Jetzt zum Blick nach vorne, denn die Situation ist, wie sie ist. Wir haben zu dem Thema keinen Untersuchungsausschuss und befinden uns nicht in der Sachverhaltsklärung.
Für mich stellt sich die Frage: Sind ausreichende Bedingungen geschaffen worden, damit wir zu einem schnellen Weiterbau dieser Brücke kommen? Das ist die entscheidende Frage für dieses Land, für die Verkehrsverbindungen und auch für die Umweltbedingungen.
Natürlich gibt es in den nächsten drei bis vier Jahren auch weiterhin die Umgehungsverkehre, die wir schon seit ein paar Jahren haben. Das ist auch für
mich als Grüner, der sehr stark auf die Schadstoffbelastung und die Umweltsituation achtet, schwer erträglich.
Deshalb lautet die entscheidende Frage für uns: Ist die vertragliche Situation, die geschaffen werden soll, die beste Grundvoraussetzung dafür, diese Brücke möglichst schnell weiterzubauen und zu Ende zu bauen? Wie schaffen wir es, weitere Bauverzögerungen im Prozess zu verhindern?
Wie schaffen wir es auch, finanzielle Mehrbelastungen zu verhindern? Der Bericht bei „Westpol“ hat doch klar offengelegt, dass wir fast von einer Verdoppelung der ursprünglichen Bausumme sprechen, von mehreren Millionen Euro. Das muss schon im Parlament diskutiert werden. Es muss auch die Frage gestellt werden, wie wir es schaffen, dass nicht mehr als bisher passiert.
Als letzten Punkt in der ersten Runde möchte ich das Vergaberecht ansprechen. Mir ist klar, dass Ausschreibung und Auftragsvergabe nach dem gültigen Vergaberecht gelaufen sind. Auch die Vergabe an den chinesischen Anbieter ist sehr streng nach dem gültigen Recht geschehen.
Für mich gehört deshalb auch eine Debatte über das europäische Vergaberecht dazu. Ist es weiterhin richtig, es so zu handhaben, oder müssten wir nicht bei dem Umstand nachjustieren, dass für die Vergabe von Bauprojekten alleine Preiskriterien den Ausschlag geben? Müsste das Qualitätskriterium nicht entscheidend für die Frage sein, an wen man einen Auftrag vergibt?
Nach Preiskriterien sprechen wir eindeutig über das günstigste Angebot, aber unter den Aspekten „Nachhaltigkeit“, „Baufortschritt“ und „Fertigstellung“ war es nicht das beste Angebot; danach hätte man an einen anderen Anbieter vergeben müssen.
Kollege Voussem, dabei ist es für mich nicht entscheidend, ob dieser Stahl in China, in Deutschland oder sonst wo produziert wird, denn die entscheidende Frage lautet: Ist dieser Stahl unter deutschen Qualitätskriterien geeignet, um an dieser Stelle eingesetzt zu werden? Haben wir damit eine Brücke, die die nächsten 50 bis 60 Jahre einwandfrei und nachhaltig funktioniert?
Darüber sollten wir ausführlich und in Ruhe diskutieren – nicht nur anhand der Leverkusener Brücke, sondern auch mit Blick auf künftige Vergaben; wir haben in diesem Land noch Hunderte Brückensanierungen vor uns. Das Qualitätskriterium wird in unserem Vergaberecht meiner Ansicht nach nicht hinreichend berücksichtigt.
Der Bund der Steuerzahler findet es großartig, weil Geld eingespart werden kann, aber ich meine, dass wir am Ende viel mehr draufzahlen. Die Projekte werden später fertiggestellt, und wir haben noch mehr
Jetzt bin ich gespannt, was uns der Minister zum Sachverhalt berichten wird. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei der Vorbereitung auf diese Aktuelle Stunde habe ich mich gestern ernsthaft gefragt, wo denn die neuen Erkenntnisse liegen, die wir heute miteinander diskutieren.
Zum einen hat der Minister in der vorletzten Verkehrsausschusssitzung einen wirklich ausführlichen 15-seitigen Bericht über die Vorgänge und Prozesse gegeben, die am Ende zur Kündigung geführt haben. Zum anderen hat er 700 Seiten mit Ergebnissen von Gutachten, an Korrespondenz zum Bauvorhaben und an Informationen zu technischen und vertraglichen Details vorgelegt.
Auch über 80 Fragen – wahrscheinlich sind es heute sogar über 90 Fragen – der Opposition wurden zwischenzeitlich vonseiten des Ministeriums ausführlich beantwortet und der öffentlichen Bewertung anheimgestellt.
Jetzt den Vorwurf der Intransparenz zu führen, wie Sie es in der Begründung dieser Aktuellen Stunde getan haben, grenzt an Absurdität.
In ebendiesem Ausschuss haben sich die Kollegen Löcker und Klocke beim Minister dafür übrigens ausdrücklich bedankt – das haben Sie heute noch einmal wiederholt –, aber auf eine Auswertung der Unterlagen haben Sie verzichtet.
Heute sieht die SPD in der Berichterstattung des WDR-Magazins „Westpol“ plötzlich Indizien, die zu einer Neubewertung der Sachlage führen sollen, aber nicht nur das: Es wird der Vorwurf erhoben, der Minister habe den Landtag falsch informiert; auch dieser Vorwurf steht im Raum.
Schauen wir uns diese angeblich so neuen Informationen einmal genauer an. Sie behaupten, dass nach Aussagen von „Westpol“ – anders, als von Minister Wüst behauptet – nicht erst im Februar 2019, sondern bereits im Dezember 2018 über das Szenario einer Kündigung diskutiert worden sei. Diese Behauptung ist falsch.
Richtig ist vielmehr, dass ein leitender Mitarbeiter einen ersten Hinweis darauf gegeben hat, dass man Probleme mit der Firma PORR hat, bei denen es in einem Worst-Case-Szenario durchaus auch zu einer Vertragskündigung kommen könnte.
Folgerichtig ist dann im Februar 2019, also bereits wenige Wochen später, ein solches Szenario im Hause diskutiert worden, und zwar genau so, wie es der Minister gegenüber dem Ausschuss zum Ausdruck gebracht hat. Ich gehe zumindest davon aus, dass das auf Basis der Mail dieses Mitarbeiters geschehen ist. Ich hoffe sogar, dass es in der Zwischenzeit eine ganze Reihe von Gesprächen auf Arbeitsebene des Ministeriums gegeben hat.
In dem Bericht der Landesregierung, Vorlage 17/3340, auf den Sie in Ihrem Antrag zur Aktuellen Stunde verweisen, heißt es dazu auf Seite 7 wörtlich – ich zitiere –:
„Schon im Februar 2019 wurde daher zwischen BMVI, Landesbetrieb und VM als eines von vier möglichen Szenarien auch das Szenario einer Kündigung diskutiert. Da von der Auftragnehmerin aber versichert wurde, die gerügten Mängel abzustellen, war dem Kooperationsgebot folgend, eine weitere Zusammenarbeit geboten.“
So weit das Zitat, und so weit auch zur faktenbezogenen Einordnung Ihres Vorwurfs. Die fachliche Bewertung fällt indes aus meiner Sicht nicht minder vernichtend aus. Die Kündigung eines Vertrages muss immer – immer! – das allerletzte Mittel in einer Auseinandersetzung zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer sein. Sie birgt nicht nur erhebliche Risiken. Es gilt, Vor- und Nachteile nicht nur unter dem Gesichtspunkt vertraglicher Verpflichtungen, sondern auch hinsichtlich von Bauverzögerung und Kostensteigerungen genau zu prüfen.
Die Kündigung eines Bauvertrages mit einem Volumen von mehreren Hundert Millionen Euro ist auch nichts, was man mal eben so entscheidet, erst recht nicht, weil eine Kündigung nur mit dem Einverständnis des Geldgebers, nämlich des BMVI, überhaupt möglich ist.
Es handelt sich um einen komplexen, langwierigen, mehrstufigen Prozess, bei dem Nachbesserungen ermöglicht und stets der dokumentierbare Versuch unternommen werden muss, doch noch zu einer gütlichen Einigung zu kommen. Das finde ich auch richtig. Man kündigt nicht leichtfertig, und auch nicht, wenn noch eine letzte Chance besteht, das Projekt mit dem Auftragnehmer noch vertragsgemäß zu verwirklichen. Genau das ist hier passiert, meine Damen und Herren. Nur dem besonnenen Handeln des Ministeriums ist es am Ende zu verdanken, dass wir heute nicht vor einem noch größeren Problem stehen.
Teil zwei des Vorwurfs: Die Landesregierung geht von einer deutlichen Kostensteigerung von geplanten 363 Millionen Euro auf bis zu 573 Millionen Euro aus. – Die Quelle dieser Behauptung bleiben sowohl der Bericht von „Westpol“ als auch der Antrag der SPD schuldig. Uns ist ein solcher Betrag im Übrigen nicht bekannt.
Der Minister hat in seinen Ausführungen gegenüber dem Parlament ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es sich nicht um eine freie Kündigung handelt, sondern um eine Kündigung aus besonderem, juristisch wichtigem Grund. In diesem Fall hat der Auftragnehmer alle Mehrkosten zu tragen. Auch dieser Vorwurf erweist sich mithin als Rohrkrepierer.
Ich will es noch einmal sehr deutlich sagen: Die Tatsache, dass sich der Neubau der Brücke nun weiter verzögert, ist schlimm. Die Belastungen für die Anwohnerinnen und Anwohner, die volkswirtschaftlichen Schäden durch Staus, aber auch durch Umweg- und Ausweichverkehre sind immens. Gar nicht vorstellbar wäre, wenn es zu einer generellen Sperrung der Brücke kommen müsste.
Die Verantwortung für die Abwicklung dieses so elementar wichtigen Teilprojektes, also dem eigentlichen Brückenneubau, lag bei der Firma PORR. Das muss man hier an dieser Stelle noch mal sehr deutlich sagen. Sie war es, der wir die Realisierung eines für unser Land so wichtigen Infrastrukturprojektes anvertraut haben. Sie war es auch, die dieser Verantwortung nicht nachgekommen ist. Unabhängig vom Ausgang einer zu vermutenden gerichtlichen Auseinandersetzung haben schon die bloßen Zweifel in die technisch korrekte Umsetzung und die daraus folgende Auseinandersetzung diesem Projekt großen Schaden zugefügt.
Wenn die SPD jetzt kritische Fragen zum Projektablauf und zu den Entscheidungsprozessen stellt, ist das legitim und richtig. Das tun wir auch. Aber durch Fehlinterpretation einzelner Informationen auf Basis eines Fernsehbeitrags den plumpen Versuch zu unternehmen, hier zu einer Skandalisierung zu kommen, ist angesichts der Bedeutung dieses Themas vollkommen unangemessen, meine Damen und Herren.
Ich kann Ihnen nur raten – damit komme ich zum Schluss –: Machen Sie Ihre Hausaufgaben, und versuchen Sie, mit uns zusammen daraus Lehren für die Zukunft zu ziehen. – Vielen Dank.
Sehr geehrter Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Diese Aktuelle Stunde kann man eigentlich nur mit einem einzigen Wort beschreiben: Verlust – Verlust an Zeit, Verlust an Geldern, Verlust an Vertrauen und Verlust an Glauben.
Verlust an Zeit: Die erste Brücke soll jetzt voraussichtlich Ende 2023, vielleicht 2024 fertig werden. Die zweite Brücke soll in den Jahren 2025 und 2026 folgen.
So stellt sich uns eine Frage. Wir haben es hier inklusive der Planungen mit einer Bauzeit von 13 Jahren zu tun. Die alte Leverkusener Brücke haben wir gerade mal in der Hälfte der Zeit gebaut. Da fragt man sich doch: Haben wir in den letzten Jahrzehnten nichts dazugelernt – egal, wer an der Regierung war –, wie man Abläufe optimieren kann und wie man das Zeitmanagement verbessern kann? Der Bürger schüttelt den Kopf.
Verlust von Geldern: Statt 363 Millionen Euro sollen es jetzt knapp 600 Millionen Euro sein. Wir werden in ein paar Jahren darüber reden, wie die Preissteigerungen tatsächlich ins Gewicht gefallen sind.
Bedenkt man, dass man hier in Nordrhein-Westfalen 10.000 Brücken hat, von denen zwei Drittel vor 1985 gebaut wurden und viele nicht mehr saniert werden können, sondern komplett abgerissen und neu gebaut werden müssen, so haben wir jetzt schon einen Finanzierungsbedarf, der überhaupt nicht geleistet werden kann. Da kommt es auf jede Million an.
Verlust von Geldern: Die Firmen, die direkt mit der Leverkusener Brücke verbunden und darauf angewiesen sind, in nächster Zeit doch endlich mal wieder mit ihren Lkws diese wichtige Brücke zu überqueren, haben im Schnitt einen Verlust von täglich 1.700 Euro.
Der volkswirtschaftliche Verlust ist noch immens größer. Wir haben es gerade eben leicht ansprechen dürfen. Die gesamten Kosten mit allem Drum und Dran belaufen sich im Augenblick auf tägliche 1,3 Millionen Euro. Sollte tatsächlich diese Brücke, die wir jetzt haben, ausfallen, dann sind wir bei sagenhaften 2,6 Millionen Euro täglich.
Verlust von Vertrauen: Wir haben gerade eben über die Informationspolitik gesprochen. Auch bei uns ist der Großteil der interessanten Fragen nicht beantwortet worden. Die Leute verlieren das Vertrauen. Die Speditionen, die ewig darauf warten, die Berufspendler, denen Lebenszeit fehlt, weil sie im Stau