW-Sitzes für die Stahlsparte in Zukunft von Thyssen und Tata gemeinsam.

Es ist kein Widerspruch, wenn die Landesregierung sagt, dass in letzter Konsequenz die Wahl des Firmensitzes eine unternehmerische Entscheidung ist, aber sie hat gleichzeitig auch klar ihre Erwartungshaltung formuliert, dass ein Konzern, der jahrzehntelang wie kaum ein anderer von der Landespolitik begleitet und gut behandelt worden ist, zu seinem traditionellen Sitz in Nordrhein-Westfalen steht.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vor allem brauchen wir jetzt beste Industriepolitik, damit Stahlwerke in Nordrhein-Westfalen international wettbewerbsfähig sind und eine fusionierte Thyssen-Tata für die Beschäftigten, die Unternehmen, das Unternehmen und auch für unsere Volkswirtschaft eine Erfolgsgeschichte wird.

Franz Müntefering hat einmal sinngemäß gesagt, eine Volkswirtschaft kann nicht davon leben, dass sich die Leute gegenseitig die Haare schneiden. Einmal abgesehen davon, dass es mir äußerst unangenehm ist, Franz Müntefering zu zitieren, muss man feststellen,

(Zurufe von der SPD)

dass Münte begriffen hat, was seine SPD in Nordrhein-Westfalen konsequent ignoriert: Eine gesunde Volkswirtschaft braucht starke, international wettbewerbsfähige Industriebetriebe inklusive Stahl, und sie braucht beste Rahmenbedingungen dafür. Dafür sind wir in der NRW-Koalition angetreten. Das ist unser Ziel.

Die Energiewende muss nicht nur dem Klimaschutz dienen, sondern sie muss auch bezahlbar sein und Versorgungssicherheit bieten. Wir brauchen eine Eins-zu-eins-Umsetzung von Bundes- und EURegelungen und keine Zeile mehr, wir brauchen einen Bürokratieabbau und die schnellsten Genehmigungsverfahren für moderne Standorte und vernünftige Produktionsverfahren,

(Michael Hübner [SPD]: Alles Naturschutzge- setz!)

und wir brauchen weiterhin wirksame EU-Sanktionen gegen Billigimporte aus China und Taiwan. Wir brauchen moderne Produktionsstandorte, die dafür stehen, gute Arbeitsplätze, Wertschöpfung und Wohlstand zu bieten. Die Rahmenbedingungen dafür fallen nicht vom Himmel, sondern die müssen wir schon selbst schaffen.

Eines möchte ich an dieser Stelle noch einmal betonen: Wenn man sich den Koalitionsvertrag der neuen niederländischen Landesregierung mal durchliest, dann stellt man fest, dass da Nordrhein-Westfalen als Partner in der Infrastruktur, bei Sozialem und im Arbeitsmarkt ausdrücklich benannt wird. Ich glaube, daran kann man sehen, dass sich die Gespräche von Ministerpräsident Armin Laschet in den Niederlanden bereits gelohnt haben.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Liebe SPD-Fraktion, wir laden Sie herzlich dazu ein, an der Schaffung ordentlicher Rahmenbedingungen für unsere Industriebetriebe und insbesondere für den Stahlstandort mitzuwirken – nicht mit scheinheiligen Anträgen für das SPD-Schaufenster, sondern konstruktiv. Wenn Sie nicht wollen, wir packen es an!

(Beifall von der CDU und der FDP)