Es gibt also eine Reihe von Fragen. Das sind übrigens Fragen, bei denen ich sehr sicher bin, dass sie bis Anfang nächsten Jahres – das ist der Fahrplan, der genannt worden ist – schlechterdings nicht beantwortet sein werden. Aber das sind Einschätzungsfragen.
Kommen wir jetzt also zu folgender Frage: Was wäre heute zu tun? Es liegt nahe, an alte Sprüche zu denken wie „Nichtstun ist Staatsversagen“. Selbstverständlich haben ein Staat und eine Landesregierung diese Dinge zu begleiten. Man kann letztlich nicht die Angelegenheiten einfach beiseiteschieben und die Firmenleitungen alleine entscheiden lassen. Wir müssen schon den Anspruch haben, entsprechend einzuwirken.
Wenn man einwirken will, kann man das nicht tun, indem man schreibt, dass man die Montanmitbestimmung sichern will, gleichzeitig aber den Hinweis unterlässt, dass sie am Standort in Holland auf Sicht schlechterdings nicht zu halten ist. Selbst wenn sie
jetzt am Anfang vertraglich abgesichert wäre, ist sie durch einfache Tricks, nämlich die schlichte Veräußerung von Firmenteilen, innerhalb kürzester Zeit wieder auszuhebeln. Also ist auch für die Montanmitbestimmung die Standortfrage außerordentlich wichtig.
Die Steuerfrage ist eben hin und her erörtert worden. Wenn Sie möchten, dass die Opposition Ihrem Antrag zustimmt – mal ganz abgesehen von den Lobeshymnen, die ich jetzt nicht weiter kommentieren will –, dann
müsste darin selbstverständlich auch ein Passus enthalten sein, der besagt, dass diese Landesregierung wünscht, dass der Standort einer Holding hier in Nordrhein-Westfalen ist und nicht in den Niederlanden. Das fehlt in Ihrem Antrag, meine Damen und Herren.
Da fragt man sich, warum das fehlt. Warum steht das nicht drin? Es reicht nicht, dass Sie das hier verkünden, wenn es in Ihrem Entschließungsantrag nicht steht. Deswegen müssen Sie sich fragen lassen, warum Sie dieses Spiel so spielen.
Ich würde Ihnen an dieser Stelle zu etwas mehr Bescheidenheit und etwas mehr Gemeinsamkeit raten, und zwar deswegen, weil ich am Anfang meiner Rede darauf hingewiesen habe, dass von September bis jetzt offensichtlich eine Veränderung stattgefunden hat.
Ich hoffe, dass noch etwas mehr Veränderung stattfinden wird. Außerdem hoffe ich, dass Sie heute noch die Größe haben, in Ihren Entschließungsantrag aufzunehmen, dass der Stahlstandort, der Sitz der Holding in Nordrhein-Westfalen verbleiben soll und nicht ins benachbarte Ausland verlagert wird. Das wäre ein Zeichen dafür, dass Sie auf die Opposition und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eingehen. – Schönen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe SPD, vor vier Wochen riefen Sie noch: Stoppt die Fusion! – Jetzt rufen Sie: Der Standort Nordrhein-Westfalen muss erhalten bleiben! Wer hatte denn all die Jahre das Heft in der Hand? – Das waren doch Sie, und Sie haben nichts davon umgesetzt.
Sie haben, wenn die Stahlbranche ein Schiff wäre, jedes Jahr ein neues Loch in den Rumpf gebohrt, und jetzt wundern Sie sich, dass das Schiff samt Mannschaft absäuft.
Ich hatte es schon bei Ihrem letzten Populismusantrag gesagt: Mit der Energiewende, den EEGSubventionen und dem Ausstieg aus der Kernenergie haben Sie den für thyssenkrupp wichtigen Kraftwerksmarkt systematisch zerstört.
Mit dem Ruf nach dem Ende des Verbrennungsmotors machen jetzt alle anderen Parteien weiter, um das nächste Standbein von thyssenkrupp regelrecht wegzutreten.
Sie sagen doch eigentlich nichts anderes zu thyssenkrupp als: Wir werden jeden Markt von Ihnen systematisch zerstören, bis Sie Deutschland verlassen. – Genau das macht thyssenkrupp jetzt auch.
Jetzt reiben Sie sich verwundert die Augen, weil thyssenkrupp geht, und rufen: Haltet den Dieb! – Dabei müssten Sie sich doch selbst die Handschellen anlegen.
Sie schimpfen über die günstigen Steuersätze in den Niederlanden, dabei ist Ihnen das bereits seit 66 Jahren, seit der Gründung der EU bzw. deren Vorläufer bekannt, und Sie haben nichts dagegen unternommen. Auch anderen Parteien wie zum Beispiel den Grünen – auch Herrn Becker – dürfte das bekannt sein. Bereits 2003 hat die Hans-Böckler-Stiftung gesagt, dass die effektiven Steuersätze in den Niederlanden um 5 Prozentpunkte niedriger sind als in Deutschland.
Was haben Sie in der EU dagegen getan? – Nichts. Nein, Sie sagen, die EU sei ein Erfolgsmodell. Mehr Europa wagen!
Dann sagen Sie das doch einmal dem Malocher von thyssenkrupp. Sagen Sie ihm und allen anderen: „Mehr Europa wagen“ heißt, dass ihr Arbeitsplatz und euer Geld jetzt woanders sind, nämlich in den Niederlanden oder anderswo in der EU.
Aber kein Problem. Was machen die Sozen und die anderen Parteien? – Jetzt brauchen wir eine europäische Arbeitslosenversicherung, um ein Problem zu lösen, das wir ohne Sie gar nicht hätten.
Wie sah Ihre Industriepolitik in Nordrhein-Westfalen aus? – Frauenquoten, Gendertoiletten und eine Diskussion darüber, ob die Plastiktüten aus NordrheinWestfalen im Mittelmeer landen. Das ist doch absurd. Das ist reine Symbolpolitik, die völlig am Bedarf der Industrie und dem der Menschen vorbeigeht.
Wenn Sie einmal mit den Unternehmen reden würden, dann wüssten Sie auch, dass der Steuersatz gar nicht die entscheidende Größe ist. Denn zuvor müssten sie erst einmal Gewinne erzielen, die sie versteuern können. Das ist doch aufgrund der desolaten Zustände in Deutschland gar nicht mehr möglich gewesen. Die Bürokratielasten sind extrem hoch, sodass thyssenkrupp in den letzten Jahren überhaupt keine Gewinne mehr erzielen konnte.
Apropos Steuern und Briefkastenfirmen, die Sie angeben – zum Beispiel die ganzen Briefkastenfirmen in Amsterdam –: Wie geht es eigentlich Ihrer Briefkastenfirma in Hongkong, der Cavete Global Limited? Aber Sie behaupten ja, das würden Sie nicht machen, um Steuern zu sparen, vielmehr wollen Sie als SPD den chinesischen Markt erobern. – „Ja nee, is klar“, sagt man bei uns im Pott dazu. – Danke schön.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Loose. – Als Nächster hat für die Landesregierung Herr Minister Pinkwart das Wort. Bitte schön, Herr Professor Pinkwart.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte mich zunächst bei dem Kollegen Becker dafür bedanken, dass er anerkennt, dass es in den letzten Wochen nach den Debatten, die wir haben führen können, aus seiner Sicht Verbesserungen gegeben hat. Das finde ich sehr fair und sehr anständig. Schließlich macht es deutlich, dass das Hohe Haus – auch die Opposition – anerkennt, dass auch die Gespräche der Landesregierung mit allen Beteiligten einen Beitrag dazu geleistet haben, dass wir heute ein Stück weiter sind.
Auch die IG Metall hat die Einsetzung der gemeinsamen Arbeitsgruppe begrüßt, weil sie sich davon erhofft, den Prozess versachlichen und am Ende ein gutes Ergebnis für die Beschäftigten und die Standorte erreichen zu können. Ich möchte mich deshalb herzlich dafür bedanken, dass das auch Anerkennung findet.
Der Ministerpräsident und ich haben mit den Vertretern der Gewerkschaften in den Unternehmen und den Aufsichtsgremien gesprochen, Punkte festgehalten, für die wir uns einsetzen. Das betraf zunächst
das transparente Verfahren, das jedoch auch aufgrund von Compliance-Aspekten vor dem MoU nur sehr schwer herzustellen war.
Der Vorstandsvorsitzende hat sich übrigens bei uns entschuldigt, dass es ihm nicht möglich war, vorher auch den Arbeitnehmern gegenüber die notwendige Transparenz herzustellen. So sind nun einmal die Regelungen, die wir uns ja zum Teil selbst geschaffen haben. Er hat uns jedoch zugesagt, das umgehend zu tun, sobald das MoU unterzeichnet ist. Das hat er dann auch zusammen mit dem Vorstand seines Unternehmens umgehend umgesetzt. Er hat genau das getan, was die Arbeitnehmervertreter zu Recht eingefordert und wofür wir uns eingesetzt haben.
Wir haben zum Zweiten gesagt, es reiche nicht, nur Transparenz herzustellen. Wir erwarten, dass es intensive Gespräche mit den Arbeitnehmern gibt.
Grolms, der auch stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender ist, sowie vom Personalvorstand des Konzerns, Oliver Burghard, den wir noch alle als IGMetall-Bezirksvorsitzenden in Nordrhein-Westfalen kennen und den ich übrigens wie Herrn Grolms als wirklich fachkundigen Betrachter der Szene schätze. Des Weiteren wirken noch viele andere in dieser Arbeitsgruppe mit.
Ich habe den guten Eindruck, dass die Unternehmensleitung zu ihrer Zusage gestanden hat, dass die hervorragenden Arbeitnehmervertreter und Vorstände jetzt in dieser Arbeitsgruppe mitwirken, um insgesamt ein möglichst gutes Ergebnis für das Unternehmen und insbesondere für die Stahlsparte erreichen zu können.
Eine dritte Forderung, die wir in unseren gemeinsamen Gesprächen formuliert hatten, war, dass erreicht werden soll, und zwar möglichst schon im MoU oder in den weiteren Verhandlungen, sofern es zur Fusion kommt, dass beide Seiten – Tata wie Thyssen Stahl – Anreize bekommen, Konsolidierungen so durchführen zu können, dass der Konzern insgesamt und insbesondere der deutsche Teil des fusionierten Konzerns alle Möglichkeiten haben wird, sich so rentabel, so wirtschaftlich und zukunftsträchtig wie möglich zu entwickeln, und dass es nicht einseitig erfolgt nach dem Motto: Die Arbeitsplätze bei Tata sind gesichert, und wenn es Konsolidierung gibt, dann nur einseitig auf der deutschen Seite.
Und, siehe da, das MoU sagt: Es gibt einen Abbau von Arbeitsplätzen. Wenn wir uns über öffentliche Haushalte unterhalten würden, würde man vom Abbau von Stellen sprechen. Das heißt, hier geht es gar nicht um den einzelnen Betroffenen, weil alles sozialverträglich erfolgen wird. Auf beiden Seiten werden jeweils 2.000 Stellen in den nächsten Jahren abgebaut. Es ist auch deutlich geworden – das haben wir
aus unseren Gesprächen gelernt –: Diese Konsolidierungen, meine Damen und Herren, wären auch erfolgt, wenn es keine Fusion gäbe. Diese Konsolidierungen sind notwendig, um die internationale Wettbewerbsfähigkeit eines jeden einzelnen Unternehmens in Anbetracht der Wettbewerbsumfeldsituation tatsächlich sichern zu können.
Also auch schon im MoU die Zusage, die wir schon vorher informell durch die Unternehmensleitung hatten: Natürlich will thyssenkrupp sicherstellen, dass der Stahl in Deutschland eine Zukunft hat. Man will ja auch weiter mit 50 % an diesem Gemeinschaftsunternehmen beteiligt sein, und man will, dass sich der Stahl hier in Duisburg und in anderen Standorten hervorragend entwickeln kann.
Aber man muss natürlich auch Beiträge leisten, die selbstverständlich sind, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Das gilt nicht nur für den Stahl, das gilt auch, wie wir wissen, für andere Industrien, die immer wieder Konsolidierungsfortschritte erzielen müssen, um wettbewerbsfähig zu bleiben.
Ein vierter Punkt, über den wir auch gesprochen haben, war die Zusage, dass natürlich Thyssen Stahl in Deutschland mit Hauptsitz Duisburg erhalten bleibt und dass es damit hier die Montanmitbestimmung auch in Zukunft geben wird.